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n dieser Stelle habe ich schon des Öfteren zu er- gründen versucht, worin das Geheimnis der besonde- ren Affinität der Neurologen zum Schachspiel liegt. Das Problem kommt mir aus gege- benem Anlass wieder in den Sinn. Zum einen hat der Chef- arzt der Bamberger Neurolo- gie, Prof. Dr. med. Peter Krau- seneck, beim Ärzteturnier ein- mal mehr glänzend gespielt und den zweiten Platz erobert, zum anderen feiern wir in die- sem Jahr Gedenktage zweier berühmter Neurologen: den 150. Geburtstag Sigmund Freuds und den Nobelpreis des Spaniers Santiago Ramón y Cajal vor 100 Jahren.Sigmund Freud, ein „Gele- genheitsschachspieler“, äußer- te sich zwar mehrfach zum Schach, lehnte aber eine psychoanalytische Auslegung
des Schachspiels ab. Sehr wohl sagte er aber: „Es ist sehr traurig zu wissen, dass das Leben einem Schachspiel gleicht,wo ein einziger falscher Schritt uns zwingen kann, auf die Fortsetzung der Par- tie zu verzichten. Aller- dings muss eingeschränkt wer- den, dass wir im Leben nicht damit rechnen können, eine zweite Chance zu erhalten.“
Noch wesentlich zwiespälti- ger stand Cajal dem Schach gegenüber. Bevor er nach Ber- lin ging und für seine neuro- logische Forschung 1906 den Nobelpreis bekam, war er in Barcelona von den 64 Feldern förmlich besessen. In seinen Memoiren schreibt er vom Schach als etwas, bei dem man
„wenn nicht Geld, so doch Zeit und Geisteskraft verliert, die unendlich viel mehr wert
seien“. Er bereitete sich inten- siv vor, schlug seine Wider- sacher und konnte das ihn so erschöpfende Schlachtfeld be- friedigt verlassen: „Dank mei- ner psychologischen Schläue befreite ich meinen bescheide- nen, von so groben und ste- rilen Herausforderungen ver- führten Intellekt und konnte ihn, gänzlich und heiter, dem edlen Kult der Wissenschaft weihen.“ Voilà!
Ganz so weit ist Peter Krauseneck noch nicht, zu- weilen lässt er sich noch (Gott sei Dank) von der Schachgöt-
tin Caissa bezirzen. Manchmal allerdings auch von Trugbil- dern in hochgradiger Zeitnot.
Hier hatte er, als Schwarzer am Zug, in der Spitzenpaarung der vorletzten Runde gegen den späteren Sieger Dr. med. Han- nes Knuth, der jetzt zum vier- ten Mal hintereinander Lan- desmeister von Mecklenburg- Vorpommern wurde, noch circa zwei Sekunden gegen deren fünf beim Gegner auf der Uhr – Erregung pur! Um plötzlich voller Schrecken zu erkennen, dass nach seinem Damenopfer unmittelbar zuvor das beab- sichtigte 1. . . . Sxf3+ 2. Kf1 Tf2 matt an der Deckung von f3 durch den Läufer c6 scheitert.
„Neuronales Chaos“ (Krause- neck) und nach 1. . . . Lg6??
schneller Verlust. Wie hätte er stattdessen remis halten und so vermutlich das Turnier gewin- nen können?
Lösung:
D
er kürzlich in den Ruhe- stand gegangene Ober- häuptling der Commerz- bank Köln liebte es, Gäste mit plötzlichen kniffligen Fachfra- gen aus der Fassung zu bringen und sich dann ob deren Verle- genheit köstlich zu amüsieren.Bei unserem zweiten Treffen vor einigen Jahren, den Braten riechend, fragte ich den Bank- chef: „Hören Sie mal, bevor Sie wieder ’ne intellektuelle Tretmine abfeuern, können Sie mir vielleicht sagen, wieso der Dollar Dollar heißt?“ Er wuss- te es nicht und hat mich seither nie mehr wieder getestet.
Erstaunlicherweise kann die- se Frage nach der etymolo- gischen Herkunft der doch bedeutendsten Währung der Welt kaum jemand beantwor- ten, auch Leute vom Fach nicht. Dabei hat sich der Dollar sprachlich aus dem deutschen „Taler“ entwickelt, so einfach ist es manchmal, und
auf das Naheliegende stößt der Suchende oft zuletzt oder nie.
Auf dem Weg zur Welt- währung Nummer eins hat der Greenback, wie die Amerika- ner ihr Geld nennen, glanzvol- le Zeiten erlebt. Im Moment scheint mir aber eher der Krückstock angesagt zu sein, die Valuta siecht mehr schlecht als recht dahin, besonders in Relation zum Euro ist die Eins-zu-eins-Parität längst da- hin, die Marke von 1,30 Dollar je Euro ist nicht mehr weit.
Schon sind etliche Optimi- sten wieder auf den Plan getre- ten, jetzt wäre doch endlich die Zeit gekommen, „in den Dollar zu gehen“, und ich höre immer wieder von Anlageberatern, die ihren renditehungrigen Kun-
den raten, im Greenback ihr Heil zu suchen.
Blindes Vertrauen kann ziemlich nach hinten losgehen, das hat sich auch schon im Dezember letzten Jahres als Fehlurteil erwiesen, als beson- ders Anhänger der Chartana- lyse verkündeten, bei Kursen von 1,1780 habe sich eine
„obere Umkehrformation“ in Form einer „Schulter-Kopf- Schulter“ beim Währungspaar Euro/Dollar vollendet. Es kam dann doch anders, was letztlich nur belegt,dass Chartisten meist schief liegen und Löcher in den Schuhen haben, denn wer darauf gesetzt hätte, säße heu- te auf erklecklichen Verlusten.
Der Dollar wird vermutlich noch einige Zeit schwach blei-
ben und vor allem gegen den Euro weiter abwerten. Das hat klare fundamentale Gründe.
Der frühere Notenbankchef, Alan Greenspan,initiierte durch das (unkontrollierte) Auswei- ten der Geldmenge eine exor- bitante Verschuldung, Präsi- dent Bush häufte schon in sei- nen ersten Amtsjahren so viele Verbindlichkeiten an wie alle seine Vorgänger zusammen, und die US-Bürger nahmen sich das Verhalten ihrer Obe- ren zu Herzen und verhielten sich in ihrer Budgetplanung ebenso irrational; sie leben auf Pump wie Gott in Frankreich.
Wie lange noch?
Die exzessive Unseriosität konnte nur so lange funktionie- ren,wie andere den Kopf hin- hielten, will heißen, Dollaran- leihen kauften. Vor allem die Asiaten haben die Faxen aber langsam dicke, und deswegen ist der Greenback als Geldan- lage zu meiden. Dringend. ) S C H L U S S P U N K T
[88] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 20⏐⏐19. Mai 2006
Die Neurologen
Dr. med. Helmut Pfleger
zum US-Dollar
Am Krückstock
Börsebius
Post Scriptum
Mit der „Dauerschachschaukel“
1..
..Tg2+ 2.
Kf1 (oder 2.Kh1
Th2+) Tf2+ 3.Kg1
Tg2+
usw;bis in alle Ewigkeit war es remis.