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Pauschalkritik am Gesundheitswesen in Deutschland ist falsch!

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Editorial

216 Ärzteblatt Sachsen 6/2004

Der Vergleich „Mercedes zahlen und Volks- wagen fahren“ wird in der öffentlichen Dis- kussion immer wieder benutzt, um das deut- sche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich als teuer und nur mittelmäßig leis- tungsfähig darzustellen. Grundlage dieser Be- hauptung sind im Wesentlichen eine Unter- suchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Deutschland im internationalen Vergleich nur Platz 25, zuweist sowie Statisti- ken der OECD und andere internationale sta- tistische Vergleiche.

In einer kritischen Analyse dieser WHO-Stu- die kommt das bekannte Fritz-Beske-Institut in Kiel zu der klaren Aussage, dass diese von der Politik viel zitierten Ergebnisse auf einer falschen Grundlage beruhen. Die Untersu- chung hat keinen Anhalt dafür gegeben, dass Deutschland über ein weniger leistungsfähi- ges Gesundheitssystem verfügt als vergleich- bare Länder. Denn offensichtlich hat die WHO

Äpfel mit Birnen verglichen. Trotz dieser kri- tischen Analyse des WHO-Berichtes 2000 durch das Beske-Institut, der besonders hin- sichtlich seiner Rangordnung der verglichenen Gesundheitssysteme wissenschaftlich nicht haltbar ist, wird mit den Schlagworten von

„Über-, Unter- und Fehlversorgung“ gegen die Ärzte polemisiert. In der öffentlichen Dis- kussion werden angebliche Qualitäts- und Wirt- schaftlichkeitsmängel in bestimmen Versor- gungsbereichen beklagt und deshalb durch den Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Prof. Dr. Karl Lauterbach, staatli- che Eingriffe gefordert.

Es ist festzustellen, dass Deutschland ein sehr leistungsfähiges Gesundheitswesen mit einem umfassenden Leistungskatalog hat. Müssten die Versicherten mit ihren Beiträgen nicht auch versicherungsfremde Leistungen finan- zieren wie Haushaltshilfe, Krankengeld bei Erkrankung des Kindes und Kuren und hätte es keine politischen Entscheidungen mit einer finanziellen Belastung der gesetzlichen Kran- kenversicherung und einer finanziellen Ent- lastung anderer Zweige der Sozialversiche- rung und des Staates (Verschiebebahnhof) gegeben, so würde es auch keine finanziellen Probleme in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung geben. Es besteht der Eindruck, dass in keinem anderen hoch industrialisierten Land der Welt so kritisch über das eigene Gesund- heitswesen diskutiert wird wie in Deutsch- land.

Den hohen Ausgaben für Gesundheit steht eine umfassende Versorgung gegenüber. Die deutsche Bevölkerung hat ein großes Maß an Versorgungssicherheit und praktisch keine Wartezeiten in der medizinischen Betreuung.

Es gibt weltweit keine so perfekte Versor- gungsplanung im Gesundheitswesen, dass je- der Patient an jedem Ort und zu jeder Zeit eine bedarfsgerechte Versorgung erhalten kann.

Das Fehlen von Wartezeiten in Deutschland ist Folge einer flexiblen Leistungserbringung, die bei eigenständigen und erwerbsorientier- ten Leistungserbringern offenbar größer ist als bei staatlichen Einrichtungen. Eine Pla- nung an der Grenze des Versorgungsbedarfs oder darunter kann dagegen zu Unterversor- gung führen. Wesentliches Charakteristikum einer Unterversorgung sind Wartezeiten.

Defizite in der Versorgung gibt es mit Sicher- heit in jedem Gesundheitssystem. Dies gilt auch für Deutschland. Defizite zu minimieren, ist auch eine Aufgabe der ärztlichen Selbstver- waltung. Und die Verbesserung des Gesund- heitssystems ist daher ein permanenter Pro- zess. Diesem Prozess hat sich der 107. Deut- sche Ärztetag in Bremen gestellt und auch der Sächsische Ärztetag am 25. Juni in Dresden wird sich diesen Fragen widmen.

Aber wir können noch Stolz auf unser Ge- sundheitssystem sein – den Politikern zum Trotz.

Ob wir auch in Zukunft diesen Stolz und Op- timismus aufbringen, wird auch davon abhän- gen wie sich die Rahmenbedingungen ärztli- cher Arbeit in ideeller und materieller Hin- sicht entwickeln werden. Anstatt staatlichem Dirigismus, Bürokratie, Reglementierung, Ökonomisierung und Misstrauen bedarf es eines nachhaltigen ärztlichen sowie ethischen

„Heilklimas“ für ein optimales Patienten- Arzt-Verhältnis.

Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze Präsident

1 Fritz-Beske-Institut für Gesundheits-System- Forschung Kiel: WHO Collaborating Centre for Health Care Systems Research and Development; Das Gesundheitswesen in Deutschland im internationalen Vergleich – Eine Antwort auf die Kritik – ; Bd. 100; 159 S.; 2004.

Pauschalkritik

am Gesundheitswesen in

Deutschland ist falsch!

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