Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 40|
8. Oktober 2010 A 1943 BÖRSEBIUSParadiesische Zinsen
Z
eiten wie nie erleben Immobi- lienbesitzer und die, die es noch werden wollen. Sei es, dass ei- ne bestehende Finanzierung zu ver- längern ist oder der Traum von den eigenen vier Wänden endlich Reali- tät werden soll, die aktuellen Zins- konditionen sind einfach paradie- sisch, weil historisch niedrig.Bei einem sagenhaften Zinssatz im Dreiprozentbereich kann es nur eine einzige Möglichkeit geben, die Finanzierung mit der längst mögli- chen Laufzeit abzuschließen, alles unter zehn Jahren ist suboptimal.
Allerdings ist es nicht angezeigt, sich – bloß wegen des billigen Bau- gelds – auf Gedeih und Verderb ir- gendeine Immobilie ans Bein zu na- geln, die einen am Ende nur un- glücklich macht. Nach wie vor sind bei Immobilien die drei wichtigsten Kaufargumente: Lage, Lage, Lage.
Wer allerdings erst in ein oder zwei Jahren sein Wunschobjekt kaufen kann oder dann eine Finan-
zierung verlängern muss, steht heu- te vor einem Dilemma. Die Zinsen dürften dann deutlich höher sein als heute und die Belastung entspre- chend härter. Aber auch hier kön- nen sich die Betroffenen mit soge- nannten Forward-Darlehen aus der Patsche helfen. Neu- oder An- schlussfinanzierer können sich dem - nach zu einem geringen Aufschlag bereits jetzt gute Zinskonditionen für spätere Zeiten sichern. Dabei gilt, dass das Aufgeld, also der Zinsabstand umso höher ist, je län- ger die Forward-Laufzeit vereinbart wurde. Bis zu drei Jahren ist die Differenz zum heutigen Zins niveau noch moderat, danach wird es deut- lich teurer.
Billiges Baugeld kann aber auch seine Tücken haben. Denn je billi- ger das Baugeld ist, desto länger dauert die Tilgung. Wählt ein Kun- de die übliche Tilgungsrate von ei- nem Prozent und geht eine Darle- hensverpflichtung von 200 000 Eu-
ro ein, dann braucht er – aufgrund des derzeit niedrigen Zinsniveaus – rund 43 Jahre, bis das Darlehen zu- rückgezahlt ist. Ist die Finanzierung teurer, also etwa 5,5 Prozent, dann dauert es nur 34 Jahre, bis der Häuslebauer wieder schuldenfrei ist. Diese verblüffende Erkenntnis beschert uns die Finanzmathematik, nach der von der monatlich gleich- bleibenden Tilgungsrate der Anteil der Darlehensrückzahlung mit zu- nehmender Laufzeit steigt.
Die Lösung des Dilemmas liegt schlicht in der Vereinbarung einer höheren Tilgungsrate und dem Ver- handlungsgeschick, auch die Mög- lichkeit einer Sondertilgung zu ver- einbaren. Auf keinen Fall sollte aber für eine Finanzierung nur eine reine Zinsfinanzierung mit der ge- samten Rückzahlung des Darlehens am Ende der Laufzeit gewählt wer- den. Sie kennen das ja sicher aus den Produkten, bei denen die Til- gung ersatzweise in eine Lebens- versicherung oder einen Fonds ein- gezahlt wird, und bei Laufzeitende
„alles auf einen Rutsch“ zurückge- zahlt wird. Der Tag der Wahrheit kann dann – mangels Masse – bitter
ausgehen. ■