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Archiv "Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung informieren: HTA-Bericht - Radiumchloridtherapie bei Morbus Bechterew" (20.02.2004)

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ealth Technology Assessment (HTA) – im engeren Sinne wird hierunter die evidenzbasierte Be- wertung von ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verstan- den, grundsätzlich aber schließt das Themenspektrum von HTA auch ande- re medizinische Maßnahmen wie Be- handlungsleitlinien oder Arzneimittel- therapie mit ein. In den angelsächsi- schen und skandinavischen Ländern, aber auch in Frankreich und Spanien bereits seit längerem als Instrument zur Unterstützung politischer Entschei- dungsprozesse über medizinische Ver- sorgungsinhalte etabliert, gewinnt HTA auch in Deutschland angesichts des gesundheitspolitischen Entscheidungs- drucks zunehmend an Bedeutung. 2001 gründeten Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung ei- ne gemeinsame HTA-Arbeitsgruppe, die sich der Aufklärung des Forschungs- stands besonders strittiger Untersu- chungs- und Behandlungsmethoden wid- met.Als neuesten HTA-Bericht legte die Arbeitsgruppe nach Abschluss des Peer Reviews durch den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer im Janu- ar 2004 ein Assessment zur Radiumchlo- ridtherapie bei Morbus Bechterew vor.

Die Spondylitis ankylosans ist ei- ne HLA-B27-assoziierte entzündlich- rheumatische Erkrankung, die nach in- itialem Befall der Sakroiliakalgelenke zu einer Versteifung der gesamten Wir- belsäule führen kann. Bislang stehen keine Therapien für eine Kausalbe- handlung zur Verfügung, die therapeu- tischen Ziele bestehen in einer Beherr- schung der Schmerzsymptomatik sowie dem Versuch, die Komplettversteifung der Wirbelsäule zu verhindern. Neben Krankengymnastik und Physiotherapie kommen im Rahmen der medikamen- tösen Therapie unter anderem nicht- steroidale Antiphlogistika, Corticoste- roide, Sulfasalazin und Methotrexat

zum Einsatz, seit 2003 steht außerdem die Therapie mit TNF-α-Antagonisten zur Verfügung. Unter den Behandlungs- formen, die auf der Anwendung von Korpuskularstrahlung beruhen, sind die Radonbalneotherapie, die Radiosynovi- orthese sowie die intravenöse Radium- chloridtherapie zu unterscheiden. Da sich die Anfragen bei der Bundesärzte- kammer und der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung ausschließlich auf den Einsatz der Radiumchloridtherapie be- ziehen und auch die Stellungnahmen, die nach Veröffentlichung des Bera- tungsthemas eingingen, sich ausschließ- lich hiermit beschäftigen, wurde die Behandlung des ursprünglich „Radio- nuklidtherapie bei Morbus Bechterew“

lautenden Themas durch die HTA-Ar- beitsgruppe auf die Radiumchlorid- therapie eingeengt, Radonbalneothe- rapie und Radiosynoviorthese werden lediglich ergänzend dargestellt.

Neuzulassung als Reservetherapeutikum im Jahr 2000

[224Ra]Radiumchlorid ist seit Oktober 2000 neu zugelassen, nachdem die Pro- duktion des Arzneimittels 1988 einge- stellt worden war. Anwendungsgebiet ist die Behandlung starker Schmerzen bei Patienten mit Spondylitis anky- losans der klinisch-röntgenologischen Stadien II und III (nachgewiesene Os- sifikationsprozesse am Achsenskelett), bei denen eine „konsequente und ad- äquate Schmerztherapie erfolglos war oder bei denen die Gabe von Analgetika und Antiphlogistika kontraindiziert ist“.

Zur Behandlung werden zehn i.v.-Injek- tionen im Abstand von je einer Woche mit einer kumulativen Gesamtaktivität von 10 MBq verabreicht.Angesichts der bislang unbefriedigenden therapeuti- schen Möglichkeiten wurde die Neuzu-

lassung von Radiumchlorid von den Pa- tientenorganisationen als viel verspre- chende Therapieoption begrüßt. Da für die Radiumchloridtherapie bislang kei- ne Phase-III-Studien vorliegen, erfolgte die Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter anderem mit der Auf- lage, Ergebnisse klinischer Studien ent- sprechend § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG inner- halb von fünf Jahren nach Erteilung der Zulassung nachzureichen. Andererseits ging das BfArM, gestützt auf ein Sach- verständigengutachten, bei der Zulas- sung im Jahr 2000 davon aus, dass hinrei- chende Anhaltspunkte für den „hohen therapeutischen Wert vor allem als Re- servetherapeutikum“ gegeben seien.

Um keine etwaigen Belege für den the- rapeutischen Wert der Radiumchlo- ridtherapie aufgrund eines Publikati- onsbias zu übersehen, hat die HTA-Ar- beitsgruppe deshalb neben den Recher- cheergebnissen, die über die Informa- tionsgewinnung aus den einschlägigen wissenschaftlichen Datenbanken ge- wonnen wurden, darüber hinaus per Handsuche die zusätzlichen Literatur- stellen ermittelt und in die Studiensich- tung eingeschlossen, auf die sich das für die Neuzulassung von [224Ra]Radium- chlorid relevante Sachverständigengut- achten stützt.

Unbefriedigende Evidenz bei den Wirksamkeitsstudien

Nach Auswertung der Primärstudien zur klinischen Wirksamkeit kommt die HTA-Arbeitsgruppe zu der Schlussfol- gerung, dass der für die Radiumchlo- ridtherapie unterstellte bekannte thera- peutische Wert als nicht belegt gelten kann. Es handelt sich überwiegend um Fallserien und Kasuistiken, ein prospek- tiver Prüfplan geht – mit Ausnahme ei- ner Anwendungsbeobachtung, aus der M E D I Z I N R E P O R T

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A480 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 820. Februar 2004

Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung informieren

HTA-Bericht: Radiumchloridtherapie bei

Morbus Bechterew

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sich jedoch kein Wirksamkeitsnachweis ableiten lässt – aus keiner der begutach- teten Studien hervor. In der Mehrzahl handelt es sich um Therapiestudien oh- ne Vergleichsgruppen, bei ganz wenigen Studien wurde eine historische Ver- gleichsgruppe herangezogen, in keiner Studie wurde die Radiumchloridthera- pie jedoch mit einer Kontrollinterventi- on oder mit einer Placebobedingung verglichen. Die mögliche Wirkung von Begleittherapien wird nur in wenigen Studien überhaupt thematisiert, in kei- ner jedoch hinreichend kontrolliert, ob- wohl davon auszugehen ist, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle Begleit- therapien (nichtsteroidale Antiphlogi- stika und/oder physiotherapeutische Maßnahmen) durchgeführt wurden.

Trotz der berichteten Behandlungser- folge ist die Aussagekraft der vorliegen- den Studien aufgrund der zahlreichen methodischen Schwächen hochgradig eingeschränkt. Besonders bedenklich ist auch, dass Studien zur Bestimmung der

„minimal effective dose“ bislang offen- sichtlich nicht durchgeführt wurden, ob- wohl dies im Hinblick auf die Strahlen- risiken für die klinische Anwendung relevant sein könnte.

Studien zu Risiken von [224

Ra

]Radiumchlorid

Unter den Studien, die zur Abschätzung der unerwünschten Strahleneffekte ei- ner Radiumchloridtherapie durchge- führt wurden, sind zwei große Kohor- tenstudien hervorzuheben. Die so ge- nannte Spiess-Studie startete 1952 (bis 1973) und beobachtete ein dosisabhän- gig höheres Risiko für das Auftreten von Knochensarkomen nach Behandlung mit [224Ra]Radium. Eine auf den Ko- horten-Daten aufbauende Modellüber- prüfung von 1998 ermittelte außerdem ein erhöhtes Risiko unter anderem für Schilddrüsenkarzinome, Blasen- und Nierentumoren und insbesondere für das Auftreten von Mammakarzinomen.

Die zweite große Kohortenstudie (Euratom-Studie, gestartet 1971) hatte die Zielsetzung, die Spätrisiken einer [224Ra]Radium-Therapie in niedriger Dosierung zu untersuchen, wie sie bei der Behandlung der Spondylitis ankylo- sans eingesetzt wird. Die ersten Ergeb-

nisse deuteten unerwartet auf ein gerin- geres relatives Risiko für das Auftreten von Neoplasien in der Behandlungs- gruppe gegenüber dem Bevölkerungs- durchschnitt hin, wobei insbesondere die Lungenkrebsfälle in der Subgruppe der mit Radiumchlorid behandelten Männer signifikant unterhalb der er- warteten Anzahl lagen. Bei der Ergeb- nisinterpretation wurden mögliche Confounder (zum Beispiel Nikotinkon- sum) jedoch nicht berücksichtigt. Im weiteren Verlauf zeigten sich in der Be- handlungsgruppe die Inzidenzen von Blasenkrebs, Mammakarzinom und auch von Leukämien erhöht, in der letz- ten Studienauswertung mit Stand 2002 ist die Leberkrebsrate in der Behand- lungsgruppe signifikant erhöht.

Phase-III-Studie zwingend erforderlich

Zusammenfassend weisen die Studien zum Risiko überwiegend eine höhere methodische Qualität auf als die Studi- en zur Wirksamkeit der Radiumchlo- ridtherapie. Es gibt bisher lediglich Hin- weise für einen positiven therapeuti- schen Effekt der Radiumchloridthera- pie bei der Spondylitis ankylosans, aber keine prospektiv und systematisch er- hobenen Daten zur Erfassung von Wir- kungen und Nebenwirkungen. Ange- sichts des unsicheren Erkenntnisstandes zum klinischen Nutzen bei gleichzeitig nicht sicher ausschließbaren langfristi- gen Strahlenschäden kommt die HTA- Arbeitsgruppe deshalb zu dem Fazit, dass die Radiumchloridtherapie bei Spondylitis ankylosans ausschließlich im Rahmen klinischer Studien durchge- führt werden sollte, wie sie zur Erfül- lung der Zulassungsauflage durch das BfArM erforderlich sind.

Der HTA-Bericht zur Radium- chloridtherapie bei Morbus Bechterew ist abrufbar unter www.bundesaerzte kammer.de/30/HTA sowie unter www.

kbv.de/hta.

Dr. med. Regina Klakow-Franck, M. A.1 Doris Koch2

Dr. med. Beatrice Moreno2 Dr. med. Dorsay Novak1 Dr. med. Paul Rheinberger2 Dr. med. Hermann Wetzel, M. Sc.2

1Bundesärztekammer,2Kassenärztliche Bundesvereinigung M E D I Z I N R E P O R T

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A482 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 820. Februar 2004

Multiple Sklerose

Wie Nervenzellen geschädigt werden

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eit einigen Jahren weiß man, dass die Schädigung der Nervenzellen bei multipler Sklerose (MS) bedeutsamer ist als die Vernarbungen an den Mark- scheiden. Unklar bleibt, ob es einen Zu- sammenhang zwischen den Läsionen der Markscheiden und dem Untergang der Hirnnervenzellen gibt. Wissenschaftler der Charité Berlin und der Universität Magdeburg haben jetzt ein fehlendes Bindeglied in der Kette der Schädigung gefunden: Als Reaktion auf ein bisher noch unbekanntes Agens wandern T-Lymphozyten in das Gehirn und ins Rückenmark ein und zerstören das Myelin. Hierbei entstehen Abbaupro- dukte wie das 7-KetoCholesterol, das in hohen Konzentrationen im Liquor von MS-Patienten nachgewiesen werden kann, jedoch nicht bei Gehirnerkran- kungen nichtentzündlicher Art (Journal of Experimental Medicine 2003; 198:

1729–1740). Im Tiermodell zeigte sich, dass die MS umso ausgeprägter ist, je mehr 7-KetoCholesterol nachgewiesen werden kann. Im Gehirn von MS-Pa- tienten ließen sich große Mengen dieses Abbauproduktes nachweisen.

Den Wissenschaftlern gelang es zu klären, wie die Substanz indirekt am Untergang der Gehirnnervenzellen beteiligt ist: Im Rahmen der Entmar- kungsvorgänge werden die Mikroglia- zellen aus ihrem Ruhezustand erweckt.

Dies geschieht in einer Art Kettenreak- tion, deren Anstoß das 7-KetoCholeste- rol gibt. Es dringt in den Kern der ruhenden Mikrogliazellen vor und aktiviert dort ein Molekül (PARP-1).

Durch diesen Mechanismus gelingt es der Mikroglia, sich im Gehirn zu ver- breiten und Nervenzellen zu zerstören.

Für die praktische Medizin sehen die Autoren zwei Folgerungen aus ihren Erkenntnissen: Die Konzentration des 7-KetoCholesterols im Liquor ließe sich als Marker der Schwere der MS nutzen; durch Hemmung oder Blockie- rung von PARP-1 könnte der Unter- gang der Nervenzellen vemindert oder

verhindert werden. EB

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