Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007 A745
S E I T E E I N S
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etzt haben es die Gynäkolog(inn)en einmal mehr„amtlich“: Die Hormontherapie (HT) kann gesun- den Frauen in der Postmenopause nicht zur primären Prävention von Osteoporose und Herz-Kreislauf- Erkrankungen empfohlen werden, da die negativen Effekte nicht durch die positiven Effekte aufgewogen werden. Einem reduzierten Fraktur- und Darmkrebs- risiko steht ein erhöhtes Brustkrebs- und kardiovasku- läres Risiko gegenüber. Zu diesem Ergebnis gelangt der Health-Technology-Assessment(HTA)-Bericht 52, der in diesen Tagen – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – publiziert wurde. Ein weiteres Ergebnis ist, dass die HT zwar eine wirksame Maßnahme zur Behandlung von perimenopausalen Hitzewallungen und nächtlichen Schweißausbrüchen darstellt, empfohlen wird sie aber explizit nicht – eher geduldet für Frauen mit großem Leidensdruck und nach umfassender Auf- klärung zur Risikoabschätzung.
Die HTA-Autoren betonen, dass in diesem epidemio- logischen Forschungsprojekt „alle relevanten und me- thodisch sauber durchgeführten englisch- und deutsch- sprachigen Studien“ für den Zeitraum Oktober 1999 bis März 2004 kritisch beleuchtet wurden, um die Risiken und den möglichen Nutzen sowie gesundheitsökono- mische Aspekte der Hormongabe für Frauen in der Post- menopause umfassend zu beurteilen. Kann die jetzige Auswertung als Schlusspunkt einer in Deutschland – und im Deutschen Ärzteblatt – emotional aufgeladenen Diskussion zur Hormontherapie in den Wechseljahren angesehen werden?
Durch die zeitliche Beschränkung der eingeschlossenen Studien bis März 2004 hat man den Stand des Wissens für genau jenen Zeitraum erfasst, der mit der Veröffent- lichung der beiden international repräsentativen US- Studien (Women’s Health Initiative/WHI und Heart and Estrogen/Progestin replacement Study/HERS) seinen Kulminationspunkt erreicht hatte. Die später publizierte, aber durchaus relevante Literatur (zum Beispiel Östro- gen-Monotherapie-Arm von WHI) konnte daher nicht mehr berücksichtigt werden.
Medizinisch gesehen ist die Botschaft somit „alter Wein in neuen Schläuchen“. Es bleibt dabei: Die Kombi- nationstherapie aus konjugierten equinen Östrogenen und Medroxyprogesteronazetat sollte nur nach Abwägung al- ler Nutzen und Risiken und dann nur kurzzeitig verordnet werden. „Frauen bleibt es nicht erspart zu entscheiden, ob
sie Risiken in Kauf nehmen wollen, wenn sie diese medikamentöse Behandlung wegen Hitzewallungen in Betracht ziehen“, sagte Prof. Dr. med. Martina Dören (Charité, Berlin) gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Allerdings gibt es einen Diskussionshinweis, der die wiederholte Kritik der HT-Befürworter, die US-Studien seien nicht repräsentativ für die Verhältnisse in Deutsch- land, entkräftet: „Solange keine qualitativ guten Inter- ventionsstudien für Deutschland das Gegenteil beweisen, sollte die Übertragbarkeit der amerikanischen Studien- ergebnisse auf deutsche Verhältnisse angenommen wer- den. Diese Ansicht wird unterstützt durch Untersuchun- gen, die zeigten, dass deutsche Frauen dieser Altersgruppe durchaus vergleichbar waren mit den Teilnehmerinnen der WHI-Studie.“ Diese Bewertung wäre zum Zeitpunkt der „heißen“ Diskussionen hilfreich gewesen und hätte wohl manche Fehde vermieden.
Es stellt sich daher die Frage, weshalb die Auswer- tung des HTA-Berichts erst 2007, also genau drei Jah- re nach der zuletzt eingeschlossenen Studie, veröffent- licht wird. Nach Auskunft des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), das den HTA-Bericht im Auftrag des Bundes- gesundheitsministeriums publiziert hat, bestand unter den beteiligten Gutachtern ein „großer Korrekturbe- darf“, der zu der „zeitlichen Verzögerung“ geführt habe.
Doch auch ohne den HTA-Bericht hat sich das Stim- mungsbild inzwischen gewandelt. Sind 1999 noch 1 156 Millionen definierte Tagesdosen zur postme- nopausalen Hormontherapie verordnet worden, waren es 2005 nur noch 483 Millionen. Manche Wahrheiten lassen sich eben (trotz Lobbyarbeit) nicht aufhalten.
HTA-BERICHT ZUR POSTMENOPAUSALEN HORMONTHERAPIE
Alter Wein in neuen Schläuchen
Vera Zylka-Menhorn
Dr. med. Vera Zylka-Menhorn Ressortleiterin Medizinreport