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Archiv "Kontroversen um das neue Kassenarztgesetz" (22.07.1976)

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DOKUMENTATION

Kontroversen um das neue Kassenarztgesetz

Auszüge aus der zweiten und dritten Lesung im Bundestag vor der Schlußabstimmung

Fortsetzung und Schluß

Die im vorigen Heft begonnene Dokumentation der Bundestagsde- batte über das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz — KVWG — (Kassenarztrecht) mit Auszügen aus den Diskussionsbei- trägen der Abgeordneten Biermann, Schmidt (Kempten) und Frau Dr. Neumeister sowie des Bayerischen Staatsministers Dr. Pirkl wird nachfolgend mit Auszügen aus den Beiträgen des Abgeordne- ten Kratz und des BundesarbeitsministersArendt abgeschlossen. DÄ

Die Information:

Bericht und Meinung

Paul Kratz (SPD)

... Die Zeit erlaubt es nicht, jetzt auf alle Einzelheiten einzugehen.

Sie werden mir allerdings eines ge- statten, sehr verehrte Frau Kolle- gin, zu Ihren Ausführungen zur Psychiatrie doch noch einiges zu sagen. Ich werde den Eindruck nicht los, daß Sie im Ausschuß in diesem Punkt völlig anders argu- mentiert haben und in der Endpha- se unserer Meinung waren, daß man auch in Erfüllung der vorge- legten Enquete zur Psychiatrie et- was für die Psychiatrie tun muß. So habe ich und haben wahrscheinlich auch die übrigen Kollegen Ihre Diskussionsbeiträge verstanden.

Wir sind jedenfalls sehr stolz dar- auf — erlauben Sie mir, das in ein paar Sätzen hier noch zu erläu- tern —, daß mit der Weiterentwick- lung dieses Gesetzes in der Ver- sorgung unserer psychisch kran- ken Mitbürger ein deutlicher Schritt nach vorn in die richtige Richtung getan wird. Wir beklagen alle, daß die ambulante Versor- gung der psychisch Kranken be- sonders unter der geringen Zahl niedergelassener Nervenärzte lei- det. Das haben auch Sie, Frau Kol- legin, im Ausschuß nicht bestritten;

dort waren Sie mit uns einer Mei- nung. Zudem bringt die Grenze zwischen ambulantem und statio- närem Sektor in der Psychiatrie besondere Probleme mit sich. Das wissen Sie als Ärztin ganz genau, und Sie müssen es auch als Ärztin wissen. Hier fehlen Zwischenstufen in der Versorgung, von einer Ver- sorgungskette, von einem zügigen Aneinanderreihen, ganz zu schwei- gen. Dies führt dazu, daß die Pa- tienten schlecht auf das vorbereitet sind, was sie draußen erwartet, wenn sie die Klinik verlassen. An- gesichts der zu niedrigen Zahl nie- dergelassener Nervenärzte mußten die Patienten sehr oft die Klinik bald wieder aufsuchen. Sie wissen, daß man in diesem Zusammenhang von einer „Drehtür-Psychiatrie"

sprach: auf der einen Seite heraus und auf der anderen gleich wieder hinein.

... Wir bieten jetzt den Patienten an, dort, wo es möglich ist, auch in den Kliniken ambulant behandelt zu werden, und das ist gut so, Frau Kollegin. Ich möchte darauf hinwei- sen, daß wir uns in der prinzipiel- len gesetzlichen Ausgestaltung dieser Öffnung an das Modell an- gelehnt haben, das im Zusammen- hang mit dem Strafrechtsergän-

Der Abgeordnete Paul Kratz (SPD) sprach die „Freiheit-oder-Sozialismus"- Frage an und ging als einziger — wenn auch nur ganz kurz — direkt auf Frau Dr. Neumeisters Argumente (siehe vori- ges Heft) ein, wobei er die Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Be- handlung in Anlehnung an das „Mo- dell" bei der ambulanten Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs in Kli- niken (vor wenigen Monaten vom Bundestag als absolute Ausnahme (!) bezeichnet) bekräftigteFoto: Darchinger

zungsgesetz bei der ambulanten Durchführung des Schwanger- schaftsabbruchs in Kliniken zum er- stenmal formuliert wurde. Wir hal- ten das für eine gute, für eine sinn- volle Regelung. Meine Damen und Herren von der Opposition, es wäre sehr gut, wenn Sie diesem unserem Gesetz im Interesse der Menschen und der Bürger draußen in unserem Lande zustimmen könnten ...

Präsident Frau Renger: Meine Da- men und Herren, wir haben die Re- dezeit weit überschritten. Die FDP verzichtet deshalb auf weitere Wortmeldungen.

(Beifall bei der SPD)

Walter Arendt, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ... Dieses Gesetz verfolgt das Ziel, auch im Bereich der ärztlichen Versorgung mehr Chancengerech- tigkeit zu verwirklichen. Konkret geht es darum, den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleich- mäßige ärztliche Versorgung in zu- mutbarer Entfernung unter Berück- sichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie der Möglichkei- ten der Rationalisierung und Mo- dernisierung zur Verfügung zu stel- len. Schlicht und einfach heißt das:

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 22. Juli 1976 1965

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Kassenarztrecht

Ein Versicherter, der auf dem Lan- de oder am Stadtrand wohnt, soll dadurch nicht benachteiligt sein, wenn er ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen muß. Darauf sind die Vorschläge des Gesetzes ausgerichtet.

Sie reichen von einer Bedarfspla- nung der kassenärztlichen Versor- gung über einen Ausbau des In- strumentariums, das den Kassen- ärztlichen Vereinigungen eine ef- fektive Sicherstellung ermöglichen soll, bis zu besonderen Maßnah- men im Falle drohender oder be- reits eingetretener Unterversor- gung. Ich begrüße es, daß der Aus- schuß dabei der Konzeption des Regierungsentwurfs gefolgt ist, die auf eine Stärkung der Selbstver- waltung von Kassenärzten und Krankenkassen in der Wahrneh- mung dieser Sicherstellungsaufga- ben zielt und staatliche Lenkungs- maßnahmen vermeidet.

Ebenso ist auch der Grundgedanke des Regierungsentwurfs bestätigt worden, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen eng mit den Kran- kenkassen zusammenarbeiten, um eine Bedarfsplanung zu entwickeln, die den hohen Stand der medizini- schen Versorgung auch in den nächsten Jahren voll aufrechterhält und weiterentwickelt.

Erlauben Sie mir noch ein kurzes Wort zur Zielsetzung des Gesetzes aus aktuellem Anlaß. In letzter Zeit ist verschiedentlich die Meinung geäußert worden, eine Zunahme der absoluten Zahl der Ärzte — man sprach sogar von einer kom- menden Arztschwemme — schaffe das Problem medizinisch unterver- sorgter Gebiete aus der Welt; da- her bedürfe es einer Regelung zur Weiterentwicklung des Kassenarzt- rechtes nicht. Diese Meinungen ge- hen am Ziel des Gesetzes vorbei.

Das Gesetz ist nicht auf ein aktuel- les Unterversorgungsproblem aus- gerichtet; denn im allgemeinen ist die ärztliche Versorgung gesichert.

Hauptsächlich geht es vielmehr darum, eine Grundlage zu schaf- fen, die auch langfristig die ärztli- che Betreuung der Bevölkerung

Walter Arendt, Bundesminister für Ar- beit und Sozialordnung, warb noch ein- mal für den Regierungsentwurf, ging al- lerdings leider nicht auf die tendenziö- sen „Ergänzungen" ein, die „sein" Ent- wurf in den Bundestagsausschüssen er- fahren hatte Foto: Bohnert-Neusch

durch niedergelassene Ärzte in quantitativer und qualitativer Hin- sicht gewährleistet. Darauf soll durch strukturelle Verbesserungen Einfluß genommen werden. Im üb- rigen löst die Zunahme der absolu- ten Zahl der Ärzte noch nicht das Problem ihrer bedarfsgerechten Verteilung und auch nicht den zu- nehmenden Mangel an praktischen Ärzten.

Herr Müller hat in seinem Aus- schußbericht hervorgehoben, daß die Kollegen der Opposition im Ausschuß dem Bundesratsentwurf den Vorzug gegeben haben. Ich möchte jetzt nicht mehr auf die einzelnen Unterschiede der beiden Entwürfe eingehen, sondern daran anknüpfen, daß beiden Entwürfen gemeinsam ist, daß die Vorausset- zungen für eine verbesserte ärztli- che Versorgung jetzt geschaffen werden müssen. Diese gemeinsa- me Absicht sollten Sie als Opposi- tion nicht aus dem Auge verlie- ren, wenn es um die politische Ent- scheidung der zwischen der Koali- tion und Ihnen offenen und streiti- gen Fragen geht.

Lassen Sie mich das auch noch feststellen: Sie sollten Ihre politi- sche Position gegenüber den Ärz- ten auch deutlich machen, wenn Sie der anerkannt liberalen und flexiblen Lösung nicht Ihre Zustim- mung geben wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie bedenken, daß der dem Bundestagsentwurf zugrunde lie- gende Entwurf des Landes Bayern

durch dirigistische Lösungen ge- kennzeichnet ist, bietet sich Ihnen mit dem Vorschlag der Koalition die Alternative: Freiheit statt Diri- gismus,

(Beifall bei der SPD)

und für Herrn Pirkl die Devise:

Freiheit oder Dirigismus. Und da entscheiden wir uns für die Frei- heit.

(Beifall bei der SPD)

... Sobald die Vorschriften des Krankenversicherungs-Weiterent- wicklungsgesetzes in Kraft treten, werden auf die Selbstverwaltung von Kassenärzten und Krankenkas- sen neue Aufgaben zukommen. Die Bundesregierung hat das Vertrau- en in die Kraft der Selbstverwal- tung, daß sie auch diese Aufgaben bewältigt. Sie appelliert hier insbe- sondere an die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Zusammenar- beit mit den Krankenkassen eng und vertrauensvoll zu gestalten.

Die Bundesregierung wird ihrer- seits die erforderlichen Änderun- gen der Zulassungsordnungen für Kassenärzte und Kassenzahnärzte unverzüglich vorbereiten. Sie wird damit die Voraussetzungen für eine baldige Anwendung des neuen In- strumentariums zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung schaf- fen ...

Schlußabstimmung

Präsident Frau Renger rief nach diesem letzten Diskussionsbeitrag die Einzelbestimmungen auf: Nach 18 Abstimmungen, bei denen alle CDU/CSU-Anträge von der SPD/

FDP abgelehnt wurden, war der Gesetzentwurf in der zweiten Bera- tung mit Mehrheit angenommen.

Nach einem von der Bundestags- präsidentin „abgewehrten" Ver- such des Abgeordneten Heinrich Franke (CDU), eine Schlußerklä- rung durchzusetzen, erfolgte die Schlußabstimmung. Frau Renger:

„Wer dem Gesetz im ganzen zuzu- stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenpro- be! — Enthaltungen? — Das Ge- setz ist in der dritten Beratung ge- gen die Stimmen der CDU/CSU an- genommen."

1966 Heft 30 vom 22. Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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