D
ie wohl umfangreichste Gesund- heitsreform seit 40 Jahren haben das US-Repräsentantenhaus und der Senat Ende November beschlossen.Damit ist es Präsident George W. Bush nach jahrelangen Debatten gelungen, die Blockade der oppositionellen De- mokraten zu durchbrechen und das Re- formpaket auf den Weg zu bringen. Im Repräsentantenhaus stimmten die Ab- geordneten mit 220 zu 215 Stimmen für die Reform, im Senat betrug das Stim- menverhältnis 54 zu 44.
Das Gesetz gewährt rund 40 Millio- nen Rentnern und Behinderten, die im staatlichen Medicare-System versichert sind, erstmals Zuschüsse zu Arzneimit- teln. Bislang übernahm Medicare nur die Arzt- und Krankenhauskosten. Für ihre Arzneimittel mussten die Versi- cherten selbst aufkommen oder eine private Zusatzversicherung abschlie- ßen. Die Neuregelung sieht nun vor, dass Versicherte ab 2006 für einen mo- natlichen Beitrag von 35 Dollar eine Medikamentenversicherung abschlie- ßen können, die bei einer Eigenbeteili- gung von 250 Dollar jährlich 75 Prozent der Arzneimittelkosten übernimmt. Al- lerdings gilt hier eine Obergrenze von 2 250 Dollar. Jenseits dieser Summe müssen die Medicare-Versicherten bis zu einer zweiten Kappungsgrenze von 3 600 Dollar die anfallenden Kosten selbst tragen. Beträge, die über der „Ka- tastrophengrenze“ (Gesundheitsminister Tommy Thompson) von 3 600 Dollar lie- gen, übernimmt der Staat zu 95 Prozent.
Ausnahmen gelten für die Ärmsten – Versicherte mit einem Jahreseinkom- men von weniger als 12 123 Dollar.
Ziel der Gesundheitsreform ist es,
„mehr Leistungen mit deutlich weniger
Kosten zu verbinden“ (Washington Post). So sollen die Medicare-Versicher- ten in der Übergangszeit bis 2006 zahl- reiche verschreibungspflichtige Arznei- mittel kostengünstiger als bislang erhal- ten. Im kommenden und im darauf fol- genden Jahr können sie eine Rabatt- Karte vom Gesundheitsministerium er- werben, die ihnen Preisabschläge von bis zu 25 Prozent sichert. Die Regierung Bush hofft, auf diese Weise auch die zu-
nehmenden Arzneimittelimporte aus Kanada zurückzudrängen.Tausende von Patienten vor allem aus grenznahen Re- gionen reisen Monat für Monat ins Nachbarland, um wegen der niedrigeren Preise dort illegal ihre verschreibungs- pflichtigen Arzneimittel zu kaufen.
Darüber hinaus enthält das Reform- gesetz Elemente, die den Wettbewerb zwischen Medicare und privaten Kran- kenversicherungen stärken sollen. Priva- te Unternehmen sollen dem staatlichen System auch in den etablierten Leistun- gen Konkurrenz machen dürfen. Dazu
wird ab 2010 in sechs Regionen ein Mo- dellversuch laufen. Die Demokraten lehnen diese Pläne für einen verschärf- ten Wettbewerb ab. Sie seien ein erster Schritt zur Zerschlagung des staatlichen Versicherungssystems, heißt es dort.
Die Reform enthält zudem eine Rei- he von steuerlichen Anreizen zur Ver- besserung der Gesundheitsversorgung.
Mit Steuervergünstigungen können bei- spielsweise Unternehmen rechnen, die ihre pensionierten Mitarbeiter weiter krankenversichern. Neu ist auch die Ein- führung von privaten Gesundheitsspar- konten. Danach können Versicherte, die eine Police mit hoher Eigenbeteiligung haben, einen Teil ihres Einkommens steuerfrei zurückstellen. Außerdem müs- sen künftig wohlhabende Medicare-Ver- sicherte mit einem Jahreseinkommen von mehr als 80 000 Dollar für Arztbesu- che und ambulante Behandlungen einen höheren Beitrag als den bisher üblichen von rund 60 Dollar zahlen.
Finanzexperten rechnen damit, dass die Gesundheitsreform den Staatshaus-
halt in den nächsten zehn Jahren mit rund 400 Milliarden Dollar belasten wird. Ärztliche Berufsverbände sagten den Reformen zwar ihre Unterstützung zu, verlangten aber vom Gesundheits- ministerium in Washington Zusicherun- gen, damit auf die einzelnen Praxen und Ärzte nicht unnötige verwaltungstech- nische Zusatzaufgaben zukommen.
Amerikanische Arzneimittelhersteller stehen ebenfalls hinter der Reform, die Wirtschaftsexperten zufolge den Unter- nehmen deutliche Umsatzsteigerungen bescheren dürfte. Kurt Thomas P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3289
US-Gesundheitsreform
Senioren sollen entlastet werden
Bislang mussten Medicare-Versicherte ihre Arzneimittelkosten selbst tragen. Um sie vor finanzieller Überforderung zu
schützen, hat der Gesetzgeber jetzt ein Programm aufgelegt.
US-Präsident Bush wirbt für die Medicare Reform:
hier vor Senioren in Phoenix, Arizona. Foto: Reuters