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Verfassungsrichter beschließen: Klage gegen Ermächtigung zulässig

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720 Bayerisches Ärzteblatt 11/2004

Rechtsfragen

Wesentlicher Bestandteil der ambulanten medizi- nischen Versorgung ist das Zulassungswesen.

Mitte August hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dazu einen Aufsehen erregenden Be- schluss gefasst (Aktenzeichen: 1 BvR 378/00):

Wird einem Krankenhausarzt die Ermächtigung erteilt, an der vertragsärztlichen Versorgung teil- zunehmen, können niedergelassene Vertragsärz- te eine gerichtliche Überprüfung der Ermächti- gung verlangen.

Eine Analyse der Rechtsabteilung der Kassen- ärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB):

Zum Sachverhalt

Der Beschwerdeführer – ein niedergelassener Facharzt für Radiologie und Strahlenheilkun- de – hatte sich vor den Sozialgerichten dage- gen gewandt, dass in seiner Region fünf Kran- kenhausärzten Ermächtigungen zur Erbrin- gung strahlentherapeutischer Leistungen er- teilt worden waren. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte seine so genannte „defensive Konkurrentenklage“ in letzter Instanz für un- zulässig erklärt.

Der Beschwerdeführer, der geltend gemacht hatte, in den letzten Jahren mehrere Millio- nen Mark in seine Praxis investiert zu haben, könne gegen die Ermächtigung nicht klagen.

Die maßgeblichen Vorschriften über die Er- mächtigung von Krankenhausärzten schütz- ten allein das Interesse der Versicherten an ei- ner möglichst leistungsfähigen und lückenlo- sen ambulanten vertragsärztlichen Versor- gung. Ziel der genannten Rechtsnormen sei es, weder Konkurrenz von den niedergelasse- nen Vertragsärzten fernzuhalten noch ihre vertragsärztliche Tätigkeit vor wirtschaft- lichen Gefährdungen zu schützen. Lediglich bei willkürlicher Erteilung von Ermächtigun- gen sei ein niedergelassener Vertragsarzt bei wirtschaftlicher Beeinträchtigung anfech- tungsbefugt.

Das BVerfG teilte die Rechtsauffassung des BSG nicht. Es hat dieses Urteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen Der Gesetzgeber hat den Vertragsärzten für den gesamten Bereich der ambulanten Ver- sorgung gesetzlich Versicherter Vorrang

Konsequenzen

Die Entscheidung des BVerfG bezieht sich ausdrücklich nur auf die Ermächtigung von Krankenhausärzten zur Teilnahme an der ver- tragsärztlichen Versorgung. Wegen der Be- sonderheit des Vorrangs der niedergelassenen Vertragsärzte ist diese wohl nicht auf andere Fallkonstellationen, wie beispielsweise die Klage eines niedergelassenen Arztes gegen die in seinem Planungsbereich von den Zu- lassungsgremien ausgesprochene Sonderbe- darfszulassung eines anderen Arztes, über- tragbar. Es ist davon auszugehen, dass sich hierzu das BSG, an das der Rechtsstreit zu- rückverwiesen wurde, äußern wird.

Das BSG wird sich in diesem Zusammen- hang auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Konsequenzen sich für das Verwaltungsverfahren aus der Dritte schüt- zenden Wirkung der Regelungen über die Ermächtigung von Krankenhausärzten erge- ben. Insbesondere wird es zu entscheiden ha- ben, ob und gegebenenfalls welche niederge- lassenen Ärzte über die Ermächtigungen von Krankenhausärzten zu benachrichtigen sind.

Den Aufwand, den die Beteiligung der nieder- gelassenen Ärzte bei der Entscheidung über die Ermächtigung eines Krankenhausarztes verursacht, hat das BVerfG unter dem Aspekt

„Prozesspraktikabilität“ angesprochen. Der Hinweis auf die besonderen Beiladungsbedin- gungen im Massenverfahren gilt jedoch nach der zitierten Bestimmung des Sozialgerichts- gesetzes nur für das sozialgerichtliche Verfah- ren und nicht für das Verwaltungsverfahren vor den Zulassungsgremien. Insoweit ist eine klärende Aussage des BSG abzuwarten.

Die Tatsache, dass die defensive Konkurren- tenklage nunmehr zulässig ist, hat aber nicht zur Folge, dass dadurch die Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der Ermäch- tigung auf Dauer verhindert werden könnte.

Eine solche Klage hat zwar zunächst auf- schiebende Wirkung; häufig wird der er- mächtigte Krankenhausarzt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Zulas- sungsgremien betreffend die Ermächtigung beantragen. Hierüber ist dann vom Sozialge- richt einzelfallbezogen zu entscheiden.

KVB

Verfassungsrichter beschließen:

Klage gegen Ermächtigung zulässig

gegenüber den Krankenhausärzten einge- räumt. Dieser Vorrang der Vertragsärzte kor- reliert mit ihrem Anspruch auf Rechtsschutz nicht, wenn Zulassungsgremien die gesetzge- berische Entscheidung respektieren.

Es verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG – so das BVerfG –, wenn dieser Rechtsschutz (die so genannte defensive Konkurrentenklage) nur gewährt wird bei besonders schweren mate- riellen Mängeln der Begründetheit einer an- gefochtenen Ermächtigungsentscheidung.

Dem im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und in der Ärzte-Zulassungsverordnung angeordne- ten Vorrang der niedergelassenen Vertrags- ärzte kommt im Lichte des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG vor dem Hintergrund res- triktiver Bedarfsplanung und limitierter Ge- samtvergütung auch drittschützende Wirkung zu: Diese Ärzte sind also befugt, Ermäch- tigungsentscheidungen, die Krankenhausärzte begünstigen, gerichtlich anzufechten.

Zum Inhalt des Grundrechts der Berufsfrei- heit führt das BVerfG aus:

„Zwar gewährt Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Vertragsärzte haben aufgrund ihres Zulassungsstatus auch keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung ei- ner wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit.

Eine Wettbewerbsbeschränkung durch Ein- zelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge hat, kann aber das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel steht.“

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist, wie das BVerfG ausführt, primär auf den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der in ihr zusammengeschlossenen Ärzte- gruppen angelegt. Nach der Rechtssprechung des BSG hat aber das einzelne Mitglied nicht die Möglichkeit, seine KV zur Einlegung von Rechtsbehelfen zu verpflichten. Die plural besetzten Gremien können nicht gewährleis- ten, dass Grundrechtsverletzungen unterblei- ben. Dies war ein weiterer Grund dafür, dass das BVerfG den niedergelassenen Vertrags- ärzten eine gerichtliche Überprüfung der Er- mächtigung eines Krankenhausarztes zuge- stand.

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