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Archiv "Stigmatisierung" (02.06.2006)

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noch vergrößern wird, brachte Astrid Bühren zum Ausdruck: Die Zahl der Fachärzte für Psychosomatische Medi- zin und Psychotherapie, also die ärzt- lichen Psychotherapeuten, die über- wiegend Richtlinien-Psychotherapie lei- sten, werde sich in den nächsten zehn Jahren halbieren, wenn das Gebiet nicht gefördert werde. „Derzeit schlie- ßen 90 Fachärzte die Weiterbildung ab, aus Altersgründen scheiden viele aus“, berichtete Bühren. Sie fordert deshalb, dass die so genannte 40-Prozent-Quo- te auch über das Jahr 2008 hinaus Be- stand haben soll. Die gesetzliche Re-

gelung (§ 101 Abs. 4 SGB V) besagt, dass 40 Prozent der Vertragsarztsitze in der psychotherapeutischen Versor- gung für ärztliche Psychotherapeuten freigehalten werden. Diese Regel zum Bestandschutz der Ärzte läuft zum 31. Dezember 2008 aus. Da viele dieser Quotensitze zurzeit jedoch nicht mit ärztlichen Psychotherapeuten, die aus- schließlich Richtlinien-Psychotherapie erbringen, besetzt werden können, fordert die Präsidentin des Deut- schen Ärztinnenbundes, die Plätze für Psychiater freizugeben, statt für Psy- chologische Psychotherapeuten. Roth-

Sackenheim geht noch weiter mit der Forderung, dass sich auch Ärzte mit Zusatztitel Psychotherapie auf die Vertragsarztsitze bewerben können sollten.

Fast 1 800 der Sitze, die für ärztliche Psychotherapeuten reserviert sind, waren im Jahr 2005 nicht besetzt, re- cherchierte die Bundespsychothera- peutenkammer (BPtK). „Das verur- sacht eine erhebliche Versorgungs- lücke“, kritisiert der Präsident der BPtK, Prof. Dr. Rainer Richter, in ei- ner Pressemitteilung zum Deutschen Ärztetag. Das Problem der Unterver- 1 0 9 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

A

A1502 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006

„Viele Krankheiten sind stigmatisiert, nicht nur psychische. Doch das Stigma psychischer Krankheiten unterscheidet sich von dem ande- rer Krankheiten.“ Darauf verwies Prof. Dr. med.

Dr. phil. Dr. h.c. mult. Norman Sartorius,Wissen- schaftlicher Direktor des Weltprogramms ge- gen Stigma und Diskriminierung der World Psychiatric Association in Genf, in seinem Ein-

gangsreferat. Als Stigma bezeichnet man falsche, in der Regel negative Annahmen über Personengruppen, Individuen oder Dinge, die durch ein bestimmtes Merkmal gekennzeich- net sind (Beispiel: „Psychisch Kranke sind un- berechenbar und gefährlich.“). Diese negati- ven Annahmen oder Vorurteile äußern sich in Einstellungen und im Verhalten – aufgrund ih- res Stigmas werden die Betroffenen benachtei- ligt und herabgesetzt, das heißt diskriminiert.

Nach Sartorius sind die Spezifika der Stigmati- sierung psychischer Erkrankungen:

> Die Ausbreitungstendenz. So bezieht sich das Stigma auf alles, was mit der psychischen Erkrankung zu tun hat: auf den Patienten, sei- ne Familie, die an der Therapie Beteiligten, die behandelnden Institutionen und die Behand- lungsmethoden.

> Die zeitliche Konstanz. Das Stigma psychi- scher Erkrankungen überdauert Generationen.

>Die Tatsache, dass psychische Störungen oft nicht als Krankheiten, sondern als antiso- ziales Verhalten interpretiert werden. So wer- den Depressive beispielsweise häufig als mit- verantwortlich für ihre Störung angesehen.

Stigmatisierung und Diskriminierung führen dazu, dass viele Betroffene aus Scham und mangelndem Selbstwertgefühl heraus zu spät oder gar nicht Hilfe in Anspruch nehmen und sich zurückziehen. Dies trägt zur Zustandsver- schlechterung des Patienten bei und verschärft die Ausprägung der Symptome – ein Teufels- kreis für die Patienten.

Zu den Faktoren, die zur Stigmatisierung beitragen, zählen unter anderem die Sympto- matik der Erkrankung selbst, die Urbanisie- rung, die Komplexität der Arbeitswelt (zum Beispiel hohe Arbeitslosigkeit, Stress im Be- ruf), das Verhalten des medizinischen Perso- nals, die Berichterstattung in den Medien, der geringe Selbstwert der Patienten und ihrer An- gehörigen sowie die demographische Ent- wicklung mit der Verkleinerung der Familie.

Im Gesundheitswesen zeigt sich die Stigma- tisierung psychischer Erkrankungen in vielerlei Hinsicht. Weil man psychisch Kranke als „un- wert“ betrachte, werde beispielsweise die medikamentöse Behandlung stets als zu teuer

erachtet, kritisierte Sartorius. Die Prävalenz psychischer Erkrankungen werde unterschätzt, weil die Krankheit lange versteckt werde und auch die Behandlung im Verborgenen oder überhaupt nicht stattfinde. Darüber hinaus neh- men Patienten aus Angst vor negativen Folgen medizinische Dienste meist nur zögerlich in An- spruch. Psychische Kranke, die auch physisch er- kranken, werden häufig schlechter behandelt.

Dieses Phänomen ist nach Sartorius weltweit zu beobachten: So stirbt in Asien einer von zwei psychisch Kranken an einer komorbiden somati- schen Erkrankung. Hinzu kommt die unge- nügende finanzielle Ausstattung von psych- iatrisch-psychotherapeutischen Einrichtungen sowie die im Vergleich zur allgemeinmedizi- nischen Versorgung schlechtere Vergütung psychiatrisch-psychotherapeutischer Leistungen.

Inzwischen gibt es auf internationaler und nationaler Ebene Aktionsbündnisse, die einer Diskriminierung psychisch Kranker entgegen- wirken wollen. Beispiele sind das 2002 gestar- tete „Mental Health Global Action Programme“

der Weltgesundheitsorganisation WHO oder das vom Weltverband für Psychiatrie (WPA) 1996 initiierte Programm „Open the Doors“, an dem sich rund 20 Länder, darunter auch Deutschland, beteiligen. Das Anti-Stigma-Pro- gramm der WPA sei nicht als kurzfristig ange- legte Kampagne zu verstehen, sondern solle im Hinblick auf die Finanzierung und die Auswahl der Maßnahmen als „normaler Teil“ des Ge- sundheitsdienstes langfristig in die Gesundheits- programme der Länder eingebunden werden, erläuterte Sartorius. „Die Verminderung und so- gar die Beseitigung der Stigmatisierung sind heute möglich“, ist Sartorius überzeugt. Die Ziele der Maßnahmen müssten gemeinsam mit allen Betroffenen – Patienten, Betreuern und medizinischem Personal – aus der Praxis her- aus bestimmt werden. Die Beteiligung der Ärz- te sei hierfür wesentlich.Heike E. Krüger-Brand Norman Sartorius: Der erfolgreiche Kampf

gegen Stigmatisierung steht und fällt mit unserer Bereitschaft, diesen Kampf zu unse- rer eigenen Sache zu machen.

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