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187

Die alten Eeligionen in Erän.

Von F. Spiegel.

Als man in Europa anfing, sich ernstlich mit dem Awesta zu

beschäftigen , da war die allgemeine Ansicht , dass man in diesem

Buche ein Werk des hohen Altertums vor sich habe, die Form

einer Religion, die sich erst seit kurzem von der indischen getrennt

habe. Die Aufmerksamkeit richtete sich daher ausschliesslich auf

die Punkte, in welchen Inder und Eränier übereinstimmten und man

fand auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Berübrungspimkten,

welche auf eine von beiden Völkem gemeinsam durchlebte Periode,

die sogenannte arische Vorzeit, hinwiesen. Je mehr man indessen

in das Wesen der eränischen Rehgion eindrang, desto deutlicher

zeigte es sich, dass damit allein die Sache nicht abgethan sei ; neben mehreren Errangenschaften, welche der selbständigen Entwickelung

des eränischen Geistes zugeschrieben werden mussten, zeigten sich

auch Spuren eines Einflusses, der von Westen, von den Semiten

ausgegangen war. Zwei Dinge aber besonders sind es , welche zu

einer vollständigen Umgestaltung der früheren Ansicht geführt

haben: bei näherer Betrachtung stellte es sich heraus, dass die

Religion , welche in den Inschriften der Achämenidenkönige er¬

scheint, keineswegs identisch sei mit den Lehren des Awestä, wie

man dies früher angenommen hatte. Es ist meines Wissens Harlez'),

der zuerst auf diese Verschiedenheit aufmerksam gemacht hat. Er

hat auch gesehen, dass sich im Awestä Ideen finden, welche nicht

bloss mit dem Semitismus , sondem geradezu mit den Lehren des

A.T. übereinstimmen, er setzte diese Berühmngspunkte in eine sehr

frühe Zeit, in das 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Ein

zweiter Punkt war die gewonnene Überzeugung , dass das Awestä

keineswegs den Anspruch auf das hohe Alter habe , das man ihm

anfangs zuschrieb. Breal hat darauf hingewiesen, dass das Buch

wenigstens in späterer Zeit Zusätze erhalten haben müsse, als die

Sprache des Buches schon eine tote Sprache war und bemerkte

dabei, dass die Sprache desselben kein vollgültiger Beweis für sein

1) Avestä traduit par Harlez, 2>ne Edition. Introd. p. I fg. und CCVI.

(2)

188 Spiegel, Die alten Religionen in Eran.

Alter sei, da man zugeben muss, dass auch Bücher in einer todten

Sprache geschrieben werden können. Der trockne Stil des Buches

weist nicht auf ein hohes Alter hin, die Vorschriften desselben

sind ausserordentlich kleinlich und die untergeordnetsten Gegen¬

stände haben denselben geheiligten Charakter wie die wichtigsten.

Bezeichnungen für die Geschäfte der Priester gieht es neun, während

für die Krieger und die Ackerbauer nur je eine Bezeichnimg er¬

scheint. Während der Lohn für die Arzte nach dem Vermögens¬

stande bestimmt wird , zahlt der Priester nur mit einem frommen

Segensspruche, wenn aber der Priester mit dem Lohne, den er für

seine Reinigungen erhält, nicht zufrieden ist, so bleibt das ganze

Haus unrein. Der Hass gegen alle , welche unrechtmässigerweise

das Amt eines Priesters übemehmen, tritt an mehreren Stellen deut¬

hch hervor. Das Buch ist sehr fanatisch, wer nicht Mazdayasna

ist, gehört zu den Daevayasnas. Die falschen Priester reinigen

nicht, sie vermehren nur die bestehende Unreinheit. Gebete haben

eine grosse Wirkung, aber nur, wenn sie in der vorgeschriebenen Weise und zu richtiger Zeit verrichtet werden.

Später hat sich Darmesteter das Verdienst erworben, die Por¬

schung über das Awestä auf den richtigen Standpunkt zu stellen,

auf den sie eigentlich von allem Anfange an hätte gestellt werden

sollen. Er sieht im Awestä das Religionsbuch der Säsäniden und

fragt, wie weit die in ihm erhaltenen Lehren in eine frühere Zeit

zurückreichen können , nicht aber, was einem bloss vorausgesetzten

uralten Buche zugesetzt sei. Er hat sehr richtig gezeigt, dass

Schriften wie Yasna 9 erst in der Zeit der Arsakiden entstanden sein

können. Dort wird nämlich gesagt, dass der Gott Haoma die Eränier

von dem Keresäni befreite, ein Wort, das Räuber oder Bandit be¬

deuten muss. Da an der Stelle von der Zeit nach dem Auftreten

des Zarathushtra die Rede ist, so kann nur ein Menscb an dieser

Stelle gemeint sein , ein Dämon , an den man früher dachte , ist

gänzUch ausgeschlossen, da wir einige Zeilen früher belebrt werden,

dass Zarathushtra die Leiber aller Dämonen vemichtet hat, so dass

sie seit dieser Zeit sich nicht mehr auf der Erde zeigen können.

Da also ein menschlicher Widersacher Zarathushtras gemeint sein

muss, so erwartete man hier den Namen Alexanders des Grossen

zu finden, der ja bei den Parsen stets als der hauptsächlichste Peind

ihrer Religion gilt, statt dessen ist ein Wort gewählt, welches nur

im allgemeinen einen Räuber bezeichnet. Ich erkläre mir dies aus

der Thatsache , dass der Zug Alexanders zwar als der Beginn der

eränischen Wirren gelten muss, das Ende derselben aber nicht mit

dessen Tode zusammenfällt, sondem das Land noch Jahrhunderte

fremden Herrschem unterthan blieb. Da nun Haoma zwar diese

Räuber verjagt, nicht aber den legitimen Herrscher wieder herstellt,

so wird das angeführte Schriftstück in die Zeit der sogenannten

Teilkönige gesetzt werden müssen, d. b. in die Zeit, als es wieder

einheimische Herrscher in Erän gab , von denen aber keiner An-

(3)

Spiegel, Die alten Religionen in Erän. 189

sprach auf die Anerkennung durch das ganze Land machen konnte,

wie dies ja zur Zeit der Arsakiden der Fall war.

ünter diesen Umständen ist es für uns von grosser Wichtig¬

keit, zu erkennen, wie die Rehgion der alten Eränier beschaffen

war , ehe die Lehren Zarathushtras in Wirksamkeit traten. Wir

haben dazu drei ganz unverdächtige Quellen, die auf das schönste

übereinstimmen, die Keilinscbriften der Achämenidenkönige, den

Bericht Herodots üher die ReUgion der alten Perser und die An¬

gaben des Shähnäme. Diese drei Berichte wollen wir nun kennen

lernen.

In den altpersischen Keilinschriften steht an der Spitze der

Welt der grosse Gott Auramazdä, der grösste aller Götter, der diese

Erde imd jenen Himmel geschaffen hat. Die ganze Erde gehört

hiemach dem Auramazdä, er hat jedoch dieselbe dem Könige von

Erän zur Verwaltung übergeben. Wie nun Auramazdä alles ge¬

schaffen hat, so tötet er auch diejenigen, welche ihm nicht ge"horchen,

er rottet ihre Familien aus (Bb. 4, 11. 17). Dass böse Wesen

nicht unbekannt waren, sieht man aus verschiedenen SteUen, nach

A. 19 flg. werden Misswachs und Lüge ausdrücklich genannt, nament¬

Uch die letztere, die als persönhches Wesen (drauga) gedacht wird,

ist zu beachten. Zu diesen Vorstellungen stimmt auf das beste

Jesaia 45, 7, wo Koresh im Namen Jehovas verkündigen soU: ,ich

bin der BUdner des Lichts und der Schöpfer der Finsternis, der

Geber des Friedens und der Schöpfer des Bösen, ich, Jebova, mache

alles dieses". Nirgend findet sich eine Hinweisung auf ein böses

Princip. Dass übrigens Auramazdä die Welt nicht aUein regiert,

sondem mit Hilfe anderer Götter, haben wir schon gesagt. Wie

viele Götter es ausser ihm giebt und wie sie heissen, darüber teüen

uns die KeiUnschriften nicbts näheres mit , nur an einer Stelle

(S. 4—5) werden Mithra und Anähita genannt. Meiner Ansicht

nach haben sie diese Auszeichnung dem ümstande zu verdanken,

dass man sie als die Voreltem des Königsgeschlechtes betrachtete.

Vervollständigen lassen sich diese Angaben der Keüinschriften über die alte Religion durch die Angaben Herodots, die gleichfalls

auf Vollständigkeit keinen Ansprach machen können, sonst aber

die höchste Beachtung verdienen. Er sagt, die Perser opferten

dem Zeus auf den höcbsten Bergen, indem sie den ganzen ümkreis

des Himmels Zeus nennen. Es ist mir am wahrscheinlichsten, dass

unter dem ümkreise des Himmels Auramazdä gemeint ist, den üm¬

kreis des Himmels als besondere Gottheit kennen die Eränier zwar

auch , schwerhch aber bat man derselben jemals Opfer gebracht,

da sie als ein gegen die Schicksale der Menschen vollkommen teil¬

nahmloses Wesen betrachtet wurde. Ausserdem nennt Herodot nocb

andere eränische Götter, die Sonne, den Mond, die Erde, das Feuer,

das Wasser und die Winde. Daneben nennt er noch Mitra oder

die Venus, eine Gottheit, welche die Perser von den Assyrem an¬

genommen haben sollen. Dass hier ein Irrtum vorUegt, ist längst

(4)

190 Spiegel, Die alten Religionen in Erän.

anerkannt. Die Venus heisst bei den Eräniem nicht Mitra, sondem

Anähita, Mitra ist damals wohl wie noch jetzt Name der Sonne

gewesen, Herodot nennt uns also hier dieselben Götter, die wir

schon in den Keilinschriften gefunden haben. Was Herodot über

die Opfer und die übrigen Sitten der Eränier mitteilt, wird voll¬

kommen zuverlässig sein. Er sagt, dass die Perser es ausser den

kriegarischen Tugenden als ein hervorragendes Verdienst betrachten,

viele Kinder zu haben (1, 136). Die Kultivierung der Erde wurde

scbon damals als etwas sehr verdienstliches angesehen. Die Perser

urinieren nicht in die Flüsse und speien nicht in dieselben, weil

dadurch das Wasser derselben vemnreinigt vriirde (Her. 1, 138),

sie leiden auch nicht, dass man die Toten verbrenne (Her. 3, 16),

man begräbt auch die Toten nicht, weil man dadurch die Erde ver¬

unreinigen vriirde, wenigstens die Magier thun dies nicbt (Her. 1,140).

Die Perser bringen blutige Opfer, die von den Magiern dargebracht

werden (Her. 1, 132). Die Magier machten sich schon damals ein

Verdienst daraus, schädhche Tiere, wie Schlangen und Ameisen, zu

töten (Her. 1, 140). Alle diese Dinge lassen sich leicht mit den

religiösen Ansichten vereinigen, die wir oben besprochen haben, sie

beziehen sich alle auf das Leben in dieser Welt. Einen Hinweis

auf das Leben nach dem Tode darf man in den Worten des Prexaspes

sehen, der (Her. 3, 62) zu Kambyses sagt: „Wenn die Toten auf¬

erstehen, dann erwarte du auch den Astyages wieder zu sehen".

Unverkennbar ist hier auf die Auferstehung und ein künftiges

Leben angespielt.

Weitere Aufklärungen über die ältere eränische Religion können

wir von Firdosi erwarten, denn auch das alte Königsbuch musste

eine solche voraussetzen, da Zarathushtra erst spät nach dem Schlüsse

der eigentlichen Heldenzeit erscheint. Da nun die alten Helden

nicht bloss tapfere, sondern auch fromme Männer gewesen sein sollen,

so müssen sie Gott nach ihrem besten Wissen, wenn aucb in weniger

vollkommner Art als die Zarathushtrier verehrt haben. Der aus

dem alten Königsbuche entnommene Teil des Shähnäme zeigt nun

durchgängig diese alte Religion, während die einzige aus einer

anderen Quelle entnommene Episode von Bezhan und Manezha ganz

mit den Ansichten des Awestä übereinstimmt. Die ganze Reihe

der alten Götter erscheint Shäh. 777, 8 in dem Weltenspiegel:

c i'^j J^j

OJs>-f i-ij-^ } ^ß

Li ^.,5^JJI

tyt^J •^ri »-^Jj-^

j^s j-^-i »i-« ya-i

(5)

Spiegel, Die aüen Religionen in E!rän. 191

(, Von derWirksamkeit und den Kennzeichen des grossen Himmelh

machte er (der Weltenspiegel) alles deutlich : das Wie, Warum und

Wieviel. Vom Fische bis zum Widder war in ihm alles zusammen

abgemalt: Kevan und Hormuzd und Behräm (Mars) imd der Löwe,

die Sonne, der Mond und Nähid (Venus) und Tir (Merkur)'.)

Die Anfänge der verschiedenen Briefe zeigen am besten die

religiösen Ansichten, so beginnt Rostem einen Brief an seinen

Vater (p. 172, ult.):

jjS' c\J»!v>3- jj j^Jji! liiw-Äj tXjjS^s» j jLo

ji^i ch^i oo^lJ^.

jfA*» »A-yiy ji lAj^lAi»

(, Zuerst sei Preis dem Herm der Sonne, dem Herrn der Schlangen

und Ameisen, dem Herrn der Nähid, des Kevän und der Sonne,

dem Herrn dieses ausgebreiteten Himmels'.) Ein Brief Nauders beginnt (p. I fi, ult.):

jl c;^*«..Äi jjS>^ O^Uj cijf? OJjUi»

(„Zuerst wurde der Name des Weltenschöpfers erwähnt, des

Herren des Behräm, der Nähid und der Sonne'.)

Ebenso schreiht Käus an Siyävakhsh (p. 417, 1 flg.):

J-^^jf j) 0=i/' c;^-»'^-^

JjP's iji^lJoJ^lO^-

"^s r'j*^5 L-jlr^ iJj^sUi*

(„Zuerst pries er den Schöpfer, den Herrn der Ruhe und des

Kampfes, den Herrn des Kßvän, des Behräm und des Mondes'.)

Afräsiäb hat dieselben Ansichten wie die Eränier, dämm be¬

ginnt sein Brief an Pulädvend (p. 733, 15):

«iLj ^f QH/i ci'w^^.j^J

.j ii>>-«~j.^

jit^ O^^/i j^.jt^ Jb^tAs-

ji/o !>t\Äji3-j^ i\f:9^J lXJjIiX5>

(6)

192 Spiegel, Die alten Religionen in Erän.

(,Zuei"st preise den reinen Schöpfer, von dem Kraft und Ver¬

derhen kommt, den Herm des K6vän und des drehenden Himmels,

den Herm der Nfthld und der leuchtenden Sonne'.)

Aus dieser Gleichheit der Rehgion erklärt es sich auch, dass

Afräsiäb den Abfall des Gushtäsp von der alten Religion so übel

nimmt, dass er ibn zum Gmnde eines Kriegszuges macht. Von

Gushtäsp selbst heisst es beim Antritte seiner Regierung (p. 1066, 5):

(„Er brachte seine Verehrung der Sonne dar, so vrie es die

Sitte der Jemshed war'.)

Dass auch den hösen Mächten in dieser Religion schon eine

Rolle zugedacht war, ist gewiss, da aber auch die bösen Wesen

Geschöpfe des Auramazdä sind, so stehen sie zu demselben in dem¬

selben Verhältnisse , wie menschliche Aufrührer zu ihrem recht¬

mässigen Oberherm.

In diesen rehgiösen Rahmen lassen sich auch alle Bestandteile

der arischen Rehgion ohne Schwierigkeit einordnen. Da die alten

Eränier Feuer und Wasser im allgemeinen verehrten, so ist es kein

Widersprach, wenn wir auch besondere als beilig betrachtete Feuer-

und Wasserarten finden. Auch die AnfUnge der Heldensage können

wir bis in jene Zeit verfolgen, am vrichtigsten sind uns jedoch die

Ausserangen über die bösen Mächte, die yätu und drujas, die wir

demnach mit Sicherheit in dieser älteren eränischen Religion an¬

nehmen dürfen.

Nachdem wir nun die ältere Religion in ihren Grandzügen

kennen gelernt baben, werden wir bestimmen können, welche Ver¬

änderungen die Reform Zarathushtras an derselben hervorgebracht

hat. Das Auftreten Zarathushtras wird unter die Regierang eines

Königs Vishtäspa gesetzt, der als ein Anhänger der neuen Religions¬

form und als der Beschützer ihres Urhebers gilt. Dieser Vishtäspa

wird der Sobn eines Königs Aurvad-aspa genannt. Darmesteter hat

richtig gesehen , dass Aurvat-aspa ein mythologisches Wesen ist*),

vrie er glaubt, identisch mit Apäm napät,, dem dieser Name öfter

beigelegt wird , nach meiner Ansicbt ist er die Sonne , die gleich¬

falls diesen Namen fiihrt ; Vishtäspa hat also einen mythischen Vater

imd muss selbst eine mythische Person sein. Sicher ist, dass der

Name Vishtäspa in keinem der uns bekannten eränischen Königs¬

geschlechter erscheint, ein eränischer Grosskönig kann also Vishtäspa

sicher nicht gewesen sein, ausgeschlossen wäre aber darum nicht,

dass er ein Unterkönig (dahyupati) von Macht und Ansehen ge¬

wesen sei, den wir in irgend eine passende Zeit setzen können.

1) Zend-Avesta T. III, p. LXXXII, not.

\j0^jy> j/ ^ j^y^

(7)

Spiegel, Die alten Religionen in Erän. 193

Nach der Achämenidenzeit würden wir unseren Vishtäspa setzen

müssen, wenn wir der Vlshtäspalegende historische Bedeutung bei¬

legen wollten, denn nach ibr soll Vishtäspa als junger Mann nach

Griechenland gewandert sein und sicb dort durch verscbiedene

Heldenthaten bervorgethan und die Tochter des griecbischen Kaisers

geheiratet haben. Da diese Geschichte erst erfunden sein kann,

nachdem es einen griechischen Kaiser gab , so würde sie uns in

eine sehr späte Zeit weisen, wenn sie echt wäre. Es lässt sich aber leicht nachweisen, dass sie dies nicht ist. Glücklicherweise erzäblt ims Chares von Mitylene dieselbe Geschichte, er macht den Vishtäspa

zum Sohn des Adonis und der Aphrodite und nennt" ihn einen

König von Medien; aber die Heiratsgeschichte steht mit Vishtäspa

in keiner Beziehung, sondem betriift seinen Bmder Zariadres, auch

ist die Braut keine griechische Prinzessin, sondern die Tochter eines

Königs Omotas, der jenseits des Yaxartes wohnte. Es ist klar, dass

diese Passung der Erzählung die ältere ist und dass die Heirat

erst später auf den Vishtäspa übertragen und nacb Griechenland

verlegt wurde, um dem Vishtäspa durch die Verheiratung mit einer

griecbischen Prinzessin ein grösseres Anseben zu geben. Der Zug

des Vishtäspa nach Griechenland und seine dortigen Thaten ent¬

behren darnach des historischen Hintergmndes und fallen weg;

dasselbe ist aber auch mit allen seinen übrigen Heldenthaten der

Fall, weicbe im Awestä erzählt werden. Ich habe schon vor Jabren

darauf aufmerksam gemacbt, dass diese Thaten nur Wiederholung

anderer schon in der alten Heldensage berichteten Ereignisse sind,

man wollte eben den Beschützer des wabren Glaubens auch an

politischer Bedeutung nicht hinter den grossen Königen der Vor¬

zeit zurückstehen lassen und hat daher für ihn eine AnzabI grösserer

Kriegszüge erfunden, welche sich noch darum über die Züge der

älteren Helden erbeben, dass sie nicbt zu irdischen Zwecken, sondem

für die Verbreitung der wahren Beligion geführt wurden.

Wir können iilso in den Erzählungen von Vishtäspas Thaten

einen historischen Kern nicht finden , er ist eine mythische Person

und steht in ganz mythischer Umgebung. Sein Verhältnis zu Zara-

tliushtra ist daram auch nicht geschichtlich beglaubigt. Möglich

ist es daram immerhin, dass dieser unter einem Könige Vishtäspa ge¬

lebt hat, an der historischen Person des Zarathushtra können wir

nicht zweifeln, da wir ja seine Religion noch vor uns haben. Es

bandelt sich nur daram, zu bestimmen, wo und wann er gelebt hat.

Über diese beiden Punkte hat neulich Jackson ausführlich gehandelt,

an seine Ansicht scbliesse auch ich mich an. Sicher ist, dass die

Reform Zarathushtras gegen das Ende der Achämenidenherrschaft

schon vorhanden war, denn Aristoteles und Tbeopomp kennen die

Namen Ormuzd und Ahrimun und machen Angaben über die Dauer

der Welt, weicbe mit denen der Zarathushtrier übereinstimmen.

Nach allem , wass wir von der alten Religion Eräns wissen,

scheint dieselbe hauptsächlich auf die Verhältnisse dieser Welt be-

Bd. LII. 13

(8)

194 Spiegel, Die alten Religionen in Erän.

rechnet gewesen zu sein. Diese hat Auramazdä geschaffen und

erhält sie fortwährend. In seiner Wirksamkeit wird er unterstützt

von mehreren Göttem, welche er geschaffen hat vmd die unter ihm

stehen, sowie von seinem Stellvertreter auf Erden, dem Könige von

Erän samt dessen ihm gehorsamen Unterthanen. Gehindert wird

er nur von manchen Wesen, die er geschaffen hat, die sich aber

gegen ihren Scböpfer empört baben und die selbstsüchtige Zwecke

verfolgen. Mehr im Hintergrunde steht eine andere Welt, in welche

die Verstorbenen eintreten und dort Lohn oder Strafe für ihr

Wirken in dieser Welt erbalten. Alle diese Dinge ändem sich

wesentlich in der Religion , welche Zarathushtra gestiftet hat. Es

erscheint nun eine ausführlich beschriebene Göttenvelt, welche als

die Hauptsache gelten muss , die irdische Welt erscheint nur als

die Vorbereitimg auf die zukünftige himmUsche , die Erde ist nur

geschaffen als ein vorübergehendes Mittel , um die künftige Welt

möglich zu machen und wird verschwinden , wenn dieser Zweck

erreicht ist. Die alten Anschauungen werden nun wesentlich ver¬

ändert, Auramazdä hört auf, der Schöpfer des Himmels und der

Erde zu sein, er wird zum Spento mainyush degradiert, alle Ver¬

antwortung für das Böse in der Welt wird ihm zwar abgenommen,

aber auch die unbeschränkte Herrschaft, welche er erst nach einigen

Jahrtausenden erhalten soll. Für die Gegenwart erhält er in Agro

mainyush einen ihm ursprünglich an Macht ganz gleichstehenden

Nebenbuhler, der alle bösen Geschöpfe geschaffen bat und zwar mit

der bestimmten Ahsicht, mit ihrer Hilfe die Gescböpfe des guten

Geistes zu vernichten. Spento mainyush ist indessen weise und

voraussehend, Agro mainyush dagegen unweise und kennt die Folgen

seiner Handlungen erst, nachdem er sie gethan hat. Dieser Kampf

des Spento mainyush mit dem Agro mainyush beschäftigt gegen¬

wärtig die Welt unaufhörlich, infolge desselben hat sich die Macht

des Spento mainyush vermehrt, die des Agro mainyush vermindert,

doch bleibt noch immer viel zu thun übrig, ehe die Herrschaft

des Guten zur Macht gelangen kann. Jeder der beiden Schöpfer

bat sich mit passenden Gehülfen versehen, die ihn unterstützen.

Die alten Planetengötter genügen für die Zwecke des Spento main¬

yush nicht , sie mussten weichen und werden sogar zum Teil dem

Reiche des Agro mainyush zugewiesen, Jupiter, Saturn, Venus und

Merkur sind zu bösen Wesen geworden ; da sie aber nach ihrer

früheren Bedeutung gute Namen führten, wie Auramazdä und Anä¬

hita , so nahm man an , sie seien an den Himmel gefesselt worden

und bätten gute Namen erbalten, weil sie auf diese Weise weniger

Schaden stiften könnten. Spento mainyush wurde nunmehr mit einer

Anzahl rein geistiger Wesen verstärkt, welche die Namen Ames'a

spenta erhielten; ibre Wirksamkeit ist natürlich besonders geistiger

Art , wenn ihnen auch die Aufsicht über die irdiscben Angelegen¬

heiten zugeschrieben wird, so ist dies erst später geschehen und

eigentlich ganz übei-flüssig. Die Entstehung der Ames'a spentas

(9)

Spiegel, Die alten Religionen in Erän. 195

möchte ich in dieselbe Zeit setzen , in welcher Spento mainyush

entstand, ohne ibn können sie nicht existieren. Als Gehülfen des

Agro mainyush wird nun auch eine entsprechende Anzahl von Daevas

geschaffen, welche aher weniger genau beschrieben werden als ihre

Gegner, die Ames'a spentas. Es ist meine Ansicht, dass das Wort

daeva erst in dieser Zeit die schlimme Bedeutung erhielt , welche

es in Erän im Gegensatze zu den übrigen indogermanischen Sprachen

hat. Die ganze bereits bestehende Götterwelt wird nun unter die

beiden Principien verteilt und neue Götter dazu geschaffen, die

durch ihre abstrakte Bedeutung sich leicht von den älteren Gott¬

heiten abscheiden. Bisweilen mussten eigentümliche Unterscbeidungen

gemacht werden, so konnte die Göttin Anähita nicht mebr mit dem

Steme gleichen Namens vereinigt bleiben , da dieser zu den bösen

Wesen gehört. Mithra wurde von der Sonne geschieden und seine

Wirksamkeit bloss auf das Licht des Morgens beschränkt.

Aus dem Gesagten erhellt, dass wir Schriften über die Religion Zoroasters in der älteren Zeit nicbt suchen dürfen, dass sie frühestens aus den letzten Jahrhimderten der Achämenidenzeit, wahrscheinlich

aber zum grössten Teil erst aus der Zeit nach der Eroberang

Alexanders stammen werden. Die Darstellung der eränischen Reli¬

gion, welche ich in meiner Altertumskunde hauptsächlich nach den

Angaben des Awestä gegeben habe , ist daher nur für die spätere

Zeit, hauptsächlich für die Zeit der Säsäniden zutreffend. Scbriften

aus der älteren Periode der Religion werden die Zarathushtrier

sich nicht bemüht haben zu erhalten, dieselbe galt ihnen als über¬

wundener Standpunkt. Ob solche Werke bestanden haben, sind wir

nicht einmal in der Lage mit Sicherheit zu behaupten, wir kennen

den Zustand der Kultur im älteren Erän zu wenig, wir wissen gar

nicht, ob die alten Eränier Schreibmaterialien besassen, weicbe sie

in den Stand setzten, grössere Werke zu verfassen. Jedenfalls war

ein Buch ein umfangreiches und teueres Besitztum und nicht jeder

Priester war in der Lag§, ein solches zu besitzen. Die Religion

Zarathushtras ist daher hauptsächlich auf mündliche Tradition be¬

rechnet, die Priester werden nicht angewiesen, durch das Studium

irgend welcher Schriften ihre Kenntnisse zu vermehren, sondern

sich einen zuverlässigen Lehrer zu sucben , der ihnen die nötigen

Kenntnisse in ricbtiger Weise überhefere. Mit diesem durch münd¬

lichen Unterricht erlangten Wissen dürften sich die meisten Priester

begnügt haben. Dass von der Zeit an, wo es geschriebene Religions¬

büeher gab, das Studium derselben für sehr verdienstlich galt,

versteht sich von seihst, aber eine unerlässliche Pflicht war es

nicht. Die Klage, dass Alexander die eränischen Religionsbücher

vemichtet habe, kann sicb nur auf ganz vereinzelte und zufällige

Vorkommnisse beziehen , denn religiöse Unduldsamkeit lag damals

noch nicbt im Geiste der Zeit und Alexander wird auch nicht so

thöricht gewesen sein, durch die Verfolgung der Priester, die er

bei der Regierung von Erän gar nicht entbehren konnte, sich seine

(10)

196 Huart, Le dM au temps de Timoür.

ohnehin schwierige Aufgabe zu erschweren. MögUcherweise ist diese

Ansicht nur dadurch entstanden , dass man in späterer Zeit nicht

viel Schriftliches fand, das über seine Zeit hinausgereicht hätte.

Dass sich aber später eine nicht unbedeutende Litteratur entwickelte

wird nicbt zu leugnen sein. Man denke nur an die verschiedenen

Metra , in welchen die verschiedenen Abteilungen der Gäthas ge¬

schrieben sind. Selbst wenn wir annehmen, dass diese Stücke nicht

aus grösseren Werken entnommen, sondern eigens für den vorliegen¬

den Zweck geschrieben wurden, wird man doch nicht behaupten

wollen, dass diese Metra nur für diese, oft nur aus wenigen Zeilen

bestehenden Gebete erfunden worden sind.

Le der! au temps de Timoür.

Von CI. Huart.

La traduction persane abregee du recueil de traites philoso¬

phiques des Lft*aJ| ^.^ysA publiee ä Bombay en 1884 par Mirzä

Mobammed Chiräzi, sur I'ordre du Seyyid Mohammed Qiddiq Hasan-

Kbän Babädour, souverain de Bhopal, contient, p. 3, le passage

suivant :

gL>ui ^yiX\ V-ä**« *LfJ iX**" ^jf'^L*« u«-l^ (jr'j u^j

öUj! qa*:^ ^JSjß jy*-!^ j^'"' u^Ij-^ ^J*'-♦.ii t>5^UJ!

yXX^ Jä) i^y> ^*»jLo \_Ä**/i) ^jS !jLä*aJt ijjj^! UjLÄi' ^jI

„Donc l'avis emis d'un commun accord par le conseil illustre du

Seigneur magnifique , etc. l'Emir Timoür Keurfegen , fut que ce

pauvre ecrivain traduirait le livre des Ikhwän u(j-(^'afä en persan

dt'ri "

Or cette traduction est 6crite en persan modeme. II en resulte

qu'au temps de Tamerlan la langue litteraire de la Perse moderne

etait connue sons le nom de deri ou „langue de la cour".

1 7

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