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Archiv "Autogenes Training" (22.06.1992)

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DEUTSCHES

B• Limitaimweime

ÄRZTEBLATT

U

nter Federführung von A. E.

Meyer wurde ein „Forschungs- gutachten zu Fragen eines Psycho- therapeutengesetzes (1) erstellt, das bei der Vorstellung im Dt. Ärzteblatt von Clade als ein „Auftragsgutach- ten mit Schlagseite" (2) bezeichnet und von mancher Seite erheblich kri- tisiert wurde. Ob die Vorschläge der Gutachter gesundheitspolitisch reali- stisch und sinnvoll sind, muß abge- wartet werden.

Unser Anliegen ist es, die Aussa- ge zu korrigieren, für das autogene Training (AT) sei in kontrollierten Studien die Wirksamkeit nicht nach- gewiesen und seine Verbreitung so- wie die Honorierung durch die GKV sei nicht gerechtfertigt. Für I. H.

Schultz, den Begründer des AT, war es selbstverständlich, auch in der Psychotherapie Einzelbeobachtun- gen einer empirischen, experimen- tellen Forschung zu unterziehen und Erfahrungen intersubjektiv verifi- zierbar zu machen: „. . (so) ist in der Psychotherapie trotz fast über- zahlreicher geistvollster Spekulatio- nen noch sehr viel unbearbeitet und von kritisch, methodologisch ein- wandfreier Arbeit noch mancher Aufschluß zu erwarten" schrieb er 1921 (3). Er konnte 1926 die „selbst- tätige Umstellung der Wärmestrah- lung der menschlichen Haut im auto- suggestiven Training" experimentell nachweisen. Erst nachdem seine Er- gebnisse von Binswanger 1929 repli- ziert werden konnten, veröffentlich- te er 1932 die Monographie „Das au- togene Training" (4).

Die wissenschaftlich-empirische Tradition des AT wird bis heute wei-

tergeführt. Im Gegensatz zu ande- ren Psychotherapieverfahren wurde nicht nur die klinische Wirksamkeit nachgewiesen, sondern auch die psy- chophysiologischen Zusammenhän- ge klar herausgearbeitet (5). Das AT verfügt heute über eine theoretische Grundlage, die sich von psychologi- schem Reduktionismus löst und ei- ner „bio-psychischen Gesamtschau"

des (kranken) Menschen nahe- kommt.

Kritik am Gutachten

Daher ist Kritik an den „Fach- wissenschaftlichen Grundlagen" des Gutachtens angebracht. Aufgrund einer Analyse „aller" kontrollierter Studien zum AT, die bis Anfang 1984 erschienen sind, kommen die Gutachter zu dem Schluß, das AT habe seine Wirksamkeit nicht erwei- sen können. Bereits bei einer forma- len Betrachtung stellt sich die Frage nach der Sorgfalt der Gutachter: Im Text (Seite 95) ist von 13 Prüfungen die Rede. Die im Anhang (S. 221 ff) zum AT aufgeführten Tabellen und Literaturverweise zeigen, daß tat- sächlich 14 Studien untersucht wur- den. In der Tat weisen fünf der 14 analysierten Studien in mindestens der Hälfte der Hauptzielvariablen signifikante Verbesserungen unter AT auf. Diese beziehen sich durch- aus nicht nur auf Schlafstörungen, sondern auch auf Verspannungs- kopfschmerz, vegetative Dystonie und Zwangssymptome. Da erscheint die Ansicht der Gutachter, das AT habe sich „in den allermeisten Un-

tersuchungen als wirkungslos erwie- sen", doch sehr gewagt — ganz zu schweigen von dem statistisch unzu- lässigen Schluß, aus einem nicht ge- sicherten Unterschied (Fehler 1.

Art) die Wirkungslosigkeit abzulei- ten, ohne sich Gedanken über den Fehler 2. Art („power") zu machen.

Auffällig ist auch, daß sich zwei ana- lysierte Studien finden, bei denen sich das AT bei M.-Raynaud-Patien- ten als wenig wirksam erwies. Die von der gleichen Arbeitsgruppe um R. S. Surwit 1978 und 1980 publizier- ten Ergebnisse von zwei anderen kontrollierten Studien an insgesamt 51 Patientinnen, in denen sich das AT bei allen (!) Zielvariablen als wirksam erwies, sind „übersehen"

worden. Allein hieran zeigt sich schon die mangelnde Datenbasis analysierter Studien, auf die sich die Gutachter stützen.

Die Gutachter führen aus, spä- ter als Anfang 1984 erschienene Stu- dien dann berücksichtigt zu haben, wenn sie die Ergebnislage zu dem Therapieverfahren erheblich verän- dern oder ergänzen. Bedauerlicher- weise ist dies zumindest beim AT nicht geschehen. Allein eine DIMDI-Recherche der Jahre 1984 bis 1989 weist weitere 14 kontrollier- te, klinische Wirksamkeitsstudien zum AT aus; in den Jahren 1990/91 wurde eine weitere kontrollierte Stu- die ausgewiesen. Hätten die Gutach- ter bei der ärztlichen Fachgesell- schaft für AT in Deutschland ange- fragt, so wären drei weitere kontrol- lierte Studien genannt worden. Ins- gesamt sind acht kontrollierte Wirk- samkeitsstudien mit Hypertonikern (zum Beispiel 6), zwei Studien mit Streßpatienten (zum Beispiel 7), ei- ne Studie mit Herzinfarktpatienten, zwei Studien mit Kopfschmerzpa- tienten, eine Studie mit vegetativ Dy- stonen (8), zwei Studien mit Patien- ten, die an Reizkolon/M. Crohn lit- ten, eine Studie an Paaren mit idio- pathischer Infertilität und zuletzt ei- ne Studie an Neurodermitispatien- ten durchgeführt worden. Außer bei den infertilen Paaren (eventuell we- gen zu kurzer Katamnese) erwies sich das AT in allen Untersuchungen effektiv hinsichtlich der Zielsympto- matik. Darüber hinaus konnte in den meisten Studien die Reduktion von

Autogenes Trainin

Empirisch begründetes

psychotherapeutisches Verfahren in der Primärversorgung

Friedhelm Stetter, Karl Mann

Dt. Ärztebl. 89, Heft 25/26, 22. Juni 1992 (65) A1-2305

(2)

Ängstlichkeit und Depressivität so- wie einer Reihe von biochemischen und physiologischen (kardialen) Ri- sikofaktoren (9) nachgewiesen wer- den. In diesen von den Gutachtern nicht berücksichtigten Studien wur- den im ganzen 685 Patienten mit AT, 382 mit anderen Psychotherapie- Verfahren (Therapie-Vergleichs- Studien) und 467 ohne jegliche Psychotherapie oder mit Plazebo (Kontrollgruppen) behandelt!

Die Ergebnisse sind damit ein- deutig: Für das AT wurde die Wirk- samkeit nicht nur bei Schlafstörun- gen, sondern auch bei einer Vielzahl weiterer psychosomatischer Störun- gen bewiesen — ganz abgesehen von der ebenfalls in kontrollierten Studi- en nachgewiesenen Wirksamkeit bei psychosomatisch gestörten Kindern (zum Beispiel 10) oder im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Lei- stungssteigerung (zum Beispiel 11).

Die Verbreitung, des autoge- nen Trainings im deutschen Sprachraum beruht auf seiner klaren, theoretisch fundierten Konzeption und seiner empi- risch nachgewiesenen Wirk- samkeit.

Daraus wird die Forderung der gültigen Weiterbildungsrichtlinien verständlich, wonach jeder psycho- therapeutisch tätige Arzt solide Er- fahrungen mit dem autogenen Trai- ning nachweisen muß.

Die persönliche Beziehung zum Arzt

Zuzustimmen ist den Ausfüh- rungen der Gutachter, daß zahlrei- che Patienten in Allgemeinpraxen oder -krankenhäusern psychosoma- tisch erkrankt sind und möglichst rasch überwiegend oder ergänzend psychotherapeutisch behandelt wer- den sollten. Die wichtigste Maßnah- me hierzu sei die Verbesserung der psychosozialen Kompetenz der pri- märversorgenden Ärzte. Genau an dieser Stelle setzt das AT an. Seine Grundform ist relativ leicht erlern- bar und curriculär festgelegt (siehe

Richtlinien der Deutschen Gesell- schaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training, Kirchberg 4, 5100 Aachen). Sie ist ohne große Mühen in den Praxisablauf oder Kli- nikalltag zu integrieren. Allerdings stellt für manchen praktisch tätigen Arzt die derzeit noch unzureichende Honorierung eine gewisse Hürde dar.

Die Mehrzahl der von den Gut- achtern angesprochenen Patienten erleben sich als körperlich krank.

Deshalb suchen sie auch ihren Arzt auf. Eine zentrale Aufgabe ist es da- her, den Patienten dort abzuholen, wo er in seinem Erleben steht. Dies führen auch die Gutachter aus, wenn sie darauf hinweisen, daß die Auf- nahmebereitschaft des Patienten für die vorgesehene Maßnahme einer der zentralen Wirkfaktoren der Psy- chotherapie ist. Rein psychologische Maßnahmen (wie zum Beispiel Ver- haltenstherapie oder Tiefenpsycho- logie) werden von diesen Patienten häufig zunächst nicht angenommen — sie wollen als körperlich Kranke ernstgenommen werden. Auch hier setzt das AT (wie andere Entspan- nungsverfahren) an: Es stützt sich auf empirisch belegte körperliche Entspannungsvorgänge und kommt den Patienten damit in ihrem Erle- ben entgegen. Im Laufe des Erler- nens treten kognitive Verarbeitungs- prozesse und Veränderungen des psychischen Befindens hinzu. Dies gibt dem Patienten unter der behut- samen Anleitung durch seinen Arzt die Möglichkeit, Verbindungen zwi- schen körperlichen Vorgängen und seelischem Erleben in der eigenen Erfahrung zu begreifen und sich — falls die Schwere der Symptomatik dies erforderlich macht — für wei- terführende psychotherapeutische Maßnahmen zu öffnen. Während die Gutachter Psychotherapie schlag- wortartig als „Heilung durch Ab- hänigkeit" (Seite 151) beschreiben, stellt sich das AT als ein psycho- therapeutischer Prozeß dar, der von Anfang an die Autonomie des Pa- tienten fördert.

Ob eine Verbesserung der psy- chotherapeutischen Versorgung der deutschen Bevölkerung durch Ein- beziehung einer neuen Berufsgruppe (dem „Fachpsychologen für Psycho-

therapie") zu erzielen ist, sei dahin- gestellt. Sicher ist, daß der von I. H.

Schultz geforderten „Psychologisie- rung des Arztens" vorrangige Bedeu- tung zukommt Dabei nimmt das au- togene Training eine zentrale Rolle ein.

Dt. Arzte131.89 (1992) A1 -2305-2306 [Heft 25/26]

Literatur

1. Meyer, A. E., R. Richter, K. Grawe, J. M.

Graf v. d. Schulenburg, B. Schulte: For- schungsgutachten zu Fragen eines Psycho- therapeutengesetzes. Univ.-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf 1991

2. Clade, H.: Psychotherapeutengesetz — Ein Auftragsgutachten mit Schlagseite. Dt. Ärz- tebl. 88 (1991) A 2689-2692 [Heft 33]

3. Schultz, I. H.: Über Schichtenbildung im hypnotischen Selbstbeobachten. Mschr.

Pschiat. 49 (1921) 137-143

4. Schultz, I. H.: Das autogene Training. Thie- me Stuttgart, 18. unveränderte Aufl. 1987 5. Stetter, F.: Die Bedeutung der Hypnossug-

gestiv-Verfahren in der Psychiatrie — ein empirisch fundierter, pragmatischer Be- handlungsansatz. In: Schneider, F., M. Bar- tels, K. Foerster, H. J. Gaertner (Hrsg); Per- spektiven der Psychiatrie, Fischer Stuttgart 1991

6. Aivazyan, T. A., V. P. Zaitsev, A. Yurenev:

Autogenic training in the treatment and se- condary prevention of essential hypertension.

Health Psychol. 7 (Suppl) (1988) 201 ff.

7. Carruthers, M. E.: Die kardioprotektive Wirkung des Autogenen Trainings. ZfA 64 (1988) 575-579

8. Schrapper, D. K., K. F. Mann: Veränderung der Befindlichkeit durch autogenes Trai- ning. Psychother. med. Psychol. 35 (1985) 268-272

9. Carruthers, M. E., F. Stetter: Die Beeinflus- sung kardiovaskulärer Risikofaktoren durch autogenes Training. ZfA (1992) (im Druck) 10. Kröner, B., I. Steinacker: Autogenes Trai-

ning bei Kindern: Auswirkungen auf ver- schiedene Persönlichkeitsvariablen. Psy- chother. med. Psychol. 30 (1980) 180-184 11. Siersch, K.: Zum Einfluß des autogenen

Trainings auf die Konzentrationsleistung und auf subjektiv erlebte Beanspruchungs- folgen. Ärztl. Praxis und Psychother. 11 (1989) 5-10

Anschrift der Verfasser

Dr. med. Friedhelm Stetter Priv.-Doz. Dr. med. Karl Mann Psychiatrische Universitätsklinik Osianderstraße 22

W-7400 Tübingen A1-2306 (66) Dt. Ärztebl. 89, Heft 25/26, 22. Juni 1992

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