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Archiv "Im Reich der Blumen" (12.11.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

Nicola de Maria ist einer der jüngsten Vertreter der modernen italie- nischen Malerei;

in renommierten europäischen Museen und Galerien wurden seine Bilder schon gezeigt;

links: „Uralte Künstler- Kämpfe", 1977

Foto:

Kunstmuseum Krefeld

Nicola de Maria ist ein Poet mit den Mitteln der Malerei, schrieb der ehemalige Museumsdirektor von Mönchengladbach, Johannes Cladders

Im

Reich der

Blumen

Zum Werk des Malers Nicola de Maria

Wolfgang Geisthövel

Ein prächtiges Propylon vor dem Palast. Feierliche Portale, die den Weg ins Innere weisen.

Doch nicht Sphinxe und Löwen bewachen den Eingang und be- zeugen die Macht des Herr- schers, sondern — Farben. Far- ben bedecken in rechteckigen Flächen die Wandteile über und neben den Öffnungen des Ein- gangsraumes im Stedelijk van- Abbe-Museum von Eindhoven.

Das Reich, in das diese Farbpor- tale — Ischtar-Tore moderner Kunst — führen, heißt: Regno dei fiori. Der Name des Herrschers:

Nicola de Maria.

Nicola de Maria legte 1979 in Tu- rin das medizinische Staatsex- amen ab. Aber nicht medizini- scher Meriten wegen hat er in- zwischen weltweite Aufmerk- samkeit auf sich gezogen, son- dern als jüngster der Künstler, die im groben Raster von Grup- pen-Einordnungen unter junge italienische Malerei oder trans- avanguardia italiana oder arte cifra firmieren. Nach großen Ein- zelausstellungen im Jahre 1983

im Museum Haus Lange in Kre- feld und in der Kunsthalle Basel ist vor kurzem eine opulente Schau seiner Werke im Van-Ab- be-Museum in Eindhoven darge- boten worden, flankiert und um- kränzt von kleineren Ausstellun- gen in renommierten europä- ischen Galerien und Museen. In- zwischen haben sich auch ihm — wie bereits seinen Landsleuten Chia, Clemente, Cucchi und Pa- ladino — die Türen nordamerika- nischer und anderer übersee- ischer Museen und Galerien ge- öffnet.

Nicola de Maria wurde im Dorf Foglianise zwischen Neapel und Benevento — altem samnitischen Kulturland — 1954 geboren. 1967 zog die Familie nach Turin. Be- reits zu einer Zeit, als die um ei- ne Generation älteren Künstler der arte povera mit Turin als Zen- trum längst Konstanten der in- ternationalen Kunstszene ge- worden waren, hatte de Maria 1973, gerade achtzehn Jahre alt, seine erste Gruppenausstellung, 1975 dann seine ersten Einzel- ausstellungen. Er ist „in den Jah- ren zwischen 1973 und 1976 oh- ne Umkehr durch eine Reihe von Prüfungen gegangen, in wel- chen er sich vom Paradies der Medien und ihren kalten Bildern (Photographie und Diapositiva) Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 46 vom 12. November 1986 (69) 3213

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Der Maler Nicola de Maria

Besonders sind es die Farben, die die außer- ordentlichen Wirkungen der Kunst de Marias auf den Betrachter ausüben;

Foto rechts:

„Sorridi faccia", 1984

Fotos:

Galerie Carsten Greve, Köln (2);

van-Abbe- Museum, Eindhoven

Seine Bilder sind voller Poesie, das Reich der Blumen, Traumland- schaften, Sehn- suchtschiffren tauchen darin auf, ganz selten Gegenständliches;

Foto links: „Kopf eines Kindes", 1983

Bei vielen seiner Aus- stellungen bemalt de Maria Wände und Ein- gänge, wie hier im van-Abbe- Museum in Eindhoven 1985

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

3214 (70) Heft 46 vom 12. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der Maler Nicola de Maria

befreite und zur Wärme einer malerischen Materie fand, deren Alchemie in unserer Zeit wieder aufzuleben scheint", schrieb 1980 der italienische Kritiker Germano Celant, maßgeblicher Theoretiker der arte povera und gegenüber vielen Äußerungen der jungen Malerei eher auf kriti- scher Distanz.

9 Die Bäume der Nacht lehnen sich gegen die Häuser auf,

Die 1974/75 entstandene Serie von Fotos mit verschiedenen symbolisch ausdeutbaren Ge- genständen in einem abge- schlossenen Raum beendete de Maria mit einer Arbeit, die seine von mehreren Autoren festge- stellte Nähe zur Romantik früh- zeitig belegt: die Dia-Projektion Sieben Monde. Dieses Thema wurde in der Kunsthalle Basel bei der ersten großen Präsenta- tion der jungen italienischen Kunst 1980 überwältigend aus- gemalt. Die Wände eines großen Raumes sind mit wolkigen Blaus unterschiedlicher Tönung be- deckt, und in dieser blauen Raumhülle schweben verstreut sieben gelbe Mondsicheln. Ein einziges kleines Bild mit starken vitalen Farbspuren hängt an ei- ner der Wände.

Die Blume als Zeichen eines poetischen Gegenentwurfes zur technisierten, verwalteten, ver- einnahmenden Welt (Bäume der Nacht lehnen sich gegen die Häuser auf heißt eine Zeich- nung); als Symbol der Bereit- schaft, der Atemnot der Gegen- wart den langen Atem des Indivi- duums entgegenzusetzen, des- sen kosmische Bezüge anderer Art sind als die von Astronauten;

als bildnerischer Ausdruck des Wunsches, sinnhaft dem Vegeta- tiven auf die Spur zu kommen (Ihr Tiere, laßt mich den Duft der Erde verstehen steht auf der Rückseite dieser Zeichnung).

Daß viele Bilder de Marias eine erweiterte, der gewöhnlichen

Betrachtung nicht zugängliche Existenz haben — nämlich die auf der Rückseite —, erlaubt viel- leicht, von einer magischen Komponente seiner Kunst zu sprechen: Farben und Zeichen haben Wirkkraft, unabhängig davon, ob sie zu sehen sind. Mo- derne Höhlenmalerei. Aus sol- cher Quelle könnte auch der Wunsch des Malers stammen, möglichst viele seiner Werke bei einzelnen Personen versammelt zu sehen, wie, um die Bildener- gien zu potenzieren. Oder auch seine nur zögerliche Bereit- schaft, die vielen in den Jahren 1976/77 entstandenen kleinfor- matigen Aquarelle (von de Maria Zeichnungen genannt) und Bil- der öffentlich zu zeigen. Dies ge- lang erst 1983 in einer Ausstel- lung zum Abschluß des dortigen Aufenthaltes de Marias in Kre- feld als erstem Träger des Mies- van-der-Rohe-Stipendiums.

Fenster und Tür sind ein häufig und schon frühzeitig verwende- tes Motiv, das sich leicht in de Marias ideelle Korrespondenz zur Romantik — man denke an die Fensterbilder von Caspar Da- vid Friedrich, Georg Friedrich Kersting und Carl Gustav Carus

— einfügen läßt. Ein anderes be- deutsames Motiv ist die Reise.

Bemalte Koffer und Titel wie Der Wagen, der Nicola de Maria weit wegträgt oder Reise aus dem Reich der Blumen ins Innere des Malers sind Wegmale auf der Su- che — ja, sicher auch nach dem Glück, das in vielen Bildern ge- funden zu sein scheint. Nähe zur

9 Reise aus dem Reich der Blumen ins Innere des Malers, Romantik auch hier: Der Wagen, der den Künstler weit wegträgt, entspricht der selbst noch bei Heine anzutreffenden Sehnsucht in die unendliche Ferne und die ferne Unendlichkeit.

Ein kleines Bild Nicola de Marias heißt Leben als ständige Suche.

Leben als Wanderschaft, als

Weg ohne fixierbares Ende, als Suche nach der unbegrenzten, alles umfassenden Ferne, die das Zuhause (Novalis) sein wird

— ein romantisches Grundmotiv.

Aber die Reise kann auch ins In- nere führen, wo vielleicht eine — immer wieder neue — Verwand- lung stattgefunden hat. Ver- wandlung, Metamorphose als ei- gentlicher Sinn des Reisens (G. Kunert)?

Wenn von Bildtiteln als poeti- schen Andeutungen einer inne- ren Stimmung oder eines Erleb- nisraumes, in dem der Maler sich bewegt, gesprochen wird, dann muß auch das Wort „Musik" ge-

9 Der Wagen, der Nicola de Maria weit wegträgt,

nannt werden. La Musica interna hieß 1980 eine Installation, Musi- ca-Occhi im selben Jahr ein gro- ßes Fresko auf der Biennale in Venedig. Und 1985 findet man in der Malerei selbst — auf Wänden von Museen und Galerien und auf Bildern — Spuren aus der Klangwelt, der von vielen bilden- den Künstlern so hochgeschätz- ten Schwesterkunst.

Nicola de Maria hat ein Medizin- studium absolviert. Der Mensch kommt, ob heil oder beschädigt, in seiner Malerei nicht vor. Stört der Mensch, dem der Mediziner de Maria in der Pathologie — tot, zerteilt, Gegenstand wissen- schaftlicher Neugier—und in der Klinik — krank, schwach, zerstört

— begegnet ist, die ekstatischen Ausflüge des Malers in das Reich der Blumen und des Glücks? Ni- cola de Maria läßt solche Fragen offen. Vielleicht befürchtet er, ei- ne Antwort könne die hermeti- schen Grenzen um das Geheim- nis seiner Bilderfindungen durchlässig machen.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent

Dr. med. Wolfgang Geisthövel Hl.-Geist-Krankenhaus

Graseggerstraße 106, Köln 60 Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 46 vom 12. November 1986 (71) 3215

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