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Archiv "52. Generalversammlung der WMA: Ein Kompromiss „aus politischen Gründen“" (03.11.2000)

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ie „World Medical Association“

(WMA), ein Zusammenschluss nationaler Ärzteverbände mit derzeit etwa 70 Mitgliedern, hat bei ih- rer 52. Generalversammlung in Edin- burgh (3. bis 7. Oktober) nach erneuter, teilweise kontroverser Diskussion die seit drei Jahren erwartete neue Fassung der Deklaration von Helsinki einstim- mig beschlossen. Der Vorschlag, von ei- ner Beschlussfassung zum gegenwärti- gen Zeitpunkt abzusehen, um durch ei- ne Überarbeitung des Textes unter Be- teiligung einschlägig erfahrener Wis- senschaftler aus Medizin und Rechts- wissenschaft die begriffliche Schärfe und die Struktur der Deklaration zu verbessern, blieb unbeachtet. Es setzte sich die Überzeugung durch, eine Ver- abschiedung des Textes müsse aus „po- litischen Gründen“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgen. Erkennbar wurde auch, dass langjährige, in verantwortli- cher Funktion tätige Mitglieder der Ge- neralversammlung ihr bevorstehendes Ausscheiden mit diesem Ergebnis krö- nen wollten.

Von den Teilnehmern haben nur we- nige die Notwendigkeit einer Überar- beitung des Textes zur Förderung sei- nes Verständnisses und zur Verbesse- rung seiner praktischen Anwendbar- keit verkannt. Offenbar gab es aber nicht einmal genügend Zeit, die be- schlossenen Artikel in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen – in letzter Minute wurden noch Änderungen vor- genommen. Auch hat man zur Be- förderung der Angelegenheit davon abgesehen, die Abstimmung erst dann vorzunehmen, wenn ein in allen offizi- ellen Sprachen der WMA – Englisch, Französisch und Spanisch – verfasster

Text vorliegt. Abgestimmt wurde auf der Grundlage der englischen Version.

Die neue Version lautet: „Ethische Prinzipien für die medizinische For- schung am Menschen“. Sie wendet sich mit dieser Formulierung nicht mehr ausschließlich an Ärzte, verzichtet auch auf den Begriff „Empfehlung (Recom- mendation)“. Ethische Prinzipien ent- hält die Deklaration allerdings nicht.

Sie bietet eine Mischung von Forderun- gen, die sich auf ethische Grundsätze stützen, mit eher administrativen Vor- gaben zum Beispiel für das Verfahren

von Ethik-Kommissionen oder für die in einem Forschungsprotokoll zu berücksichtigenden Details, einschließ- lich der persönlichen Voraussetzungen des Forschers und finanzieller Interes- sen oder vertraglicher Bindungen. Es ist nicht klar, an wen sich einzelne Be- stimmungen wenden, gelegentlich wird der Arzt, gelegentlich der Forscher an- gesprochen. Vermutlich wird es erhebli- cher kommentierender Arbeit seitens der für den Text Verantwortlichen be-

dürfen, um ihm Akzeptanz bei dem an- gesprochenen Kreis der Forscher zu si- chern. Es wird sich zeigen, ob mit der

„politischen Entscheidung“ ein guter oder ein fauler Kompromiss gefunden wurde.

Unmittelbare Geltung dürfte die De- klaration nur für Mitglieder der natio- nalen Ärzteverbände erlangen, die der WMA angehören – hierbei handelt es sich überwiegend um Bruchteile der in den vertretenen Ländern tätigen Ärzte, wenn man von den wenigen Staaten ab- sieht, in denen wie in Deutschland die Mitgliedschaft in der nationalen Ärzte- organisation gesetzlich geregelt ist.

Legt man die von den Mitgliedsorgani- sationen der WMA gemeldeten Mit- glieder, für die 2,50 Schweizer Franken pro Kopf zu zahlen sind, zugrunde, so reduziert sich der Kreis der unmittelbar Gebundenen auf rund 640 000: dies ent- spricht etwa acht Prozent der auf acht Millionen geschätzten weltweit tätigen Ärztinnen und Ärzte. Eine unmittelba- re Bindung wird die neue Deklaration auf nichtärztliche Forscher nicht aus- üben können. Sie mag als Katalog von Forderungen für die biomedizinische

Forschung am Menschen gelten. Eine für alle Forscher verbindliche Regelung dürfte nur auf staatlicher Grundlage zu erreichen sein. Abzuwarten bleibt, ob die neue Version, bei deren Formulie- rungen eine Harmonisierung mit staat- lichen Regelungen nicht ernsthaft ange- strebt wurde, bei Staaten und Staaten- verbänden die gleiche Beachtung findet wie die bisher geltende Deklaration, die durch staatliche Rechtsakte verbindlich ist. Dass die neue Version ohne rechtli- T H E M E N D E R Z E I T

A

A2920 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000

52. Generalversammlung der WMA

Ein Kompromiss

„aus politischen Gründen“

In aller Eile verabschiedete der Weltärztebund „Ethische Prin- zipien für die medizinische Forschung am Menschen“. Sie sollen an die Stelle der „Deklaration von Helsinki“ von 1996 treten.

Tagungsort der 52. General- versammlung des Weltärztebundes war Edinburgh.

Foto: BTA

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che Prüfung durch die betreffenden Staaten in den einschlägigen Rechtsbe- stimmungen an die Stelle der Deklarati- on von Helsinki von 1996 tritt, ist eine allzu gutgläubige Annahme, wenn- gleich solche Erwartungen von einigen Teilnehmern geäußert wurden, die of- fenbar in der WMA einen Präzeptor für parlamentarische Gremien in demokra- tischen Rechtsstaaten sehen.

Die Beratungen in Edinburgh haben erneut Verfahrensmängel der WMA of- fen gelegt. Obwohl der Verband von vielen Delegierten als „demokratisch legitimiert“ oder „repräsentativ demo- kratisch“ qualifiziert wird, lässt sich nicht sicher feststellen, ob alle Abstim- menden über eine Legitimation ver- fügen. Das dreistufige Beratungsver- fahren entspricht nicht demokrati- schen Gepflogenheiten, sitzen doch im Wesentlichen in Arbeitsgruppen, im

„Council“ (Vorstand) und in der Ple- narversammlung dieselben Delegier- ten. In der Generalversammlung wird das Stimmrecht nach der Höhe der Bei- tragszahlung gewichtet, die sich an der Zahl der gemeldeten Mitglieder be- misst. Auch zwischen der Zahl der Sitze im „Council“ und der gemeldeten und bezahlten Stimmenzahl besteht eine solche Relation – Kauf von (geistli- chen) Ämtern ist dem Geschichtskun- digen als „Simonie“ aus der mittelalter- lichen Geschichte als Übel bekannt.

Mit der weitgehenden Personen- gleichheit in den Gremien mag man die zum Teil außerordentlich schnellen Ab- stimmungen in der Generalversamm- lung – sie dauerte knapp 60 Minuten – erklären. Nur zu diesem Termin anrei- sende Delegierte hatten allerdings kaum eine Chance, ihre Überlegungen in die Debatte einzubringen – eine de- mokratische Verfahrensweise? Bei der Schlussabstimmung stand man vor – ab- gesprochenen – Tatsachen, die formal zu bescheiden waren. Man kann nur hoffen, dass die Hauptfinanziers der WMA, die jährlich jeweils einige Hun- derttausend DM aufzuwenden haben – unter ihnen an dritter Stelle die Bun- desärztekammer –, ihren diesen Zah- lungen entsprechenden Einfluss nut- zen, um annehmbare, den lautstark po- stulierten demokratischen Zuständen tatsächlich entsprechende Verfahrens- weisen herbeizuführen. Auf einem gu-

ten Weg befindet sich die vom Schatz- meister, Prof. Dr. med. Karsten Vilmar, und dem geschäftsführenden Schatz- meister, Adolf Hällmayr, reorganisierte Verwendung der Finanzmittel ein- schließlich des üblichen „Controlling“.

Ihr besonderer Verdienst ist, dass ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen ein- geschaltet wird. So wird man auch die von der WMA betriebene Einwerbung von Drittmitteln beobachten müssen.

Die den Sitzungsteilnehmern überge- bene Broschüre mit knappen wissen- schaftlichen Beiträgen und unüberseh- baren Annoncen einschlägiger Indu- strieunternehmen hat Erstaunen aus- gelöst.

Ein umstrittenes Vorhaben der WMA, die für den Herbst 2001 in Pe- king geplante Konferenz über Men- schenrechte und medizinische Ethik, wird zurzeit nicht weiter verfolgt: Vor der Tagung in Edinburgh hat der chine- sische Ärzteverband mitgeteilt, die Be- handlung des Themas sei zum vorgese- henen Zeitpunkt nicht opportun.

Internationale Standards für die Ausbildung zum Arzt?

Der wissenschaftliche Teil der 52. Ge- neralversammlung befasste sich mit Fragen der medizinischen Ausbildung und der Gesundheitspolitik. Am Bei- spiel Schottlands und des Vereinigten Königreiches wurde die Zufriedenheit mit einem staatlichen Gesundheits- dienst demonstriert, der auch tief in die Fragen der Aus-, Weiter- und Fort- bildung der Ärzte eingreift, immerhin aber für die Ausbildung den medi- zinischen Fakultäten Prioritäten ein- räumt.

Unter den Gesichtspunkten einer Globalisierung der ärztlichen Ausbil- dung wurden Bemühungen der „Welt- vereinigung für die medizinische Aus- bildung“ (Kopenhagen) vorgetragen, für die etwa 1 600 medizinischen Fakul- täten Standards der wissenschaftlichen und ethischen Ausbildung zu vereinba- ren. Dabei sollen die Hochschulen ihre Ziele und Pläne für die Studienreform und -verbesserung formulieren und Methoden zur Qualitätssicherung ange- ben. Erstmals im August 2000 publi- zierte Basis-Standards, die einzuhalten

sind, berücksichtigen die Einflussmög- lichkeiten nationaler und kultureller Gegebenheiten, fordern die Autono- mie medizinischer Ausbildungsstätten, eine dynamische Struktur der medizini- schen Fakultäten und eine ständige Evaluation von Pilotprojekten. Ange- sprochen wurde auch die vielfach feh- lende Akkreditierung medizinischer Ausbildungsstätten, die zunehmend in privater Trägerschaft entstehen.

Am Beispiel Südafrika wurden Pro- bleme einer politischen Umstrukturie- rung erkennbar. Rund 50 Prozent der 29 000 Ärzte sind Mitglieder des süd- afrikanischen Ärzteverbandes. In der Republik Südafrika bestehen acht me- dizinische Ausbildungsstätten, die tau- send Ärzte pro Jahr ausbilden. Mit Sor- ge betrachtet man dort den „Brain Drain“: Gut ausgebildete Ärzte wan- dern aus Universitäten und dem öffent- lichen Gesundheitsdienst in die private Praxis ab, vor allem weiße Ärzte wan- dern in andere Länder aus. Es wird an- gestrebt, diesen Verlust durch ver- mehrte Ausbildung schwarzer Südafri- kaner zu ergänzen, die auch eine nähe- re Beziehung zur Bevölkerungsmehr- heit des Landes haben dürften. Die Ärzteschaft arbeitet eng mit dem

„Health Professional Council Of South Africa“ zusammen bei der Festlegung der Gesundheitspolitik, der Führung von Ärzteregistern sowie der Ein- führung und Verhängung disziplinari- scher Maßnahmen. In einem gemeinsa- men Gremium von 16 Mitgliedern, darunter Vertreter der acht Universi- täten und leider nur ein Repräsentant der südafrikanischen Ärzteorganisa- tion, werden gemeinsame Standards für die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung festgelegt.

Am Beispiel Edinburgh vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute wurde die fruchtbare Zusammenarbeit zwi- schen Stadt, Behörden und Ärzteschaft bei der Verbesserung der Arbeits-, Wohn- und Lebensbedingungen der Be- völkerung dargelegt – Maßnahmen, die zum Teil als „Klassische Hygiene“ be- kannt sind. Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld T H E M E N D E R Z E I T

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A2922 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000

Die „Ethischen Prizipien für die medizinische Forschung am Menschen“ sowie Erklärungen oder Dokumente des Weltärztebundes können in deutscher Übersetzung bei der Bundesärztekammer, Auslandsdienst, Herbert-Le- win-Straße 1, 50931 Köln, angefordert werden.

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