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Neue Ära in der Thromboseprophylaxe

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Academic year: 2022

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DA N I E L D E S A L M A N D

Im Jahr 2004 verstarben in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schwe- den und Grossbritannien zusammen 370 000 Personen an den Folgen von Thromboembolien (1). Die Mehrheit der Thrombosen tritt bei älteren Perso- nen auf und ist mit transienten Risiko- fak toren assoziiert. Die häufigsten sind Operation oder Trauma, medizinische Krankheit (Krebs, Myokardinfarkt, Herz insuffizienz usw.), Bettlägerigkeit, Schwangerschaft und die Einnahme von oralen Kontrazeptiva oder anderen thrombosebegünstigenden Medikamen- ten. Bei einmal durchgemachter Throm- bose besteht ein Trend zum Rezidiv.

Bei der Thromboseprophylaxe besteht Handlungsbedarf

Insbesondere bei chirurgischen Patien- ten nach grösseren orthopädischen Ein- griffen, aber auch bei medizinischen, kranken Patienten mit Bettruhe wird zur Senkung des Thromboembolierisikos eine Prophylaxe empfohlen. Die Richt - linien werden aber nur ungenügend umgesetzt. Die 2008 publizierte Aus-

wertung des Swiss Venous Thrombo - embolism Registry zeigte, dass in der Schweiz bei den medizinischen Patien- ten lediglich 48 Prozent und bei den chir- urgischen nur 70 Prozent eine Prophy- laxe erhielten (2). Wurden einzig Patienten mit einer Indikation für eine Prophylaxe berücksichtigt, so betrugen die Raten 52 Prozent für medizinische und 76 Pro- zent für chirurgische Patienten.

Klassische Antikoagulanzien haben gewichtige Nachteile

Heparine und Vitamin-K-Antagonisten haben sich als effektive Medikamente zur Verhinderung von arteriellen und ve- nösen Thrombosen etabliert. Sie haben aber eine Reihe von Nachteilen; so kön- nen unfraktioniertes Heparin und nieder- molekulares Heparin (NMH) nur par - enteral verabreicht werden, und die hepa- rin induzierte Thrombozytopenie ist eine zwar seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation. Die Vitamin-K-Antagonis- ten ihrerseits haben einen verzögerten Wirkungseintritt, eine enge therapeuti- sche Breite, machen ein Labormonitoring unumgänglich und inter agieren mit der Nahrung und anderen Medikamenten (3).

Rivaroxaban läutet die Ära der neuen Antikoagulanzien ein

Rivaroxaban (Xarelto®) ist in der Schweiz seit Anfang 2009 zur Thromboseprophy- laxe nach grösseren orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten zugelassen. Es ist zurzeit das einzige in der Schweiz zugelassene direkt wir- kende Antikoagulans, das oral einge- nom men werden kann. Es kann von allen über 18-jährigen Patienten, unab- hängig vom Körpergewicht, in ei ner fixen Dosierung von 10 mg pro Tag ein- genommen werden und braucht kein Monitoring. Weitere Vorteile sind eine Bioverfügbarkeit von zirka 90 Prozent und eine grosse therapeutische Breite.

Weil nur ein Drittel der Substanz unver- ändert durch die Nieren ausgeschieden wird, kann es auch bei eingeschränkter Nierenfunktion bis zu einer Kreatinin- clearance von 15 ml/min verabreicht werden. Bei einer Clearance zwischen 15 und 30 ml/min ist allerdings Vorsicht geboten (4).

Ausgezeichnete Wirksamkeit ohne Erhöhung des Blutungs - risikos

Die europäischen RECORD-Studien 1 bis 3 haben die antithrombotische Wirkung und Sicherheit von Rivaroxaban an Tau- senden von Patienten mit Hüft- und Knie- Totalprothesen-Implantation unter- sucht, und zwar im Vergleich zum Gold- standard Enoxaparin (Clexane®) (5–7).

Alle drei europäischen Studien sowie die amerika nische RECORD-4-Studie, in der 10 mg Rivaroxaban gegen zweimal täglich 30 mg Enoxaparin verglichen wurde, haben bei vergleichbarer Blu- tungsrate eine signifikante Reduktion thromboembolischer Ereignisse durch B E R I C H T

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ARS MEDICI 13 2009

Neue Ära in der Thromboseprophylaxe

Bericht von der 53. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) 2009 in Wien

Die Vorstellung der neuen Antikoagulanzien war eines der Highlights am

diesjährigen GTH-Kongress in der Wiener Hofburg. Das erste in der

Schweiz zugelassene direkte Antikoagulans mit dem Namen Rivaroxaban,

welches in fixer Dosierung und ohne Monitoring oral eingenommen

werden kann, hat sich im Vergleich zum Goldstandard Enoxaparin bei

Patienten nach Einsatz von Knie- und Hüftprothesen als äusserst effektiv

und einfach in der Handhabung erwiesen.

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B E R I C H T

ARS MEDICI 13 2009

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Rivaroxaban gezeigt. Die beste klinische Beurteilung lässt die vordefinierte Ana- lyse der drei europäischen Studien zu, in welche die Daten von 9581 Patienten einflossen. Diese erhielten nach einem Hüftgelenkersatz während 2 bis 5 Wo- chen respektive nach einem Kniegelenk-

ersatz während zwei Wochen entweder täglich 10 mg Rivaroxaban oral oder 40 mg Enoxaparin s.c. Symptomatische Thrombo embolien und Gesamtmortali- tät als primärer Endpunkt wurden unter Rivaroxaban, im Vergleich zu Enoxa parin, nach zwei Wochen hal biert (Abbil dung 1).

Schwere Blutungen – der primäre Sicher- heitsendpunkt – traten in beiden Grup- pen gleich viele auf (Abbildung 2).

Abgesehen von den Blutungen war die Einnahme von Rivaroxaban nicht mit mehr Nebenwirkungen assoziiert als die Verab- reichung von Enoxaparin. Insbesondere Prof. Wuillemin, was sind für Sie die wichtigs -

ten neuen Erkenntnisse im Bereich Thrombose- prophylaxe?

Für mich ist die Erkenntnis am wichtigsten, dass die venöse Thromboembolieprophylaxe nur so gut ist wie ihre konkrete Anwendung: Diejeni- gen Patienten, die sie brauchen, müssen sie er- halten, und wer keine Prophylaxe braucht, soll

«verschont» bleiben. Eine zweite wichtige Er- kenntnis: Die Hoffnung, dass die neuen Antiko - agulanzien bei der Thromboembolieprophylaxe für den Patienten sowohl medizinische wie auch prak tische Vorteile haben werden, war noch nie so gross.

Eine labormässige Thrombophilie scheint auf die klinische Entscheidungsfindung nicht den Einfluss zu haben wie früher angenommen.

Bei welchen Patienten empfeh- len Sie denn heute noch eine Thrombophilieabklärung?

Ich empfehle heute eine Thrombo- philie abklärung bei Personen, die vor dem 45. bis 50. Altersjahr eine venöse Thromboembolie durch- gemacht haben, sowie bei älte- ren Patienten, bei denen eine venöse Thrombo - embolie an einer speziellen Lokalisation aufge- treten ist — etwa eine Bauchvenen thrombose mit konsekutiver Suche nach einem myelo - proliferativen Syndrom —, und zum Beispiel bei asymptoma tischen Individuen aus Familien, die einen Defekt mit hohem Thromboembolierisiko (z.B. Antithrombinmangel) aufweisen.

Wie beurteilen Sie die klinische Bedeutung der vorgestellten Studienresultate zu Rivaroxa- ban für die Praxis?

Die vorgestellten Studienresultate zu Rivaroxa- ban bei Hüft- oder Kniegelenkersatz sind er- freulich. Ohne dass es zu einer signi fikanten Zu- nahme von klinisch relevanten Blutungen kam, fand sich bei den Patienten, die Rivaroxaban als venöse Thromboembolieprophylaxe erhielten,

eine geringere Rate venöser Thromboembolien als unter Enoxaparin. Zusammen mit dem Vor- teil der per oralen Einnahme und dem Umstand, dass kein Monitoring — auch keine Thrombozy- tenbestimmung — notwendig ist, ist die klini- sche Bedeutung sehr gross.

Werden die oralen, direkt wirkenden Anti - koagulanzien die etablierten Vitamin-K- Ant agonisten und die NMH in der Thrombose- prophylaxe und eventuell später auch -therapie in naher Zukunft verdrängen? Wie ist Ihre Einschätzung?

Sofern sich die positiven Resultate bestätigen und auch in den laufenden Studien keine ande- ren Resultate gefunden werden, ist da mit zu rechnen, dass die oralen, direkt wirkenden Anti- koagulanzien in vielen Indikationen und vielen Situationen die etablierten Antikoagulanzien wie Vitamin-K-Antagonis ten und niedermoleku- lare Heparine ersetzen werden.

Hinweis: Auf www.tellmed.ch finden Sie unter Fortbildung ein von der SGIM akkreditiertes E-Learning-Modul zum Thema Prophylaxe und Therapie der tiefen Venenthrombose.

I N T E R V I E W

mit Prof. Dr. Dr. med. W.A. Wuillemin, Luzern

2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0

Inzidenz (%)

56% Reduktion p < 0,005

RECORD 1—3 gepoolt (n = 9581)

Enoxaparin 40 mg

Rivaroxaban 10 mg 0,8%

0,4%

2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0

Inzidenz (%)

Enoxaparin 40 mg

Rivaroxaban 10 mg

0,2% 0,2%

p = 0,662

RECORD 1—3 gepoolt (n = 9581)

Abbildung 1: Symptomatische Thromboembolien und Gesamtmortalität nach 2 Wochen (8) Abbildung 2: Schwere Blutungen nach 2 Wochen (8)

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ARS MEDICI 13 2009

kardiovaskuläre Ereignisse und Leber- enzymerhöhungen waren in beiden Gruppen gleich häufig.

Die Resultate von RECORD-2 geben ei nen Hinweis darauf, dass eine fünfwö chige Thromboseprophylaxe mehr Throm bo - embolien verhindert als eine zweiwö- chige (6). Die Patienten, welche während fünf Wochen Rivaroxaban einnah men, hatten gegenüber solchen, die zwei Wo- chen Enoxaparin und danach Plazebo verabreicht erhielten, ein um fast 80 Pro - zent reduziertes Risiko für eine Thrombo- embolie (9,3 vs. 2,0%, p<0,0001). In der Schweiz wird nach grösseren ortho -

pädischen Eingriffen eine Prophylaxe- mindestdauer von vier bis sechs Wo-

chen empfohlen (9).

Dr. med. Daniel Desalmand Mediscope Knowledge Center, Zürich

Interessenlage: Der Bericht entstand mit Unter - stützung der Firma Bayer (Schweiz) AG.

Referenzen:

1. Cohen AT et al. Venous thromboembolism (VTE) in Europe.

The number of VTE events and associated morbidity and mortality. Thromb Haemost 2007; 98: 756—764.

2. Kucher N et al. Clinical predictors of prophylaxis use prior to the onset of acute venous thromboembolism in hospitalized patients SWIss Venous ThromboEmbolism Registry (SWIV- TER). J Thromb Haemost 2008; 6: 2082—2087.

3. Weitz JI et al. New antithrombotic drugs: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8thEdition). Chest 2008; 133 (6 Suppl): 234S—256S.

4. Arzneimittel-Kompendium der Schweiz.

5. Eriksson BI et al. Rivaroxaban versus enoxaparin for throm - bo prophylaxis after hip arthroplasty. N Engl J Med 2008; 358:

2765—2775.

6. Kakkar AK et al. Extended duration rivaroxaban versus short- term enoxaparin for the prevention of venous thromboembo- lism after total hip arthroplasty: a double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2008; 372: 31—39.

7. Lassen MR et al. Rivaroxaban versus enoxaparin for thrombo- prophylaxis after total knee arthroplasty. N Engl J Med 2008;

358: 2776—2786.

8. Eriksson BI et al. Oral rivaroxaban for the prevention of symptomatic venous thromboembolism after elective hip and knee replacement. J Bone Joint Surg Br 2009; 91: 636—644.

9. Wuillemin WA et al. Prophylaxe venöser Thromboembolien.

Schweiz Med Forum 2007; 7: 198—204.

Referenzen

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