10. Umweltrecht
und umweltbezogenes Handeln
Beschreibung der modernen Umweltprobleme
Quantitative und qualitative Unterschiede zwischen den traditionellen und den modernen Umweltzerstörungen:
- an die Stelle punktueller treten universelle Probleme:
(Vor- und frühindustrielle Umweltschäden blieben lokal oder regional, auf die Umgebung einer Stadt oder einer Fabrik beschränkt, während weite Bereiche des betreffenden Ökosystems nicht beeinträchtigt wurden. Nicht zuletzt die Modernisierung, d. h. völlige Mechanisierung und Chemisierung der
Landwirtschaft, machte Umweltschäden flächendeckend.)
- an die Stelle einfacher treten komplexe Wirkungen:
(Die modernen Waldschäden sind nicht mehr, wie die herkömmlichen Rauchschäden an der Vegetation, auf die Wirkung eines bestimmten Stoffes zurückzuführen, sondern auf vielfache „Synergismen“, sodass weder ein „Verursacher“ noch auch eine „Ursache“ eindeutig identifiziert werden kann.)
- an die Stelle sofort sinnlich wahrnehmbarer Probleme treten Auswirkungen, die nur mit Hilfe wissenschaftlicher Analysenmethoden festgestellt werden können:
(Nicht mehr Staub, Rauch, Ruß, Gestank, verunreinigtes Wasser, sondern nicht wahrnehmbare Gase, Schwermetalle, giftige organische Verbindungen oder radioaktive Strahlen bilden heute die
Hauptprobleme.)
- an die Stelle reversibler treten tendenziell irreversible Schädigungen:
(In der Vergangenheit erholte sich ein Bach in recht kurzer zeit, wenn nicht länger Abwässer von einem bestimmten Betrieb, z. B. einer Gerberei, in ihn entlassen wurden. Die heute stattfindende Anreicherung der Böden mit Schwermetallen ist dagegen ebenso wenig umkehrbar wie das explosionsartig
ansteigende Artensterben oder die Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre mit
unabsehbaren Konsequenzen für das Klima.)
Typische Positionen in Technikdebatten
(nach Ullrich)
a) Traditionelle (bürgerliche oder marxistische) Fortschrittsoptimisten.
In ihrem Weltbild spielen Technik und Wissenschaft als Motor des Fortschritts eine zentrale Rolle. Die kritischste Variante in diesem Weltbild ist:"Technik ist an sich ein neutrales Werkzeug, es kommt nur auf ihre Anwendung an".
b) Strukturkonservative und Wirtschaftsliberale.
Sie haben bestimmte Techniken als Mittel zur Herrschaftssicherung und Wirtschaftsexpansion entdeckt. Ihr Technikbild ist eher machtpolitisch begründet. Für die Positionen (a) und (b) sind bewertende Unterscheidungen zwischen Techniken weltbildstörend. Sie sprechen lieber pauschal von "der Technik" und stempeln Kritiker einzelner Techniken gerne pauschal zu Feinden der Technik.c) Techniknachbesserer.
Sie sehen, daß einige moderne Techniken mit erheblichen sozialen und ökologischen Gefahren verbunden sind. Sie glauben aber, daß durch soziale Abfederungen und ökologische Nachbesserungen der technische Fortschritt insgesamt doch verantwortbar zu gestalten ist.d) Eingeschränkte Fortschrittsskeptiker.
Für sie ist die Formel "Technischer Fortschritt plusNachbesserungen = Sozialer Fortschritt" für einige Techniken aus Erfahrungen brüchig geworden. Das "Ja, aber" ist ersetzt worden durch ein "Nein, wenn nicht". Bestimmte Techniken sind für sie nicht durch Bedingungen "richtiger Anwendung" vertretbar zu machen. Sie ziehen auch in Betracht, daß bestimmte Techniken und "Techniklinien"
gesellschaftlich verboten werden müssten.
e) Technikkritiker.
Sie kehren den früher selbstverständlichen Fortschrittlichkeitsverdacht gegenüber jederwissenschaftlich- technischen Entwicklung um zu einem allgemeinen Schädlichkeitsverdacht. Sie möchten gerne jede Technik, möglichst bevor sie in die Gesellschaft entlassen wird, einer sorgfältigen Überprüfung nach sozialer und ökologischer Verträglichkeit unterziehen und dann erst fördern, nachbessern oder verbieten.
f) Kritiker des Industriesystems.
Ihre Kritik bezieht sich nicht auf isolierte Techniken, sondern auf den gesellschaftlich-ökonomischen Zusammenhang von Techniken. Die Spanne der Industriesystemkritiker ist groß. Sie reicht von "Reformisten" bis zu prinzipiellen Zweiflern am "Projekt der Moderne". Unter ihnen gibt es auch radikalisierte, mehr philosophisch begründete Positionen einer tendenziell generell ablehnenden Haltung gegenüber modernenverwissenschaftlichten Techniken.
Nach Huber [1.64] findet man die "traditionellen Fortschritts- Optimisten" gegenwärtig kaum mehr, allenfalls in Gestalt vereinzelter Euphoriker und Propagandisten. " Strukturkonservatismus und Wirtschaftsliberalismus" ist die wohl am meisten ver- breitete Haltung im Wirtschaftsmilieu und in der spatliberal- neokonservativen Politik. "Techniknachbesserer" findet man vor allem in Gestalt von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. "Eingeschränkte Fortschrittsskeptiker" gibt es vor allem im Umfeld der protestantischen und katholischen Kirche. "Technik- und Industriekritiker" schließlich gehören vor allem zum Umfeld der neuen sozialen Bewegungen und der Grünen.