AKTUELLE POLITIK
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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as detaillierte „Hand- lungskonzept für die kas- senärztliche Versorgung", das der Vorstand der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in mehreren Klausurtagun- gen erarbeitet und das die Vertreter- versammlung der KBV am 9. De- zember 1989 in Köln nach mehr als vierstündiger kontroverser Debatte in der Tendenz positiv zur Kenntnis genommen hatte, ist punktuell wei- ter in der Diskussion: nämlich die im neuen § 73 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) konstatierte Gliederung der ambulanten kassen-/vertrags- ärztlichen Versorgung in eine „haus- ärztliche" und eine „fachärztliche"
sowie der im gleichen Paragraphen (Abs. 1, Satz 2) an die Partner der Selbstverwaltung gegebene Auftrag zur näheren Beschreibung.
Inzwischen hat ein Ad hoc-Ar- beitskreis, den der Vorstand der KBV berufen hatte, einen Entwurf (Stand: 2. März 1990) für „Überle- gungen zur Gliederung der kassen- ärztlichen Versorgung in eine haus- ärztliche und eine fachärztliche Ver- sorgung" erarbeitet. Dieser ist be- reits in den Gremien der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung, der Kas- senärztlichen Vereinigungen, in Ausschüssen der Bundesärztekam- mer, den Berufsverbänden der Be- troffenen (in erster Linie. BPA Be- rufsverband der Praktischen Arzte und Ärzte für Allgemeinmedizin;
Berufsverband Deutscher Interni- sten; Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände) sowie anderen ärzt- lichen Verbänden erörtet worden.
Die Anregungen, Änderungs- wünsche und Bedenken zum Kon- zeptentwurf des Vorstandes der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung wurden und werden geprüft und ge- gebenenfalls noch berücksichtigt, so die Zusicherung des KBV-Vorstan- des auch gegenüber der ärztlichen Öffentlichkeit bei einem Fach-Pres- segespräch am 4. April in Köln.
In einer weiteren Klausurbe- sprechung (am 18. April), so die Er- wartungen des KBV-Vorstandes, sollten die Erörterungen so weit ge- diehen sein, daß das Gliederungs- konzept der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung während deren Arbeitstagung
In der Diskussion
in Würzburg (am 14. Mai) vorgelegt und in eine erste (nicht unbedingt abschließende) Lesung gehen kann.
Das so geradezu „basisdemokra- tisch" erarbeitete Strukturkonzept, vom erhofften Konsensus der Kas- senärzteschaft getragen, wäre dann eine gute Ausgangsbasis für die Ver- handlungen der KBV mit den Spit- zenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Vertragspartner des Bundesmantel- vertrages. Dabei ist die (formale) ge- setzliche Vorgabe nach § 73 Abs. 1, Satz 2 SGB V so zu gestalten, daß funktionale Arbeitsbereiche für die
hausärztliche und die fachärztliche Versorgung definiert werden.
Dreifacher
Handlungsbedarf
1■1111inarmandIMIMME Mit der von der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung ergriffenen Initiative baut der KBV-Vorstand auf die Zusicherung des Bundesar- beitsministers, keine „Ersatzvornah- me" zu starten, und auch das Bun- desschiedsamt sollte außen vor blei- ben (so jedenfalls die Zusicherung des für die Krankenversicherung zu- ständigen Abteilungsleiters im Bun- desarbeitsministerium, Ministerial- direktor Karl Jung, anläßlich eines Expertensymposiums der Kassen- ärztlichen Vereinigung Nord-Würt- temberg in Stuttgart am 24. März 1990).
Es gibt aber weitere wichtige Gründe für die Initiative der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung: So soll versucht werden, an der Schnitt- stelle zwischen allgemein-/hausärzt- licher und spezialärztlicher Versor- gung Überschneidungen und Über- lappungen zu beseitigen oder zu re- gulieren. Zugleich sollen damit evi- dente Strukturmängel in manchen Bereichen der kassenärztlichen Ver-
sorgung beseitigt werden. Darüber hinaus sollen ökonomische Anreize zur Bildung von ärztlichen Gemein- schaftspraxen, insbesondere zur ge- meinsamen Nutzung von Geräten, gesetzt werden.
Der Strukturvorschlag der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung versteht sich zugleich als eine deutli- che Absage an das Modell der „pri- märärztlichen Versorgung", für das der Sachverständigenrat für die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswe- sen in seinen beiden jüngsten Jahres- gutachten 1989/90 so lebhaft plädiert hat und das beispielsweise in den Niederlanden seit Jahren praktiziert wird. Danach wäre die freie Arzt- wahl der Versicherten insoweit ein- geschränkt, als der Zugang zum Ge- bietsarzt künftig nur noch auf Über- weisung eines „Primär-Arztes" mög- lich wäre. Zugleich hielt der Rat eine prinzipielle Neuordnung der Hono- rierung für erforderlich. Für den neu zu definierenden Hausarzt wäre in diesem Modell eine pauschalierte Honorierung vorbehalten, wohinge- gen alle speziellen Leistungen nach dem System der Einzelleistungsver- gütung abgerechnet und honoriert werden würden.
Noch entschiedener ist das KBV-Modell eine passende Antwort auf die marktwirtschaftlich verbräm- ten planwirtschaftlichen Vorschläge der Enquete-Kommission des Bun- destages zur Weiterentwicklung des Rechtes der gesetzlichen Kranken- versicherung, die für das sogenannte Einkaufsmodell auch im Bereich der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung plädieren.
Dem vom Sachverständigenrat propagierten Modell, das eine weit- gehende
Umgestaltung des Kassen- arztrechtes
und eine tiefgreifende Neustrukturierung der Versicherten- rechte erfordern würde, setzt die KBV das Bekenntnis gegenüber, daßDie künftige Gliederung der kassenärztlichen Versorgung
Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990 (17) A-1237
die freie Arztwahl der Sozialversi- cherten nicht eingeschränkt werden soll und darf.
Aber auch im Hinblick auf die beabsichtigte Stärkung der primär-/
hausärztlichen Versorgung will das KBV-Modell einen wirksamen Bei- trag leisten. So soll die hausärztliche Versorgung durch kompetente, mög- lichst umfassend weitergebildete Ärzte verbreitert und qualitativ ver- bessert werden. Insofern wäre die Neustrukturierung zugleich ein Bei- trag zur Qualitätssicherung der ärzt- lichen Berufsausübung.
Handlungsbedarf ist schließlich auch im Hinblick auf die erwartete Entwicklung der Arztzahlen gege- ben: Bereits für das Jahr 2000 wer- den mehr als 100 000 an der kassen- ärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte („Ärzteschwemme") progno- stiziert. Gerade von seiten der Re- präsentanten der Krankenversiche- rungsverbände wird bei einer zahlen- mäßigen Überbesetzung im kassen- ärztlichen Bereich moniert, daß das System der kassenärztlichen Versor- gung bei begrenzten finanziellen Ressourcen schon bald nicht mehr fi- nanzierbar sei, wenn hausärztliche und fachärztliche Bereiche vor allem im Bereich der Medizintechnik wei- ter „aufrüsteten" und so eine Men- genausweitung begünstigten.
Abgrenzung des haus- ärztlichen Bereiches
4111111111111111M
Aus Sicht der KBV kann eine sinnvolle Gliederung der haus- und gebietsärztlichen Versorgung die Konkurrenzsituation zwischen allge- meinmedizinischer und spezialärzt- licher Versorgung mildern und zu ei- ner fruchtbaren Kooperation führen.
Gerade in der Zusammenarbeit der Spezialisten untereinander und durch die sektorenübergeifende Ko- operation mit den Hausärzten sieht das Konzept eine Möglichkeit, mo- derne Technik bei einer existentiell ausreichenden und kalkulierbaren Dotation im niedergelassenen Be- reich zu erhalten.
Besonderen Wert legt das Kon- zept auf die Qualifizierung der künf- tigen Hausärzte. Auch wenn der Entwurf zur Strukturierung eine
„Stufenleiter" vom praktischen Arzt über den (weitergebildeten) Arzt für Allgemeinmedizin bis hin zum Ge- bietsarzt und zum weitergebildeten Arzt mit Zusatzbezeichnung zugrun- de legt, bleibt die seit Jahren ver- fochtene Forderung der KBV unver- ändert essentiell einbezogen: Grund- voraussetzung für den Zugang zur kassenärztlichen Versorgung soll ei- ne abgeschlossene, mindestens drei Jahre dauernde Weiterbildung auch im primärärztlichen Bereich sein.
Dies soll denn auch in einer Präam- bel zum Konzept klargestellt wer- den.
Im einzelnen geht das KBV- Konzept von folgenden Überlegun- gen aus:
Künftig sollen spezifische haus- ärztliche Leistungen definiert wer- den, gegebenenfalls auch in Form von Komplexen, dabei sollen die für den hausärztlichen Bereich typi- schen Leistungen (zum Beispiel: Do- kumentation, Kontaktaufnahme mit anderen Ärzten oder mit Soziallei- stungsträgern und anderen) ange- messen vergütet werden. Die ent- sprechenden Leistungspositionen sollen künftig nur dem Hausarzt zur Verfügung stehen.
Ein darüber hinaus gehendes, von Hausärzten zu erbringendes Spektrum medizinisch-technischer Leistungen soll an spezielle Fach- kundenachweise gebunden werden, um eine möglichst einheitliche Qua- lifikation der Ärzte trotz unter- schiedlich absolvierter Weiterbil- dungsinhalte und -gänge zu gewähr- leisten.
Die fachärztlichen Leistungen sollen dem Hausarzt prinzipiell ver- schlossen bleiben, um dadurch eine Bereinigung der derzeit bestehen- den Konkurrenzsituation zu errei- chen. Das Konzept unterstellt, daß der Nachweis der Kenntnisse allein nicht als ausreichendes Kriterium angesehen werden kann. Vielmehr hängt eine qualitativ gute Erbrin- gung der Leistung wesentlich von den regelmäßig erbrachten Fre- quenzen ab.
Die Nahtstelle des Gliederungs- konzeptes für die kassenärztliche Versorgung bilden die Ärzte ohne Gebietsbezeichnung und die Allge- meinärzte auf der einen Seite und
die Internisten auf der anderen.
Letztere sollen sich frei entscheiden, welcher Gruppe sie zugeordnet wer- den wollen; bei der Leistungserbrin- gung und der Abrechnung sind sie dann daran gebunden.
Hausärztliche Versorgung
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Der KBV-Entwurf postuliert da- zu: „An der hausärztlichen Versor- gung nehmen Ärzte für Allgemein- medizin und Ärzte ohne Gebietsbe- zeichnung (praktische Ärzte) teil.
Kinderärzte und Internisten, die kei- ne Teilgebietsbezeichnung führen, können wählen, ob sie an der haus- ärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen."
Dem Entwurf zufolge umfaßt die hausärztliche Versorgung die all- gemeine hausärztliche Tätigkeit und zusätzliche Leistungen, die mit dieser hausärztlichen Tätigkeit vereinbar sind.
Zu den hausärztlichen Tätig- keiten zählt insbesondere die umfas- sende Übernahme folgender Aufga- ben:
Die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung der Patienten in Diagnostik und Therapie einschließ- lich
—der Berücksichtigung der per- sönlichen Lebensumstände und des sozialen Umfeldes,
—die hausärztliche Präsenz,
—die Hausbesuchstätigkeit und
—die Notfallversorgung.
Dem (künftigen) Hausarzt soll vor allem die Koordination diagno- stischer und therapeutischer Maß- nahmen obliegen. Dabei soll der Hausarzt wesentliche Behandlungs- daten, Befunde und Berichte aus dem ambulanten und dem stationä- ren Bereich unter Einbeziehung des speziellen ärztlichen Sachverstandes zusammenführen, bewerten und auf- bewahren. Ferner: Integration nicht- ärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnah- men sowie kritische Bewertung der Lebensführung des Patienten (auch unter Berücksichtigung der Selbst- medikation).
Domäne des Hausarztes soll auch die Einleitung oder Durchfüh- rung präventiver und rehabilitativer A-1238 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990
Struktur der Ärztestatistik 1989
(Zahlen in Tausend)Gesamtzahl der Ärzte 234.8
Elebrutstetig.. _Ärzte, 188,2 Berufstätige Ärzte in der DDR
1981141639. 350 EinwohnedArzt
Dar.: ca. 400 Ärzte niedergelassen Ohne ärztliche
Tätigkeit
46.6
In Kranken- häusern
92,5
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Beteiligung Beteiligter uJo Ermächt..Arg)
Statistik dar BÄK sowie der KBV
Maßnahmen sein. Dazu zählt das Konzept insbesondere die Krank- heitsfrüherkennung, Maßnahmen zur Gesundheitsführung und Krank- heitsverhütung einschließlich indivi- dueller Hilfen zum Abbau gesund- heitsschädigender Verhaltensweisen (zum Beispiel Ernährungs- und Diät- beratung); das frühzeitige Erfassen von Hinweisen auf drohende Behin- derungen und das Aufzeigen von Strategien zur Krankheitsbewälti- gung. Die hausärztliche Tätigkeit soll sich aber keineswegs in diesen Leistungen erschöpfen; sie ist viel umfassender konzipiert.
Zusätzliche Leistungen können dem Konzept zufolge zu den allge- meinen hausärztlichen Tätigkeiten nur dann übernommen werden, wenn die Aufgaben der allgemeinen hausärztlichen Tätigkeit umfassend und vollständig erbracht werden.
In jedem Fall muß der Hausarzt die ärztliche Präsenz im primärärzt- lichen Sektor gewährleisten, die im Konzept genannten Aufgaben erfül- len und diese Leistungen umfassend vorhalten. Im Sinne einer an Qualifi- kations- und Weiterbildungskrite- rien gebundenen gestuften Versor- gung kann das Leistungs- und Ab- rechnungsspektrum des in die haus- ärztliche Versorgung eingeschalte- ten Arztes, ob Arzt ohne Gebietsbe- zeichnung, Allgemeinarzt, Kinder- arzt u. a. enger oder breiter gefä- chert sein.
Tätigkeitsspektrum und Qualifikation
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So dürfen nach dem KBV-Kon- zept zusätzliche, über die allgemei- nen hausärztichen Tätigkeiten hin- ausgehenden Leistungen nur bei vor- liegendem Qualifikationsnachweis erbracht werden. Ein Beispiel: All- gemeinärzte, die im Rahmen ihrer zweijährigen internistischen Weiter- bildungszeit Zertifikate über erfolg- reiche EKG-Auswertungen erwor- ben haben, werden auch künftig die- se Leistungen erbringen und abrech- nen können. Andererseits werden spezielle Leistungen wie etwa Endoskopien künftig nicht mehr in den typischen Hausarztpraxen vor- kommen, zumal damit auch (hoch-
sensible) Qualitätsprobleme verbun- den sind, so Dr. Reiner Hess, der Hauptgeschäftsführer der KBV, an- läßlich des Fachpresseseminars in Köln.
Zusätzlich zur allgemeinen hausärztlichen Tätigkeit sollen Lei- stungen ohne gesonderten Nachweis einer spezifischen Qualifikation in folgenden im Einheitlichen Bewer- tungsmaßstab (EBM) aufgeführten Leistungsbereichen erbracht werden können:
- Diagnostische und therapeuti- sche Leistungen unter Verwendung einfacher instrumenteller und appa- rativer Hilfsmittel
- Allgemeine Sonderleistungen (zum Beispiel Verbände, Infusio- nen)
- Allgemeine Laboratoriumsun- tersuchungen (Abschnitte 0 I und 0 II)
- Physikalische Therapie - Lokal- und Leistungsanästhe- sie
- Kleine Chirurgie (Wundver- sorgung, Fremdkörperentfernung u. a.).
Bereiche mit besonderem Nach- weis einer spezifischen Qualifikation im hausärztlichen Versorgungsbe- reich:
- Allergologische Diagnostik
- B-Bild-Sonographie
- Direktionale Doppler-sono- graphische Untersuchungen (ohne Duplex-Verfahren)
Nicht-invasive elektrokardio- graphische Untersuchungen
- Proktologische Diagnostik und Therapie, einschließlich Rekto- skopie
- Chirotherapie
- Psychosomatische Diagnostik und Therapie
- Psychotherapie.
Auf Antrag kann die Kassenärzt- liche Vereinigung einem an der hausärztlichen Versorgung teilneh- menden Arzt auch die Erbringung bestimmter Leistungen der fachärzt- lichen Versorgung gestatten, falls dies erforderlich ist, um so die ärzt- liche Versorgung sicherzustellen.
Auch dieser Arzt muß dafür qualifi- ziert sein, solche Leistungen zu er- bringen.
Fachärztliche Versorgung
immass
Dem Sektor der fachärztlichen Versorgung
werden alle jene Ärzte
mit Gebietsbezeichnungen zugeord- net, die nicht für die Wahrnehmung hausärztlicher Versorgungsaufgaben optiert haben.
Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990 (19) A-1239
Allerdings kann die Kassenärzt- liche Vereinigung auch Ärzten für Allgemeinmedizin und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im wesent- lichen spezielle Leistungen (etwa der Psychotherpie) erbringen, die Zu- ordnung ausschließlich zur fachärzt- lichen Versorgung gestatten.
Ärzte für Laboratoriumsmedi- zin, Mikrobiologie und Infektions- epidemiologie, Nuklearmedizin, Pa- thologie und Radiologie (Radiologi- sche Diagnostik) können, so po- stuliert das KBV-Konzept, nur auf Überweisung in Anspruch genom- men werden. Das gleiche gilt für er- mächtigte Arzte.
Das Leistungsspektrum der an der fachärztlichen Versorgung teil- nehmenden Ärzte soll sich nach den weiterbildungsrechtlichen Vorschrif- ten sowie der Erfüllung jeweils vor- gegebener Qualifikationsanforde- rungen richten. Zur fachärztlichen Versorgung gehört nicht eine regel- mäßige Hausbesuchstätigkeit. (Aller- dings gibt es auch Ausnahmen, etwa, wenn der Urologe „seinen" Patien- ten nach einem urologischen Eingriff zu Hause besucht und ärztlich ver- sorgt).
Uberweisungen unter Ärzten, die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, sind prinzipiell auf die Ergänzung der gebietsbezogenen Diagnostik und Therapie des über- weisenden Arztes zu beschränken.
Rundherum positiv schätzt das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung den neu- geschaffenen „Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern"
ein. Mit derzeit 225 eigenen Ärzten und externen Mitarbeitern, die sich auf 114 Haupt- und Nebenstellen verteilen, sei die Nachfolge-Organi- sation des Vertrauensärztlichen Dienstes weder eine Superkontroll- behörde noch ein Spitzeldienst der Krankenkassen. Vielmehr gewähr- leiste er auf Landesebene eine wohnortnahe Aufgabenerfüllung.
Der überweisende Arzt soll sicher- stellen, daß Befundmitteilungen, -berichte und Arztbriefe auch dem Hausarzt zur Kenntnis gebracht wer- den.
Falls im Rahmen der fachärzt- lichen Versorgung eine Behandlung nicht mehr erforderlich ist, soll der Facharzt an einen an der hausärzt- lichen Versorgung teilnehmenden Arzt überweisen.
Übergangsregelungen notwendig
Jaaammi
• Ein so umfassendes perspek- tivisches Strukturmodell bedarf großzügiger Übergangsregelungen nach Inkrafttreten der Neuregelung.
Die KBV schlägt dazu einen Zeit- raum von mindestens zehn Jahren vor — ein Zeitraum, der ausreichen dürfte, um „Besitzstände" zu wahren und die bereits im Studium befind- lichen Aspiranten zu orientieren.
Da das geltende Weiterbil- dungsrecht durch das KBV-Struktur- konzept mittelbar berührt wird, re- sultiert daraus gegebenenfalls auch Handlungsbedarf zur Überarbeitung und Weiterentwicklung der Weiter- bildungsordnung, vor allem im Fach
„Innere Medizin". Ein Gespräch auch über diese Frage hat die KBV mit der Bundesärztekammer aufge- nommen Dr. Harald Clade
Seine Hauptaufgabe wird darin gesehen, daß Leistungsmißbrauch, der ja zu Lasten jedes einzelnen Bei- tragszahlers geht, aufgedeckt oder verhindert wird. Er werde auch im- mer dann eingeschaltet, wenn es um schwierige medizinische Sachverhal- te geht, die der Sachbearbeiter einer Krankenkasse vor Ort nicht ohne fachkundigen Rat lösen kann.
Wichtig ist dieser Rat insbeson- dere für die neueingeführten Kas- senleistungen bei Pflegebedürftig- keit, bei der Kostenübernahme im Ausland oder vor der Bewilligung
von Kuren und für ungewöhnlich aufwendige Leistungen, wie sie bei- spielsweise in der Kieferorthopädie und bei der künstlichen Befruchtung anfallen. Doch auch bei Pflegesatz- verhandlungen, beim Prüfgeschäft und bei der Beurteilung neuer Un- tersuchungs- und Behandlungsme- thoden steht der Medizinische Dienst zur Verfügung.
In der neugegründeten, als sach- gerecht und zeitgemäß eingestuften Organisation, die in Bayern am 1. November 1989 ihren Dienst auf- nahm und jetzt in Würzburg der Öf- fentlichkeit vorgestellt wurde, sieht das Staatsministerium „ein Stück Umsetzungsrealität der Gesund- heitsreform, mit der die Krankenkas- sen in Bayern auch ihre gemeinsame Handlungsfähigkeit bewiesen ha- ben".
Mit diesem Hinweis wird nach- drücklich das Novum hervorgeho- ben, daß die Kosten des landesweit organisierten Dienstes, entspre- chend ihrem Mitgliederanteil, von allen Kassenarten Bayerns gemein- sam getragen werden.
Flankierendes Element zur Strukturreform
Das Staatsministerium für Ar- beit und Sozialordnung sieht im neu- en Medizinischen Dienst ein „flan- kierendes Element", das an entschei- dender Stelle dazu beiträgt, daß die Ziele der Gesundheitsreform er- reicht werden können. Zur Stabilität der Beitragssätze und zu möglichen Beitragssenkungen habe er bereits erkennbar beigetragen. Vor diesem Hintergrund sah sich das Ministeri- um sogar dazu animiert, eine Klinge für den Bonner Bundesgesundheits- minister zu schlagen: Wenn die kriti- schen Stimmen zum GRG jetzt sehr viel leiser geworden seien, so habe dies seinen guten Grund: „Es hätte keine realistische Alternative gege- ben."
Schließlich fiel auch noch ein Extrabonbon für die Versicherten ab: Sie brauchten nicht zu befürch- ten, nun in größerem Ausmaß als bisher untersucht zu werden — oft ge- nüge völlig eine Prüfung anhand der Akten. KG
Medizinischer Dienst
Weder Spitzeldienst noch Superkontrolle
A-1240 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990