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Sexuelle Gewalt. die psychischen und sozialen Auswirkungen. bei betroffenen Frauen. Masterarbeit

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Academic year: 2022

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Sexuelle Gewalt –

die psychischen und sozialen A uswirkungen bei betroffenen Frauen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Johanna GRUBER, BA

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften Begutachterin: Mag.a Dr.in phil. Helga Kittl-Satran

Graz, 2016

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Eidesstattliche Erklärung

Ich, Johanna Gruber, erkläre ehrenwörtlich durch meine Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt sowie die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht haben.

Die Masterarbeit wurde bisher keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.

Graz, am ... ...

Unterschrift

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Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit den Folgen und Auswirkungen von Vergewaltigung bei Frauen, sowie Hilfestellungen und Arbeitsmethoden von Expertinnen im Umgang mit sexuellen Gewaltopfern. Daher wurden für die Untersuchung sowohl Expertinneninterviews mit Frauen, welche mit Vergewaltigungsopfern arbeiten, als auch eine Dokumentenanalyse der Klientinnenakten vom Verein TARA durchgeführt.

Im empirischen Teil bestätigt sich, mit welchen gravierenden Auswirkungen betroffene Frauen tagtäglich konfrontiert sind und die Expertinnen gewähren Einblick in die Unterstützung in die Arbeit mit sexuellen Gewaltopfern.

Abstract

This master thesis aims to discuss the consequences and impacts of rape against women, as well as support and working methods of experts regarding sexual abused women. In the framework of the study interviews with experts, who counsel victims of rape, were conducted. Further, a document analysis for the evaluation of client records was performed. The records were provided by the association “TARA”. As confirmed by the empirical part of this master thesis, rape against women impacts the daily life of affected women negatively. Experts provide an insight into how sexual abused women can be supported.

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...Mama und Papa für das Ermöglichen meines Studiums, für eure jahrelange Unterstützung, eure Geduld, euer Vertrauen in mich, das Korrekturlesen und für euren emotionalen Rückhalt während meiner Studienzeit.

...Frau Mag.a Dr.in phil. Helga Kittl-Satran für die fachliche Betreuung meiner Masterarbeit, die schnelle Beantwortung meiner vielen Fragen und die konstruktive Kritik.

…an die Expertinnen für das Beantworten meiner Fragen, die Diskussionen und Hilfestellungen für meine Masterarbeit sowie für die mir geschenkte Zeit.

…an meine Freunde und Freundinnen für die Motivation, die wertvollen Pausen, die anregenden Gespräche und die Unterstützung trotz Höhen und Tiefen meiner Universitäts-Ära.

…an meine Mitstudierenden für die hilfreichen Diskussionen und Inputs.

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1. Einleitung... 1

2. Allgemeines ... 3

2.1 Begrifflichkeiten ... 4

2.2 Zahlen & Fakten ... 6

2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen ... 9

3. Trauma ... 13

4. Reaktionen und Auswirkungen sexueller Gewalt... 17

4.1 Die Tat - zeitliche Reaktionen ... 18

4.2 Physische Auswirkungen ... 21

4.3 Psychische Auswirkungen ... 23

4.4 Soziale Auswirkungen ... 26

5. Vergewaltigungsmythen ... 32

6. Schuldfrage ... 37

7. Verarbeitungsstrategien ... 39

8. Hilfestellungen durch SozialpädagogInnen ... 43

8.1 Methodenvielfalt ... 45

8.2 Beratung ... 45

8.3 Intervention ... 48

8.4 Aufklärungs- und Präventionsarbeit ... 50

8.5 Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit ... 51

(7)

9.2 Fragestellung ... 54

9.3 Methode ... 55

9.3.1 Expertinneninterview ... 55

9.3.2 Dokumentenanalyse ... 56

9.4 Stichprobe ... 57

9.5 Auswertungsverfahren ... 59

10. Ergebnisse ... 61

10.1 Allgemeines ... 63

10.1.1 Demographische Daten und Funktion der Expertin ... 63

10.1.2 Begriffsdefinition ... 64

10.2 Klientinnen ... 65

10.2.1 Umgang mit dem Erlebten ... 65

10.2.2 Folgen und Auswirkungen... 69

10.2.3 Bewältigungsstrategien ... 74

10.3 Expertinnen ... 78

10.3.1 Angebote und Methoden ... 78

10.3.2 Verhaltensregeln im Umgang mit betroffenen Frauen ... 84

11. Diskussion der Ergebnisse ... 87

12. Ausblick ... 93

13. Literaturverzeichnis... 96

14. Abbildungsverzeichnis ... 101

15. Anhang ... 102

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1. Einleitung

„Mein Schaden ist innerlich, unsichtbar, ich trage das mit mir herum. Du hast mir meine Würde genommen, meine Privatsphäre, meine Energie, meine Zeit, meine

Sicherheit, meine Intimität, mein Vertrauen, meine eigene Stimme, bis heute."

(Brief einer vergewaltigten Frau)

Besonders in letzter Zeit wurde vermehrt von Sexualdelikten in den Medien berichtet, so etwa über die Silvesternacht in Köln, die Geschichte von Gina-Lisa Lohfink, sowie eine junge Amerikanerin, die in einem Brief ihre Gefühle seit ihrer Vergewaltigung beschrieb, die Vergewaltigungen im Prater und viele, viele mehr. All diese Berichterstattungen erschüttern die Bevölkerung. Trotzdem ist das Wissen über sexuelle Gewalt und deren Auswirkungen bei Opfern von sexuellen Gewaltverbrechen in der Gesellschaft mit starken Vorurteilen belastet. Durch das Medieninteresse scheint das Thema aktuell und neu, jedoch gibt es sexuelle Gewalt seit jeher - aber niemand spricht darüber. Die verheerenden Auswirkungen für betroffene Frauen werden durch die Gesellschaft verschlimmert. Vergewaltigte Frauen scheuen sich davor die Tat publik zu machen, aus Angst vor den Reaktionen ihrer Mitmenschen, sie möglicherweise für die Vergewaltigung selbst verantwortlich machen und aus dem Wissen über fehlende Hilfsangebote.

Mit der Absolvierung des Pflichtpraktikums bei TARA – Beratungsstelle für Frauen und Mädchen mit sexuellen Gewalterfahrungen, wurde der Autorin die Dringlichkeit dieses Themas bewusst.

Die vorliegende Arbeit soll das Ausmaß sexueller Gewalt aufzeigen und gleichzeitig als Hilfestellung für SozialpädagogInnen dienen.

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Die Arbeit ist in einen theoretischen und empirischen Teil gegliedert. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird ein Überblick über die Häufigkeit von sexueller Gewalt und die rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben. Um die Auswirkungen und Folgen besser zu verstehen, wird zuvor noch das Trauma beleuchtet. Das Kapitel über Reaktionen und Auswirkungen wird gegliedert in: die Tat – zeitliche Reaktionen, physische Folgen, psychische Folgen, und soziale Auswirkungen. Der weitere theoretische Teil behandelt die Themen Vergewaltigungsmythen, die Schuldfrage, Verarbeitungsstrategien betroffener Frauen und Hilfestellungen durch SozialpädagogInnen. Im empirischen Teil wird die Untersuchung näher beschrieben, zudem werden die Ergebnisse aus den Expertinneninterviews und der Dokumentenanalyse dargestellt und diskutiert. Den Abschluss dieser Arbeit bildet der Ausblick.

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2. Allgem eines

Seit Ende der 1960er Jahre wurde Vergewaltigung in den Vereinigten Staaten als soziales Problem erkannt. Frauen begannen öffentlich über ihr Leben, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt zu erzählen (vgl. Künzel 2003, S. 238).

Daraufhin haben Bürgerinitiativen der Anti-Vergewaltigungs-Bewegung Frauenhäuser, Krisenzentren für vergewaltigte Frauen, Opferschutzprogramme, sowie 24 Stunden Notruf und Notrufgruppen für betroffene Frauen initiiert (vgl. Resick 2003, S. 21). Diese Bewegung ging von der Frauenbewegung aus, welcher sich Wissenschaftler und später auch die Gesetzgeber angenommen haben. Diese Hilfseinrichtungen, die betroffenen Frauen Rat und Verständnis entgegenbringen sollten, verbreiteten sich von Amerika über Kanada nach Europa. Durch diese Bewegung wurde das individuelle Problem zu einem sozialpolitischen Thema. Seit den 1970er Jahren wurde dieses Thema in Untersuchungen und Studien stark behandelt und erforscht (vgl. Weis 1982, S. 1f.; vgl. Heynen 2000, S. 11). Sexuelle Gewalt darf nicht als individuelles Problem angesehen werden, sondern muss als strukturelle Gewalt einer patriarchalen Gesellschaft betrachtet werden. Daher ist es notwendig die gesellschaftlich tradierten Rollenvorstellungen zu verändern, um sexuelle Gewalt verhindern zu können (vgl. Gies 1995, S. 132).

Sexuelle Gewalt führt meist zu einer Traumatisierung und diese daraus resultierenden Belastungen wiederum führen zu unmittelbaren Folgen durch die Vergewaltigung, sowie zu Reaktionen aus dem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld. Diese löst bei vielen betroffenen Frauen eine Lebenskrise aus und diese Herausforderung, das Vergewaltigungstrauma zu verarbeiten, müssen betroffene Frauen bewältigen, indem sie die unterschiedlichen Auswirkungen und Reaktionen der Tat bewerkstelligen und versuchen dieses traumatisierende Ereignis in ihre Biographien zu integrieren (vgl.

Heynen 2000, S. 23ff.).

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2.1 Begrifflichkeiten

Es gibt keine einheitlichen Definitionen für sexuelle Gewalt und sexualisierte Gewalt, daher sollen in der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit die Begriffe vorab erläutert werden, um Fehldeutungen vorzubeugen.

Sexuelle G ew alt

Gies (1995) definiert sexuelle Gewalt als „Vergewaltigung, sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen, sexuelle Nötigung, Sexismus, Pornographie, zum Teil die Prostitution bis hin zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz und die gesellschaftliche sexuelle Belästigung von Frauen und Kindern im alltäglichen Leben durch Anmache, Blicke und diskriminierende Bemerkungen“ (ebd., S. 13). Flothmann und Dilling (1990) hingegen erläutern den Begriff folgendermaßen: „Sexuelle Gewalt wird bewusst gegen die Frau gerichtet, hat meist eine Unterwerfung als Ziel und verletzt dabei die Integrität ihres Körpers und ihrer Sexualität“ (ebd., S. 69).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, „Sexuelle Gewalt ist keine gewalttätige Form von Sexualität, sondern vielmehr eine sexualisierte Form von Gewalt“ (Gies 1995, S. 33).

Sexualisierte G ew alt

Im deutschsprachigen Raum etablierte sich die Formulierung sexualisierte Gewalt als Überbegriff für Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung (vgl. Tov 2009, S. 43).

Insofern fallen unter sexualisierte Gewalt fallen anzügliche Blicke, sexistische Bemerkungen, von der Frau nicht gewollte Berührungen, Androhung sexualisierter Gewalt, sexuelle Nötigung, sexualisierte Gewalt in der Kindheit, Vergewaltigung, Frauenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung sowie Genitalverstümmelung (vgl. Verein Frauen gegen VerGEWALTigung 2011, S. 3).

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Vergew altigung

Vergewaltigung ist die Nötigung zum Geschlechtsverkehr oder einer ähnlichen Handlung, welche durch Gewalt, unter Androhung von Gewalt oder Freiheitsentzug stattgefunden hat. „Vergewaltigung ist (…) eine extreme Form der Unterdrückung der Frau, bei der der Mann sich über den Willen der Frau hinwegsetzt und die Frau seiner Macht und Willkür ausliefert, indem er sie zu bestimmten Handlungen benutzt“ (Teubner 1989, S. 84). Brownmiller (1991, S. 285) beachtet in ihrer Definition von Vergewaltigung auch die Folgen der Gewalttat:

„Für eine Frau ist die Definition von Vergewaltigung ziemlich einfach. Ein sexuelles, gewaltsames Eindringen in den Körper, ein Einbruch in den privaten, persönlichen Innenraum, ohne daß die Frau ihr Einverständnis dazu gegeben hätte – kurz, ein gegen das Innere gerichteter schwerer körperlicher Angriff auf einem von mehreren Zugangswegen und mittels einer von mehreren Methoden. Dieser Gewaltakt stellt eine bewußte Verletzung der emotionalen, körperlichen und geistigen Integrität dar und ist eine feindselige, entwürdigende brutale Handlung“ (Brownmiller 1991, S. 285).

Sexualisierte G ew alt vs. Sexuelle G ewalt

Die Termini sexuelle Gewalt und sexualisierte Gewalt haben Gemeinsamkeiten und zwar werden sie gegen den Willen der Frauen begangen mit dem Ziel die Frauen herabzusetzen und das Zentrale für das Erleben von sexualisierter oder sexueller Gewalt, ist das persönliche Empfinden einer Grenzüberschreitung, einer Enteignung des Körpers und der Seele (vgl. Spiekermann 2001, S. 159).

Heynen (2000) unterscheidet die zwei Begriffe „(…) sexualisierte Gewalt betont primär, daß die Gewalt im Vordergrund steht und sexualisiert wird. Sexuelle Gewalt hebt im Vergleich zu physischer und psychischer Gewalt hervor, daß die Gewalt mit sexuellen Mitteln ausgeübt wird“ (ebd., S. 20). Da sich sexualisierte Gewalt eher als Überbegriff wahrnehmen lässt, wird für die vorliegende Arbeit der begrenztere Begriff sexuelle Gewalt verwendet. Da bei beiden Termini die Betonung auf Gewalt liegt,

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wird ebenso der Begriff Vergewaltigung häufig verwendet, der das Wesen dieser Gewaltdelikte sehr deutlich zum Ausdruck bringt. Da sexuelle Gewalt dem Begriff Vergewaltigung näher kommt und zudem konkreter und durch die Benennung und Verankerung in der StGB messbarer und deutlicher erscheint, werden in der vorliegenden Arbeit sexuelle Gewalt und Vergewaltigung als Synonym verwendet.

Opfer

Viele ExpertInnen verwenden den Begriff Überlebende (rape survivor), welcher wesentlich positiver erscheint, als der Ausdruck „Opfer“ (vgl. Tov 2009, S. 44). Die Bezeichnung Überlebende impliziert eine aktive Bewältigung und das Überwinden der negativen Folgen eines Traumas, wofür man nicht verantwortlich ist. Allerdings ordnet dies die Vergewaltigungsopfer in die Kategorie: Menschen, welche an den Auswirkungen anderer Verbrechen oder Katastrophen leiden, ein. Gleichzeitig ist es bedeutend hervorzuheben, dass vergewaltigte Frauen schuldlose Opfer eines Verbrechens sind. Dies beinhaltet nicht, dass betroffene Frauen ihr Leben lang in der Opferrolle sein müssen, allerdings ist dies oft der Fall, solange sie keine Hilfe bekommen oder in Anspruch nehmen (vgl. Calhoun/Atkeson 1994, S. 18). Zusätzlich zu Überlebende und Opfer werden weitere Bezeichnungen, wie Betroffene und Beteiligte (vgl. Tov 2009, S. 44), für diese Arbeit verwendet.

2.2 Zahlen & Fakten

Es erweist sich als schwierig, repräsentative Zahlen über die Häufigkeit von sexueller Gewalt zu finden. Da es keine einheitlichen Definitionen gibt, sind viele Zahlen nicht vergleichbar (vgl. Heynen 2000, S. 23) und zum anderen muss die Differenz zwischen

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Dunkelfeld und Hellfeld berücksichtigt werden. Durch die mangelnde Anzeigebereitschaft, ist eine große Diskrepanz zwischen den gemeldeten Taten und den verschwiegenen Vorfällen festzustellen. Viele internationale Studien in den letzten Jahrzehnten versuchten durch Opferbefragungen die Dunkelziffer zu erschließen (vgl. Tov 2009, S. 45). Auf diese Weise geht Breiter (1995) von einer Dunkelziffer (1:10) von 7.950 Fällen im Jahr 1990 aus, das Hellfeld hingegen vermerkte 795 Fälle in der österreichischen polizeilichen Kriminalstatistik von 1990 (vgl. ebd., S. 14f.). Dies würde bedeuten, dass 90-95% Taten nicht vermerkt werden (vgl. Pöhn 2010, S. 31). Daraus lässt sich erkennen, wie aussageschwach die Kriminalstatistiken sind.

Von Breiters (vgl. 1995, S. 14f.) Untersuchungen 795 verzeichneter Fälle, wurden 494 Tatverdächtige ermittelt, 144 wurden verurteilt und 49 Täter erhielten eine unbedingte Freiheitsstrafe. Diese Aufschlüsselung zeigt eine große Kluft zwischen sexueller Gewalt und deren Sanktion. Es ist davon auszugehen, dass in Österreich 1990 weniger als 2% der Beschuldigten vor Gericht mussten und weniger als 1% eine Freiheitsstrafe erhielten. Dies hat zur Folge, dass sexuelle Gewalttaten gegen Frauen zu den sichersten Verbrechen für Täter in Österreich zählen. Folglich haben viele Täter die Gewissheit, dass ihre Tat nicht angezeigt wird und sie somit nicht mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen (vgl. Mörth 1994, S. 86; vgl. Breiter 1995, S. 15).

In der österreichischen Prävalenzstudie „Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld“ von Kapella, Baierl, Rille-Pfeiffer, Geserick und Schmidt (vgl. 2011, S. 20ff.) wurden insgesamt 1.292 Frauen befragt. Fast jede dritte Frau (29,5%) dieser Studie wurde Opfer von sexueller Gewalt und davon wiederum gab jede vierte Frau an, also 91 der befragten Frauen (7%), dass gegen ihren Willen mit einem Penis oder etwas anderem in ihren Körper eingedrungen wurde – de facto eine Vergewaltigung.

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In der internationalen Studie „Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung“

wurden 42.000 Frauen aus den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu ihren Erfahrungen mit (körperlicher, psychischer, sexueller) Gewalt, mittels Fragebogen befragt. Die Erhebung ergab, dass in den 12 Monaten vor der Befragung schätzungsweise 3,7 Millionen Frauen Opfer von sexueller Gewalt wurden. Dies entspricht 2% der Frauen zwischen 18 und 74 Jahren die in der EU leben. Auf die Frage, ob sie seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer von sexueller Gewalt wurden, bejahten insgesamt 11% der Frauen (vgl. FRA 2014, S. 17ff.)

Im Sicherheitsbericht 2014, vom Bundesministerium für Justiz wurde festgehalten, dass wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (§ 201 bis § 220b StGB) 4.063 Frauen als Opfer bei ihnen eingetragen wurden (vgl. Sicherheitsbericht 2014, S. 201). Im Jahr 2014 wurden in Österreich 126 (13,9%) Täter wegen des Delikts Vergewaltigung verurteilt (vgl. Bauer 2015, S. 22). Die Kriminalstatistik weist auf, dass die Zahl der Anzeigen wegen Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung von 2.662 Anzeigen im Jahr 2013 auf 2.418 Anzeigen im Jahr 2014 gesunken ist (vgl. Bundeskriminalamt 2015, S. 2).

Wie zuvor erwähnt sind viele alte Statistiken nicht mit neuen vergleichbar, da heute viele Delikte zusammengefasst und/oder anders definiert werden. Besonders in Österreich existiert wenig fundiertes Wissen zum Thema sexuelle Gewalt aufgrund mangelnder Forschungstätigkeiten. Zwar wurden in den letzten Jahren Studien zu Gewalt in der Familie durchgeführt, aber sexuelle Gewalt ist auch darin nur ein kleiner Teilaspekt (vgl. Breiter 1995, S. 143).

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2.3 R echtliche R ahm enbedingungen

Für die vorliegende Arbeit sind die Gesetzestexte (StGB) § 201 Vergewaltigung und

§ 202 geschlechtliche Nötigung relevant, ebenso gilt es die Anzeigebereitschaft von betroffenen Frauen kurz zu erläutern.

Die strafrechtlichen Definitionen lauten:

Vergew altigung

„§201. (1) Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) oder eine Schwangerschaft der vergewaltigten Person zur Folge oder wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat die Tat aber den Tod der vergewaltigten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.“ (Verein gegen VerGEWALTigung 2011, S. 38; Bundeskanzleramt Österreich 2016, S. o.A.)

§ 202 Geschlechtliche Nötigung unterscheidet sich vom § 201 insofern, als der Täter mit der Ausübung von Gewalt die Vornahme einer anderen geschlechtlichen Handlung durchsetzen möchte.

Je nach Schwere der Vergewaltigung kann eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu 20 Jahren, bzw. eine lebenslange Freiheitsstrafe (wenn die Tat den Tod der vergewaltigten Person zur Folge hatte) geahndet werden. Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt. Dies bedeutet, dass der Staat – die Staatsanwaltschaft – der Ankläger

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ist und aus diesem Grund kann eine bereits erstattete Anzeige nicht wieder zurückgezogen werden.

Da eine Anzeige für viele betroffene Frauen eine erhebliche Belastung darstellt, haben Opfer von sexueller Gewalt die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Prozessbegleitung. Mit einer StOP-Novelle 2006 wurde die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung gesetzlich verankert (vgl. Hefen/Jauk 2014, S. 6ff.). Bei einer Prozessbegleitung handelt es sich um ein kostenloses Angebot, welches von Opferschutzeinrichtungen angeboten wird (vgl. Sicherheitsbericht 2014, S. 204).

Prozessbegleitung beinhaltet die Weitergabe von Informationen wie rechtliche Schritte, Ablauf und Folgen einer Anzeige, Rechte und Pflichten, Folgeerscheinungen sexueller Gewalt und psychosoziale Beratung (vgl. Fastie 2002, S. 228f.). Zusätzlich dazu können Frauen auf Wunsch zur polizeilichen Einvernahme, Gutachtentermine, Gerichtstermine und etwaigen ärztlichen Untersuchungen ihre Prozessbegleitung als Unterstützung mitnehmen. Ein weiterer Punkt in der Prozessbegleitung ist das Vermitteln von RechtsanwältInnen für den juristischen Beistand, sowie das Vorbereiten auf das strafrechtliche Verfahren (vgl. Verein Frauen gegen VerGEWALTigung 2011, S. 48f.) Die juristische Prozessbegleitung übernimmt die Vertretung vor Gericht und kann Beweisanträge einbringen, Schmerzensgeld einfordern, sowie eine schonende Einvernahme beantragen (vgl. Hefen/Jauk 2014, S. 20). Zusätzlich dazu, soll die Prozessbegleitung den betroffenen Frauen helfen, Ängste und Unsicherheiten abzubauen und dadurch die Gefahr einer Sekundärviktimisierung mindern (vgl. Fastie 2002, S. 226; vgl. Bundeskanzleramt Ministerium für Frauen, Medien und Öffentlichen Dienst 2008, S. 35).

Bei einer Vergewaltigung wird dem Opfer von Seiten der Öffentlichkeit, aber auch häufig von JuristInnen, viel Misstrauen entgegengebracht, wie sonst bei keinem anderen Delikt. Oftmals wird von dem Vorurteil ausgegangen, dass sexuelle Gewaltopfer den Vorwurf erfinden und aus persönlichen Motiven den Beschuldigten

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die Tat anhängen wollen (vgl. Klusenwerth 2002, S. 115). Doch die Zahl dieser Falschanzeigen ist im Vergleich mit anderen angezeigten Gewaltdelikten nicht höher, sondern mit ca. 2% gleich hoch wie bei anderen Delikten (vgl. Pöhn 2010, S. 55f.; vgl.

Heynen 2000, S. 25).

Da es für die Tat selten ZeugInnen gibt, haben viele Täter die Gewissheit, dass ihre Tat nicht angezeigt wird und sie somit nicht mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen (vgl. Mörth 1994, S. 86). Daher ist die häufigste Verteidigungsstrategie bei sexuellen Gewalttaten, die Glaubwürdigkeit des Opfers anzuzweifeln oder zu behaupten, dass die sexuelle Handlung einvernehmlich war (vgl. Klusenwerth 2002, S. 115).

Anzeige

Die Frage, ob die betroffene Frau Anzeige erstatten sollte oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich nicht generalisierend beantworten. Obwohl die Opfer sich nach Gerechtigkeit und Partizipation sehnen, ist die Anzeige mit vielen Ängsten verbunden, und eben diese Ängste halten davon ab eine Anzeige zu erstatten. Die Angst vor den Reaktionen der Umwelt, Schuldgefühle, die Umgangsformen der Polizei und bei Gericht (vgl. Mörth 1994, S. 156f.), die Angst vor Racheakten des Beschuldigten (vgl. Klusenwerth 2002, S. 117; vgl. Tov 2009, S. 140), die Ungewissheit vor dem Ausgang bei Gericht, der Ablauf des Verfahrens und eine miteinhergehende Re-Traumatisierung, sowie die Angst der Unglaubwürdigkeit sind oftmals Gründe, weshalb Frauen keine Anzeige erstatten (vgl. Verein Frauen gegen VerGEWALTigung 2011, S. 42f.; vgl. Heynen 2000, S. 23).

Vor allem, wenn die Opfer die Täter vorher kannten, ist die Anzeigebereitschaft noch niedriger, da betroffene Frauen Angst haben, dass ihnen aufgrund der gesellschaftlichen Vorurteile (mehr dazu in Kapitel 5) nicht geglaubt wird (vgl.

Breiter 1995, S. 80). Hilfreich in dieser Situation ist das Aufsuchen einer

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Beratungsstelle, um sich über Verfahrensabläufe, Unterstützungsmöglichkeiten, Rechte und Pflichten zu erkundigen und dadurch die vorher aufgezeigten Ängste zu mindern (vgl. Klusenwerth 2002, S. 118).

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3. Trauma

Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und steht für Wunde oder Verletzung. Als medizinischer Fachbegriff bezeichnet Trauma eine Verletzung mit Gewebedurchtrennung. Wohingegen in der Psychologie das Wort Verletzung bedeutet, dass ein traumatisches Ereignis in unserem Inneren ausgelöst wurde, ein sogenanntes Psychotrauma, also eine Verletzung der Seele (vgl. Pöhn 2010, S. 65). Es gibt keine offizielle einheitliche Definition von Psychotrauma, allerdings lässt sich zusammenfassend sagen, dass allen versuchten Definitionen diese Gemeinsamkeiten zugrunde liegen: „das psychische Trauma umfasst (1) ein extremes Ereignis als Auslöser, (2) eine intensive Sinneswahrnehmung der Bedrohung und (3) die Überforderung der betroffenen Person“ (Heynen 2000, S.54). Um zwischen einem Trauma und einem anderen stressreichen Lebensereignis unterscheiden zu können, beschreibt Huber (2003) wesentliche Merkmale, die zur Differenzierung beitragen:

„Ein Trauma ist überwältigend lebensgefährlich über alle Maßen erschreckend etwas, das man eigentlich nicht verkraften kann ein Ereignis außerhalb dessen, was der Mensch sonst kennt verbunden mit der Überzeugung, dass man es nie verwindet so schlimm, dass man nachher denkt, das könne nicht passiert sein mit enormen seelischen und/oder körperlichen Schmerzen verbunden etwas, das von unserem Gehirn aufgesplittert oder ganz verdrängt wird.“ (Huber 2003, S.38)

So ein traumatisierendes Ereignis, kann eine Naturkatastrophe, ein Verkehrsunfall, Krieg oder ein anderer schwerer Schicksalsschlag sein, da sich diese traumatisierenden Geschehnisse dadurch auszeichnen, „dass sie unsere Verarbeitungsfähigkeit bei weitem übersteigen“ (Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 14). Doch sogenannte „man-made- disaster“, also Ereignisse, die von Menschen an Menschen und mit Absicht und Brutalität ausgeführt werden, wirken sich am schlimmsten bei betroffenen Personen aus (vgl. Gahleitner/Loch/Schulze 2012, S. 11) und haben eine höhere

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Wahrscheinlichkeit eine posttraumatische Belastungsstörung auszulösen, als jene Ereignisse, die naturbedingt sind (vgl. Resick 2003, S. 50).

Reaktionen bei traumatischen Ereignissen sind intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 18). Somit kann eine Vergewaltigung zweifelsohne ein Auslöser für ein Psychotrauma sein, da sie eine psychische Stresssituation, eine extreme Belastungs- und Krisensituation hervorruft.

Sie bedeutet für die Betroffenen einen drastischen Angriff auf ihre physische und psychische Integrität (vgl. Heynen 2000, S. 53). Die Opfer sind der Macht und Willkür des Täters ausgesetzt und erfahren während der Tat einen persönlichen Kontroll- und Autonomieverlust. Opfer empfinden dies als schlimmste Demütigung (vgl. Mörth 1994, S. 105). Folglich ist für den Schweregrad der Traumafolgen mitentscheidend, wie viel Todesangst das Verbrechensopfer während der Tat empfand und ob das Opfer damit gerechnet hat getötet oder verletzt zu werden (vgl.

Calhoun/Atkeson 1994, S. 9ff.).

W as passiert im Körper?

Während eines traumatischen Ereignisses, stehen Körper und Geist in Alarmbereitschaft, dies dient dem Überleben. In so einer Stresssituation lassen sich drei Reaktionen erkennen (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 30):

 „Fight (Kampf): Der Körper ist in Alarmbereitschaft versetzt, um Kräfte zu mobilisieren und gegen die Gefahr anzukämpfen.

 Flight (Flucht): Flight beschreibt den Versuch einer gefährlichen Situation zu entkommen, z.B. durch Weglaufen, Schreien etc.

 Freeze (Einfrieren, Gelähmt-sein)“

(Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 17)

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Die Reaktionen in dieser Extremsituation sind nicht willentlich zu steuern und geschehen automatisch und unbewusst (vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 16f.). Zeitgleich setzt der Körper in dieser Situation mehr Cortisol und Glucose (Energielieferant) frei, Blutdruck und Puls steigen und die Durchblutung von Muskeln und Gehirn wird intensiviert. Zugleich werden Verdauung, Wachstum, Fortpflanzung und Immunsystem gehemmt (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 30). Registriert das Gehirn, dass weder Fight noch Flight möglich sind, setzt das Einfrieren (Freeze) ein. Für diese Schocklähmung, in der der Körper steif oder schlaff wird, setzt der Körper Opiate frei, die das Wegtreten bewirken und diese Reaktion ermöglicht das Entfremden vom Geschehenen (vgl. Huber 2003, S. 43f.) und sorgt dabei für die Hemmung der Schmerzwahrnehmung und das Überstehen dieses Ereignisses durch eine Art Betäubung (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 34; vgl.

Resick 2003, S. 12). Das bedeutet, dass die Wirklichkeit in den Hintergrund tritt und die betroffenen Frauen entfernen sich geistig vom Ereignis, in der Fachsprache wird von einer Dissoziation gesprochen (vgl. Huber 2003, S. 43f.).

Diese Dissoziation bezeichnet genaugenommen die Trennung von Körper und Geist, indem Frauen nichts mehr empfinden oder bewusst an etwas anderes denken. Hält diese Abspaltung länger an, kann diese dazu führen, dass betroffene Frauen den Kontakt zu sich selbst und zu ihren eigenen Gefühlen verlieren. Eine weitere resultierende Folge daraus, kann das Verlieren und Einschränken des Bezuges zur Realität sein (vgl. Gies 1995, S.53). Nach der Gewalttat wird die Tat vom Gehirn aufgesplittert (vgl. Huber 2003, S. 43f.) und diese Angstreaktion verhindert die Verknüpfung von neuen mit alten Inhalten. Folglich kann das Erlebnis, welches mit viel Angst verbunden war, nicht im Gesamten betrachtet werden, aber der Vorfall kann auch nicht gelöscht werden. Die Erinnerungen werden als Gefühl gespeichert und das Gefühl Angst beengt das Denken (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 32f.).

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Da diese Gefühle, Bilder und Reaktionen gespeichert werden, aber nicht mit dem Ereignis in Zusammenhang gebracht werden können (vgl. Tov 2009, S. 49), entsteht eine hippocampale Amnesie, welche bedeutet, dass keine Erinnerung an die konkrete reale Situation besteht. Wenn dieser Zusammenhang: „Was ist passiert? Was habe ich gefühlt? Was habe ich gedacht? Wie habe ich gedacht?“ (Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 33) wiederhergestellt ist, besteht die Möglichkeit zu realisieren, dass die Gefahrensituation vorbei ist. Erst durch das Realisieren, dass die Situation überlebt wurde und vorbei ist, kann das Trauma verarbeitet werden (vgl. ebd., S. 32f.).

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4. R eaktionen und Auswirkungen sexueller Gewalt

„…sie kämpfen in der Regel ihr Leben lang mit den Folgen der erlittenen Gewalt. Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebten und sich professionelle Hilfe bei der Auf- und Verarbeitung der erlittenen Gewalt suchen, müssen sich auseinandersetzen mit zumeist lange unterdrückten Gefühlen von Angst, Desintegration und Depersonalisation, mit Ohnmacht, Ekel, Scham, Zorn mit Schuldgefühlen und Schmerzen, mit ihrem Misstrauen, ihre Sorge, dass ihnen sowieso nicht geglaubt wird, und oftmals auch mit ihrer zerstörten Fähigkeit zu genießen. Sie finden sich in der Therapie konfrontiert mit ihrem tiefen Selbstunwertgefühl sowie mit ihrer eigenen Verharmlosung des Geschehens bzw. ihren Mechanismen, den oder die TäterInnen zu schützen.“

(Spiekermann 2001, S. 159)

Die Reaktionen und Folgen von traumatischen Erlebnissen können sich ganz verschieden auswirken, ebenso ist die Dauer der Auswirkungen von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gilt auch zu erwähnen, dass nicht alle betroffenen Frauen nach einem sexuellen Übergriff automatisch traumatisiert sind oder an denselben Reaktionen und Folgen leiden. Doch wenn den direkten und kurzfristigen Reaktionen keine Beachtung geschenkt wird, können sich diese Reaktionen zu langfristigen Folgen von sexueller Gewalt manifestieren. Daher ist es schwierig die kurzfristigen und langfristigen Folgen konkret zu trennen, da sie häufig vermischen und dadurch das Abgrenzen erschweren (vgl. Gies 1995, S. 45). Bei gewissen Frauen sind keine Folgen zu beobachten und bei anderen Betroffenen wiederum lassen sich psychische Störungen diagnostizieren (vgl. Resick 2003, S. 50).

(25)

4.1 D ie Tat - zeitliche R eaktionen

Da im vorangegangenen Kapitel die Prozesse während eines Traumas genauer erläutert wurden, soll im folgenden Abschnitt ein kurzer Überblick über die zeitlichen Reaktionen während und unmittelbar nach der Tat kurz dargestellt, sowie ein Einblick zum Thema Verteidigung und Barrieren für betroffene Frauen gegeben werden.

W ährend der Tat

Die Mehrheit der betroffenen Frauen empfindet während der Tat Todesangst. Das vollkommene Ausgeliefertsein, auch wenn der Täter keine Waffe benutzt, ist ein beängstigendes Ereignis, da das Opfer nicht weiß, was als nächstes mit ihm geschieht und es kaum Möglichkeiten zur Verhinderung gibt (vgl. Mörth 1994, S. 9). In Folge dieser Angst machen sich Anzeichen wie Beben, Zittern, Herzrasen, starke Muskelverspannungen und eine beschleunigte Atmung bemerkbar (vgl.

Calhoun/Atkeson 1994, S. 20). Ebenso kann es, wie in Kapitel 3 erwähnt, während der Gewalttat zu einer psychischen Blockade kommen oder eine Erstarrung (Freeze) ausgelöst werden. Der Kampf um das Überleben selektiert die Wahrnehmung und führt (vgl. Gies 1995, S.53), wie zuvor erwähnt bei vielen betroffenen Frauen zu Amnesien, diese erschweren die Tat aufzuarbeiten oder im Falle einer Anzeige eine chronologische Abfolge der Tat wiederzugeben (vgl. Mörth 1994, S. 88f.).

Da die Frauen in dieser Situation nicht mit einer Gewalttat rechnen, ist es für sie nicht möglich sich darauf einzustellen, beziehungsweise sich auf einen Gegenangriff vorzubereiten. Die Absichten des Täters sind für betroffene Frauen überraschend und nicht vorhersehbar (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 16) und erschweren dadurch eine

(26)

Abwehr. Viele Frauen stehen anfangs unter Schock und brauchen Zeit, um zu realisieren, was mit ihnen geschieht.

Wenn der Täter dem Opfer bekannt ist, erleidet die Frau einen noch größeren Zeitverlust, da sie die Situation, sowie auch die Beziehung neu definieren muss (vgl.

Weis 1982, S. 53ff.), denn eine Vergewaltigung durch Bekannte ergibt sich meist nicht aus einer sexuellen Situation. Für viele Frauen ist es ein gewöhnlicher oder öfters erlebter geschehener Lokalbesuch mit einem Freund oder Bekannten und daher ist ein sexueller Übergriff durch Bekannte oder Freunde besonders überraschend, da es nicht zur Deutung der bisherigen Situation passt (vgl. Humburg 1991, S. 261).

Durch das Erkennen dieser Gefahrensituation sind viele Opfer vor Angst handlungsunfähig. Durch diese verzögerte Wahrnehmung bekommt der Täter einen psychologischen und physischen Vorsprung. Sobald die Gefahrensituation realisiert wurde, ist es meist zu spät die Vergewaltigung mithilfe von Flucht, Hilfeschreien oder Kampf zu verhindern. Frauen erlernen oftmals nicht sich selbst zu verteidigen und, selbst wenn sie Techniken der Selbstverteidigung beherrschen, ist es Frauen in der Situation oftmals nicht möglich sich zur Wehr zu setzen und ihre Unsicherheiten und innere Barrieren zu überwinden (vgl. Weis 1982, S. 53ff.).

Diese Hindernisse müssten Frauen beseitigen, denn der Einsatz der eigenen Körperkraft ist vielen Frauen fremd, daher schrecken viele vor einer körperlichen Gegenwehr zurück (vgl. Breiter 1995, S. 102), da sie Angst haben, den Angreifer so zu verletzen, dass er verunstaltet, geblendet, oder andere Folgeschäden davon trägt oder gar getötet werden könnte (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 16). Versuche, sich körperlich zu wehren oder Hilfeschreie machen den Täter häufig wütender und aggressiver (vgl. Weis 1982, S. 69). Durch diese Hemmungen und die körperliche Unterlegenheit entsteht für die Frauen ein ungleicher Kampf ums Überleben (vgl.

Spiekermann 2001, S. 159).

(27)

Viele Frauen greifen deshalb auf den Versuch einer verbalen Verteidigung zurück.

Mörth (1994) stellte in ihren Untersuchungen fest, je größer die Angst des Opfers während der Tat war, desto aktiver versuchten die Betroffenen den Täter verbal zu erreichen und ihn dadurch zu besänftigen. Anhand eines Gespräches versuchten betroffene Frauen eine Beziehung zum Täter aufzubauen, und ihn dadurch zu beruhigen. Die Verteidigungstaktik „Reden“ darf nicht abgewertet oder bagatellisiert werden, denn Reden ist eine bedeutende Weise Widerstand zu leisten. Es ist für Betroffene eine psychische Schutzfunktion und die einzige Möglichkeit sich zu wehren (vgl. Mörth 1994, S. 84f.).

„Denn solange sie redet, liefert sie sich niemals ganz aus!“ (ebd., S. 208).

Unm ittelbar nach der Tat

Nachdem betroffene Frauen die Tat überlebt haben, reagieren viele Frauen hysterisch, haben Weinkrämpfe, zittern, sind offensichtlich verwirrt und lassen ihrer Furcht und Verzweiflung freien Lauf, andere wiederum verweigern das Gespräch mit ihren Mitmenschen und ziehen sich vollkommen zurück, um Distanz zu schaffen.

Andere wiederum versuchen sich Hinweise zu merken, um die Identifizierung des Täters zu erleichtern (vgl. Tov 2009, S. 88). Eine weitere Gruppe der befragten Personen in Tovs Studie suchte Hilfe und stellte Nachforschungen an. In den Untersuchungen von Mörth (1994) reagierten etliche Frauen nach der Tat mit Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Einschlafängsten, Platzangst, Berührungsängsten und Atembeschwerden (vgl. ebd., S. 116). Die typischen unmittelbaren Folgen von traumatischem Stress sind beispielsweise:

 „Verstörung, Durcheinandersein, ‚nicht wissen, wo oben und unten ist‘, bis hin zum Verlust der Ich-Grenzen;

(28)

 Körperlich: Starke Schmerzen, evtl. Schock/Ohnmacht/Koma, evtl. Umkippen in Nichts-mehr-Fühlen;

 emotionales Chaos bis hin zum Nichts-mehr-Spüren (emotional numbness;

emotionale Betäubung, im chronischen Fall ‚Seelentaubheit‘);

 Flut von Bildern, Gerüchen, Geräuschen, Geschmack – und ‚Kippen‘ in Nichts-mehr-Wahrnehmen;

 Verlust der Fähigkeit zur raumzeitlichen Einordnung des Geschehens – unter Umständen gefolgt von Nichts-mehr-Wissen.“ (Huber 2003, S. 68)

4.2 Physische Auswirkungen

Im Gegensatz zu den psychischen Folgen einer Vergewaltigung sind die physischen Folgen meist kurzfristiger und oberflächlicher. Bei der telefonischen Befragung von Weis (1982) stellte sich heraus, dass ein Drittel der interviewten Frauen bei der Vergewaltigung körperliche Verletzungen davontrugen. Diese physischen Folgen reichten von „Hautabschürfungen und Prellungen bis zu schweren Verletzungen wie starke Würgemale oder Schnitt- und Stichwunden (…) so starke Verletzungen im Genitalbereich, dass eine scheidenplastische Operation notwendig wurde“ (Weis 1982, S. 99). Wohingegen Breiter (1995) feststellte, dass fast die Hälfte der Frauen, in ihrer Untersuchung, physische Verletzungen davontrugen, diese meist im Gesicht, Arme sowie Beine, jedoch keine schweren Verletzungen im Genitalbereich erlitten (vgl. ebd.

S. 104). Die kurzfristigen körperlichen Folgen einer Vergewaltigung sind in Abbildung 1 zur besseren Veranschaulichung dargestellt.

(29)

Abbildung 1: Physische Folgen nach einer Vergewaltigung. Dargestellt nach Kapella et al. 2011, S.111.

Die Grafik zeigt die Breite an möglichen Verletzungen nach einer sexuellen Gewalttat, welche von Knochenbrüchen bis zu Hämatomen und Prellungen reicht.

Die häufigsten physischen Folgen waren Schmerzen und blaue Flecken, sowie Prellungen, gefolgt von Bauch bzw. Magenschmerzen und Verletzungen im Genitalbereich. Infolge einer Vergewaltigung treten auch hormonelle Störungen, z.B.

Ausbleiben der Menstruation (vgl. Mörth 1994, S. 116) auf, welche in den psychosomatischen Bereich einzuordnen wären.

Amerikanische Studien belegen, dass Frauen welche an einer Essstörung leiden, häufig (bis zu 75%) Opfer von sexueller Gewalt waren. Frauen sehen ihren Körper durch die Grenzverletzung oftmals als Objekt, vorzustellen als eine Spaltung von

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

35

10

28 31

10 4

9 5 42

5 5 4

Physische Folgen nach einer Vergewaltigung

Frauen

(30)

Körper und Seele, und malträtieren daher ihren Körper oftmals mit zu viel oder zu wenig Nahrung (vgl. Schüller/Riedel 1995, S. 90). Auch eine Schwangerschaft im Zuge einer Vergewaltigung, oder die Entscheidung, ob das Kind ausgetragen oder eine Abtreibung durchgeführt werden soll, ist eine enorme physische, aber auch psychische Belastung für Frauen (vgl. Weis 1982, S. 100).

4.3 Psychische Auswirkungen

In den Tagen und Wochen nach dem Übergriff leiden die Betroffenen meist an Nervosität, Panikattacken, Konzentrationsstörungen, Alpträumen, Schreckreaktionen und vielen anderen Angstmanifestationen. Manchmal entwickeln sich aus diesen Folgen spezifische Phobien bis hin zu schweren Agoraphobien (vgl. Breiter 1993 zit.n.

Breiter 1995, S. 106). Diese Reaktionen flauen mit der Zeit ab, dennoch schaffen es viele Frauen nicht damit umzugehen und diese Reaktionen halten somit bis nach dieser ersten spontanen Erholung an. In diesem Fall ist es fast unmöglich ohne direkte Intervention Fortschritte zu machen (vgl. Calhoun/Atkeson 1994, S. 20f.; vgl.

Breiter 1993 zit.n. Breiter 1995, S. 106).

Angstreaktionen

Studien zeigten, dass die Ängste in den ersten paar Monaten nach der Tat schwächer wurden, doch nach einer bestimmten Zeit blieben die Angst-Werte gleich und verbesserten sich kaum mehr. Sehr wohl war zu beobachten, dass sich die Ängste aber verändert hatten. So waren zu Beginn Ängste vor dem Alleinsein, vor Waffen, männlichen Genitalien und unerwarteten Geräuschen sehr ausgeprägt, welche sich mit der Zeit in klassischere Ängste (beispielsweise vor geschlossenen Räumen und

(31)

Höhen) veränderten. Calhoun & Atkeson (1994) vermuten, dass Opfer gewisse Reize, wie Situationen und bestimmte Objekte, vermieden und deshalb die Angst abflaute (vgl. ebd., S. 20f.). Trotz vergangener Zeit hatten aber viele betroffene Frauen Angst vor dem Gerichtstermin, da sie die Tat dort nochmals lebendig werden lassen müssten (vgl. Breiter 1995, S. 80.).

Auch die Angst, sowie das Ungewisse bezüglich Unverständnis und Reaktionen der sozialen Umwelt und die Gefahr erneut Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, ist nicht nur während der Tat präsent, sondern beeinflusst auch die Zukunft der betroffenen Frauen (vgl. Perner 1994, S. 15). Gewisse Folgen und Ängste einer Vergewaltigung sind nicht verarbeitbar und hinterlassen bei vielen Überlebenden ein Leben lang ihre Spuren (vgl. Mörth 1994, S. 176).

D epressive R eaktionen

In den Wochen nach der Tat wurden häufig depressive Reaktionen wie Weinanfälle, Schlaf- und Essstörungen, Erschöpfung, Selbstmordgedanken und Schuld-, Wertlosigkeits- und Hilflosigkeitsgefühle festgestellt (vgl. Gies 1995, S. 50).

Mit der depressiven Symptomatik gehen schwindende Selbstwertgefühle und negative Veränderungen in der Selbstwahrnehmung einher (vgl. Coulhoun/Atkeson 1994, S. 25). Opfer werden vom Täter wie ein wertloser Gegenstand behandelt und dies führt zu einer Beeinträchtigung des Wertegefühls (vgl. Tov 2009, S.88). Verstärkt wird dieses Gefühl, wenn das Opfer die weitverbreitete Auffassung teilt, dass nur Frauen vergewaltigt werden, die eine Vergewaltigung provozieren und auf irgendeine Art und Weise diese verdient haben (vgl. Coulhoun/Atkeson 1994, S. 25).

Veränderung des Selbst- und W eltbilds

Wenn das soziale Umfeld negative Reaktionen zeigt oder Beschuldigungen gegenüber den Opfern äußert, kann dies zusätzlich zu einer sekundären Viktimisierung (vgl.

(32)

Breiter 1995, S. 111f.), bis hin zu einer Retraumatisierung führen (vgl. Heynen 2000, S. 12). Folglich werden die Gefühle der Sicherheit, Zuverlässigkeit, Fairness und Vertrauenswürdigkeit von Opfern in Frage gestellt. Diese Erschütterung des Selbst- und Weltbilds führt dazu, dass die Welt in den Augen der Opfer nicht mehr generell als gut empfunden, sondern als böse, unfair und vor allem unkontrollierbar wird. Das Ich ist somit beschmutzt, und viele Opfer fühlen sich nicht mehr geschätzt und schwach (vgl. Pöhn 2010, S. 67; vgl. Mörth 1994, S. 106). Wobei diese Selbsterschütterung nicht zwangsmäßig zu einer Traumatisierung führt.

Posttraum atischen R eaktionen

Posttraumatischen Reaktionen lassen sich in drei Merkmale einteilen: Übererregung, Intrusion und Konstriktion (vgl. Huber 2003, S. 74).

Übererregung

Viele betroffene Frauen leiden unter Übererregungssymptomen, sie finden Kleinigkeiten, wie z.B. eine Mücke im Raum als störend und sind schnell außer sich.

Menschen mit Traumafolgestörungen sind mit Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen konfrontiert, der Puls beschleunigt sich bei der kleinsten Aufregung, sie verlieren schnell die Beherrschung und geraten daher oftmals rasch in Streit. Ebenso ist das Umlernen von negativen Reaktionen bei erschreckenden Ereignissen fast unmöglich. Wenn ein Telefon klingelt, schrecken Personen das erste Mal zusammen, doch bei wiederholtem Klingeln reagieren im Normalfall die Menschen nicht mehr schreckhaft. Und genau dieses Umlernen ist bei traumatisierten Menschen nicht möglich. Dies bedeutet, dass sich traumatisierte Menschen nicht an wiederholt auftretende Reize gewöhnen (vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 36f.).

Intrusion

Eine weitere Eigenschaft ist die Intrusion, dies bedeutet das Wiedererleben durch Träume, blitzartiges Erinnern an die Tat und das Bedürfnis sich mit dem

(33)

Geschehenen auseinanderzusetzen. Die Bilder werden wie in einem Zeitraffer vor und zurück gespult (vgl. Gahleitner et al. 2012, S. 24).

K onstriktion

Die Konstriktion ist das dritte Merkmal: Während alle anderen Menschen fröhlich weiterleben, wurde den betroffenen Frauen der Boden unter den Füßen weggezogen, woraufhin sie mit dem Bedürfnis in Ruhe gelassen zu werden, sich zu verkriechen, um nicht mehr mit dem Entsetzlichen konfrontiert zu werden, reagieren (vgl. Huber 2003, S. 69). Deshalb werden Orte oder Situationen, Menschen, Aktivitäten, Gespräche uvm., welche mit dem traumatischen Ereignis in Verbindung gebracht werden, oftmals versucht zu umgehen. Zu diesem Kriterium zählt auch die Dissoziation und Empfindungslosigkeit (vgl. Gahleitner et al. 2012, S. 24; vgl.

Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 36f.).

Posttraum atische Belastungsstörung

Wenn die zuvor beschriebenen Kriterien gleichzeitig auftreten und länger als ein Monat andauern, wird von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gesprochen (vgl. Huber 2003, S. 69; vgl. Reddemann/Dehner-Rau 2006, S. 46). Das letzte Charakteristika impliziert, dass das Störungsbild auch die sozialen, beruflichen oder andere bedeutende Bereiche beeinträchtigt (vgl. Resick 2003, S. 24ff.).

4.4 Soziale Auswirkungen

Die Folgen von sexueller Gewalt auf den Alltag der betroffenen Frauen werden in der Fachliteratur nur sehr spärlich diskutiert, wobei genau diese Auswirkungen einen

(34)

wesentlichen Einfluss und eine enorme Belastung auf das Leben der betroffenen Frauen darstellen (vgl. Gahleitner et al. 2012, S.9).

Zusätzlich zu den psychischen und physischen Auswirkungen treten häufig Probleme im Alltag auf wie in Partnerschaften, bei Interaktionen im familiären Kreis, der Sexualität oder dem Aufbau von Beziehungen. Ebenso ist das Vertrauen in das Ich, das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl, die Sicherheit in das eigene Urteilsvermögen nach einer sexuellen Gewalttat erschüttert, welches besonders den sozialen Lebensbereich beeinflusst (vgl. Resick 2003, S. 50).

Darüber hinaus, werden Frauen nach der Tat oftmals mit der sekundären Viktimisierung konfrontiert, dies bedeutet, dass durch die Reaktionen auf die ursprüngliche Viktimisierung, also die Tat, die Opferrolle der betroffenen Frauen verstärkt wird. Dies kann zum Beispiel aus zusätzlichen Belastungen wie aus den negativen Reaktionen im sozialen Umfeld, oder durch den Umgang bei Gericht oder bei der Polizei resultieren (vgl. Weis 1982, S. 28).

Soziales Um feld

Frauen, welche Opfer von sexueller Gewalt wurden, sehen in einer Vergewaltigung keinen Sexualakt, sondern empfinden diese als Akt der Aggression und Erniedrigung.

Eine Vergewaltigung ist ein Machtkampf und eine gezielte Missachtung eines Menschen. Frauen werden dadurch auf ein (Sexual-)Objekt oder einen Gegenstand reduziert und herabgesetzt. Diese entwürdigende Handlung wiederum greift die Identität und Integrität der Frauen an. Ein sexuelles Gewaltverbrechen erfordert oft lange Phasen der Verarbeitung (vgl. Weis 1982, S. 74f.). Damit sich das Opfer nach der Tat erholen kann, ist es wichtig, dass es im sozialen Umfeld Unterstützung finden kann und das Geschehene nicht bewertet wird (vgl. Gahleitner et al. 2012, S.9).

Daher ist es bedeutend, über die Reaktionen und Folgen einer sexuellen Gewalttat Bescheid zu wissen, um als soziales Umfeld adäquat reagieren zu können (vgl. Heynen

(35)

2000, S. 100). Eine sexuelle Gewalterfahrung lässt die Opfer vorsichtiger werden und sie reagieren darauf mit Misstrauen gegenüber ihren Mitmenschen, besonders bei Zufallsbekanntschaften. Um die Situation einschätzen zu können, sind ihre Sensoren stets auf das Erkennen von Gefahren gerichtet. Viele Opfer ziehen sich daher nach einer Vergewaltigung zurück und versuchen soziale Kontakte zu vermeiden. Viele Opfer streben sogar nach dem Geschehenen überhaupt einen Arbeitsplatzwechsel oder Wohnwechsel an (vgl. Mörth 1994, S. 19ff.).

Die Folge dieses Wechsels bedeutet, dass bestehende soziale Interaktionsmuster unterbrochen werden, welche für die Opfer aber unterstützend und wichtig wären. In vielen Fällen gehen diese Frauen nicht mehr aus, da sie den Kontakt zu Unbekannten meiden, um dem Gefühl der Verletzlichkeit in diesen Situationen zu entkommen (vgl.

ebd., S. 19ff.).

Wie wichtig das soziale Umfeld vor allem für die Zeit nach der Tat ist, wurde bereits beschrieben, jedoch ist es häufig, dass Freundschaften und Beziehungen ins Wanken geraten oder sogar beendet werden, da die Personen, denen sich die Opfer anvertrauen mit Unverständnis, Unglauben und Misstrauen reagieren oder Frauen auf die Vergewaltigung reduziert werden. Durch diese Verletzung der Autonomie und Sicherheit fühlen sich viele betroffene Frauen unsicher anderen gegenüber (vgl.

Gahleitner et al. 2012, S. 29f.). Diese Unsicherheit kann zu einem sogenannten Klammereffekt führen (vgl. Mörth 1994, S. 130f) oder erschwert das Aufbauen von neuen Beziehungen, da es bei Betroffenen an konstruktiven Bindungsmustern und Abgrenzungsfähigkeiten fehlt (vgl. Gahleitner et al. 2012, S. 29).

Sexualität

Zum Thema Sexualität ist es schwierig allgemeine Aussagen in der Literatur zu finden, da die Reaktionen von Individuum zu Individuum stark variieren und die Auswirkungen bezüglich Sexualität mehr als in anderen Bereichen vom Verhalten vor

(36)

der Vergewaltigung abhängig sind. Einige Untersuchungen haben Auswirkungen dokumentiert, welche von rasch vorübergehenden Ängsten bis hin zu lang anhaltenden sexuellen Dysfunktionen oder Vermeidung sexueller Aktivität reichen.

Bei Frauen, welche vor der Vergewaltigung noch nicht sexuell aktiv waren, wird vermutet, dass sie in ihrer Sexualität noch stärker beeinträchtigt werden, als Frauen mit bereits erfahrenen positiven sexuellen Kontakten (vgl. Calhoun/Atkeson 1994, S. 27f.).

Alltag und Berufsw elt

Frauen werden nach einer Vergewaltigung mit neuen Situationen konfrontiert. Durch das Erlebte fühlen sich viele erschöpft und fühlen sich überfordert. Doch die Erwartungen und Forderungen der Umwelt bleiben gleich und dies bedeutet für betroffene Frauen, dass sie weiterhin funktionieren müssen. Da diese Anpassung oftmals unmöglich erscheint, reagieren Frauen häufig mit einem Rückzug aus ihrem sozialen Leben (vgl. Mörth 1994, S. 130).

Im Zuge der Folgen einer Vergewaltigung, wie Konzentrations- und Leistungsstörungen, beeinflusst die Gewalttat auch das Berufsleben, da Frauen häufig nicht in der Lage sind, den Leistungserwartungen und dem Druck im Beruf standzuhalten. Folglich hat eine Vergewaltigung auch wirtschaftliche Auswirkungen bei betroffenen Frauen (vgl. Breiter 1995, S. 107f.).

Zusätzlich zu Arbeitsverlust oder Arbeitswechsel kann es aufgrund der Gesellschaft zu weiteren Konsequenzen kommen, denn Vergewaltigung stellt eine Stigmatisierung in der Gesellschaft dar und Opfer fühlen sich durch die Zuschreibung der Opferrolle aus dem Leben gerissen. Das Gefühl, dass die Mitmenschen sehen, wie angespannt, entkräftet und überfordert sie sind, wird zu einer zusätzlichen Belastung für betroffene Frauen (vgl. Mörth 1994, S. 128f.).

(37)

Um dieser Stigmatisierung nicht ausgesetzt zu sein, wollen Frauen ihre Gefühle, Verwirrtheit und Trauer nicht ausleben. Somit dient das Verdrängen dem Selbstschutz und viele Frauen vermeiden das Zeigen von Gefühlen. Doch hinter dieser Maske drängen die Gefühle nach außen und das Spannungsverhältnis wird quälend für die Betroffenen. Durch diese Stresssituation werden die Wahrnehmung, Gefühle und das Denken gelähmt und führt dazu, dass betroffene Frauen das Gefühl haben den Verstand zu verlieren und nicht mehr in diese Welt zu passen (vgl. ebd., S. 128f.).

Soziales Verhalten

Wie einschneidend so eine Grenzüberschreitung im Leben einer betroffenen Frau ist, hängt auch mit dem Verlauf der Tat zusammen. Denn die Brutalität und die Todesangst in der Gewaltsituation haben einen großen Einfluss auf das Angstverhalten der Opfer. Fand die Tat in der Wohnung des Opfers statt, so zeigten viele Frauen, dass sie sich in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr sicher und wohl fühlten. Betroffene Frauen, welche auf einem Parkplatz vergewaltigt wurden, versuchten nach der Vergewaltigung Parkplätze zu meiden usw. Dies sind Beispiele für spezifische Ängste, welche auf Grund des Tathergangs sehr unterschiedlich sein können und die Frauen in ihrem Alltag und sozialem Verhalten definitiv verfolgen und einschränken (Coulhan/Atkeson 1994, S. 22).

Doch nicht nur betroffene Frauen leiden an den unmittelbaren Folgen einer Vergewaltigung, auch nichtbetroffene Frauen passen ihre Verhaltensweisen aus Angst vor einer sexuellen Gewalterfahrung an (vgl. Heynen 2000, S. 38). Durch die Bewusstheit, dass eine Vergewaltigung jederzeit jeder Frau angetan werden kann, vermeiden viele Frauen bestimmte Situationen oder Orte (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 74). Die Befragung von Weis (1982) ergab, dass die Zahl der Frauen, welche

(38)

bewusst Situationen wie, „nicht allein in einsamen Gegenden aufzuhalten, nicht nachts allein außer Haus gehen, in der Straßen- oder Eisenbahn ein bereits besetztes Abteil eher aufsuchen als ein leeres, ihr Auto nachts nicht mehr in Tiefgaragen fahren, usw.“ (Weis 1982, S. 213), vermeiden, sehr groß ist. Durch diese Vermeidung von gewissen Orten und Situationen werden Frauen unbewusst in ihrer Bewegungsfreiheit und ihrem Verhalten eingeschränkt (vgl. Pöhn 2010, S. 38; vgl.

Flothmann/Dilling 1990, S. 75; vgl. Heynen 2000, S. 38).

Wie weit diese Folgen und Ängste das soziale Verhalten einschränken können und das Leben beeinflussen, stellt eine etwas überspitzte und dennoch reale Darstellung von Bush dar:

„Gehen Sie nicht unbekleidet aus – das regt Männer an.

Gehen Sie nicht bekleidet aus – irgendwelche Kleidungsstücke regen immer Männer an.

Gehen Sie abends nicht allein aus – das regt Männer an.

Gehen Sie niemals allein aus – irgendwelche Situationen regen immer Männer an.

Gehen Sie nicht mit einer Freundin aus – einige Männer werden durch die Mehrzahl angeregt.

Gehen Sie nicht mit einem Freund aus – einige Freunde können auch vergewaltigen, oder Sie treffen einen Vergewaltiger, der erst Ihren Freund angreift und dann Sie.

Bleiben Sie nicht zu Hause – Eindringlinge und Verwandte sind potentielle Täter.

Seien Sie niemals Kind – einige Täter werden durch die ganz Kleinen gereizt.

Seien Sie nie alt – einige Vergewaltiger stürzen sich auf alte Frauen.

Verzichten Sie auf Nachbarn – die vergewaltigen häufig Frauen.

Verzichten Sie auf Vater, Großvater, Onkel oder Bruder – das sind die Verwandten, die junge Frauen am häufigsten vergewaltigen.

Heiraten Sie nicht – Vergewaltigung in der Ehe ist legal.

UM SICHER ZU GEHEN – VERZICHTEN SIE GANZ AUF IHRE EXISTENZ“

(Bush 1977, zit. n. Weis 1982, S. 225)

(39)

5. V ergewaltigungsmythen

Vergewaltigungsmythen sind eine Mischung aus Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen. Sie helfen den Glauben an eine gerechte Welt zu bewahren und unterstützen die Aufrechterhaltung entsprechender Überzeugungen (vgl. Heynen 2000, S. 43). Lange Zeit wurde eine Vergewaltigung stets mit dem Vergleich eines Nadelöhrs in Verbindung gebracht. Es hieß man(n) kann keinen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, wenn das Nadelöhr ständig in Bewegung ist (vgl. Perner 1994, S. 12; vgl. Weis 1982, S. 53), demgemäß könne keine Frau gegen ihren Willen vergewaltigt werden. Vorurteile über Vergewaltigungen, wie dieses Nadelöhrbeispiel, sind, trotz zunehmender Aufklärungsarbeiten, nach wie vor in unserer Gesellschaft präsent.

Ein weitverbreitetes Bild über den Ablauf einer Vergewaltigung ist, dass ein geistig gestörter Mann eine junge, hübsche Frau an einem dunklen, ruhigen Ort überfallartig vergewaltigt, obwohl sich die Frau dagegen wehrt und körperliche Verletzungen vorweisen kann (vgl. Baurmann 1991, S. 228).

Ebenso ist das Bild von einer Frau, welche durch ihre aufreizende Kleidung provoziert, sich auffällig verhält und von dem bemitleidenswerten Mann, der nach langer Enthaltsamkeit seinen sexuellen Trieb ausleben muss, noch sehr stark in der Öffentlichkeit verankert (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 16; vgl. Teubner 1989, S. 78; vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6f.; vgl. Baurmann 1991, S. 229).

Der Gedanke, dass die Befriedigung des Geschlechtstriebs die Motivation des Täters für eine Vergewaltigung sei und somit die Tat rein sexuell ist, ist in unserer Gesellschaft vorherrschend (vgl. Pöhn 2010, S. 55; vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6f.), doch diese Theorie vom unkontrollierten Trieb

(40)

7

14

24 12

Orte der Vergewaltigung

im Freien

eigene Wohnung

Wohnung des Täters

anderer geschlossener Raum

eines Mannes wurde von einer Vielzahl von ethnologischen und anthropologischen Untersuchungen widerlegt. Diese Untersuchungen lieferten Ergebnisse, welche darauf schließen lassen, dass die Art des sexuellen Verhaltens auf die Normen und Ordnungen einer Gesellschaft zurückzuführen ist (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 18).

Ein weiterer Mythos ist die These, dass Frauen bei einer Vergewaltigung Lust empfinden oder gar einen Orgasmus bekommen könnten (vgl. Weis 1982, S. 66; vgl.

Pöhn 2010, S. 56), diese genießen und sogar den unterdrückten Wunsch nach einer Vergewaltigung hätten (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 18).

Die Orte an denen Vergewaltigungen geschehen, sind in der Vorstellung meist im Freien, dunkle Wälder oder Parks, jedoch gaben bei der Opferbefragung von Pöhn (2010), wie in der folgenden Abbildung 2 ersichtlich, nur sieben Frauen an, im Freien vergewaltigt worden zu sein, bei 14 Frauen fand die Vergewaltigung in der eigenen Wohnung statt, 24 weitere gaben als Tatort die Wohnung des Täters an und 12 Frauen beschrieben einen anderen geschlossenen Raum (vgl. Pöhn 2010, S. 53).

(41)

Die Frage nach dem Tatort wurde in der Studie von Tov (2009) um eine Kategorie – das Auto – erweitert, denn das Auto war mit elf Gewaltdelikten der häufigste Tatort.

Im Vergleich mit Pöhns Studie (2010) wurde in der Studie von Tov (2009) ebenfalls festgestellt, dass Vergewaltigungen häufiger in geschlossenen Räumen stattfinden als im Freien. Nur sieben von 43 Gewalttaten wurden im Freien verübt und die weiteren in der Wohnung der Eltern, des Opfers oder des Täters (vgl. Tov 2009, S. 81).

Der fremde Mann als Vergewaltiger ist ein weiterer Mythos, welcher durch Untersuchungen unter anderem von Weis (vgl. 1982, S. 135f.; vgl. Gies 1995, S. 34) und Tov (vgl. 2009, S. 80) widerlegt werden konnte.

Abbildung 3: Bekanntheit des Täters. Dargestellt nach Tov 2009, S. 80.

Die Studienergebnisse von Tov (2009, S. 80) zeigten, dass die Mehrzahl, 69% der Opfer die Täter bereits vor der Tat kannten und nur 31% der Frauen von gänzlich fremden Tätern vergewaltigt wurden.

Anhand der Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren wurde ein Umdenken hinsichtlich dieses Vergewaltigungsmythos wahrnehmbar. Die Umfrage von Pöhn

31%

69%

Bekanntheit des Täters

fremd bekannt

(42)

meisten Opfer und Täter sich nicht kennen. Die anderen 83,5% gehen von einer Bekanntschaft oder Verwandtschaft zwischen Täter und Opfer vor der Tat aus. Die Opferbefragung bestätigt diese Annahme, denn von den 32 befragten betroffenen Frauen, war der Täter lediglich vier betroffenen Frauen völlig unbekannt (vgl. ebd., S. 54).

Ebenso ist die Meinung, dass nur bestimmte z.B. junge und attraktive Frauen vergewaltigt werden (vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6), ein weiterer Mythos. Dieser Irrglaube ist besonders unter den Frauen weitverbreitet, da er ihnen als Selbstschutz dient und ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt (vgl. Pöhn 2010, S. 51f.). Dies bestätigte die Umfrage von Pöhn (vgl. ebd., S. 52), welche ergab, dass 1% der Befragten der Meinung ist, dass sie Opfer einer Vergewaltigung werden könnten, wohingegen 82% der teilnehmenden Personen keine Gefahr für sich sahen, dass sie vergewaltigt werden könnten, da sie glauben nicht in das typische Opferschema zu passen. Daher sei gesagt, dass es weder einen bestimmten Tätertyp noch einen bestimmten Opfertyp oder eine typische Vergewaltigungssituation gibt (vgl. Humburg 1991, S. 260).

Wird von sexueller Gewalt gesprochen, denken viele Menschen sofort an eine Falschbezichtigung. Frauen zeigen Männer an, obwohl nie eine Vergewaltigung stattgefunden habe. Frauen erfinden eine Vergewaltigung, um sich an einem Mann zu rächen oder einen eingewilligten Geschlechtsverkehr im Nachhinein auf diese Art und Weise zurückziehen. Besonders verbreitet ist dieser Gedanke, wenn das Opfer den Täter bereits vor der Tat kennt. Doch die Zahl dieser Falschanzeigen ist verglichen mit anderen angezeigten Gewaltdelikten nicht höher, sondern mit ca. 2% (vgl. Pöhn 2010, S. 55f.; vgl. Heynen 2000, S. 25) gleich hoch. Die Angst vor Falschanzeigen

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rührt meist aus einem schlechten Gewissen bezüglich der eigenen Sexualpratiken- und - phantasien heraus (vgl. Baurmann 1991, S. 228).

So unterschiedlich diese Vergewaltigungsmythen auch sein mögen, alle haben Gemeinsamkeiten und zwar wird dem Vergewaltiger die Verantwortung für sein Handeln größtenteils abgenommen (vgl. Brockhaus/Kolshorn 1998, S. 93), die Tat wird bagatellisiert und die Opfer werden für die Tat mitverantwortlich gemacht (vgl.

Pöhn 2010, S. 51; vgl. Gies 1995, S. 21). Zusätzlich dazu sind diese Vergewaltigungsmythen mitunter dafür verantwortlich, dass vergewaltigte Frauen oftmals nicht ernst genommen werden. Folglich werden viele betroffene Frauen als Lügnerinnen hingestellt, als Verantwortliche für die Tat angesehen und eine Umkehrung von Opfer-Täter Verhältnis findet statt (vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 7f.).

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6. Schuldfrage

Seit Jahren wird versucht das Thema sexuelle Gewalt zu enttabuisieren. Trotz dieser Aufklärungsarbeit und den Versuchen die vorher genannten Mythen rund um Vergewaltigungen aufzuzeigen, fällt es Opfern sehr schwer das Geschehene und ihre Nicht - Schuld sich selbst einzugestehen (vgl. Calhoun/Atkeson 1994, S. 11f.).

Bei keinem anderen Verbrechen ist das Thema Mitschuld so präsent, wie bei einer Vergewaltigung (vgl. Weis 1982, S. 82). Da die Tat eine persönliche Demütigung ist, versuchen viele Frauen mit den Auswirkungen selbst zurechtzukommen und wollen es für sich behalten (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 70). Wenngleich vielen betroffenen Frauen rational bewusst ist, dass sie an der Tat unschuldig sind, entwickeln dennoch viele Frauen Schuldgefühle (vgl. Weis 1982, S. 81). Deshalb brauchen Opfer oftmals Jahre bis sie sich an Beratungsstellen wenden, sich jemanden anvertrauen oder sich professionelle Hilfe suchen (vgl. Künzel 2003, S. 244).

Frauen denken nach wie vor, wenn der Angreifer keine Waffe hat, sollten sie in der Lage sein sich zu wehren und sich selbst zu helfen. Doch wie zuvor in Kapitel 4 beschrieben ist es für Frauen schwer den Angriff abzuwehren, da gewisse Reaktionen in Extremsituationen neurologisch erklärbar sind. Genau aus diesem Grund fällt es Opfern schwer eine Ursache zu finden und deshalb beginnen sie oft bei sich selbst den Grund für die Vergewaltigung zu suchen. Nicht nur bei Vergewaltigern, welche Freunde oder Bekannte sind, suchen Frauen die Erklärung bei sich selbst, auch bei fremden, unbekannten Tätern glauben Opfer, dass sie selbst dafür verantwortlich seien. Die Verantwortung den Täter nicht an seiner Tat hindern zu können und deshalb die Schuld für das was ihnen zugestoßen sei, nehmen sie auf sich. Daraus resultieren sehr häufig bei Opfern Schuldgefühle, Selbsthass, Selbstvorwürfe und vor allem Scham. Opfer verlieren den Glauben an die eigene Urteilsfähigkeit, als auch das

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