Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Was hilft bei Colitis?
In Skandinavien operiert man eine Colitis ulcerosa sehr früh (Kolekto- mie), bei uns im allgemeinen nur bei Komplikationen oder sehr schlechtem Allgemeinbefinden.
Man darf nur nicht zu lange warten (Prof. Dr. H. Kasper, Medizinische Universitäts-Klinik, Würzburg). — Konservative Therapie: Wirksam sind praktisch nur Salizylazosulfa- pyridin (Azufildine), Kortikosteroide und milcheiweißfreie Diät, oder Psychotherapie. Insgesamt 37 Pro- zent Spontanremissionen! — Im Laufe der Zeit erkranken etwa drei bis vier Prozent der Kolitiker an Kolonkarzinom. Immunsuppression erhöht das Karzinomrisiko. WP
(15. Bayerische Internistentagung, Novem- ber 1975, München)
Falsche Herzinfarkte?
Wer sich nur EKG-Kurven ansieht, erklärt manchen Patienten fälschli- cherweise zum Infarktkranken. Es gibt nicht wenige Ursachen für Pseudoinfarkt-EKG-Kurven (Prof.
Dr. P. Polzien, Medizinische Uni- versitätspoliklinik, Würzburg): Ver- polung der Ableitungen („Kabel- stecker-Krankheit"), Verzerrung der Kurven, Digitalismedikation.
Wenn diese , Fehler nicht immer wieder vorkämen, brauchte man sie nicht zu erwähnen. Außerdem die wichtigste Differentialdiagnose:
Myokarditis Kardiomyopathie, Herzvitium. — Vor allem bei „In- farktkurven" Jugendlicher an Myo- karditis denken! WP
(15. Bayerische Internistentagung, Novem- ber 1975, München)
Gallensteinileus
Über biliodigestive Fisteln bekom- men 0,3 bis 0,5 Prozent aller Gal- lensteinträger im Laufe der Zeit ei- nen Steinileus. Die Steine können überall im Darm hängenbleiben.
Sie werden durch Anlagerung von Stuhlschichten schnell größer (Dr.
Trude Langhans, Medizinische Uni- versitätsklinik, Würzburg). Die Mor- talität ist auch heute noch hoch,
weil die Diagnose oft zu spät kommt: Röntgen (Abdomenüber- sicht im Stehen, Ileuszeichen, Kon- krement(e) im Darm, Luft in den Gallenwegen) und vor allem Ana- mnese, Frühoperation unbedingt er- forderlich. Fistelverschluß und eventuelle Cholezystektomie jedoch nicht sofort, sondern in zweiter Sit- zung. WP
(15. Bayerische Internistentagung, Novem- ber 1975, München)
Alltagsunfälle:
instabiler Diabetes
Der Stoffwechsel juveniler Diabeti- ker ist oft nur schwer einzustellen.
Eine plötzliche Neigung zu allen möglichen Unfällen (Haus, Treppe, Straße) und tiefer, schnarchender Schlaf sollten bei jugendlichem Diabetes stets an Hypoglykämien und an plötzliche Stoffwechselin- stabilität erinnern (Prof. Dr. W.
Gross, Medizinische Universitäts- Poliklinik, Würzburg). Dafür gibt es die verschiedensten Gründe: Pu- bertät, jahreszeitliche Änderung der Bewegungsgewohnheiten, psy- chische Belastungen usw. Falls Körpergewicht normal oder erhöht, stabilisiert Zusatztherapie mit Bi- guaniden den Insulineffekt. Nicht bei Untergewicht! WP
(15. Bayerische Internistentagung, Novem- ber 1975, München)
Azetylsalizylsäure- Medikation
Ambulante Langzeitbehandlung ist stets problematisch, weil man sich seiner Pappenheimer mitnichten immer sicher sein kann. Objektive Kontrollen gibt es nur wenige. — Bei Dauerbehandlung einer arte- riellen Verschlußkrankheit mit Col- farit kommt man jedoch allfälliger Schlamperei bei der Tablettenein- nahme relativ leicht auf die Spur (Prof. Dr. K. Breddin, Frankfurt am Main, Zentrum Innere Medizin der Universität, Angiologische Abtei- lung): Colfarit (Azetylsalizylsäure) verliert seinen klinischen Effekt auf die Thrombozytenaggregation
praktisch das ganze Leben lang nicht. Ein Aggregationstest in vitro zeigt in Gestalt eines scheinbaren Wirkungsverlusts jeden größeren Einnahmefehler an. WP
(III. Colfarit-Symposion, Oktober 1975, Köln)
An Crohn nicht erst nach Jahren denken
Die Ileitis regionalis ist gar nicht so selten, wie man glaubt. Sie wird im Schnitt nur erst nach ein- bis fünf- jährigen diagnostischen Irrwegen erkannt (Prof. Dr. H. Kasper, Medi- zinische Universitäts-Klinik, Würz- burg). Das könnte schneller gehen, wenn man daran denken würde.
Außerdem wird der Morbus Crohn auch absolut häufiger. — Operie- ren schützt nicht vor Rückfällen;
deshalb nur bei Komplikationen (Fisteln, Stenose pp.). Konservative Therapie: Salizylazosulfapyridin (Azufildine), Kortikosteroide, Im- munsuppression. Neuerdings wird auch über Erfolge mit Clont berich- tet. WP
(15. Bayerische Internistentagung, Novem- ber 1975, München)
Orchiektomie
besser als Hormone
Gemeint ist die konservative The- rapie beim Prostatakarzinom (Pro- fessor Dr. H. Klosterhalfen, Urolo- gische Universitäts-Klinik Ham- burg-Eppendorf). Man braucht da- bei nur das germinative Gewebe zu entfernen, nicht die Kapsel und nicht die Samenblasen. Optimie- rung durch anschließende Korti- son-Dauertherapie. Wenn dieser Eingriff nicht genügt, Hypophysek- tomie. Dadurch wird der Prolaktin- spiegel im Serum gesenkt, der bei Prostatakrebspatienten im allge- meinen über der Norm liegt (Klo- sterhalfen). — Kryochirurgische Tumorentfernung („Eismesser") bringt auch nicht mehr als die en- dokrine Behandlung, stimuliert aber die Immunabwehr. WP
(V11. Internationales Symposion der Ges.
r_ur Bekämpfung der Krebskrankheiten Nord- rhein-Westfalen, Oktober 1975, Düsseldorf)
254 Heft 5 vom 29. Januar 1976 DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT