Bayerisches Ärzteblatt 3/2010 79
BLÄK informiert
und sich für den Einsatz am Patienten besser vorbereiten. Dabei würden Fertigkeiten der Pa- tienten-Arzt- und Team-Kommunikation inner- halb komplexer Behandlungsszenarien, wie zum Beispiel der klinischen Visite, trainiert. Jünger forderte: „Ein integriertes Training ärztlicher kommunikativer Fähigkeiten vom ersten Studi- ensemester bis zum Praktischen Jahr (PJ) sollte Bestandteil aller medizinischer Curricula sein“.
Fast einhundert interessierte Teilnehmer aus den verschiedensten Fachbereichen besuchten die von der Stiftung Zuhören organisierte Ver- anstaltung. In einer regen Podiumsdiskussion engagierten sich auch viele Teilnehmer und brachten neue und interessante Aspekte ein.
Im Resümee waren sich alle einig: Nur wer die richtigen Fragen stelle, wer zugewandt zuhöre und die richtigen Worte finde, wird mit seinen Vorschlägen erfolgreich sein und die Erwar- tungen und Bedürfnisse der Patienten erfüllen können. Notwendiger Beitrag der Politik wäre eine stärkere Berücksichtigung des Arzt-Pati- enten-Gesprächs in der Vergütung und ein Ab- bau unnötiger Bürokratie, damit die Ärzte den zeitlichen Freiraum für eine gute Kommunika- tion mit ihren Patienten haben.
Jodok Müller (BLÄK) Nur wer interessiert frage, aufmerksam zu-
höre und geschickt formuliere, werde auch bei der Diagnosestellung und Therapieentscheidung richtig liegen. Er empfahl eine Verankerung der professionellen Gesprächsführung in der Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten.
„Mindestens die Hälfte der Patienten in der ärztlichen Praxis leidet unter Beschwerden ohne körperliches Korrelat, erläuterte Profes- sor Dr. Hermann Füeßl, Leiter des somatischen Querschnittsbereichs Klinikum München-Ost.
Grundlage der Diagnostik dieser Störungen sei eine sorgfältige Anamnese im Rahmen eines ausführlichen Arzt-Patienten-Gesprächs. Ge- nau diese Leistung biete das deutsche Gesund- heitssystem nicht in ausreichendem Ausmaß an. Füeßl erinnerte an einen Lehrsatz aus der Antike: „Zuerst das Wort, dann die Pflanze, zu- letzt das Messer“.
Dr. Jana Jünger, Oberärztin an der Medizi- nischen Klinik der Universität Heidelberg, be- richtete über die äußerst positiven Erfahrungen mit einem Kommunikations- und Interaktions- training für Medizinerinnen und Mediziner (Medi-KIT). Die Studierenden beobachteten da- bei ihr eigenes Kommunikationsverhalten und könnten im Austausch mit ihren Kommilitonen und den Fachdozenten aus ihren Fehlern lernen In einer interdisziplinären Fachtagung dis-
kutierten im Ärztehaus Bayern in München Experten und Besucher über Probleme in der Arzt-Patienten-Kommunikation und mögliche Lösungen. Die positive Wirkung einer gelungenen Arzt-Patienten-Kommu- nikation wurde einhellig bestätigt. Und auch die drei größten Hemmnisse, warum es in der Praxis dann trotz besserem Wis- sen doch nicht funktioniere, waren schnell identifiziert: Die Bürokratie, die fehlende Kommunikationsausbildung der Ärzte und das Entlohnungssystem im Gesundheits- wesen. Geld verdiene der Arzt in Deutsch- land nicht mit Zuhören, sondern mit Aktivi- täten und Leistungen.
Staatssekretärin Melanie Huml (CSU) betonte in ihrem Grußwort, dass die große Bedeutung der Arzt-Patienten-Kommunikation häufig un- terschätzt werde. Im Durchschnitt dauere die typische Konsultation in deutschen Allgemein- arztpraxen pro Patient nur 7,6 Minuten. Huml empfahl: „Das Gespräch mit dem Arzt und seinen Zuhörern sollte wieder stärker in den Vordergrund rücken“. Es sei wissenschaftlich belegt, dass auch die gelungene Kommunika- tion eine zentrale Rolle im Gesundungsprozess spiele. Patienten würden an ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besonders die Fähigkeit zuzuhören schätzen. Durch eine gute Kommunikation ent- stehe auch ein größeres Vertrauen und das tra- ge zu einem effizienteren Therapieerfolg bei.
Die Staatsekretärin forderte eine Sicherung und Fortentwicklung der Freiberuflichkeit der Ärzte und einen Abbau unnötiger Bürokratie.
Dadurch solle es mehr Zeit für das persönliche Gespräch geben. Kommunikation sei einem nicht in die Wiege gelegt, sondern müsse in den meisten Fällen gelernt und geübt werden.
Dr. H. Hellmut Koch, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), hält das Thema Arzt-Patienten-Kommunikation für enorm wich- tig, da die Beschwerden über mangelnde Kom- munikation doch weit verbreitet seien. Koch er- klärte: „In Zeiten von Ökonomisierung und In- dustrialisierung der Medizin, ausufernder Doku- mentation und Bürokratie und knapper Perso- nalbemessung in Kliniken und Praxen sind die Zeiten für Gespräche und Kommunikation im- mer knapper geworden“. Problematisch seien vor allem auch die umfangreichen Dokumenta- tionserfordernisse, die aus rechtlichen Gründen zur Abwehr von ungerechtfertigten Schadenser- satzforderungen notwendig und geboten seien.
Zuhören zahlt sich aus
Staatssekretärin Melanie Huml und Präsident Dr. H. Hellmut Koch.