A 1212 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 26|
27. Juni 2014 wurden die Daten von mehr als420 000 Patienten eines Alters von mindestens 50 Jahren, die sich in circa 300 Krankenhäusern in 9 eu- ropäischen Ländern chirurgischen Eingriffen (in rund 50 % am Bewe- gungsapparat) unterzogen hatten.
Die Arbeitsbelastung der Schwes- tern wurde in der Patient/nurse-Ra- tio ausgedrückt; der Ausbildungs- stand im Prozentsatz derer, die ei- nen Bachelor-Abschluss hatten.
Gemäß dieser, als Parameter für pflegerische Kompetenz nicht un- strittigen Definition müssten Spa- nien und Norwegen mit 100 % Ba- chelor-Krankenschwestern das meiste gut ausgebildete Pflegeper- sonal haben, England und die Schweiz das wenigste (28 und 10 %).
Resultat der Studie: Mit der Ar- beitslast der Pfleger und Pflegerin- nen steigt die Mortalität der Patien- ten: mit jedem zusätzlichen Patien-
ten, den eine Schwester versorgen muss, nimmt die Wahrscheinlich- keit, dass ein chirurgischer Patient binnen 30 Tagen nach der Aufnah- me stirbt, um 7 % zu. Um ebenfalls 7 % nimmt hingegen die Sterblich- keit mit jeder 10%igen Zunahme des Anteils der mit einem Bachelor- Abschluss ausgestatteten Patienten ab (p ≤ für beides 0,002). In Klini- ken, in denen 60 % der Kranken- schwestern einen Bachelor haben und sich im Durchschnitt um 6 Pa- tienten kümmern, liegt die Sterb- lichkeit um 30 % unter jener von Kliniken, in denen die Schwestern nur in 30 % einen Bachelor-Ab- schluss vorweisen können und im Durchschnitt eine jede von ihnen 8 Patienten versorgt.
Fazit: Arbeitsbelastung und Qualifi- kation sind wichtige Determinanten der Behandlungsqualität im Kran- kenhaus. Das belegt nach Einschät-
zung von Prof. Dr. med. Daniel Grandt, Universitätsklinikum Saar- brücken, auch diese große Studie.
Das Ergebnis sei naheliegend und gelte nicht nur für Pflegekräfte, sondern auch für Ärzte und Apothe- ker: „In Deutschland gibt es im Un- terschied zu den untersuchten Län- dern bisher keine Akademisierung der praktisch Pflegenden, so dass die Ergebnisse nicht direkt über- tragbar sind. Übertragbar und zwin- gend anzuwenden aber ist die Er- kenntnis, dass der Zusammenhang zwischen Personalschlüssel und Behandlungsqualität/Patientensicher- heit so deutlich ist, dass Diskussio- nen über die Personalausstattung von Krankenhäusern nicht mehr entkoppelt davon erfolgen dürfen.“
Dr. med. Ronald D. Gerste
Aiken LH, et al.: Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European Countries: a retrospective observational study.
Lancet 2014, 383: 1824–30.
Alle kombinierten oralen Kontra- zeptiva (KOK) steigern das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) auf mindestens das Zweifa- che bis zum Sechsfachen. Es be- steht eine Korrelation zur Art des Gestagens und der Dosis von Ethi- nylestradiol (EE2), wie die jüngste Metaanalyse bestätigt.
Die Inzidenz von VTE bei jun- gen Frauen ohne Pilleneinnahme ist mit 1,9 bis 3,7 pro 10 000 Frauen- jahre niedrig. Die relative Risiko- Erhöhung durch die „Pille“ gewinnt jedoch deshalb an Gewicht, weil diese Form der Kontrazeption weit verbreitet ist. Die deutschen Behör- den haben unlängst mit einem „Ro- te-Hand-Brief“ reagiert.
Dieses gesteigerte VTE-Risiko ist seit langen Jahren bekannt.
Niedrig dosierte Levonorgestrel- Präparate erhöhen das Risiko im Vergleich am wenigsten. Zu diesem Ergebnis kommt auch die jüngste Metaanalyse, in die 26 Studien ein- gingen. Im Vergleich lag das relati- ve Risiko bei KOK mit 30–35 µg EE2 und Gestoden, Desogestrel, Cyproteronacetat oder Drospirenon um 50 bis 80 Prozent höher. Bestä- tigt hat sich auch der Einfluss der Estrogendosis: Je höher, desto hö- her die VTE-Gefahr.
Fazit: Aus den Daten leiten die Stu- dienautoren die Empfehlung ab, bei
der Verschreibung der Pille kombi- nierte Präparate mit der niedrigsten möglichen Dosis von Ethinylestra- diol und der „besten compliance“
zu wählen: 30 µg EE2 mit Levonor- gestrel (LNG). Sie raten gleichzei- tig von der gängigen Praxis ab, bei Spottings auf die 50 µg EE2-LNG- Pille umzustellen: Dadurch werde das VTE-Risiko erheblich erhöht.
Dieser Empfehlung schließt sich Prof. Dr. med. Michael Ludwig, Hamburg, an: Das Thromboserisiko werde in erster Linie durch die syste- mische Ethinylestradiolgabe bzw.
die orale Estradiolgabe bestimmt.
Orale Gestagen-Mono-Präparate – mit Ausnahme von Norethisteron- acetat – und die Gestagenkomponen- te in den kombinierten Kontrazepti- va dagegen erhöhen dieses Risiko gar nicht oder nur marginal. Ein er- heblicher Teil des aktuell in einigen Studien erkennbaren Unterschieds zwischen den Gestagenkomponen- ten sei vermutlich Folge eines Selek- tionsbias. Dr. rer. nat. Renate Leinmüller
Stegeman B, et al.: Different combined oral contraceptives and the risk of venous throm- bosis: systematic review and network meta- analysis. BMJ 2013; 347: f5298 DOI:
10.1136/bmj.f5298 ORALE KONTRAZEPTIVA UND VENÖSE THROMBOEMBOLIEN
Geringes absolutes VTE-Risiko, aber weite Verbreitung
GRAFIK
Relatives Risiko für tiefe venöse Thrombosen bei Verordnung von Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparaten
Relatives Ereignisrisiko (Mittel mit 95-%-Konfidenzintervall)
Nichtgebrauch = Referenzgruppe
20 µg Et hinylestradiol (EE
)
mit Levonorgestrel 30 µ
g E E m
it Lev onorges
trel
50 µg E E m
it Lev onorges
trel
20 µg EE m it G
estoden
30 µg EE m it G
estoden
20 µg EE mit D
esoge strel
30 µg E E m
it D esoge
strel
35 µg EE m it N
orge stimat
35 µg E E m
it C yproter
onaceta t
30 µg E E m
it D rospirenon
modifiziert nach: BMJ 2013; 347: f5298 DOI:10.1136/bmj.f5298
Orale Kontrazeptiva