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Archiv "Aus dem einen Graben in den nächsten" (27.02.1985)

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Bu ndespflegesatzverord nu ng

Das

Budgetierungsprinzip hält die Bundesärztekammer für dis- kutabel. Sie fordert freilich, daß der Ärzteschaft Recht und Stim- me im Landespflegesatzaus- schuß, der Empfehlungen über erforderlich werdende Budget- anpassungen geben kann, ge- währt wird.

Die Beteiligung der Ärzteschaft ist allein schon deshalb erfor- derlich, damit die medizinischen Möglichkeiten nicht den finan- ziellen Rahmenbedingungen davonlaufen. Eine einseitige An- bindung der Empfehlungen an

die "einnahmenorientierte Aus-

gabenpolitik der Krankenkas-

sen" ist deshalb nicht zu verant-

worten. Die Politik muß für die daraus resultierenden Konse- quenzen ("Deckelung", "Hek- kenschnitte") geradestehen.

..,. Wenn das neue Pflegesatz- recht und das geänderte Finan- zierungssystem "greifen" sol- len, darf es nicht nur Möglich- keiten eröffnen, Kosten anders als bisher zu berechnen und zu verteilen, die Transparenz ins- gesamt zu erhöhen oder Kosten zu verlagern.

..,. Erweiterte Empfehlungskom- petenz des Landespflegesatz- ausschusses (Budgetänderung, gesonderte Vergütung von Lei- stungen) erfordert Parität oder zumindest Ausgewogenheit in seiner Zusammensetzung. Die Beschränkung des Gremiums auf die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft und die Spitzenver- bände der Krankenkassen (ein- schließlich der privaten Kran- kenversicherung) trägt gewiß nicht den medizinisch-ärzt- lichen Aspekten bei der hoch- sensiblen Krankenhausarbeit Rechnung. Wer nicht weiter Krankenhauspolitik nach dem St.-Fiorians-Prinzip betreiben will, sollte die Forderung, mitbe- raten und mitsprechen zu dür-

fen, nicht immer mit Ressortpar-

tikularismus und bloßem Macht- und Interessengehabe abtun!

Dr. Harald Clade

DEUTSCHES itRZTEBLATT

Ausdem

einen Graben in den nächsten

Die Arbeitsgemeinschaft der So- zialdemokraten im Gesundheits- wesen, kurz ASG, schlägt vor, im Gesundheitswesen strikt nach Ba- sisversorgung und Spezialversor- gung zu unterscheiden. Eine sol- che Trennung soll sowohl für den ambulanten wie für den stationä- ren Sektor gelten. Das ist der Kern

Schwarze Schale, rötlicher Kern: Sena- tor Herbert Brückner Foto: Darchioger

eines umfänglichen Papiers, das der Vorsitzende der ASG, der Bre- mer Gesundheitssenator Herbert Brückner, am 11. Februar 1985 in Bonn der Presse vorstellte.

Um ihr Ziel zu erreichen, macht sich die ASG die alte Erkenntnis, daß die Gebührenordnung eine Steuerfunktion hat, zunutze. Vor

DER KOMMENTAR

rund 25 Jahren wurde die Gebüh- renordnung genutzt, um Opas Praxis- die damals angeblich nur mit einem Schreibtisch und einem Stethoskop ausgerüstet war- den modernen Zeiten anzupassen. Dank der Einzelleistungsvergü- tung wurde aus Opas Praxis so ein medizinisch-technisch bestens ausgestatteter Hochleistu ngsbe- trieb. Das Ziel, die Praxis zu mo- dernisieren, wurde so gut er- reicht, daß die damaligen Kritiker und ihre politischen Kinder von heute Zauberlehrlingsgefühle be- schleichen. Sie hätten eigentlich Opas Praxis ganz gern wieder zu- rück, jedenfalls in der sogenann- ten Basis- oder Primärversorgung.

Und so will die ASG die Gebüh- renordnung diesmal, 25 Jahre später, für den Weg zurück nut- zen. Sie fordert die Ablösung der Einzelleistungsvergütung. Sie soll durch ein Kopfpauschalsystem - für die primärärztliche Versor- gung - und eine Vergütung nach., Leistungskomplexen - für die se:

kundärärztliche Versorgung - er- setzt werden. Eine Trennung in Primär- und Sekundärversorgung kann, das hat die ASG richtig er- kannt, nur funktionieren, wenn dem Patienten der freie Zugang zum Arzt verwehrt wird. Die so- zialdemokratischen Gesundheits- arbeiter setzen sich deshalb für ein Einschreibsystem ähnlich dem in Großbritannien oder in den Nie- derlanden ein. Hier fungiert der Primärarzt als Filter; der Spezial- arzt arbeitet nur auf Überweisung.

Und wer ist "Primärarzt"? Die ASG meint damit die Allgemei- närzte, die primärärztlich tätigen Internisten und die niedergelasse- nen Kinderärzte.

Eine vergleichbare Differenzie- rung fordert die ASG für die Kran- kenhäuser: Krankenhäuser der Regelversorgung seien so auszu- rüsten, daß sie sich tatsächlich auf das beschränkten, was für die Versorgung des großen Teils der Kranken ihres Einzugsbereiches wirklich benötigt werde. Hochlei- stungsmedizin hingegen sei nur in den eigens dafür bestimmten Krankenhäusern zuzulassen. Da Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 9 vom 27. Februar 1985 (23) 551

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

es für die Krankenhäuser kein Steuerungsinstrument ä la Ge- bührenordnung gibt (jedenfalls nicht aus Sicht der ASG; sie tritt für die Erstattung von Selbstko- sten ein), sann man auf Ersatz. Die Selbstkosten sollen, regional ein- heitlich, nach Diagnosen und Standardbehandlungszeiten be- rechnet werden. — Die Konzep- tion käme nicht von der ASG, würde nicht auch diesmal wieder versucht, die „Kluft" zwischen ambulanter und stationärer Ver- sorgung zu überbrücken. Und hier kommt die ASG auf alte Lieblingsvorstellungen zurück.

Das gibt auch dem neuen Papier wieder den Dreh ins Utopische und läßt zudem erkennen, daß es der ASG letztlich doch um das

„integrierte Gesundheitswesen"

geht — obwohl sie das Wort zu vermeiden versucht.

Wieder einmal setzt man sich für medizinisch soziale Gemeinde- zentren sowie gemeinsame Ein- richtungen der ambulant tätigen Ärzte und der Krankenhäuser ein.

Die Einzelpraxis solle überwun- den werden. Im Gemeindezen- trum sollten die Ärzte der Primär- versorgung, ergänzt durch ein kleines Spektrum von Ärzten der Sekundärversorgung, und zusam- men mit Psychotherapeuten, So- zialarbeitern und Sozialpädago- gen wirken. Das Gemeindezen- trum wäre demnach der Ort vor- nehmlich für die Basisversorgung.

Die Ärzte der Sekundärversor- gung werden von der ASG dage- gen auf die gemeinsamen Einrich- tungen mit den Krankenhäusern verwiesen. Die Spezialärzte wären demnach weit eher dem Kranken- haus zugeordnet als der ambulan- ten Versorgung. Die gemeinsa- men Einrichtungen sollen nämlich an die Krankenhäuser angelehnt werden.

Angenommen, auf diese Weise würde tatsächlich die „Kluft" zwi- schen Praxis und Krankenhaus geschlossen, sogleich öffnete sich ein neuer Graben, der zwi- schen „primärärztlicher" und „se- kundärärztlicher" Versorgung. NJ

Totaler Markt

Unter der Schlagzeile „Mehr Markt" wendet sich Prof. Dr.

Frank E. Münnich im „Bundesar- beitsblatt", dem Organ des Bun- desarbeitsministeriums, gegen die „Macht der Monopole". Die Kassenärztlichen Vereinigungen und Landesverbände der Orts- krankenkassen sind ihm ein Dorn im Auge, weil sie nach seiner Auf- fassung politische Macht konzen- trieren. Obwohl Münnich die Ver- bände selbst nicht auflösen will, stellt sich die Frage nach ihrer Funktion, wenn sie ihrer wesent- lichen Aufgaben beraubt wären.

Überhaupt scheint infolge der Überbewertung des Preiswettbe- werbs auf dem Gesundheitsgüter- markt die ordnungspolitische Rol- le des Kassenärztlichen Vereini- gungen falsch eingeschätzt zu werden. Festzustellen ist: In dem komplizierten Geflecht des Kas- senarztrechtes haben die Kassen- ärztlichen Vereinigungen als

Selbstverwaltungseinrichtungen eine ordnende Funktion, die der Gesetzgeber weder dem freien Spiel der Kräfte noch der Staats- verwaltung überlassen wollte. Zu nennen sind in erster Linie die De- finition und die Ausfüllung des In- halts kassenärztlicher Leistungen in vertraglicher Absprache mit den Krankenkassenverbänden.

Die Garantie dieser Leistungen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht durch nieder- gelassene Kassenärzte gegen- über den Krankenkassen ist Inhalt des Sicherstellungsauftrages der KVen. Wenn Münnich diesen Auf- trag als überflüssig bezeichnet, peilt er offenbar nur den quantita- tiven Aspekt an und unterschätzt die qualitative Komponente.

Die quantitative Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist in einer Periode wachsender Arztzahlen in der Tat kein Pro- blembereich mehr. Der qualitative Aspekt des Sicherstellungsauftra- ges dagegen hat gerade wegen

des Drucks der nachrückenden Ärztegeneration noch zugenom- men. Das Setzen von Richtlinien und Qualitätsnormen zur Aus- übung des Kassenarztberufes nimmt mit wachsenden Arztzah- len eher zu als ab. Eine qualitativ hochwertige kassenärztliche Ver- sorgung sicherzustellen, liegt nicht nur im Interesse der Kran- kenkassen und der Versicherten, sondern auch der Öffentlichkeit und des Staates als Gemeinwe- sen. Eine in allen Regionen gleichwertige qualitative ärztliche Versorgung ist daher nur mit Hilfe der Kassenärztlichen Vereinigun- gen als Körperschaften des öf- fentlichen Rechts zu erzielen. Es kann nicht im Interesse der Öf- fentlichkeit liegen, daß Inhalt und Qualität kassenärztlicher Versor- gung von dem jeweiligen Ver- ständnis und der Gemeinwohlge- sinnung des einzelnen Arztes ab- hängig sind.

Bei einer Abschaffung von Zwangsmitgliedschaften und des Sicherstellungsauftrages der KVen wären daher nicht diese In- strumente aus der Welt, sondern diese Funktionen würden ledig- lich auf staatliche Organe verla- gert — ein Verfahren also, das auch nicht gerade in Einklang mit den von ordoliberalen Wissen- schaftlern wie Professor Münnich geforderten marktwirtschaft- lichen Lösungen stehen würde.

Die Forderung, Preise frei zu bilden und gleichzeitig die vertraglichen Gebührenordnungen abzuschaf- fen, würde bedeuten, das Sach- leistungsprinzip aufzugeben.

Dann aber müßten sich die Versi- cherten in krankheitsbedingten Notlagen mit Preisverhandlungen herumschlagen. Auch wären kol- lektive Preisverhandlungen, falls sich gewerkschaftliche Interes- sengruppierungen bilden, nicht auszuschließen. Inwieweit aber ei- ne gewerkschaftliche Interessen- wahrung einer sachverständigen gemeinwohlorientierten Interes- senvertretung durch Körperschaf- ten überlegen sein soll, ist nicht erkennbar. Gerhard Brenner/ZI 552 (24) Heft 9 vom 27. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

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