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Archiv "Rektorenkonferenz: Losverfahren nur für eine Übergangszeit" (02.06.1977)

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DER KOMMENTAR

Der neue Gehaltstarif für Arzt-

helferinnen

Rückwirkend seit dem 1. April dieses Jahres in Kraft

Wie alljährlich fanden im Mai wieder Verhandlungen um die Gehaltstarife der Arzthelferinnen statt. In Frank- furt vereinbarten die Tarifparteien — der Berufsverband der Arzthelferin- nen — der Verband der weiblichen Angestellten — die Deutsche Ange- stelltengewerkschaft — die Gewerk- schaft Öffentliche Dienste, Trans- port und Verkehr einerseits und an- dererseits die „Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingun- gen der Arzthelferinnen" —, daß die tariflichen Gehälter für Arzthelferin- nen rückwirkend ab 1. April 1977 um 5 Prozent bis 6 Prozent erhöht wer- den. (Genaueres ist der Gehaltsta- belle zu entnehmen, die auf Seite 1504 veröffentlicht wird.)

Erfahrenen Arzthelferinnen steht jetzt eine

höhere Anhebung zu

Neu an ihr ist eine erstmalig lineare Erhöhung in Verbindung mit stei- genden Steigerungssätzen. Es wurde vereinbart, im 1. bis zum 4.

Berufsjahr einschließlich die Gehäl- ter um jeweils 5 Prozent zu erhöhen (Basis 1976), vom fünften bis ein- schließlich 26. Berufsjahr jedoch jährlich eine 0,lprozentige Erhö- hung zu gewähren, so daß die erfah- renen und besonders qualifizierten Arzthelferinnen — zum Beispiel mit zwanzig und mehr Berufsjahren — eine weit höhere Anhebung ihrer Gehaltstarife erwarten können als die jüngeren und weniger erfahre- nen Arzthelferinnen. Diese Rege-

lung hat im wesentlichen den Sinn, die bewährten und länger im Berufs- leben stehenden qualifizierten Kräfte zu fördern. Damit ist auch den bekannten und leistungsfeindlichen Nivellierungstendenzen der Gewerk- schaften, die vor allem eine Erhö- hung der untersten Gehaltsstufen vorsahen, ein Riegel vorgeschoben.

Die Arbeitgeberseite bekannte sich mit diesem Abschluß eindeutig zum Leistungsprinzip. Gleichfalls hat diese Regelung auch arbeitsmarkt- politische Wirkungen.

Mit einer durchschnittlichen Erhö- hung von etwa 6 Prozent bewegen sich die Tarifabschlüsse für den Be- reich der Arzthelferinnen durchaus im Rahmen der in den übrigen Be- reichen der Wirtschaft geführten Verhandlungen und Abschlüsse.

Gewerkschafts-Forderungen lagen in

„schwindelerregender Höhe"

Die gewerkschaftlichen Forderun- gen lagen wie alljährlich zum Teil in schwindelerregender Höhe, wobei unter diesen Umständen die Forde- rungen des Berufsverbandes der Arzthelferinnen mit 8 Prozent noch als gemäßigt zu bezeichnen sind, hingegen aber von gewerkschaftli- cher Seite teilweise eine Erhöhung von bis zu 15 Prozent für angemes- sen gehalten wurde. Dies versuchte man in der Argumentation durch so- genannte „Strukturverbesserun- gen" zu kaschieren.

Im einzelnen sieht der neue Gehalts- tarifvertrag vor:

Das Anfangsgehalt für Arzthelfe- rinnen, die gerade ihre Ausbildung erfolgreich absolviert haben, beträgt nunmehr 1185 DM monatlich. Bis zum vierten Berufsjahr einschließ- lich findet eine 5prozentige Steige- rung jeweils statt, so daß im vierten Berufsjahr 1302 DM monatlich zu zahlen sind. Ab dem fünften Berufs- jahr wächst die prozentuale Steige- rungsrate kontinuierlich an, so daß etwa im 16. Berufsjahr 1635 DM und im 26. Berufsjahr 1851 DM zu zahlen sind.

Nicht wie in dem Tarifvertrag des Vorjahres (ab dem achten Berufs- jahr eine zweijährige Steigerung) wird ab 1977 alljährlich eine Steige- rung vorgesehen (vgl. Gehalts- tabelle).

Eine Anhebung der Auszubilden- denvergütung wurde gleichfalls ver- einbart; im ersten Halbjahr werden nunmehr monatlich 340 DM zu zah- len sein, im zweiten Halbjahr 360 DM, im dritten Halbjahr 380 DM mo- natlich. Die Ausbildungsvergütungs- tabelle endet mit dem vierten Halb- jahr, wo 400 DM monatlich zu leisten sind.

Die Entgeltgrenze für die Soziallei- stungen des Arbeitgebers liegt für das Jahr 1977 bei 340 DM. In der Vergangenheit mußte der Arbeitge- ber die vollen Soziallasten vielfach alleine tragen, da die Auszubilden- denvergütung diese sogenannte Entgeltgrenze nicht überstieg. Da die Entgeltgrenze in diesem Jahr bei 340 DM liegt und die vertraglich ver- einbarte Anfangs-Auszubildenden- vergütung 345 DM im Monat beträgt, kommt diese Sonderregelung für das Jahr 1977 nicht zum Tragen. Der Arbeitgeber kann also die Beiträge des Arbeitnehmers zu Sozial- und Krankenversicherung in der recht- lich zulässigen Höhe von der Vergü- tung abziehen.

Im Paragraphen 2 des Gehaltstarif- vertrages ist im übrigen darauf hin- gewiesen, daß — wenn eine geringe- re als die nach dem Tarifvertrag zu- stehende Ausbildungsvergütung mit dem Sorgeberechtigten vereinbart sein soll — es zur Folge haben kann, daß der Arbeitgeber wieder alleine beitragspflichtig ist. Auch die

„Sachbezugswerte", etwa Kost und Wohnung der Arzthelferin im Arzt- haus, können außerdem vom Netto- gehalt abgezogen werden. Auskunft über die Höhe dieser Werte erteilt das zuständige Finanzamt oder die Kranken kasse.

O

Bruttogehälter — Die dem Tarif- vertrag zugrunde liegende Staffe- lung nach Berufsjahren geht davon aus, daß die Arzthelferin mit einem Lebensalter von 18 Jahren (nach-

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Arzthelferinnen

-

Tarif

dem sie erfolgreich die Abschluß- prüfung vor der Ärztekammer absol- viert hat) in den Beruf eintritt. Die ausgehandelten Tarifgehälter sind — darauf sei wiederholt verwiesen — Bruttogehälter, d. h., daß von den Arbeitsentgelten alle zulässigen Lohnabzüge vom Arbeitgeber in Ab- zug zu bringen sind. Allerdings kann im Individual-Arbeitsvertrag (zwi- schen Arbeitgeber und Arbeitneh- mer) eine gesonderte Regelung ge- troffen werden. In Abzug kommt so- mit nicht nur der entsprechende Prozentsatz der Lohnsteuer, son- dern auch die anteiligen Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Der Arbeitgeber ist zur Abführung dieser Beiträge alleine verpflichtet.

Er)

Anwendungsbereich — Die zwi- schen der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen und den Tarif- vertragsparteien ausgehandelten Verträge gelten unmittelbar zwin- gend nur für die Mitglieder der ver- tragschließenden Organisationen.

Eine Bindung an den Tarifvertrag tritt somit nur ein, wenn sowohl der Arzt als Arbeitgeber Mitglied der Ar-

beitsgemeinschaft als auch die Arzt- helferin Mitglied einer Arbeitneh- merorganisation sind, etwa des Be- rufsverbandes der Arzthelferinnen und anderer.

Die ausgehandelten Tarifverträge sind also nicht allgemeinverbindlich im Sinne des Tarifvertragsgesetzes.

Allerdings wurde alljährlich bei Ab- schluß der Tarifverträge von der Ar- beitsgemeinschaft sowie vom Vor- stand der Bundesärztekammer emp- fohlen, die vorgelegten Tarifverträge bei der Ausgestaltung der Arbeitsbe- dingungen der Arzthelferin heranzu- ziehen und entsprechend anzu- wenden.

Laufzeit — Dieser Gehaltstarifver- trag tritt rückwirkend zum 1. April 1977 in Kraft. Als Laufzeit sind zwölf Monate vorgesehen. Eine Kündi- gung des Gehaltstarifvertrages ist somit seitens der Berufsverbände und Gewerkschaften zum 31. März 1978 möglich. awa

NACHRICHTEN

Rektorenkonferenz:

Losverfahren nur für eine Übergangszeit

Nach Ansicht der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) ist ein Losverfahren zur Auswahl zwischen den Studienbewerbern als Dauerlö- sung nach dem Hochschulrahmen- gesetz sowohl rechtlich unzulässig als auch sachwidrig.

Die WRK hält ein Auswahlverfahren nur dann für sachgerecht, wenn es an den Anforderungen orientiert ist, die ein Studium stellt. Bedenken hat die WRK auch gegen das sogenann- te „leistungsgesteuerte Losverfah- ren", unter anderem deshalb, weil es den Leistungsdruck auf die Schüler nicht nehme, sondern „gruppiere"

und damit in mancher Hinsicht aus- dehne und verschärfe.

Nach Auffassung von WRK-Präsi- dent Knopp kann auch dieses Ver- fahren nur als Notlösung, bei nach- gewiesenem Fehler anderer, sach- lich begründeter Auswahlkriterien für einen gesetzlich von vornherein genau zu begrenzenden Übergangs- zeitraum hingenommen werden. Es sollte auch dann nicht das allein ent- scheidende Auswahlverfahren sein.

Die WRK will für derartige Über- gangsregelungen Voraussetzungen formulieren, die das Losverfahren weitgehend einschränken sollen. EB

Minister Rohde beklagt Zahnärztemangel

Vor einer „drohenden zahnärztli- chen Unterversorgung" der Bevöl- kerung hat Bundesbildungsminister Helmut Rohde gewarnt. Vor der Presse in Bonn erklärte der Minister, auf diesem Gebiet sei eine „spürba- re Lücke" zu befürchten, wenn es nicht gelinge, jährlich 2000 Studien- anfänger in der Zahnmedizin auszu- bilden. Zur Zeit gebe es lediglich 1450 Studienanfänger. Rohde argu- mentierte, die freipraktizierenden Zahnärzte verdienten ein Vielfaches mehr als die Assistenzärzte und üb-

rigen wissenschaftlichen Mitarbei- ter; so gebe es heute rund 70 unbe- setzte oder unterbesetzte Hoch- schullehrerstellen und zugleich nur 30 Zahnärzte, die sich auf eine Pro- fessur vorbereiteten.

Nach einer neueren Untersuchung, die Minister Helmut Rohde zitierte, interessierten sich lediglich 40 bis 80 junge Zahnärzte für eine wissen- schaftliche Laufbahn an den Hoch- schulen. Bereits heute stünden auf dem Gebiet der Kieferorthopädie Lehrstühle frei, weil es keine habili- tierten Nachwuchswissenschaftler gebe. Um die gegenwärtig geplan- - ten oder in Bau befindlichen Vorha- ben in Betrieb zu nehmen, müßten 750 Stellen für wissenschaftliches Personal besetzt werden. Dem ste- hen jedoch lediglich 40 bis 80 Wis- senschaftler gegenüber, welche die Hochschullaufbahn einschlagen wollen.

Die Klagen Bundesbildungsminister Rohdes über die schlechte Nach- wuchssituation in der Zahnmedizin bestätigten in vielen Punkten eine bereits Ende März anläßlich des 19.

Deutschen Zahnärztetages von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vorge- legte Bestandsaufnahme über den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Zahnmedizin. Darin werden als eigentliche Ursachen für die Hoch- schulabneigung der meisten zahn- medizinischen Assistenten die Ver- waltungsbelastung, die ungünstigen Arbeitsbedingungen, die schlechten Aufstiegsbedingungen und die „po- litische Unwirtlichkeit" der deut- schen Universitäten angeführt. Die Denkschrift der Zahnärzteschaft macht sich für eine spürbare Ver- mehrung der Planstellen für Hoch- schullehrer stark und befürwortet eine verstärkte interdisziplinäre For- schung. Um die Situation im Lehrbe- trieb kurzfristig zu verbessern, wird eine Pilotstudie an einer Hochschule vorgeschlagen. Dabei sollte erprobt werden, ob sich entsprechend quali- fizierte niedergelassene Zahnärzte an Lehraufgaben beteiligen könn- ten, ähnlich wie dies bereits im Fach Allgemeinmedizin seit einigen Jah- ren erfolgreich praktiziert wird. HC

(3)

80.

DEUTSCHER ÄRZTETAG

Mut zu klaren Äußerungen vor der Öffentlichkeit über die Fehlleistun- gen unserer neueren Bildungspolitik verlangte Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Vorstandsmitglied der Bundesärzte- kammer und Vorsitzender des Aus- schusses „Approbationsordnung", in seinem Referat zum Tagesord- nungspunkt „Ärztliche Ausbildung"

(der Wortlaut des Referates ist in diesem Heft auf Seite 1460 doku- mentiert). Die Bildungspolitik der letzten etwa 10 Jahre, dessen sei er sicher, sagte Hoppe, werde von vie- len für ein „gigantisches Betrugs- manöver" gegenüber den jungen Menschen in unserem Lande gehal- ten: für viele Bürger individuell und für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft habe sie fast nur nach- teilige Folgen gezeigt.

Daß Dr. Hoppe durchaus diesen Mut zur Klarheit, den er von anderen ver- langte, selbst hat, bewiesen viele seiner Äußerungen in dem großan- gelegten Referat. So erklärte er zum Beispiel, das einzige, was an Wün- schen in Erfüllung gegangen sei, sei der „Traum der Bildungspolitiker"

gewesen, die Abiturientenquote pro Jahrgang von 5 Prozent auf 25 Pro- zent zu erhöhen -- „ein reiner Selbst- zweck, in rücksichtsloser und in ge- wisser Hinsicht auch menschenver- achtender Weise von den Verant- wortlichen durchgesetzt". Und auf das eigentliche Thema, die ärztliche Ausbildung, bezogen, warnte Hoppe diejenigen, welche meinen, die Schwierigkeiten des Praktischen Jahres würden sich schon einspie- len: „Das mag sein, dann jedoch auf dem Rücken von Tausenden von Pa- tienten, die sich in die Obhut von Hunderten schlampig ausgebildeter Ärzte begeben müssen."

Dr. Hoppe erinnerte eingangs an Be- ratungen früherer Deutscher Ärzte-

tage vor fast 20 Jahren, als über die Ablösung der alten Bestallungsord- nung durch eine moderne Approba- tionsordnung diskutiert wurde. Sie ist seit fast sieben Jahren in Kraft;

das heißt, daß jetzt die ersten Jahr- gänge von jungen Ärzten ihre ge- samte Ausbildung unter den neuen Regelungen durchlaufen haben.

Man könne aber schon jetzt sagen:

das gesteckte Ziel wurde nicht er- reicht, und es konnte auch nicht er- reicht werden, weil sich die Verhält- nisse in unvorhersehbarer Weise ge- ändert haben.

Zahl der

Studienanfänger verdreifacht

Als Hauptursache dafür werde weit- gehend die rapide angewachsene Zahl von Studenten gesehen. Hoppe erinnerte daran, daß man bei der Er- arbeitung der Approbationsordnung von 3000 Studienanfängern im Jahr für die Humanmedizin ausgegangen war, während die Universitäten und Lehrkrankenhäuser heute 10 000 und mehr Studienanfänger bewälti- gen müssen. Es gebe jedoch noch andere Gründe für das Scheitern der Approbationsordnung: die Finanz- misere im Bereich der öffentlichen Hand; die Abschaffung der Pflicht- vorlesung zugunsten der prakti- schen Kurse, die von vielen Universi- tätslehrern und Studenten gleicher- maßen als eine Verschlechterung des Studiums abgelehnt wird.

Da man noch auf Jahre hinaus mit einer gegenüber dem Angebot an Studienplätzen mehrere Male höhe- ren Bewerberquote rechnen muß, bleibt nichts anderes übrig, als zu- sätzlich zum Abitur weitere Aus- wahlverfahren als „zweite Hürde"

für die Zulassung zum Medizinstu- dium zu prüfen. Hoppe untersuchte die verschiedenen möglichen Lö- sungen dieses Problems, an deren einer — nämlich der Ausarbeitung von psychologischen Tests — er selbst in einem Beirat mitwirkt. Nach Ansicht Dr. Hoppes hat nur ein sol- cher psychologischer Test oder aber eines der möglichen Losverfahren die Chance, als Alternative oder als Kombination verwirklicht zu werden.

Lebhafte Zustimmung bei den Ärzte- tagsdelegierten fand Dr. Hoppe mit einer Äußerung, die ein Schlaglicht auf das Dilemma wirft, das die Ver- antwortlichen hierbei zu lösen ha- ben: „Ohne abstreiten zu wollen, daß das Losverfahren im Vergleich zu den anderen diskutierten Metho- den ein hohes Maß an Gerechtigkeit zusichert, bin ich der Meinung, ein derartiges Verfahren ist intellektuell unwürdig."

Für das gewichtete Losverfahren ha- ben sich, wie der Referent berichte- te, der Ausschuß und die Ständige Konferenz „Approbationsordnung"

der Bundesärztekammer mit Mehr- heit ausgesprochen; der Vorstand der Bundesärztekammer ist aller- dings der Meinung, der Deutsche Ärztetag sollte zur Zeit noch keine abschließende Stellungnahme zu diesen verschiedenen Auswahlver- fahren abgeben, da das Thema in- nerärztlich noch weiter diskutiert werden müsse.

Nach einem Hinweis darauf, daß be- stimmte politische Gruppen aus rein politischen Gründen gar nichts ge- gen ein Überangebot an Ärzten ha- ben — damit sie endlich auch diese Berufsgruppe „in den Griff kriegen"

können —, regte Dr. Hoppe an, nun doch einmal den Versuch zu ma- chen, in die Approbationsordnung eine Definition des Ausbildungszie- les in der Humanmedizin aufzu- nehmen.

Des weiteren behandelte der Refe- rent die Prüfungsstoffkataloge, die vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen herausgegeben werden müssen. Er forderte, durch die Heranziehung von Ärzten in freier Praxis und in

Die unübersehbaren Folgen verfehlter Bildungspolitik

Bericht zu Tagesordnungspunkt 6

„Ärztliche Ausbildung"

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Ärztliche Ausbildung

außeruniversitären Krankenhäusern bei der Erarbeitung der Gegen- standskataloge deren „unsinnige Überladung mit Spezialistenwissen zurückzudrängen".

Für die Famulaturen hält Hoppe im Interesse einer Verbesserung und einer größeren Praxisnähe der Aus- bildung eine „additive Lösung" für notwendig, das heißt, eine Famula- tur in freier Praxis und auch im Krankenhaus.

Im weiteren Verlauf seines Referates behandelte Hoppe die unbefriedi- gende „Bestehensregelung" bei den schriftlichen Prüfungen, die dazu führen kann, daß manche Studenten die Prüfung selbst dann bestehen können, wenn sie zum Beispiel auf die Prüfungsvorbereitung im Fach Anatomie völlig verzichten. Unter den möglichen Neuregelungen ha- ben der Ausschuß und die Ständige Konferenz „Approbationsordnung"

der Bundesärztekammer derjenigen den Vorzug gegeben, welche den Mindestprozentsatz an Fragen, die der Prüfling richtig beantworten muß, von 50 auf 60 Prozent herauf- setzt.

Schließlich beschäftigte sich Dr.

Hoppe mit der „stellenweise kata- strophalen" Durchführung des Praktischen Jahres. Er bezeichnete es als völlig inakzeptabel, daß die praktische Ausbildung mancherorts einer qualifizierten ärztlichen Tätig- keit gleichkommt, anderswo aber nur einer Krankenpflegerhilfstätig- keit. Es müßten mehr Krankenhäu- ser in die Durchführung des Prakti- schen Jahres einbezogen werden, es sollte sogar in der Regel außer- halb der Universitäten durchgeführt werden, weil die Belastung der Pa- tienten in den Universitätskliniken ohnehin bereits ein Übermaß er- reicht habe. Der Bundesärztekam- merausschuß habe sich jedoch da- gegen gewandt, in das Praktische Jahr einen Ausbildungsabschnitt in ambulanter Medizin einzuschalten.

Dies sei nur dann vertretbar, wenn man gleichzeitig die Studiendauer auf sechseinhalb oder sieben Jahre verlängert.

An das mit großem Beifall aufge- nommene Referat von Dr. Jörg-Diet- rich Hoppe schloß sich eine in man- cher Hinsicht bemerkenswerte De- batte des Ärztetages an. Sie war lang: etwa 40 Redner beteiligten sich, und die Redezeit mußte schon sehr bald durch Abstimmung auf drei Minuten begrenzt werden. Die Diskussion war trotz mancher kon- trärer Meinungen stets sachlich; sie war in gewisser Weise gekennzeich- net auch von einem Gefühl der Aus- weglosigkeit angesichts der äußeren Umstände. Dies kam zum Beispiel in der rethorischen Frage eines Dis- kussionsredners zum Ausdruck:

„Wann sollen eigentlich die Kliniker die Zeit haben, 10 000 Studenten im Jahr kollegial zu prüfen?"

„Der Ärztetag hat sich ein gutes Renommee verschafft"

Die Diskussion strafte aber außer- dem alle diejenigen Lügen, welche dem Deutschen Ärztetag gern vor- werfen, er berate hinter verschlosse- nen Türen über nichts weiter als Sta- tusfragen des Ärztestandes. Denn diese Diskussion hatte direkten Be- zug zum tagespolitischen Gesche- hen; kurz vor der Ärztetagswoche waren an vielen deutschen Hoch- schulorten Medizinstudenten, vor allem die sogenannten „PJ-ler", in den Streik getreten, womit sie bei weitem nicht nur für eine Bezahlung während des Praktischen Jahres de- monstrieren wollten. Die Delegierten des Ärztetages beschlossen mit gro- ßer Mehrheit, mehrere Medizinstu- denten in der Diskussion sprechen zu lassen, und es wird möglicher- weise auch manchen Delegierten überrascht haben, daß hier nicht junge Radikalinskis die Gelegenheit benutzten, wirre oder revolutionäre politische Forderungen vorzubrin- gen, sondern daß diese künftigen Kollegen mit ebenso großem Ernst und Verantwortungsgefühl zur Sa- che sprachen wie die übrigen Dis- kussionsredner.

Jedenfalls konnte Dr. Hoppe in sei- nem Schlußwort feststellen, der Deutsche Ärztetag habe sich mit der

Behandlung dieses Tagesordnungs- punktes ein gutes Renommee ver- schafft.

Im einzelnen kam in der Diskussion immer wieder nicht nur Verständnis für die Studenten, sondern sogar die Forderung nach Kollegialität und Solidarität der Ärzteschaft bei der Vertretung der berechtigten Forde- rungen der Studenten zum Aus- druck. Gleich der erste Sprecher, selbst Hochschullehrer, erklärte, er würde „mit der Fahne in der Hand vorneweg marschieren", falls seine Studenten wegen der bestehenden Zustände vor dem Kultusministe- rium demonstrieren sollten. Einer der nächsten Sprecher rief dazu auf, die ärztliche Ausbildung als inneres Problem der Ärzteschaft ebenso ernst zu nehmen, wie die Ärzteschaft sich nach außen gegen das Kosten- dämpfungsgesetz gewehrt habe.

Mehrere Redner mußten einräumen, daß sie sich geirrt hatten, als sie sich vor Jahren für die Einführung der jetzigen Approbationsordnung ein- setzten. Es wurde sogar vorgeschla- gen, zumindest in manchen Berei- chen zu den alten Regelungen zu- rückzukehren; dies bezog sich ein- mal auf die Medizinalassistentenzeit

im Gegensatz zum heutigen Prakti- schen Jahr, zum anderen auf die frü- here zeitliche Reihenfolge und die Durchführung der verschiedenen Prüfungen.

Wiederholt wurde es als Versäumnis bezeichnet, daß das Ziel der ärztli- chen Ausbildung nie definiert wor- den sei. Hierzu bemerkte ein Diskus- sionsteilnehmer jedoch, es gebe in der Bundesrepublik nicht einmal eine allgemeingültige Definition dessen, was eigentlich Heilkunde ist

— wie könne man dann also daran denken, das Ausbildungsziel defi- nieren zu wollen?

Weiter hieß es: Nicht die Ausbil- dung, sondern die Approbationsord- nung ist schlampig, weil sie gar nicht sagt, wozu ausgebildet werden soll. Wenn man nun fordere, mehr Lehrkrankenhäuser für Ausbil- dungszwecke und insbesondere für das Praktische Jahr verfügbar zu

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Ärztliche Ausbildung

machen, dann solle man nicht über- sehen, daß die Ausstattung mit Hilfs- kräften an den Universitätskliniken eine ganz andere Größenordnung hat als an anderen Anstalten. Was man auch im Auge behalten müsse, sei die Tatsache, daß man um quasi Überflüssiges diskutiere: So viele Ärzte, wie jetzt ausgebildet werden, könnten wir in der Bundesrepublik gar nicht gebrauchen, und viele von ihnen würden auswandern müssen.

Woran ein Sprecher die Frage knüpfte, ob solche in Deutschland ausgebildeten Ärzte, die zum Aus- wandern gezwungen sind, dort überhaupt gegenüber den etwa in angelsächsischen Ländern ausge- bildeten Kollegen eine Chance haben.

Schriftliche Prüfung, Multiple choice, Lernzielkataloge .. .

Zu den heutigen schriftlichen Prü- fungen gab es mehrere Male Äuße- rungen der Unzufriedenheit über das Multiple-choice-Verfahren. Ein Professor bezeichnete es als das

„mieseste" Prüfungssystem und be- kannte freimütig, er würde sicher durch eine solche Prüfung „gren- zenlos" durchfallen, während er doch Hoffnung haben würde, in ei- nem kollegialen Prüfungsgespräch möglicherweise bestehen zu kön- nen. Aus den Erfahrungen einer Stu- dienreise wurde berichtet, in den USA werde bei Prüfungen keines- wegs ausschließlich das Multiple- choice-Verfahren angewendet. Man habe bei uns wieder einmal eine aus dem Ausland übernommene Neuig- keit überperfektioniert und übertrie- ben. Man war aber andererseits der Meinung, daß man schon angesichts der Studentenzahlen im Prinzip je- denfalls nicht mehr von schriftlichen Prüfungen werde abgehen können.

Es bleibe also gar nichts anderes übrig, als das System der schriftli- chen Prüfungen und damit auch der Prüfungs-, Gegenstands- oder Lern- zielkataloge zu verbessern. Selbst wenn, wie ein Diskussionteilnehmer dagegen einwandte, von echter Frei- heit der Lehre eigentlich dann nicht mehr gesprochen werden kann,

wenn der bestimmende Maßstab da- für ein Katalog von Gegenständen und Prüfungsfragen ist.

Auch der erste der als Gäste spre- chenden Studenten, Leander Fon- taine aus Homburg/Saar, kritisierte das Multiple-choice-Verfahren. Es stelle sozusagen den unmöglichen Versuch dar, ein Defizit bei der prak- tischen Ausbildung durch gesteiger- ten theoretischen Druck bei der Prü- fung nachträglich wieder ausglei- chen zu wollen. Im übrigen warnte auch Fontaine davor, daß es unter den heutigen Umständen, in denen die ärztliche Ausbildung nur noch in

„Notverwaltung" betrieben werden könne, zu Konflikten zwischen Stu- denten und Lehrenden kommen könne. Der Deutsche Ärztetag, so meinte er, sollte klar herausarbeiten, daß weitgehende Übereinstimmung zwischen den Interessen der Stu- denten und Dozenten und denen der Patienten besteht.

Als weiteren Gastredner hörte der Ärztetag Dr. jur. H.-J. Kraemer, den Direktor des Mainzer Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen, der auch als Gast an den Sitzungen des Ausschusses

„Approbationsordnung" der Bun- desärztekammer teilnimmt. Dr.

Kraemer erläuterte in der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Zeit die schwierige Arbeit an den Prüfungs- katalogen. Es sei jedoch bereits ge- lungen, in Neuauflagen die Zahl der Prüfungsfragen zu verringern. Dr.

Kraemer wandte sich im übrigen da- gegen, von einer Überforderung der heutigen Medizinstudenten zu spre- chen; die geringen Durchfallquoten bei den ärztlichen Vorprüfungen und Prüfungen rechtfertigen eine solche Aussage nicht.

Etliche Sprecher beschäftigten sich mit der Famulatur, insbesondere mit der zusätzlichen Einführung einer Famulatur im Krankenhaus (die dann in Entschließungen gefordert wurde). Es wurde davor gewarnt, in einer Verlängerung der Famulatur- zeiten den Ausweg zu sehen; sie könnten Ausbildungsmängel nicht ausgleichen. Die freiwillige Famula- tur bei niedergelassenen Ärzten klappe aber schon recht gut. gb

Entschließungen zum

Tagesordnungs- punkt 6

„Ärztliche Ausbildung"

Von insgesamt 16 vorliegenden Ent- schließungsanträgen wurden der erste, der vom Vorstand der Bundes- ärztekammer vorgelegt worden war, einstimmig, die folgenden 10 jeweils mit großer Mehrheit angenommen.

Weitere fünf Entschließungsanträge sind vom Ärztetag durch Abstim- mung an den Vorstand überwiesen worden.

Novellierung der Approbationsordnung

❑ „Der Deutsche Ärztetag stellt mit großem Bedauern fest, daß die Be- mühungen um eine Reform des Me- dizinstudiums, wie sie seit 1959 von den Deutschen Ärztetagen gefordert wurde und mit der Approbationsord- nung vom 28. 10. 1970 realisiert wer- den sollte, nicht zu dem gewünsch- ten Erfolg führten. Die damals nicht zu erwartende Schwemme von Be- werbern für das Studium machte das wichtigste Anliegen der Appro- bationsordnung, nämlich die praxis- nahe individuelle Ausbildung der künftigen Ärzte, unmöglich. Dies gilt für Seminarveranstaltungen ebenso wie für den vorgeschriebenen Unter- richt am Krankenbett. Zudem wer- den heute die Patienten an den Uni- versitätskliniken in teilweise unzu- mutbarer Weise bei der Unterwei- sung der immer größer werdenden Anzahl von Studenten strapaziert.

Der Deutsche Ärztetag hält es daher für notwendig, die Approbationsord- nung an die geänderten Verhältnis- se anzupassen. Insbesondere müs- sen neue Wege für eine möglichst praxisnahe Ausbildung gefunden werden, die den personellen und räumlichen Kapazitäten entspre- chen und zugleich auch die Inan- spruchnahme der Patienten als Ob-

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