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Venöse Thromboembolien bei onkologischen Patienten eine Herausforderung in der Praxis

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© CME-Verlag 2018 1 ONLINE ERSCHIENEN AM 26.06.2018

Venöse Thromboembolien bei onkologischen Patienten – eine Herausforderung in der Praxis

Univ.-Prof.in Dr.in Sabine Eichinger-Hasenauer, Wien

Zusammenfassung

Venöse Thromboembolien (VTE) und Tumorerkrankun- gen sind wechselseitig assoziiert. Die VTE kann sowohl Folge einer aktiven Krebserkrankung als auch deren Erstmanifestation sein. Aufgrund des hohen Rezidiv- und Blutungsrisikos stellt die Behandlung von Malig- nompatienten mit klinisch relevanten Gerinnungsstö- rungen in der täglichen Praxis eine Herausforderung dar.

In mehreren Studien zeigte niedermolekulares Heparin (NMH) einen deutlichen Vorteil gegenüber der Einnah- me von Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Daher empfeh- len die aktuellen Leitlinien eine 3- bis 6-monatige An- tikoagulation mit NMH.

Subgruppenanalysen der Phase-3-Studien der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) deuten ebenfalls auf Vorteile gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten mit tumorassoziierten venösen Thromboem- bolien hin. Doch welchen Nutzen bieten die neuen Sub- stanzen im direkten Vergleich mit NMH in diesem Pati- entenkollektiv?

Mittlerweile liegen erste Ergebnisse dedizierter Studien vor. Sowohl in der Hokusai-VTE-Cancer- als auch in der Select-D-Pilotstudie lag die Rezidivrate bei den mit Fak- tor-Xa-Hemmern behandelten Patienten nominal unter der der Heparin-Gruppe. Dagegen kamen schwere Blu- tungen unter beiden NOAK häufiger vor und manifes-

tierten sich insbesondere im Gastrointestinaltrakt. Ob der routinemäßige Einsatz von DOAK bereits in der Akut- und frühen Erhaltungstherapie tumorassoziierter VTE empfohlen werden sollte, wird aktuell diskutiert.

Lernziele

Am Ende dieser Fortbildung kennen Sie …

• die Relevanz Tumor-assoziierter venöser Thrombo- embolien (VTE),

• die klinischen Herausforderungen venöser Thrombo- embolien bei onkologischen Patienten,

• die Thrombogenität einzelner Tumorentitäten,

• den Ottawa-Score zur VTE-Rezidivrisiko- Stratifizierung,

• die Ergebnisse aktueller DOAK-Studien zur VTE- Therapie bei Malignompatienten.

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Einleitung

Die Inzidenz venöser Thromboembolien (VTE) bei Tu- morpatienten nimmt seit Ende der 1980er-Jahre stark zu. Ein bedeutender Risikofaktor, sowohl für die Entste- hung von VTE als auch für die Entwicklung maligner Erkrankungen, ist das Alter. Daher wird der Anteil an Patienten mit Krebs und klinisch relevanten Gerin- nungsstörungen in einer immer älter werdenden Gesell- schaft in Zukunft weiter zunehmen [1].

VTE und Malignom

Die Mehrzahl der venösen Thromboembolien ist zwar nicht tumorbedingt, dennoch lassen sich etwa 20 % aller VTE auf eine maligne Grunderkrankung zurückführen [2]. Die in Abbildung 1 angeführten Häufigkeiten von Tumorerkrankungen mit Thrombosen sind immer auch der Inzidenz der zugrunde liegenden Tumorerkrankung geschuldet.

Je höher die Inzidenz einer malignen Erkrankung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Krebspatien- ten in der Praxis mit einer gleichzeitigen Venenthrom- bose vorstellen. Zahlreiche Studien sind der Frage nach- gegangen, wie groß der Anteil der Patienten ist, die tatsächlich eine bis zum Zeitpunkt der Diagnosestellung tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie unerkannte Tumorerkrankung haben. Tabelle 1 zeigt die Er- gebnisse der diesbezüglichen Untersuchungen [3–7]. Im Laufe der Zeit wurden die Wahrschein- lichkeiten nach unten korrigiert. Die Auswertung jüngerer Studien weist ein durchschnittliches Risiko von 5 % aus, das heißt, jeder 20. Patient mit einer venösen Thromboembolie hat eine zugrunde liegende Tumorerkrankung. Bei diesen Patienten ist die venöse Thromboembolie die Erstmanifestation der Krebserkrankung.

Eine weitere, häufig diskutierte Frage ist, inwie- weit das Malignomrisiko bei Patienten mit Ve- nenthrombose über die Jahre anhält. Die Daten- lage hierzu ist uneinheitlich. Einige Auswertungen

zeigen, dass sich das Risiko verlängert, andere, im glei- chen Zeitraum publizierte Daten zeigen, dass es kein verlängertes Krebsrisiko gibt bzw. dass sich das Risiko nur auf die ersten 6 bis 12 Monate bezieht.

Die im Jahr 2017 publizierte Venenthrombosen-Studie einer Wiener Forschungsgruppe mit knapp 1200 Patien- ten mit bestätigter Venenthrombose hat das Malignom- risiko über 6 Jahre mit der gematchten allgemeinen Bevölkerung verglichen. Es zeigte sich, dass Patienten mit VTE über die Jahre gesehen kein erhöhtes Malignomrisiko besaßen. Das Risiko war jedoch in den ersten Monaten, maximal im ersten Jahr, erhöht [8].

Das bekannte zweite Gesicht der Venenthrombo- se ist, neben der prognostischen Bedeutung für maligne Erkrankungen, dass Patienten, die be- reits eine bekannte Tumorerkrankung haben, im weiteren Krankheitsverlauf ein erhöhtes Risiko besitzen, eine solche Venenthrombose oder Lun- genembolie zu entwickeln.

Das VTE-Risiko bei Malignompatienten ist im Vergleich zu Nichttumorpatienten um das 4- bis 7-Fache erhöht [9]. Das individuelle Risiko ist dabei von ganz unterschiedlichen Faktoren ab- hängig, die alle ineinandergreifen und zueinander wirken.

So weisen Tumorpatienten bereits aufgrund ihres meist fortgeschrittenen Alters ein erhöhtes Thromboserisiko auf. Zudem können sie perioperativ oder aus anderen Gründen schon vor der Diagnosestellung eine Thrombo- se erlitten haben.

Das Risiko venöser Thromboembolien ist insbesondere vom Tumor selbst abhängig, das heißt, die Thromboge- nität der einzelnen Tumorentitäten ist sehr unterschied- lich. Es ist bekannt, dass Patienten mit einem Gehirntu- mor, Patienten mit einer hämatologischen Tumorer- krankung, Patienten mit einem Ovarialkarzinom oder mit einem Pankreaskarzinom ein wesentlich höheres Thromboserisiko haben als zum Beispiel Patienten mit einem Mamakarzinom oder Patienten mit einem Lun- genkarzinom [10, 11]. Bei lokal beschränkten Tumoren Abb. 1: Inzidenz von Tumorerkrankungen bei Patienten mit VTE. Modifiziert nach

[2]

Abbildung 1Tabelle 1: Studien zum Malignomrisiko bei VTE-Diagnose

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ist das Risiko deutlich geringer als bei Tumoren im me- tastasierten Stadium.

VTE bei onkologischen Patienten – klinische Herausforderungen

Die Therapie von Patienten mit einer Tumorerkrankung, die eine Thromboembolie entwickeln, stellt aufgrund des hohen Rezidiv- und Blutungsrisikos oftmals eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar. So muss die Tumorbehandlung in der Regel unterbrochen werden, und die Patienten werden häufiger und länger hospitalisiert. Hierdurch ergeben sich nicht zuletzt Her- ausforderungen an das Gesundheitssystem und dessen Ressourcen.

Die Mortalität von Tumorpatienten, die eine Ve- nenthrombose entwickeln, ist wesentlich höher als bei Tumorpatienten ohne Venenthrombose. Und nicht zu- letzt ist das Rezidivrisiko von Tumorpatienten gegen- über Nichttumorpatienten deutlich erhöht.

Das Rezidivrisiko ist so hoch, dass ein eigener Score entwickelt wurde, um das VTE-Rezidivrisiko von Tumor- patienten vorherzusagen: der Ottawa-Score. Dieser Score berücksichtigt unterschiedliche Parameter, zum Beispiel das weibliche Geschlecht, die Diagnose Lun- genkrebs sowie das Vorliegen einer Thrombose in der Vorgeschichte. Frauen mit Brustkrebs oder Patienten mit einem TNM-Stadium I haben ein geringeres Risiko [12].

Ein Score-Wert von –3 bis 0 Punkten entspricht einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit und einem Re- zidivrisiko unter 4,5 % in 6 Monaten. Dagegen bedeutet ein Wert von 1 bis 3 eine hohe klinische Wahrscheinlich- keit und ein Risiko über 19 % in 6 Monaten. Der Ottawa- Score erlaubt so eine Stratifizierung der Patienten.

Antikoagulation onkologischer Patienten Eine besondere Herausforderung stellt das hohe Blu- tungsrisiko bei Thrombosepatienten mit einer Tumorer- krankung unter Antikoagulanzientherapie dar.

In ihrer wegweisenden Studie aus dem Jahr 2002 unter- suchten Prandoni et al., wie hoch das Risiko für schwere Blutungen bei Tumorpatienten nach venöser Thrombo- embolie unter der Therapie mit einem Vitamin-K- Antagonisten ist verglichen mit Nichttumorpatienten [13]. Abbildung 2 zeigt das kumulative Risiko über 12 Monate. Die durchgezogene Linie repräsentiert die Krebspatienten, die gestrichelte Kurve zeigt dagegen die Patienten, die mit Vitamin-K-Antagonisten behan- delt wurden und keine Tumorerkrankung hatten. Als Konsequenz aus dem erhöhten Rezidivrisiko dieser Pati- enten trotz Antikoagulation verbunden mit dem hohen Blutungsrisiko wurden schon sehr früh neue Konzepte zur Behandlung dieser Patientengruppe eingeführt.

Mehrere große randomisierte kontrollierte Studien ha- ben seither die langfristige Fortführung der Therapie mit niedermolekularem Heparin hinsichtlich der Wirksam- keit und Sicherheit im Vergleich zur VKA- Standardtherapie untersucht [14–18].

CLOT- und CATCH-Studien

Eine maßgebliche Studie in diesem Zusammenhang war die CLOT-Studie, in der Dalteparin mit Warfarin vergli- chen wurde [15]. Hierfür wurden insgesamt 676 Tumor- patienten mit akuter symptomatischer VTE eingeschlos- sen. Nach Randomisierung erhielten 338 Patienten je- weils 200 IE/kg Dalteparin über 1 Monat mit anschlie- ßender Dosisreduktion auf 150 IE/kg für weitere 5 Mona- te. Im Kontrollarm erhielten ebenfalls 338 Patienten nach initialer parenteraler Antikoagulation mit NMH über 5 bis 7 Tage eine Warfarin-Therapie über sechs Monate (INR-Zielbereich 2–3).

In der Dalteparin-Gruppe traten signifikant weniger symptomatische VTE-Rezidive während der 6- monatigen Behandlungsphase auf (8,0 % vs. 15,8 %, p=0,002). Sowohl das Gesamtblutungsrisiko (14 % unter NMH vs. 19 % unter VKA; p=0,09) als auch das Risiko für schwerwiegende Blutungen (5,6 % vs. 3,6 %; p=0,27) war in beiden Gruppen vergleichbar, ebenso die Mortalitäts- rate am Ende des Behandlungszeitraums (39 % vs. 41 %, p=0,53).

Die größte Studie zur Thrombosetherapie bei Tumorpa- tienten, die CATCH-Studie an 900 Patienten, verglich Tinzaparin mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin [18]. Zwar zeigte sich eine deutliche Reduktion der TVT- Ereignisse, das primäre Studienziel, das heißt die signi- fikante Reduktion von Rezidiv-Thromboembolien, wur- de jedoch nicht erreicht.

Abb. 2: Kumulatives Risiko für schwerer Blutungen unter VKA- Therapie bei Krebspatienten und Nichttumorpatienten [13]

(4)

Eine Gegenüberstellung der bislang durchgeführten Studien zur VTE-Prophylaxe bei Malignompatienten zeigt, dass das Rezidivrisiko, dargestellt in Dunkelblau für die Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten und in Hellblau für Patienten, die niedermolekulares Heparin erhalten haben, unter der VKA-Therapie deutlich höher liegt als unter NMH. Besonders anschaulich konnte der Zusammenhang in der CLOT-Studie gezeigt werden.

Hinsichtlich der schweren Blutungen zeigte sich in den Studien insgesamt kein signifikanter Unterschied zwi- schen niedermolekularem

Heparin und Vitamin-K- Antagonisten, auch nicht bei der Mortalität. Sowohl in der CLOT-Studie als auch in der CATCH-Studie starben über 30 % der Patienten im Studienver- lauf [15, 18].

Nicht zuletzt die Ergebnis- se der CLOT-Studie haben dazu geführt, dass die AWMF-Leitlinien Diagnos- tik und Therapie der Ve- nenthrombose und der Lungenembolie aus dem Jahr 2015 empfehlen, Pa-

tienten mit einer zugrunde liegenden Tumorerkrankung, die eine Thrombose entwickeln, weiterhin mit NMH zu behandeln und nicht auf VKA umzustellen [19]. Ähnliche Empfehlungen geben auch internationale Leitlinien.

Die Therapiedauer wird üblicherweise mit 3 bis 6 Mona- ten festgelegt. Dies stellt mitunter eine große Heraus- forderung sowohl für den behandelnden Arzt als auch für die Patienten dar. Die neuen direkten oralen Antiko- agulanzien (DOAK) könnten daher künftig ein alternati- ves Therapieregime ermöglichen.

Im Rahmen ihrer kombinierten Metaanalyse der DOAK Phase-3-Studien Hokusai-VTE, RE-COVER, RE-COVER II, AMPLIFY, EINSTEIN-DVT und EINSTEIN-PE unter- suchten Nick van Es und Kollegen die Sicherheit und Wirksamkeit der neuen oralen Antikoagulanzien in der VTE-Therapie auch für die Subgruppe der Patienten mit einer malignen Grunderkrankung [20]. Innerhalb der Tumorkohorte selbst zeigte sich unter der Therapie mit DOAK ein signifikant niedrigeres VTE-Rezidivrisiko ge- genüber der Therapie mit VKA bei einem vergleichbaren Risiko für schwere Blutungen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die direkten oralen Antikoagulanzien eine wirksame und sichere Alternative zu VKA in der Thera- pie der tumorassoziierten VTE darstellen können.

Die Aussagekraft ist dennoch eingeschränkt, da diese Studien nicht im Vergleich zum Therapiestandard NMH durchgeführt wurden, die Patienten selektiert wurden

und die Malignome schlecht definiert waren. Aus die- sem Grund wurden in den letzten Jahren eigene Studien konzipiert, in die speziell Tumorpatienten mit stattge- habter tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie eingeschlossen wurden.

Hokusai-VTE-Cancer

In der Hokusai-VTE-Cancer-Studie wurden Patienten in zwei Behandlungsarme randomisiert. Die Edoxaban- Gruppe erhielt initial niedermolekulares Heparin über 5

Tage und anschließend 1x täglich Edoxaban 60 mg. Im Vergleichsarm wurden die Patienten auf Dalteparin 200 Einheiten pro kg Körpergewicht für 1 Monat eingestellt und anschließend mit der empfohlenen reduzierten Dosis von 150 Einheiten pro kg Körpergewicht weiter- behandelt. Die Studiendauer war auf 6 bis 12 Monate angelegt, und der primäre Endpunkt, die Kombination aus einem VTE-Rezidiv und einer schweren Blutung, war in beiden Untersuchungsarmen gleich [21].

Die Patientencharakteristika zeigen, dass 98 % der Pati- enten zu Studienbeginn eine aktive Tumorerkrankung hatten. 52 % der Patienten wiesen eine Lungenembolie mit oder ohne TVT auf, bei einem guten Drittel der Pati- enten wurde eine TVT und bei einem weiteren Drittel eine zufällig gefundene TVT oder LE dokumentiert.

Tabelle 2 stellt den primären Studienendpunkt dar, der als kombinierter Endpunkt aus VTE-Rezidiven und schweren Blutungen definiert war. Außerdem wurden die Ergebnisse aufgeschlüsselt in die Einzelraten der VTE-Rezidive und schweren Blutungen. Insgesamt lag die Zahl der Rezidive in der Edoxaban-Gruppe im Ver- gleich zum Heparin-Arm niedriger. Der Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant. Schwere Blutun- gen kamen in der Edoxaban-Gruppe häufiger vor als in der Dalteparin-Gruppe. Dieser Unterschied war signifi- kant und ist in erster Linie auf eine höhere Häufigkeit von Blutungen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt bei Tab. 2: Ergebnisse der HOKUSAI VTE Cancer-Studie: Primärer Sicherheitsendpunkt [21]

(5)

Patienten, die der Edoxaban-Gruppe zugewiesen waren, zurückzuführen.

Abbildung 3 stellt den kumulativen Verlauf des VTE- Rezidivrisikos grafisch dar. Im Edoxaban-Arm betrug die Rezidivrate 7,9 % (HR 0.71 (0.48–1.06)). Dagegen lag die Ereignisrate in der Dalteparin-Gruppe mit 11,3 % nume- risch höher.

Ein umgekehrtes Bild zeigte sich bei den Blutungsraten.

In der Edoxaban-Gruppe lag diese bei 6,9 % verglichen mit 4,0 % im Dalteparin-Arm (HR 1.77 (1.03–3.04)).

Select-D-Pilotstudie

Eine weitere adäquat durchgeführte kontrollierte Studie ist die offene Select-D-Pilotstudie. Hier wurde die Wirk- samkeit und Sicherheit von Rivaroxaban in der VTE- Therapie bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung untersucht.

Insgesamt wurden 406 Patienten randomisiert und ent- weder mit Rivaroxaban 15 mg 2x täglich für 21 Tage und anschließend 20 mg 1x täglich oder mit Dalteparin 200 IE/kg 1x täglich für die ersten 30 Tage gefolgt von 150 IE/kg 1x täglich bis zum Beobachtungsende nach 6 Mo- naten behandelt.

Die Patienten wiesen zu über 60 % metastasierende Tumoren auf, und ca. 70 % wurden mit einer Tumorthe- rapie behandelt. Am häufigsten wurden Patienten mit kolorektalen Tumoren eingeschlossen.

Innerhalb des 6-monatigen Behandlungszeitraums ab Einschluss in die Studie traten unter Rivaroxaban signifi- kant niedrigere VTE-Rezidivraten (primärer Stu- dienendpunkt) auf als unter Dalteparin (HR: 0,48 KI 95 % 0,19–0,99). Entsprechend lag die VTE-Rezidivrate zum Beobachtungsende unter Rivaroxaban bei 4 % (95% CI 2–8 %) und bei den mit Dalteparin behandelten Patien- ten bei 11 % (95 % CI 3–11 %) [22].

Insgesamt wurden unter Rivaro- xaban und Dalteparin wenige schwere Blutungsereignisse beobachtet. Die 6-Monats- Raten schwerer Blutungen be- trugen 4 % unter Dalteparin und 6 % unter Rivaroxaban (HR 1,83, 95 % KI 0,68–4,96). Die häufigs- ten schweren Blutungen traten im gastrointestinalen Bereich auf. Weder in der Rivaroxaban- noch in der Dalteparin-Gruppe wurden Blutungen im ZNS beo- bachtet. Die Gesamtüberlebens- rate in der Rivaroxaban-Gruppe lag nach 6 Monaten bei 74 % und in der Dalteparin-Gruppe bei 70 % [22].

Zusammenfassung

Venöse Thromboembolien (VTE) und Tumorerkrankun- gen stehen in einer wechselseitigen Beziehung. Bei Pa- tienten, die sich aufgrund einer tiefen Beinvenenthrom- bose oder einer Lungenembolie vorstellen, sollte daher ggf. auch an eine zugrunde liegende Tumorerkrankung gedacht werden.

Die vorgestellten DOAK-Studien zur Antikoagulation von Tumorpatienten nach VTE eröffnen neue Therapie- optionen. Zur Akut- und frühen Erhaltungstherapie tu- morassoziierter VTE werden DOAK in den derzeitigen Leitlinien noch nicht empfohlen.

Die dokumentierten gastrointestinalen Blutungen unter DOAK werfen die Frage auf, ob Patienten mit GI- Tumoren mit diesen Medikamenten behandelt werden sollen.

Ebenfalls offen bleibt die Frage der optimalen Behand- lungsdauer. Derzeit liegen Daten für eine Behandlungs- dauer von 6 bis 12 Monaten vor.

Die gegenwärtigen Subgruppenanalysen zeigen sehr konsistente Daten. Dennoch sind die Fallzahlen ver- gleichsweise klein, um einzelne Tumorentitäten valide abzubilden. Wichtige Fragestellungen ergeben sich ins- besondere hinsichtlich der Medikamenteninteraktionen aufgrund der P-Glykoprotein- und/oder CYP3A4- Verstoffwechselung der DOAK.

Sind die jetzt für Edoxaban und Rivaroxaban vorgeleg- ten Daten übertragbar auf andere direkte orale Antiko- agulanzien? Möglicherweise werden neue Leitlinien- empfehlungen erst ausgesprochen, wenn die laufenden Studien zu diesen Medikamenten, wie zum Beispiel die CARAVAGGIO-Studie mit Apixaban und die CANVAS- Studie, ausgewertet sind.

Abb. 3: Ergebnisse der HOKUSAI VTE Cancer-Studie: kumulativer Verlauf des Rezidivrisikos beider Stra- ta [21]

(6)

Literatur:

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19. AWMF. S2-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA):

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20. van Es N et al. Direct oral anticoagulants compared with vitamin K antagonists for acute venous thrombo- embolism: evidence from phase 3 trials. Blood.

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21. Raskob GR et al. Edoxaban for the Treatment of Cancer-Associated Venous Thromboembolism. N Engl J Med. 2018 Feb 15;378(7):615–624.

22. Young et al. ASH 2017; Poster PO625.

Redaktion:

Redaktionelle Leitung/Realisation J.-H. Wiedemann

CME-Verlag

Siebengebirgsstr. 15 53572 Bruchhausen

E-Mail: info@cme-verlag.de

(7)

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Autor:

Univ.-Prof.in Dr.in Sabine Eichinger-Hasenauer Univ. Klinik für Innere Medizin I

Medizinische Universität Wien Währinger Gürtel 18-20 1090 Wien

Österreich

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Welche Aussage zur Inzidenz venöser Thromboembolien bei Tumorpatienten ist richtig?

Die Inzidenz venöser Thromboembolien bei Tumorpati- enten nimmt seit Ende der 1980er-Jahre deutlich ab.

Die jährliche VTE-Inzidenz bei Tumorpatienten beträgt 1:150.000.

Fast jede 5. VTE lässt sich auf eine maligne Grunder- krankung zurückführen.

Das Risiko einer venösen Thromboembolie ist bei Tu- morpatienten nicht wesentlich erhöht.

Epidemiologisch betrachtet ist jeder 3. Patient mit einer venösen Thromboembolie ein Tumorpatient.

Welche Aussage zum VTE-Risiko bei Malignompatienten ist richtig?

Das VTE-Risiko bei Malignompatienten ist im Vergleich zu Nichttumorpatienten um das 4, bis 7-Fache erhöht.

Im Vergleich zu Nichttumorpatienten ist das VTE-Risiko bei Krebspatienten etwa doppelt so hoch.

Tumorpatienten haben aufgrund ihres meist fortge- schrittenen Alters kein erhöhtes Thromboserisiko mehr.

Das Risiko venöser Thromboembolien ist unabhängig vom Tumor selbst.

Eine Brustkrebserkrankung bringt ein deutlich höheres VTE-Risiko mit sich als ein Pankreaskarzinom.

In der Vergangenheit wurden verschiedene Kenngrößen entwickelt, um das Thromboserisiko bei Tumorpatienten zu stratifizieren, darunter der „Ottawa-Score. Welche Aussage ist FALSCH?

Der „Ottawa-Score“ berücksichtigt verschiedene Pri- märtumoren.

Die Thrombozytenzahl vor Beginn einer Chemotherapie wird mit 1 Punkt gewichtet.

Ein Wert von 1 bis 3 bedeutet eine hohe klinische Wahr- scheinlichkeit.

Eine stattgehabte VTE wird berücksichtigt.

Das weibliche Geschlecht geht in die Berechnung mit ein.

Welche Aussage zur Hokusai-VTE-Cancer-Studie ist FALSCH?

Die Hokusai-VTE-Cancer-Studie hat Edoxaban gegen Dalteparin getestet.

Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden.

Die Studiendauer war auf 6 bis 12 Monate angelegt.

98 % der eingeschlossenen Patienten hatten eine aktive Tumorerkrankung.

Die Zahl der Rezidive in der Edoxaban-Gruppe war nied- riger als im Heparin-Arm, allerdings statistisch nicht sig- nifikant.

In den Studien CLOT und CATCH wurde die bisherige Standardtherapie aus niedermolekularem Heparin ge- folgt von einem Vitamin-K-Antagonisten über 3 bis 6 Mo- nate mit einer langfristigen Anwendung von niedermole- kularem Heparin verglichen. Welche Aussage trifft zu?

In der CLOT-Studie wurde Tinzaparin mit Warfarin ver- glichen.

Die CLOT-Studie war die größte bislang durchgeführte Studie zur Thrombosetherapie bei Tumorpatienten.

In der CATCH-Studie wurde das primäre Studienziel, die signifikante Reduktion von Rezidiv-

Thromboembolien, eindrucksvoll erreicht.

In der CATCH-Studie wurde Warfarin mit Enoxaparin- Natrium verglichen.

In der CLOT-Studie traten in der Heparin-Gruppe signi- fikant weniger symptomatische VTE-Rezidive als unter VKA auf.

Die aktuelle S2-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der VTE empfiehlt für Tumorpatienten mit Thrombose im Anschluss an die initiale Antikoagulation eine Erhaltungs- therapie anzuschließen …

… für 4 Wochen.

… für maximal 3 Monate.

… für mindestens 6 Monate.

… für zunächst 3 bis 6 Monate.

… ein Leben lang.

Welche Medikamentengruppen empfehlen die Leitlinien zur Akut- und frühen Erhaltungstherapie (3 bis 6 Monate) tumorassoziierter venöser Thromboembolien?

ASS

DOAK

VKA

NMH

Clopidogrel

Welche der nachfolgenden Aussagen zur Select-D- Pilotstudie ist FALSCH?

In der Select-D-Pilotstudie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban zur VTE-Therapie und - Prophylaxe bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung untersucht.

Im DOAK-Arm erhielten die Patienten Rivaroxaban 15 mg 2xtäglich für 21 Tage und anschließend 20 mg 1x täglich.

Im Heparin-Arm wurden die Patienten auf Dalteparin 200 IE/kg 1x täglich für die ersten 30 Tage gefolgt von 150 IE/kg 1x täglich eingestellt.

Hinsichtlich der Patientencharakteristika lassen sich die Select-D-Pilotstudie und die Hokusai-VTE-Cancer- Studie nicht vergleichen.

Unter Rivaroxaban kam es numerisch seltener zu VTE- Rezidivraten.

Fragebogen

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• Es ist immer nur eine Antwortmöglichkeit richtig (keine Mehrfachnennungen).

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© CME-Verlag 2018 9 Welche Aussage zu venösen Thromboembolien bei onko-

logischen Patienten trifft zu?

Eine Unterbrechung der Tumorbehandlung infolge einer VTE ist nicht indiziert.

Das Blutungsrisiko bei Malignompatienten ist geringer als bei Nichttumorpatienten.

Das Rezidivrisiko von Tumorpatienten ist gegenüber Nichttumorpatienten deutlich erhöht.

Eine orale Antikoagulation von Tumorpatienten ist un- problematisch.

Tumorpatienten mit VTE haben eine gute Prognose.

Welche Aussage trifft zu?

In den großen Phase-3-Studien der DOAK waren Tu- morpatienten grundsätzlich ausgeschlossen.

Bislang gibt es keinen direkten Vergleich zwischen DO- AK und NMH bei Patienten mit tumorassoziierten venö- sen Thromboembolien.

Seit ihrem Erscheinen im Jahr 2015 empfehlen die Leit- linien den routinemäßige Einsatz von DOAK in der Akut- und frühen Erhaltungstherapie der tumorassozi- ierten VTE.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass DOAK weniger wirksam und sicher sind als VKA.

Die Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen unter DO- AK ist höher als unter NMH.

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