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Auswirkungen qualitativer Aspekte von Körperbewegung auf die Hauttemperatur: eine randomisierte Studie zur Eurythmie Therapie

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Academic year: 2022

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Aus dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie der Medizinischen Hochschule Hannover

und dem ARCIM-Institute der Filderklinik in Filderstadt

Auswirkungen qualitativer Aspekte von Körperbewegung auf die Hauttemperatur:

Eine randomisierte Studie zur Eurythmie Therapie

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Lukas Andreas Hirt aus Bad Friedrichshall

Hannover 2019

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 19.03.2020.

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover.

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns

Betreuer der Arbeit: Prof. Dr. phil. nat. Florian Beissner 1. Referent: Prof. Dr. med. Matthias Fink

2. Referent: Prof. Dr. med. Christian Wahl-Schott

Tag der mündlichen Prüfung: 19.03.2020

Prüfungsausschussmitglieder:

Vorsitz: Prof. Dr. med. Wolfgang Koppert 1. Prüfer: PD Dr. med. Christoph Schröder 2. Prüfer: Prof. Dr. med. Samir Sarikouch

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1

Abkürzungsverzeichnis 3

Zusammenfassung 4

Abstract 5

1. Einleitung 6

1.1. Bewegungstherapien der Integrativ- und Komplementärmedizin 6 1.2. Anthroposophische Medizin und Eurythmie Therapie 8

1.2.1. Anthroposophische Medizin 8

1.2.2. Eurythmie Therapie 11

1.3. Forschung in der Eurythmie Therapie 12

1.3.1. Klinische Forschung in der Eurythmie Therapie 12

1.3.2. Grundlagenforschung in der Eurythmie Therapie 15

1.4. Physiologie der Hauttemperatur bei Bewegung 17

1.4.1. Regulationsmechanismen der Hautdurchblutung 18

1.4.2. Prinzipien des Wärmeaustausches über die Haut 23

1.4.3. Infrarotthermographie 25

1.5. Zusammenfassung und Forschungsfrage 25

2. Methoden 26

2.1. Studiendesign 26

2.2. Probanden und Umgebung der Studienexperimente 26

2.3. Interventionen 27

2.4. Messparameter 31

2.4.1. Hauttemperatur 31

2.4.2. Energieverbrauch 34

2.5. Ablauf der Studienphasen 35

2.6. Randomisierung 36

2.7. Statistische Auswertung 37

3. Ergebnisse 39

3.1. Studienpopulation und Datenerhebung 39

(4)

2

3.2. Energieverbrauch 40

3.3. Hauttemperatur 41

3.4. Hauttemperatur und Energieverbrauch 44

3.4.1. Zusätzliche Korrelationsanalysen 45

3.5. Zusammenfassung der Ergebnisse 49

4. Diskussion 49

4.1. Das primäre Studienergebnis 49

4.2. Das primäre Studienergebnis im Kontext 50

4.2.1. Mögliche physiologische Mechanismen 50

4.2.2. Vergleich mit Studien zu nicht-thermischen Einflussfaktoren 51 4.2.3. Vergleich mit empirischer Grundlagenforschung zur Eurythmie Therapie 53

4.3. Sekundäre Studienergebnisse 55

4.4. Stärken und Schwächen 57

4.4.1. Studiendesign 57

4.4.2. Randomisierung 58

4.4.3. Studiendurchführung, Datenerhebung und –aufbereitung 58

4.4.4. Statistische Auswertung 59

4.4.5. Referenzbewegung 61

4.5. Externe Validität 62

4.6. Zusammenfassung der Diskussion 63

4.7. Bedeutung der Studienergebnisse 64

4.8. Ausblick 65

Literaturverzeichnis 67

Ethikvotum 72

Danksagung 73

Lebenslauf 74

Erklärung nach §2 Abs. 2 Nr. 7 und 8 PromO 75

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Abkürzungsverzeichnis

ANOVA Analysis of Variance; statistisches Modell

ARCIM Academic Research in Complementary and Integrative Medicine

CI Konfidenzintervall

∆ Delta; Differenz

η² Eta-Quadrat, hier: partielles Eta-Quadrat; Effektstärke ITT Intention-To-Treat-Analyse

p Signifikanzwert

r Korrelationskoeffizient r

TOST Two One-Sided Test; statistisches Testverfahren

vgl. vergleiche

χ2 Chi-Quadrat-Test, statistischer Test

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifische Personenbezeichnungen differenziert. Die gewählte männliche

Forme solle eine adäquate weibliche Forme stets gleichberechtigt miteinschließen.

(6)

4

Zusammenfassung

Einleitung: Integrativmedizinische Bewegungstherapien finden zunehmend Anwendung in der Medizin. Obwohl zunehmend Evidenz für ihre Wirksamkeit besteht, sind die zugrundeliegenden Mechanismen bisher wenig erforscht. Eine Form der Bewegungstherapie ist die Eurythmie Therapie der Anthroposophischen Medizin. Ihre Wirkung soll dadurch erzielt werden, dass Patienten die unterschiedlichen Bewegungsqualitäten – wie Winkel, Beugungen und Kreuzungen – konzentriert wahrnehmen. Auswirkungen dieser Bewegungsqualitäten auf physiologische Parameter konnten in Studien empirischer Grundlagenforschung anhand der Herzratenvariabilität gezeigt werden. Um die zugrundeliegenden Mechanismen der Eurythmie Therapie näher zu erforschen, bedarf es jedoch weiterer Parameter. Wir untersuchten anhand der Hauttemperatur, ob Eurythmie Therapie-Übungen von entgegengesetzter Bewegungsqualität bei äquivalenter Bewegungsintensität die Hauttemperatur unterschiedlich stark beeinflussen.

Methoden: 4-Phasen-Crossoverstudie an 24 gesunden Probandinnen. Wir untersuchten die Hauttemperatur thermographisch und den Energieverbrauch anhand der Herzfrequenz während der Eurythmie Therapie-Übungen "B", "L", "R" und einer Referenzbewegung. Interventionsreihenfolge und Probandenreihenfolge wurden randomisiert. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Messwiederholungs-ANOVA und Post-Hoc-Tests auf 95% Konfidenzniveau. Vorbedingung zur Analyse war, dass die Eurythmie Therapie-Übungen nach TOST-Analyse äquivalent hinsichtlich der Bewegungsintensität sind.

Ergebnisse: Bei „L“ sinkt die Hauttemperatur im Vergleich zu „B” signifikant stärker und mit großer Effektstärke ab (∆ -0.234°C, p = 0.047, Partielles η² = 0.289), während zugleich beide Eurythmie Therapie-Übungen äquivalent hinsichtlich der Bewegungsintensität sind.

Diskussion: Unsere Studie erbringt erste Evidenz dafür, dass qualitative Aspekte von Körperbewegung Auswirkungen auf die Hauttemperatur haben. Zur Erklärung der Studienergebnisse können die physikalischen Mechanismen der Hautdurchblutungsregulation und des Wärmeaustausches über die Haut herangezogen werden. Unsere Studie leistet damit einen Beitrag zum Verständnis der Mechanismen, die der Eurythmie Therapie zugrunde liegen, die aber auch für vergleichbare integrativmedizinische Bewegungstherapien relevant sind. Zukünftige Studien sollten die Reproduzierbarkeit prüfen und könnten eine noch höhere statistische Power aufweisen.

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Abstract (English)

Introduction: Movement therapies from integrative medicine are increasingly used in medicine. Although evidence for their effectiveness is growing, little is known about underlying mechanisms. One form of movement therapy is Eurythmy Therapy from Anthroposophic Medicine. It’s supposed to be effective through that patients perceive movement qualities like angles, bendings or crossings. Effects of these movement qualities on physiologic parameters have been shown in empirical basic research using heart rate variability. To further investigate the underlying mechanisms of Eurythmy Therapy, further parameters are needed. Using skin temperature, we investigated, if Eurythmy Therapy-exercises of contrary movement quality have different effects on skin temperature if performed at equal intensity.

Methods: 4-phase-crossover study in 24 healthy subjects. Skin temperature was measured using thermography and energy expenditure using heart rate in Eurythmy Therapy-exercises “B”, “L”, “R” and a reference exercise. We randomized sequences of interventions and subjects. Statistical analysis was performed using repeated measures ANOVA and post-hoc-tests at 95% confidence level. Precondition for Eurythmy

Therapiy-exercises to be analyzed was that equality of movement intensity can be assumed in TOST-analysis.

Results: During “L” skin temperature drops with large effect size and significantly more compared to “B” (∆ -0.234°C, p = 0.047, Partielles η² = 0.289) whilst both Eurythmy Therapy-exercises are equivalent regarding movement intensity.

Discussion: We found evidence that qualitative aspects of movements effect skin temperature. Mechanisms of skin temperature regulation and heat exchange provide possible explanations for our study results. Therefore, our study contributes to the understanding of mechanisms underlying Eurythmy Therapy and that are also relevant to comparable movement therapies of integrative medicine. Future studies should test for reproducibility and could yield even higher statistical power.

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1. Einleitung

Bewegung als therapeutisches Konzept findet in der Medizin auf verschiedene Weise Anwendung. So wird bei Erkrankungen des Metabolischen Syndroms Ausdauersport in moderater Intensität empfohlen oder es werden in der Rehabilitationsmedizin nach Knie- Totalendoprothese Physio- und Ergotherapie als zentrale Therapieverfahren eingesetzt1,2. Auch in der Therapie von Karzinomerkrankungen werden Bewegungstherapien supportiv angewandt. Z.B. beim Mammakarzinom werden Bewegungstherapien der Integrativ- und Komplementärmedizin u.a. zur Therapie des Fatigue-Syndroms angewandt3.

1.1. Bewegungstherapien der Integrativ- und Komplementärmedizin

Zwei bekannte und verbreitete Bewegungstherapien der Integrativ- und Komplementärmedizin sind die bewegungsorientierten Formen des Yogas (z.B. Hatha Yoga4) und Qigongs, das schon in der Traditionellen Chinesischen Medizin angewandt wurde5. Eine weitere Bewegungstherapie der Integrativmedizin ist die Eurythmie Therapie der Anthroposophischen Medizin6. Den genannten Therapien ist gemein, dass sie Körperbewegungen mit konzentrativ-meditativen Elementen kombinieren und somit zu den Mind-Body Therapien (mind-body therapies) zählen7, 8. Ihre Übungen bestehen meist aus langsamen Bewegungen oder Stellungen von Rumpf, Armen und Beinen im Raum, welche ausgeführt und dabei wahrgenommen werden sollen9. Durch die betont konzentrierte Ausführung der Bewegungen spielt die Bewegungsqualität, also das „wie“

der Bewegung, eine besondere Rolle, während die Bewegungsintensität in den Hintergrund rückt8. Yoga wird in diesem Rahmen zwar häufig therapeutisch angewandt, stammt ursprünglich aber weniger aus einem medizinischen- als vielmehr spirituellen Kontext10.

Bewegungstherapien der Komplementär- und Integrativmedizin wie Yoga, Qigong und Eurythmie Therapie gewinnen an Aufmerksamkeit in der Allgemeinbevölkerung11, 12. In einer Datenerhebung der Securvita Betriebskrankenkasse aus dem Jahr 2000 bezüglich der Inanspruchnahme der Besonderen Therapierichtungen entfallen 8,5% der Fälle auf die Eurythmie Therapie13. Zwischen zwei Befragungen des USA National Health Statistics

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Reports zur Inanspruchnahme von Bewegungstherapien der Komplementärmedizin 2002 und 2007 stieg die Anzahl derer, die in den vergangenen 12 Monaten Yoga angewandt hatten, statistisch signifikant von 10.386 auf 13.17211.

Zunehmend besteht auch wissenschaftliches Interesse an diesen Bewegungstherapien.

Während für Yoga und Qigong mittlerweile Metaanalysen zur Anwendung bei verschiedenen Erkrankungen vorliegen, gibt es zwar auch zur Eurythmie Therapie systematische Reviews, aber insgesamt weitaus weniger Forschung. Zur Wirksamkeit von Yoga und Qigong bei Krebserkrankungen konnten in systematischen Reviews von randomisierten, kontrollierten Studien verschiedene positive Wirkungen gezeigt werden14,

15. So besteht Evidenz für die Wirksamkeit von Yoga zur Therapie des Fatigue-Syndroms im Rahmen der Therapie des Mammakarzinoms3, 16. Bezüglich der Eurythmie Therapie wird der Stand der klinischen Forschung in Kapitel 1.3.1. ausgeführt. 1Generell fordern die meisten Übersichtsarbeiten zu den erwähnten Bewegungstherapien methodische Verbesserungen in zukünftigen Studien, um die positiven Ergebnisse auf höherem Niveau replizieren zu können14, 16-18.

Auch die Frage nach den physiologischen Wirkmechanismen integrativer Bewegungstherapien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Während bei der Entwicklung und Untersuchung biomedizinischer Pharmaka Fragen über den biochemischen Wirkmechanismus im Vordergrund stehen, liegt bei der Erforschung komplementärmedizinischer Bewegungstherapien der Fokus meist auf einem Nachweis allgemeiner klinischer Wirksamkeit oder der Analyse physiologischer Veränderungen (z.B. der Herzratenvariabilität). Dies liegt unter anderem daran, dass integrative Bewegungstherapien häufig Therapierichtungen mit ganzheitlichen (holistischen) Perspektiven4-6 entstammen. Physiologische Untersuchungen solcher Bewegungstherapien im Sinne naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung sind jedoch trotzdem oder gerade deshalb von Relevanz: Einerseits können dadurch die therapeutischen Rationalen erweitert werden, anderseits bieten Erkenntnisse der Grundlagenforschung die Möglichkeit, integrativmedizinische Bewegungstherapien für das naturwissenschaftlich-mechanistisches Verständnis des Organismus besser verständlich zu machen und so die Vernetzung von naturwissenschaftlicher Medizin und Integrativ- bzw. Komplementärmedizin zu verbessern.

(10)

8

In diesem Sinne soll die vorliegende Arbeit dazu beitragen, dass die Mechanismen der Eurythmie Therapie zunehmend auch in empirischer Weise mit naturwissenschaftlich- physiologischen Methoden untersucht werden.

Einleitend wird die Anthroposophische Medizin zum besseren Verständnis der Eurythmie Therapie vorgestellt (Kapitel 1.2.) sowie der aktuelle Stand der Forschung zur Eurythmie Therapie mit Fokus auf die Grundlagenforschung ausgeführt (Kapitel 1.3.). Anhand des aktuellen Forschungsstandes soll ein Verständnis für die Einflussfaktoren auf die Hauttemperatur, den primären Messparameter der Studie, während Bewegung geschaffen werden (Kapitel 1.4.), um darauf basierend die Forschungsfrage formulieren zu können (Kapitel 1.5.).

Die Darstellung erfolgt dabei nach den aktuellen CONSORT-Kriterien (Consolidated Standarts of Reporting Trials) zum Bericht von randomisierten Studien einschließlich der Erweiterung für nichtpharmakologische Interventionen19.

1.2. Anthroposophische Medizin und Eurythmie Therapie 1.2.1. Anthroposophische Medizin

Die Eurythmie Therapie ist eine Therapieform der Anthroposophischen Medizin. Die Anthroposophische Medizin ist ein multimodales Therapiesystem, welches auf dem ganzheitlichen Menschenbild der Anthroposophie aufbaut. Ihr Anliegen ist es, die naturwissenschaftliche Medizin um diagnostische und therapeutische Methoden zu erweitern und somit ganzheitliche Gesundheits- und Krankheitsaspekte einzubeziehen, welche über ein biochemisches Krankheitsverständnis hinausgehen6. Auf diese Weise wurde die Anthroposophische Medizin schon bei ihrer Begründung durch die Ärztin Dr.

Ita Wegmann und Dr. phil. Rudolf Steiner 1920 als ärztliches und integratives – nicht alternatives – Therapiesystem angelegt6.

Das Verständnis der Eurythmie Therapie basiert auf dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise des menschlichen Organismus, welche deshalb im Folgenden kurz skizziert werden soll.

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Das anthroposophische Menschenbild betrachtet die Aspekte des Lebendigen, des Seelisch-Emotionalen und des Geistig-Individuellen(1) des Menschen als eigenständig wirksame Bereiche der menschlichen Natur und nicht als alleinige Konsequenz der physisch-biochemische Körperlichkeit6, 20. Tab. 1 zeigt beispielhaft die Zuordnung von Fähigkeiten des Menschen zu den Ebenen des anthroposophischen Menschenbildes.

In diesem Sinne möchte die Anthroposophische Medizin das Menschenbild der Naturwissenschaft erweitern – nicht jedoch ersetzen. Die biochemisch- naturwissenschaftliche Betrachtungsweise findet sich als Basis in der untersten Zeile von Tab. 1 wieder und kann damit als Teil der Anthroposophischen Medizin betrachtet werden.

In der praktischen Ausführung der Anthroposophischen Medizin werden u.a. eine phänomenologisch erweiterte Anamnese und körperliche Untersuchung als Werkzeuge genutzt, die Ebenen der menschlichen Natur aus Tab. 1 zu erfassen.

(1)„Geistig“ bezeichnet hier menschliche Eigenschaften wie das Denken, das Selbstbewusstsein oder die Erinnerungsfähigkeit in Abgrenzung zum Seelisch- Emotionalen, wie aus Tab. 1 zu entnehmen ist. Dieser Geistbegriff ist nicht mit

„Geistlich“ oder anderen, von dieser Definition abweichenden Geistbegriffen zu verwechseln.

(12)

10

Tab. 1: Schematische Skizze des ganzheitlichen Menschbildes der Anthroposophischen Medizin. Phänomene menschlicher Fähigkeiten, welche die verschiedenen Ebenen der menschlichen Organisation beschreiben.

Phänomene: Deskriptiv: Fachbegriff

Selbstbewusstsein Denken

Erinnerung Aufrechter Gang Biographie Lebenslange Entwicklung

geistig-Individuelle Ebene1

Ich-Organisation

Fortbewegung Bewusstsein Emotionen

seelisch-emotionale Ebene

Seelenorganisation, Astralleib

Regeneration

Selbstheilungskräfte

Lebenskräfte Lebensorganisation, Ätherleib

Physische Stofflichkeit physische Ebene physischer Leib

Mehrschichtige Vorstellungen über die Wesenheit des Menschen wie im Menschenbild der Anthroposophischen Medizin existieren schon lange in Kultur und Medizin (China, Indien) und sind nicht originell anthroposophisch21. Auch die Kategorien des griechischen Philosophen Aristoteles handeln davon, und schon im frühen Mittelater sprach der Mönch Johannes Scotus Eriugena über eine solche Gliederung der menschlichen und außermenschlichen Natur22. Rudolf Steiners Beitrag kann vielmehr darin gesehen werden, dass er sich darum bemühte, zu der seit der Antike vorhandenen Gliederung des

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Menschen einen adäquaten Zugang für die moderne, rational-denkende Bewusstseinsverfassung der westlichen Welt zu ermöglichen21.

Zu den Therapien der Anthroposophischen Medizin gehören neben der Applizierung medikamentöser Substanzen verschiedene künstlerische Therapien wie Musiktherapie, Sprachtherapie, Maltherapie, Plastizieren und – als Bewegungstherapie – die Eurythmie Therapie23.

1.2.2. Eurythmie Therapie

Die Eurythmie Therapie (altgr. eu = „gut“, „richtig“; Rhythmus = „richtiges Verhältnis“,

„Ebenklang“), auch „Heileurythmie“, kann beschrieben werden als Bewegungstherapie, die aus meist langsam und bewusst ausgeführten Bewegungsabfolgen und begleitenden, übungsspezifischen mentalen Bildern besteht12. Diese therapeutische Form der Eurythmie wurde aus der künstlerischen und der in der Freien Waldorfschule angewandten pädagogischen Form der Eurythmie entwickelt. Nach dem therapeutischen Verständnis der Eurythmie Therapie drücken die verschiedenen Bewegungsübungen die in der menschlichen Sprache wirkenden Lebenskräfte aus – entsprechend dem Verständnis in Tab. 124. Die daraus entstehenden Bewegungsübungen sind u.a.

vokalischen und konsonantischen Lauten zugeordnet und somit den entsprechenden Lauten der Sprache verwandt.

In der weiteren Entwicklung der Eurythmie Therapie spielt die von v. Laue publizierte

„Physiologie der Heileurythmie“ eine wichtige Rolle25. Die Autoren entwickelten anhand der von R. Steiner gegebenen Grundlagen und der Entwicklungen aus 80 Jahren Eurythmie Therapie ein strukturiertes System der Eurythmie Therapie-Übungen und ihrer Indikationen. Dadurch wurde die rationale Indikationsstellung in der Eurythmie Therapie umfassend weiterentwickelt.

Eurythmie Therapie-Übung werden von Ärzten bei akuten und chronischen Erkrankungen verordnet und von den Patienten mit den Therapeuten in meist individuellen Therapiesitzungen erarbeitet. Patienten sollen so zu einer eigenständigen Übungspraxis im Alltag befähigt werden. Eurythmie Therapie wird meist im Rahmen multimodaler

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12

Therapiekonzepte zusammen mit anderen künstlerischen und / oder medikamentösen Therapien der Anthroposophischen- oder naturwissenschaftlichen Medizin verordnet.

In der Eurythmie Therapie sind Ausbildung, Forschung und Vernetzung international durch ihre Vertretung in der Internationalen Koordination Anthroposophische Medizin (IKAM)26 organisiert. Die Ausbildung für Therapeuten ist durch ein internationales Rahmen-Curriculum standardisiert und setzt eine abgeschlossene Eurythmie-Ausbildung voraus27. In diesem Rahmen ist Eurythmie Therapie ein in Deutschland und anderen Ländern staatlich anerkanntes Therapieverfahren. Für Ärzte bestehen separate, meist berufsbegleitende Ausbildungsangebote. Hier ist das Ziel primär nicht die therapeutische Erarbeitung der Übungen mit den Patienten, sondern die Kompetenz, Eurythmie Therapie-Übungen verordnen zu können28.

Beim Durchführen der Eurythmie Therapie-Übung spielen die geometrischen Verhältnisse der Extremitäten zueinander und zum Rumpf eine besondere Rolle. Diese qualitativen Bewegungsaspekte sollen vom Patienten im Rahmen des therapeutischen Prozesses bewusst wahrgenommen werden. Dies gilt in unterschiedlicher Weise für konsonantische und für vokalische Übungen. Bei konsonantischen Übungen soll der Patient die geometrischen Verhältnisse seines Körpers – Krümmungen, Streckungen, Winkel – als inneres Bild wahrnehmen, sich „innerlich selbst abphotographieren24.“ Bei vokalischen Übungen sollen diese als Gefühl innerlich wahrgenommen werden25. Insofern geometrische Elemente der Bewegungen als Bewegungsqualitäten wahrnehmbar werden, spielen sie eine zentrale Rolle für das Verständnis und die Wirksamkeit der Eurythmie Therapie.

1.3. Forschung in der Eurythmie Therapie 1.3.1. Klinische Forschung in der Eurythmie Therapie

Anthroposophische Medizin: Die verschiedenen Therapien der Anthroposophischen Medizin werden vielfach einzeln und als Gesamtkonzept erforscht6. Hier sollen zwei größere Studien aus dem Bereich der Versorgungsforschung erwähnt werden, da sie einen Einblick in die Versorgungssituation der Anthroposophischen Medizin gewähren können.

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2004 wurde ein HTA-Bericht (Health Technology Assessment) zu „Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Bedarf“ der multimodalen Therapiekonzepte der Anthroposophischen Medizin vom Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung in Auftrag gegeben29. 2009 wurden im Rahmen eines Updates dieses Berichtes die methodisch besseren von insgesamt 265 Studien zur Anthroposophischen Medizin (teils erneut) ausgewertet und „ein für die AM [Anthroposophische Medizin] medizinisch gutes und für die Patienten zufriedenstellendes, sicheres und vermutlich auch kostengünstiges Behandlungsergebnis“ festgestellt30.

Auch die AMOS (Anthroposophic Medicine Outcome Study), eine auf 4 Jahre prospektive Kohortenstudie an insgesamt 1631 ambulant behandelten Patienten mit verschiedenen chronischen Erkrankungen, schlussfolgerte, die Behandlungskonzepte der Anthroposophischen Medizin im ambulanten Setting an Patienten mit chronischen Erkrankungen seien sicher und mit klinisch relevanten sowie anhalten Verbesserungen der Symptome und der Lebensqualität sowie mit reduzierten Kosten assoziiert18.

Eurythmie Therapie: In zwei systematic reviews bewerteten Büssing7 und Lötzke17 2008 und 2015 jeweils den Stand der klinischen Forschung zur Eurythmie Therapie an insgesamt 19 Studien. In der ersten Literaturübersicht stellte Büssing7 2008 den aktuellen Forschungsstand der Eurythmie Therapie umfassend dar. Die Autoren thematisierten dabei mehrere Problemfelder, welche teilweise auch sieben Jahre später weiterbestanden: Indikationen, Studiendesign und Messparameter der klinischen Studien waren heterogen und nur wenige kontrollierte Studien waren verfügbar. Büssing führte dies teilweise auf mangelnde finanzielle Mittel von Forschung an nicht- pharmakologischen Interventionen zurück, weshalb die Durchführung größerer Studien und komplexerer Studiendesigns erschwert würde. Außerdem thematisierte Büssing, dass die Eurythmie Therapie hauptsächlich von Forschergruppen der Anthroposophischen Medizin untersucht wurde, was eine mögliche Ursache von Verzerrungen darstellt, wie sie die meisten Studien von Therapieverfahren der Komplementär- und Integrativmedizin betrifft. Zwei der analysierten Studien wurden wegen ihres Studiendesigns positiv hervorgehoben. Diese Studien31, 32 führten Verzerrungs- und Sensitivitätsanalysen durch, welche die Validität der veröffentlichten Daten prüften und bestätigten. So attestierte Büssing einigen der analysierten Studien befriedigende Qualität der Studiendurchführung und Datenpräsentation7.

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14

Insgesamt beschrieben die analysierten Studien laut Büssing7 signifikante Verbesserungen der Symptome, für welche die untersuchten Therapien konzipiert wurden. Man könne annehmen, dass Eurythmie Therapie zu den positiven Effekten zumindest beigetragen habe – und dies ohne relevante Nebenwirkungen7.

Dieses Statement berührt eine weitere Herausforderung von Forschung auf einigen Gebieten der Anthroposophischen Medizin. Im ganzheitlichen Therapieansatz der Anthroposophischen Medizin werden häufig „Therapiepakete“ angewendet, welche die verschiedenen Gesundheits- und Krankheitsaspekte der Patienten im oben geschilderten, ganzheitlichen Sinne auf mehreren Ebenen ansprechen und so therapieren sollen. Obwohl dies konzeptionell gerechtfertigt ist, erschwert es aus analytischer Perspektive, die Komponenten des „Therapiepaketes“ in ihrer Wirksamkeit einzeln zu untersuchen7.

Büssing schlussfolgerte deshalb, dass Eurythmie Therapie als potentiell relevantes add- on in einem komplexen therapeutischen Konzept betrachtet werden könne. Eurythmie Therapie beabsichtige, Gesundheit und Wohlbefinden im Sinne der Salutogenese zu unterstützen, auch wenn seine spezifische Relevanz noch zu klären sei. Die Autoren forderten deshalb gut durchgeführte, kontrollierte Studien mit definierten Indikationen und Behandlungsregimes7.

Im zweiten Review, sieben Jahre später, forderte Lötzke17 erneut rigidere und methodisch bessere Studien, um den abermals positiven Eindruck zu festigen17. Elf der 62 seit 2008 durchgeführten und von den Autoren gefundenen Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Obwohl die Menge an klinischen Studien zur Eurythmie Therapie also wächst, mangelt es weiterhin vielen Studien an methodischer Qualität. Insbesondere wurden abermals keine randomisierten Studien zur Eurythmie Therapie gefunden.

Unter den insg. 21 peer-reviewed Publikationen der AMOS-Studie befasst sich eine Publikation31 speziell mit der Eurythmie Therapie. Zu den häufigsten Indikationen für eine Eurythmie Therapie in der Studie gehörten seelische Erkrankungen wie Depression und Chronic Fatigue Syndrome sowie muskuloskelettale Erkrankungen. Die Studienergebnisse zeigen signifikante Verbesserungen aller krankheitsbezogener Outcomes mit Ausnahme zweier pädiatrischer Symptomscores.

Mit einer Patientenzahl von 1631 Patienten, von denen 419 Eurythmie Therapie als Einzeltherapie oder in Kombination mit anderen Therapien der naturwissenschaftlichen-

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oder der Anthroposophischen Medizin erhielten, ist die AMOS damit bisher die größte Studie zur Eurythmie Therapie. Eine Stärke der Studie ist, dass sie einen breiten Einblick in die ambulante Behandlungsrealität der Eurythmie Therapie gewährt. Es lassen sich aber auch verschiedene Verzerrungsmöglichkeiten nicht ausschließen, was eine der Hauptlimitationen der Studie darstellt. Laut dem angewandten Verzerrungsanalyseverfahren könnten jedoch lediglich bis zu 37% der Effektstärke durch Verzerrungen bedingt sein, so die Autoren31.

Mit diesen Studien sind die zentralen Übersichtsarbeiten, die AMOS-Studie sowie aktuelle Probleme der klinischen Forschung der Eurythmie Therapie dargestellt. Im Folgenden soll der Fokus auf die Grundlagenforschung gelegt werden, wozu auch die vorliegende Studie gehört.

1.3.2. Grundlagenforschung in der Eurythmie Therapie

Im Bereich der Grundlagenforschung zur Eurythmie Therapie wurden bisher deutlich weniger Studien publiziert als im Bereich der klinischen Forschung. Anhand der Herzratenvariabilität begannen die bestehenden Studien, die der Eurythmie Therapie zugrundeliegenden Mechanismen mit Methoden der empirischen Forschung zu untersuchen.

Eine Herausforderung in diesem Bereich besteht darin, dass weiterhin unklar ist, welche Parameter sich eignen, die qualitativen Auswirkungen der Bewegungen dieser Therapien auf physiologische Prozesse (z.B. vegetatives Nervensystem oder Kreislaufsystem) zu untersuchen – ohne dabei Auswirkungen der Bewegungsintensität mitzuerfassen.

Auswirkungen von Bewegungstherapien z.B. auf das seelische Befinden lassen sich leichter mit Hilfe evaluierter Fragebögen beforschen. So untersuchte etwa Berger 201533 in einer randomisierten, kontrollierten Studie die Auswirkungen von Eurythmie Therapie im Vergleich zu Stepaerobic auf das Stressempfinden. In der Studie wurde gezeigt, dass zwar beide Interventionen zu Entspannung führen, die Eurythmie Therapie darüber hinaus jedoch zusätzlich zu einer deutlich veränderten Wahrnehmung der zuvor stressauslösenden Faktoren führt, was bei Steppaerobic kaum der Fall war33. Diese Art

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16

der Forschung kann also Einblick geben in die qualitativ unterschiedlichen Wirkungen von sportlich- und von therapeutisch konzipierten Bewegungsübungen auf das Befinden.

Es existieren hauptsächlich drei Studien, die Auswirkungen von Eurythmie Therapie- Übungen auf physiologische Parameter untersuchen. Alle drei Studien bedienen sich dazu der Herzratenvariabilität. Die Herzratenvariabilität ist ein Parameter des vegetativen Nervensystems und besitzt auch klinische Relevanz, da gezeigt werden konnte, dass eine höhere Herzratenvariabilität mit geringerer kardiovaskulärer Mortalität assoziiert ist34. In zwei Studien an gesunden Probanden zeigte Seifert 2009 und 2012, dass Eurythmie Therapie-Übungen die Herzratenvariabilität sowohl kurz- als auch langfristig verbessern können35, 36. In einer Messwiederholungsstudie 200931 untersuchten die Autoren die Eurythmie Therapie-Übungen „B“ und „L”, kontrolliert jeweils durch Fahrradergometertraining. Sie stellten durch die Eurythmie Therapie-Übungen allgemeine Verbesserungen der Herzratenvariabilität in verschiedenen Frequenzbändern fest, während Fahrradergometertraining die Herzratenvariabilität ebenfalls in mehreren Frequenzbändern verringerte. Seifert widmete sich damit erstmals den der Eurythmie Therapie zugrundeliegenden, physiologischen Mechanismen31.

Edelhäuser untersuchte 2015 Frequenzmuster der Herzratenvariabilität in ihrer Assoziation mit bestimmten Bewegungen der Eurythmie Therapie-Übungen37. Damit wurden erstmals Effekte der geometrischen Bewegungscharakteristika, d.h. der qualitativen Bewegungsaspekte, direkt und zwischen den Eurythmie Therapie-Übungen und anhand physiologischer Parameter untersucht. Die Ergebnisse zeigen allerdings vorwiegend Effekte der Wiederholungen: Übungsspezifische Auswirkungen auf die Herzratenvariabilität fanden sich hauptsächlich in den Frequenzbändern, die der Wiederholungsfrequenz der jeweiligen Eurythmie Therapie-Übung entsprachen. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Übungen zu einer verlangsamten Atmung führen und dass sie schneller ausgeführt werden, wenn sie ohne die sie begleitende mentale Tätigkeit in Form innerer Bilder ausgeführt werden.

Um die Auswirkungen der Bewegungsqualitäten von Eurythmie Therapie-Übungen auf physiologische Vorgänge umfassender charakterisieren zu können, bedarf es Forschungsstudien, welche weitere physiologische Parameter untersuchen. Wir

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untersuchten in der vorliegenden Studie deshalb qualitative Aspekte von Eurythmie Therapie-Übungen in ihren Auswirkungen auf die Hauttemperatur.

Im Folgenden soll die Physiologie der Hauttemperatur sowie der aktuelle Forschungsstand zur Hauttemperaturregulation bei Bewegung dargestellt werden.

1.4. Physiologie der Hauttemperatur bei Bewegung

Die Hauttemperatur des Menschen wird durch eine Vielzahl konstanter und variabler Faktoren beeinflusst, welche lokal unterschiedlich ausgeprägt sind. Zu den konstanten Faktoren gehören z.B. das subkutane Fettgewebe, unter der Haut gelegene Strukturen wie z.B. Muskeln, der Typ der Haut (Leisten- oder Felderhaut) und ob es sich um Hautbereiche des Körperstamms oder der Körperperipherie handelt38. Variable Faktoren, welche in körperlicher Ruhe aber auch während Körperbewegungen variieren können, sind hauptsächlich endogene Faktoren der Hautdurchblutungsregulation sowie exogene Faktoren, die den Wärmeaustausch mit der Umwelt über die Haut betreffen.

Eine der physiologischen Funktionen der Haut ist es, den Wärmehaushalt des menschlichen Organismus zu regulieren. Dies wird durch Regulation der Hautdurchblutung ermöglicht. Felder- und Leistenhaut verfügen auf unterschiedliche Weise über ein Gefäßsystem, welches aus einem sympathisch- und parasympathisch innervierten Netz von Arteriolen und arteriovenösen Anastomosen besteht und welches in dieser Form nur im menschlichen Organismus zu finden ist. Dieses Gefäßsystem ermöglicht es, die Hautdurchblutung über ein immens breites Spektrum zu variieren (0- 70% des Herzzeitvolumens) und dadurch zu regulieren, wie stark die Wärme des Körperkerns über die Haut abgegeben wird39, 40.

Wie stark Wärmeenergie in einer gegebenen Situtation aus der Haut an die Umwelt abgegeben wird, hängt vorwiegend von Umgebungsfaktoren wie z.B. der Lufttemperatur oder der Strömungsgeschwindigkeit der Luft ab. Wärmeaustausch über die Haut erfolgt dabei nach verschiedenen physikalischen Prinzipien und ihren Gesetzmäßigkeiten.

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18

Die Temperatur der Haut ist damit abhängig davon, wie stark das entsprechende Hautareal durchblutet ist und wie viel der dadurch vom Körperkern zugeführten Wärme durch Wärmeaustausch über die Haut an die Umwelt abgegeben wird.38

Nachfolgend sollen der aktuelle Forschungsstand zur Hauttemperaturregulation bei körperlicher Aktivität sowie die Prinzipien des Wärmeaustausches zusammengefasst werden. So soll verständlich werden, welche Faktoren die Hauttemperatur bei körperlicher Bewegung beeinflussen und was dies für die Interpretation der Hauttemperatur bedeutet.

1.4.1. Regulationsmechanismen der Hautdurchblutung

Die Regulationsmechanismen der Hautdurchblutung wurde in den letzten 70 Jahren von der Physiologieforschung intensiv beforscht41. Dadurch können heute die meisten Phänomene und Mechanismen der Hauttemperaturregulation erklärt werden.

Hautdurchblutung und Hauttemperatur: Mehrfach wurde gezeigt, dass zwischen Hautdurchblutung und Hauttemperatur ein linearer Zusammenhang besteht42, 43. Die Hauttemperatur spiegelt also wieder, wie stark die Haut durchblutet ist und zeigt damit das Resultat der Hautdurchblutungsregulation.

Die Hauttemperaturregulation bei körperlicher Aktivität wird vorwiegend in der sportmedizinischen Forschung untersucht. Dabei wird die Hauttemperatur meist thermographisch gemessen und dazu genutzt, die Regulation der Hautdurchblutung während verschiedener Arten und Intensitäten von körperlicher Aktivität zu untersuchen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Studie von Fernandes et al.44. Bei kontrollierten Umgebungsbedingungen wurde thermographisch die Hauttemperatur in verschiedenen Bereichen vor, während und nach einstündigem Fahrradergometertraining gemessen, um regional unterschiedliche Dynamiken der Hauttemperaturregulation zu untersuchen. Die gefundenen Unterschiede interpretieren die Autoren als Resultat der unterschiedlich regulierten, neurovegetativ vermittelten Blutflussregulation der Haut basierend auf den Erkenntnissen der bestehenden Literatur, welche im Folgenden dargestellt werden sollen.

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Regulationsmechanismen der Hautdurchblutung: Je nachdem ob sich ein Individuum körperlich in Ruhe oder in Bewegung befindet, sind verschiedene Mechanismen in unterschiedlichem Ausmaß in die neurovegetative Regulation der Hautdurchblutung involviert. In Ruhe wird die Regulation der Hautdurchblutung überwiegend von thermischen Einflüssen bestimmt, wogegen bei Bewegung zusätzlich nicht-thermische Einflussfaktoren ausschlaggebend sind – zu Beginn körperlicher Bewegung sogar fast ausschließlich – und im weiteren Verlauf vorwiegend38, 45.

Thermische Einflussfaktoren der Hauttemperaturregulation sind solche, die der Thermoregulation des Organismus dienen, also in der Regulation der Körperkerntemperatur ihren Ausgangspunkt haben. In körperlicher Ruhe beeinflussen überwiegend thermische Faktoren die Hautdurchblutungsregulation, obwohl auch nicht- thermische Einflussfaktoren wie das biologische Geschlecht, der weibliche Hormonzyklus, das Alter, sowie kognitive und emotionale Faktoren die Hauttemperaturregulation in dieser Situation mit beeinflussen38, 46.

Bei körperlicher Bewegung spielen zudem nicht-thermische Faktoren eine bedeutende Rolle. Nicht-thermische Einflussfaktoren sind Ausdruck der veränderten Kreislaufanforderungen an den Organismus durch die Bewegungsaktivität, also der Muskelaktivität, der Körperhaltung und anderen Aspekten (s.u.), welche sich u.a. auf die Kreislaufanforderungen auswirken. Vereinfacht wird häufig gesagt, dass nicht-thermische Faktoren bei körperlicher Bewegung Ausdruck der veränderten Kreislaufanforderungen darstellen und dazu dienen, das Blutvolumen aus der Haut in die aktive Muskulatur umzuverlagern. Nicht-thermische Faktoren stellen daher vorwiegend vasokonstriktive Reflexe dar38, 45, 47.

Thermische und nicht-thermische Faktoren bei körperlicher Aktivität: 2015 fasste Neves45 den Kenntnisstand zu den Reaktionen der Hauttemperatur auf die unterschiedlichen Arten körperlicher Aktivität zusammen. Basierend auf den analysierten Studien war es möglich, Aussagen über das prinzipielle Verhalten der Hauttemperatur bei verschiedenen Arten von körperlicher Bewegung zu machen, was in Fig. 1 graphisch dargestellt ist45. Dabei zeigt sich das Zusammenspiel thermischer- und nicht-thermischer Faktoren der Hautdurchblutungsregulation.

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Die Analyse der bestehenden Studien ergab, dass die Hauttemperatur prinzipiell über allen untersuchten Hautarealen und bei aerober sowie anaerober Intensität während der ersten ca. 7 Minuten körperlicher Bewegung absinkt. In welchem Ausmaß die Hauttemperatur absinkt, ist jedoch abhängig von der Bewegungsintensität, wobei eine höhere Bewegungsintensität zu stärkerem Hauttemperaturabfall führt.

Nach ca. 7 Minuten körperlicher Bewegung steigt die Hauttemperatur wieder an. Auch dieser Anstieg ist abhängig von der Bewegungsintensität, wobei die Hauttemperatur bei höherer Bewegungsintensität früher und stärker wieder ansteigt48-51. Nur in Hautarealen über aktiven Muskelgruppen steigt die Hauttemperatur bei anaerober Bewegungsintensität über die Ausgangstemperatur an. Dies sei wahrscheinlich bedingt durch Wärmeleitung aus der darunterliegenden Muskulatur. In allen andere Hautarealen oder generell bei aerober Bewegungsintensität verbleibt die Hauttemperatur während der gesamten Aktivität unterhalb der Ausgangstemperatur.

Erst nach dem Ende der Aktivität kommt es zur Normalisierung der Hauttemperatur und in den folgenden Tagen zu einem leichten Temperaturanstieg.

Diese Dynamiken werden als Resultat der oben charakterisierten thermischen- und nicht- thermischen Einflussfaktoren auf die Hautdurchblutungsregulation bei körperlicher Aktivität gewertet.

Dass die Hauttemperatur direkt mit Beginn körperlicher Aktivität absinkt und dass sie (außer über aktiven Muskelgruppen bei maximaler Intensität) stets unterhalb der Ausgangstemperatur verbleibt, wird als Ausdruck des starken Einflusses nicht- thermischer Faktoren bei körperlicher Bewegung betrachtet45, 52.

Aufgrund der Beobachtung, dass die Hauttemperatur direkt mit Beginn körperlicher Aktivität zu sinken beginnt, vermutete Torii48 1992 erstmals, dass nicht-thermische Einflussfaktoren gerade zu Beginn körperlicher Aktivität eine wichtige Rolle spielen. Seine Publikation „Fall in skin temperature of exercising man“ 48 eröffnete den Forschungszweig, dessen Ergebnisse Neves45 2015 letztendlich zusammenfasste.

Wenn die Körperkerntemperatur während körperlicher Bewegung eine thermoregulatorische Schwelle überschreitet, beginnen zusätzlich thermische Effekte die

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Hauttemperatur mit zu beeinflussen. Dies geschieht wie erwähnt abhängig von der Bewegungsintensität nach ca. 7 Minuten48-50. Die damit verbundene relative Vasodilatation in der Haut führt zum Wiederanstieg der Hautdurchblutung, damit der Hauttemperatur und letztendlich dazu, dass vermehrt Wärme über die Haut abgeleitet wird50. Allerdings wird durch dynamische, körperliche Aktivität auch die thermoregulatorische Schwelle, also die Körperkerntemperatur, bei welcher thermische Effekte einsetzen, zu höheren Temperaturwerten hin verschoben. Bei dynamischer Bewegung beeinflussen thermische Effekte daher erst bei höheren Körperkerntemperaturen die Regulation der Hautdurchblutung, als dies in Ruhe geschehen würde53, 54.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass während der ersten ca. 7 Minuten aerober und dynamischer körperlicher Aktivität die Hautdurchblutung vornehmlich durch nicht-thermische Einflussfaktoren bestimmt wird, welche als vasokonstriktive Reflexe die Hauttemperatur senken.

Einige nicht-thermische Einflussfaktoren: Nicht-thermische Einflussfaktoren bzw. -Reflexe sind seit ca. 1980 Gegenstand der Forschung zur Thermoregulation. Verschiedene Auslöser und Mechanismen nicht-thermischer Einflussfaktoren der Hauttemperaturregulation sind entdeckt worden und wurden zuletzt 2010 von Kondo zusammengefasst:55

• So ist bekannt, dass die Körperhaltung (aufrecht oder waagerecht) über

Stimulation von Barorezeptoren die Hauttemperatur bei Bewegung beeinflusst40,

56.

• Darüber hinaus beeinflusst die aktive Muskulatur durch die Stimulation ihrer Rezeptoren für mechanische Belastung und metabolische Aktivität

(Mechanorezeptoren, Metaborezeptoren) selbst die Hauttemperatur57, 58.

• Des Weiteren besteht Evidenz dafür, dass schon die mentale Intention zu muskulärer Aktivität Auswirkungen auf die vegetative Kreislaufregulation und damit auf die Hauttemperatur hat. Letztgenannter Einfluss besteht selbst dann, wenn die Innervation der Effektormuskeln pharmakologisch blockiert ist und zeigt, dass es sich um zentralnervöse Regulationsmechanismen handelt 59, 60.

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• Einige weitere Einflussfaktoren der Hauttemperatur sind bekannt, welche nicht- thermischen Ursprungs sind. Dazu gehören das Blutvolumen, die Osmolalität des Blutes sowie sein pH-Wert55.

Nicht-thermische Faktoren beeinflussen neben der Hautdurchblutungsregulation auch die Schweißsekretion. Bis auf die Abnahme des Blutvolumens und des pH-Wertes sowie die Zunahme der Osmolalität bei Bewegung steigern sie die Schweißsekretion und damit den Anteil der evaporativ abgegebenen Wärme an der insgesamt über die Haut abgegebenen Wärme. Jedoch scheint die Schweißsekretion ähnlich wie die thermischen Einflussfaktoren der Hauttemperaturregulation erst mit Anstieg der Körperkerntemperatur und damit nach ca. 7 Minuten eine Rolle zu spielen55.

Damit sind einige Reflexmechanismen nicht-thermischer Effekte genannt, die Einfluss auf die Hauttemperaturregulation haben und in Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten von Bewegung stehen.

1.4.2. Prinzipien des Wärmeaustausches über die Haut

Wärmeaustausch mit der Umgebung über ein bestimmtes Hautareal in Luft kann entsprechend vier verschiedener physikalischer Prinzipien erfolgen:

• Mit angrenzenden Objekten wird Wärme über Wärmeleitung (Konduktion) ausgetauscht, in Abhängigkeit der Eigenschaften und der Temperatur des angrenzenden Objekts.

• Mit vorbeiströmenden Gasen und Aerosolen wird Wärme ausgetauscht durch Konvektion in Abhängigkeit der Lufttemperatur, der Strömungsgeschwindigkeit sowie der Luftfeuchtigkeit.

• Durch Wärmestrahlung (Radiation) wird Wärmeenergie in Form

elektromagnetischer Strahlen in Abhängigkeit der Hauttemperatur und des Emissionskoeffizienten der Haut, jedoch unabhängig von Materieteilchen – anders als bei der Konvektion – abgegeben. Radiation ist damit nicht direkt von der Strömungsgeschwindigkeit der Luft abhängig. Wärmestrahlung kann

nahegelegene Objekte erwärmen – analog zur Erfahrung, die man in der Nähe eines Feuers oder eines Heizkörpers machen kann.

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• Beim Schwitzen kann Wärme darüber hinaus durch Verdunstung (Evaporation) von Schweiß an die Flüssigkeit sowie an die Änderung des Aggregatszustandes in Abhängigkeit der evaporierten Flüssigkeitsmenge abgegeben werden. 61, 62 Das Ausmaß des Wärmeaustauschs (meist: Wärmeabgabe) über freiliegende Haut ist also variabel und abhängig zum einen endogen von der Hauttemperatur. Zum anderen sind die verschiedenen Formen des Wärmeaustausches von unterschiedlichen Umgebungsfaktoren abhängig.

Konvektion und Radiation spielen bei der Wärmeabgabe über freiliegende Hautareale in luftgefüllten Räumen immer eine Rolle und betragen in Ruhe und bei moderaten Umgebungsbedingungen je etwa 3-4 W/m2 pro °C63-65. Jedoch variieren sie in ihrem Ausmaß entsprechend unterschiedlicher Faktoren. Während die Konvektion von der Hauttemperatur, der Umgebungstemperatur, der Luftfeuchtigkeit sowie der Strömungsgeschwindigkeit der umgebenden Luft abhängt, hängt die Radiation (abseits des Wärmeabgabekoeffizienten der Haut) direkt nur von der Hauttemperatur ab62.

Damit steigt die konvektiv abgegebene Energie, z.B. wenn eine Extremität durch die Luft oder der gesamte Körper durch den Raum bewegt wird. In einer Studie63, die vorbestehende Ergebnisse reproduzieren konnte, betrug der Wärmeabgabekoeffizient für den konvektiv abgegebenen Teil der Wärme in Ruhe 3.3 W/m2 pro °C, während er bei 45 Schritten pro Minute 4.2 W/m2 pro °C betrug. Da die radiativ über die Haut abgegebene Energie direkt nur von der Hauttemperatur abhängig ist, dürfte sie von vasokonstriktiven, nicht-thermischen Effekten stärker beeinflusst werden als die Konvektion. Radiativ abgegebene Energie weist darüber hinaus die Besonderheit auf, dass sie – je nach Körperposition – naheliegende Hautbereiche erwärmen kann. Evaporation spielt wie bereits erwähnt (Kapitel 4.1.1.) erst nach ca. 7 Minuten eine Rolle, wenn die Schweißsekretion beginnt.

Unterschiedliche geometrische Bewegungsqualitäten in Bewegungsübungen könnten daher die über die Haut abgegebene Wärmeenergie und dadurch die Hauttemperatur unterschiedlich beeinflussen. Ausgreifende Bewegungen könnten die konvektive Wärmeabgabe erhöhen, während stammnahe Bewegungen der Extremitäten zu gegenseitiger radiativer Erwärmung von Hautarealen führen könnten, bei größerer Abhängigkeit von nicht-thermischen, vasokonstriktiven Effekten.

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1.4.3. Infrarotthermographie

Die Hauttemperatur kann heute mit diversen Methoden gemessen werden, die Infrarotthermographie gewinnt dabei weiterhin an Bedeutung. Sie quantifiziert die thermische Energie, die von der Haut als elektromagnetische Wellen des Infrarotspektrums abgestrahlt wird. Damit stellt sie eine nicht-invasive und sichere Messmethode dar, die auf Entfernung ohne Hautkontakt durchgeführt werden kann44 und sich deshalb auch zur Untersuchung von Bewegungstherapien eignet. Die technische Entwicklung der letzten Jahre hat dazu geführt, dass Thermographiekameras heute kaum größer als herkömmliche Digitalkameras sind, dass räumliche und thermische Auflösungen immens zugenommen haben und dass auch Filmaufzeichnungen möglich geworden sind. Gleichzeitig wurden mit zunehmender Anwendung der Infrarotthermographie in der medizinischen Forschung die Messmethoden standardisiert, wodurch die Infrarotthermographie mittlerweile zu einer verlässlichen Messmethode mit reproduzierbaren Ergebnissen geworden ist66, 67.

1.5. Zusammenfassung und Forschungsfrage

Bewegung findet vielfach Anwendung in der Medizin. In der Onkologie werden z.B.

zunehmend Bewegungstherapien integrativmedizinischer Richtungen angewandt. Die Eurythmie Therapie ist eine Bewegungstherapie der Anthroposophischen Medizin, einem integrativen Therapiesystem mit holistischem Ansatz. Entsprechend dem therapeutischen Konzept wird die salutogenetische Wirkung der Übungen gerade dadurch erzielt, dass Patienten die unterschiedlichen Bewegungsqualitäten – wie Winkel, Beugungen und Kreuzungen – konzentriert wahrnehmen.

Obwohl zunehmend Evidenz für die Wirksamkeit integrativmedizinischer Bewegungstherapien besteht, sind ihre zugrundeliegenden Mechanismen wenig erforscht. Studien zur Herzratenvariabilität konnten erste Mechanismen der Eurythmie Therapie zeigen, es bedarf jedoch weiterer Parameter der Physiologie, anhand derer Auswirkungen von Bewegungsqualitäten charakterisiert und empirisch erforscht werden können.

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Die Hauttemperatur wird insbesondere zu Beginn körperlicher Aktivität durch Charakteristika der ausgeführten Bewegung beeinflusst. Körperhaltung, Belastung der aktivierten Muskeln sowie die Intention der Bewegung beeinflussen dabei die Hauttemperaturregulation über nicht-thermische Reflexe während geometrische Qualitäten der Bewegungen in unterschiedlicher Weise die verschiedenen Prinzipien des Wärmeaustauschs über die Haut beeinflussen.

Wir untersuchten deshalb die Hypothese, dass Eurythmie Therapie-Übungen von entgegengesetzter Bewegungsqualität, wenn sie bei äquivalenter Bewegungsintensität ausgeführt werden, die Hauttemperatur unterschiedlich stark beeinflussen.

2. Methoden

2.1. Studiendesign

Wir wählten ein 4-Phasen-Messwiederholungsdesign, wodurch jeder Proband jede der vier Interventionen in einer der 4 Studienphasen ausführte. Die Hauttemperatur wurde unmittelbar vor und nach den Interventionen thermographisch gemessen. Wir wählten dieses Design, weil es erlaubt, die Interventionen auf intraindividueller Ebene zu vergleichen und somit störende interindividuelle Unterschiede nicht mit einfließen. Damit kann eine höhere statistische Power erreicht werden.

2.2. Probanden und Umgebung der Studienexperimente

Ort der Studienexperimente war die Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn. Sie ist eine von zwei Hochschulen in Deutschland, an denen neben anderen Studiengängen ein Eurythmie Therapie-Aufbaustudium nach international standardisiertem Rahmenkurrikulum27 absolviert werden kann. Voraussetzung dafür ist unter anderem, eine anerkannte künstlerische Eurythmie-Grundausbildung abgeschlossen zu haben.

Alle Studierenden der Alanus-Hochschule wurden per Mail zur Studienteilnahme eingeladen. Die Teilnehme an der Studie war freiwillig und ein Studienabbruch hätte den

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Probanden zu keinem Zeitpunkt einen Nachteil erbracht. Alle Studierenden zwischen 18 und 55 Jahren, die keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder relevante Hautkrankheiten hatten oder gehabt hatten, konnten teilnehmen. Auch Raucher durften teilnehmen, jedoch waren Rauchen und Kaffeekonsum jeweils drei Stunden vor den Studienphasen untersagt. Da wir zur Berechnung der benötigten Probandenzahl keine belastbaren Studienergebnisse über den Einfluss von Bewegungsübungen von insgesamt geringer Intensität, wie die Eurythmie Therapie, auf die Hauttemperatur finden konnten, wählten wir eine Stichprobengröße von n=24 Probanden (Convenience Sample). Ein erfahrener Eurythmie-Therapeut und Mitglied des Lehrkörpers der Hochschule schulte Nicht- Eurythmie Therapie-Studierende Probanden in den Eurythmie Therapie-Übungen der Studie. Vor Studienbeginn lag auf Grundlage des Studienprotokolls ein positives Votum der Ethikkommission Stuttgart vor, welches dieser Darstellung anhängt.

2.3. Interventionen

In den Interventionsperioden der Studienphasen führte jeder Proband jeweils eine der Interventionen repetitiv aus, zusammen mit den begleitenden mentalen Bildern. Die untersuchten Eurythmie Therapie-Übungen stellten insgesamt langsam ausgeführte Körperbewegungen dar, welche für jeweils 6 Minuten (die Dauer einer Interventionsphase) ausgeführt wurden.

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2.4. Messparameter 2.4.1. Hauttemperatur

Primärer Messparameter unserer Studie ist die Differenz der Hauttemperatur zwischen Beginn und Ende der Interventionen. Dafür mittelten und gewichteten wir die thermographisch gemessene Hauttemperatur aus sieben repräsentativen Körperbereichen nach dem Modell von Nadel et al.68. Dieses Modell berücksichtigt Gesicht, Bauch, oberer- und unterer Rücken, Oberarme, Unterarme, Oberschenkel und Unterschenkel. Das Modell gewichtet diese Hautareale nach ihrer Oberfläche und thermischen Sensitivität. Die Probanden waren während der Studienphasen in Badekleidung gekleidet um Messungen der Hauttemperatur in den relevanten Hautarealen zu ermöglichen. Die Messbereiche wurden nach dem Glamorgan Protocol66 definiert, mit Ausnahme des oberen Rückens sowie des Bauches, die leicht modifiziert wurden, um bekleidete Bereiche nicht mit einbeziehen zu müssen. Das Glamorgan Protocol wurde unter Leitung von Kurt Ammer, einem der führenden Thermologen entwickelt, um thermographische Messprozesse in der Medizin zu standardisieren und die Messergebnisse besser vergleichbar zu machen. Unter Anwendung dieses Protokolls konnte gezeigt werden, dass thermographische Messergebnisse in hohem Maße reproduzierbar sind66.

Unmittelbar vor- und nach jeder Übungsphase wurden Thermogramme der Vorderseite und Rückseite von Ober- und Unterkörper (4 Thermogramme/Messzeitpunkt) aufgenommen. Wir verwendeten eine Thermographiekamera (FLIR SC660, FLIR Systems, Danderyd, Schweden) mit einer räumlichen Auflösung von 640x480 Bildpunkten, einer thermischen Auflösung von 30mK, Autofokusfunktion und einer Temperaturgenauigkeit von ±1%. Die Kamera war auf einem Stativ auf Brusthöhe in drei Metern Entfernung von den Probanden montiert, welche sich für die Thermographie- Aufnahmen einen Meter vor einer weißen Wand an eine markierte Stelle stellten.

Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit wurden stündlich digital gemessen; ein Temperatur-kontrollierter Raum war nicht verfügbar.

Die definierten Hautareale in den Thermogrammen wurden mittels ThermaCAM Researcher Pro 2.10 Software entsprechend Glamorgan Protocols vermessen. Die Mittelwerte der jeweiligen Hautareale wurden zur weiteren Verarbeitung exportiert. Da die

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Hauttemperatur bei gesunden Probanden keine relevante Seitendifferenz aufweist69, nutzten wir für die Messbereiche der Extremitäten die Mittelwerte der rechten und linken Vorder- und Rückseite.

Fig. 5.1 – 5.4 zeigen beispielhaft die vier Thermogramme einer Probandin zum Messzeitpunkt nach der Eurythmie Therapie-Übung „B.“ Darauf sind auch die Masken der berücksichtigten Körperregionen zu sehen (und darüber hinaus weitere Masken, die jedoch nicht in die Berechnung mit einflossen).

Fig. 5.1: Thermogramm des Oberkörpers mit Masken der untersuchten Hautareale von vorn nach der Eurythmie Therapie-Übung „B.“ Außerdem: Lage des EKG-Recorders auf der linken Thoraxhälfte und der drei Elektroden.

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Fig. 5.2: Thermogramm des Unterkörpers mit Masken der untersuchten Hautareale von vorn nach der Eurythmie Therapie-Übung „B.“

Fig. 5.3: Thermogramm des Oberkörpers mit Masken der untersuchten Hautareale von hinten nach der Eurythmie Therapie-Übung „B“

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Fig. 5.4: Thermogramm des Unterkörpers mit Masken der untersuchten Hautareale von hinten nach der Eurythmie Therapie-Übung „B.“

2.4.2. Energieverbrauch

Sekundärer Messparameter war der mittlere Energieverbrauch während der Interventionen. Während der Studienphasen wurde die Herzfrequenz der Probanden mit mobilen 3-Kanal-EKG-Rekordern (CardioScout Mulit ECG, SR-Medizinelektronik, Stuttgart, Deutschland) aufgezeichnet. Die streichholzschachtelgroßen Geräte und die Elektroden wurden nach vorheriger Demonstration, unter Supervision und mit Unterstützung der Studienleiter mittels Klebestreifen von den Probanden selbst auf dem Brustkorb angebracht (siehe Thermogramm Fig. 5.1) und zu einem definierten Zeitpunkt synchron gestartet. Der Energieverbrauch während der Interventionen wurde nach dem Modell von Hiilloskorpi70 aus dem Anstieg der Herzfrequenz von der Vorruhe zur Intervention (∆), dem Körpergewicht und dem Geschlecht berechnet. Die dafür verwendeten Messwerte sind Mittelwerte von 5-minütigen Messintervallen am Ende der Vorruhe und in der Mitte der Interventionen, wie in Fig. 6 als „HF“ graphisch dargestellt.

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Weitere Messparameter: In der Studie wurden noch weitere Messparameter erhoben, darunter auch Parameter der Herzvariabilität, der Pulswellenmorphologie, des Blutdrucks und der Pulswellengeschwindigkeit. Auf diese soll bei der Fragestellung dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden.

2.5. Ablauf der Studienphasen

Die Studie bestand aus 4 Phasen, welche wiederum jeweils aus drei Abschnitten zusammengesetzt waren: Vorruhe (10 min.), Interventionszeit (6 min.) und Nachruhe (10 min.), wie in Fig. 6 dargestellt.

Die Probanden starteten in Abständen von 7 Minuten in die Studienphasen. Anfangs- und Endzeitpunkt jedes Phasenabschnittes wurde für jeden Probanden notiert, so dass während der Datenverarbeitung diejenigen Zeitabschnitte des fortlaufenden EKG-Signals entnommen werden konnten, welche den Messzeitpunkten entsprachen. Während der Vorruhe saßen die Probanden auf den vorderen Stuhlkanten und so, dass die Arme rechts und links des Körpers ohne Berührung herabhingen, damit sich alle relevanten Hautareale der Umgebungstemperatur anpassen konnten. Die Thermogramme wurden unmittelbar vor- und nach der Intervention aufgenommen.

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entsprechenden Reihenfolge aus dem Warteraum aufforderte, den Durchführungsraum der Experimente zu betreten. Während allen Studienphasen kontrollierte ein Forscher, der weder in Probandenrekrutierung noch in Sequenzgenerierung und -geheimhaltung involviert war, die Implementierung der Sequenzen, d.h., er versicherte sich anhand der Randomisierungsliste, dass der Proband die ihm für die entsprechende Studienphase zugewiesene Intervention ausführte.

2.7. Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung der Studiendaten aller Teilnehmer erfolgt nach Intention-to- Treat (ITT) und mit IBM SPSS Statistics Software Version 24 sowie Addinson XLSTAT 2018.6 Software. Eventuell aus technischen Gründen fehlende Werte wurden mittels EM- Analyse (Estimation Maximization) ersetzt.

Deskriptive Statistiken: Die absoluten prä- und post-Messwerte von Hauttemperatur- und Herzfrequenzmessungen sowie die aus der Herzfrequenz errechneten Energieverbrauchsmessungen werden deskriptiv mit Standardabweichungen und 95%- Konfidenzintervallen (ohne Multiplizitätskorrektur) dargestellt. Balkendiagramme veranschaulichen die Änderung der Hauttemperatur sowie den Energieverbrauch während jeder Intervention. Auf eine Darstellung der Streuung wird verzichtet, da die Streuung der Messwerte während der einzelnen Interventionen für den Vergleich der Interventionen untereinander nicht aufschlussreich ist. Durch die verbundene Natur der Daten im Messwiederholungsdesign werden die Unterschiede der Hauttemperaturänderungen auf Probandenebene analysiert, wodurch sich die Daten präzisieren.

Interferenzstatistische Analyse: Die Hauptanalyse wertet die messwiederholten Hauttemperatur- und Energieverbrauchsmessungen mit jeweils einer einfaktoriellen Messwiederholungs-ANOVA (Analysis of Variance; Varianzanalyse) aus. Die vier Interventionen („L“, „B“, „R“ und die Referenzbewegung) repräsentieren dabei die Ebenen des Faktors.

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Voraussetzung für die statistische Analyse ist, dass die Daten annähernd normalverteilt sind und die Sphärizität der Varianzen gegeben ist. Normalverteilung wird anhand von graphischen Darstellungen (Histogramme, P-P-Diagramme, Q-Q-Diagramme) und evtl.

anhand von Signifikanztests (Kolmogorov-Smirnov-Test) analysiert. Sphärizität der Varianzen wird mittels Levene’s-Test evaluiert und als Chi-Square-Wert berichtet.

Eine minimale Zeitspanne von 100 Minuten zwischen zwei Studienphasen eines Probanden wird dabei als ausreichend angenommen, um Phaseneffekte durch 6-minütige Eurythmie Therapie-Übung ausschließen zu können (vgl. Kapitel 4.4.4.).

Wenn die Hauptanalyse der Hauttemperaturmessungen signifikante Unterschiede zeigt, werden die Differenzen (∆) zwischen den Interventionen innerhalb des Tests paarweise analysiert. Dabei wird eine Multiplizitätskorrektur nach dem Bonferroni-Verfahren vorgenommen um den Fehler der 1. Art auf dem ɑ=5%-Niveau zu erhalten.

Differenzen zwischen den Interventionen bezüglich der Energieverbrauchsmessungen (∆) werden im Rahmen einer Äquivalenzanalyse mittels TOST (two one-sided test) analysiert.

Grund dafür ist, dass Bewegungsübungen äquivalent bezüglich der Bewegungsintensitäten sein müssen, damit qualitative Unterschiede der Bewegungen in ihrem Einfluss auf die Hauttemperatur untersucht werden können. Als Äquivalenzmarke akzeptierten wir ẟ=0.5 kcal/min.

Dafür berechnen wir in der Hauptanalyse 90%-Konfidenzintervalle (bei ɑ=.05 nach (1- 2ɑ)x100%)) mit Bonferroni-Korrektur für sechsfaches Testen. Für jede Differenz zwischen zwei Interventionen zwei einseitige t-Tests für ẟ= ±0.5 auf 95% Konfidenzniveau, ebenfalls Bonferroni-korrigiert für sechsfaches Testen, und berichten den jeweils größeren der beiden p-Werte.

Nur wenn für zwei Interventionen Äquivalenz bezüglich der Energieverbrauchswerte gegeben ist, können evtl. Ergebnisse der Hauttemperaturmessungen interpretiert werden.

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3. Ergebnisse

3.1. Studienpopulation und Datenerhebung

Von den 40 Studierenden, die sich für die Studie anboten, erfüllten 24 die Einschlusskriterien, konnten terminlich an den Studienexperimenten teilnehmen, unterschrieben die Einverständniserklärung und wurden zwischen Mai und Juni 2016 in die Studienpopulation aufgenommen. Da zu dem Studienzeitpunkt nur weibliche Studierende der Eurythmie Therapie eingeschrieben waren, entschlossen wir uns, auch aus den anderen Studiengängen nur weibliche Studierende einzuschließen. Fig. 6 zeigt den Prozess der Probandenrekrutierung sowie das Studiendesign, Tab. 2 zeigt deskriptiv die demographischen Eigenschaften der Studienpopulation. Die Hälfte der Probanden waren Studentinnen der Eurythmie Therapie, die anderen waren Studierende anderer Studiengänge, i.e. Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Kunsttherapie, Kunstpädagogik, Erziehungswissenschaft und Bildende Kunst.

Die Studienexperimente wurden vom 27. bis 29. Juni 2016 durchgeführt. Die Umgebungstemperatur schwankte dabei zwischen 24,8 und 29,2°C und die Luftfeuchtigkeit zwischen 35-60% da ein klimatisierter, temperaturkontrollierter Raum nicht zur Verfügung stand. Es gab keine Studienabbrecher, jedoch fehlten aus technischen Gründen 3,13% der Herzfrequenz-Daten. Normalverteilung aller Messwerte konnte angenommen werden wie auch die Sphärizität der Varianzen in beiden Datensets (Hauttemperatur: χ2(5) = 1.939, p = 0.942; Energieverbrauch: χ2(5) = 7.282, p = 0.201).

Tab. 2 Demographische Daten der Studienpopulation (n=24)

Min-Max Alter [Jahre] 31.4 ± 8,8 21–51 Körpergröße [cm] 166 ± 5.7 153–177 BMI [kg/m²] 21.6 ± 2.6 18.1–28.2

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