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(1)629 Ueber das Vaterland und das Zeitalter des Awestä

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629

Ueber das Vaterland und das Zeitalter des Awestä.

Von F. Splegrel.

Das Interesse an dem Inhalte des Awestä ist der Kenntniss

des Buches selbst um ein halbes Jahrhundert vorangeeilt. Bereits

ehe man über den Inhalt desselben irgend etwas wusste, hat man

sich über den Werth oder Unwerth seiner Lehren gestritten, später

hat man sich viele Jahre hindurch an eine Uebersetzung des

Awestä gehalten, ohne sich zu fragen, ob sie auch mit dem Sinne

des Textes übereinstimme. Bei dieser Lage der Dinge ist es

nicht zu verwundern, dass neben mancher werthvollen Beobachtung

auch falsche Ansichten und Vorurtheile sich geltend machen konn¬

ten, Lehrmeinungen, in welchen auch diejenigen befangen waren,

welche sich vorsetzten ihre Zeit zur Erforschung des Awestätextes

zu verwenden, Uebcrzeugungen, die nur langsam und ungem einer

besseren Erkenntniss weichen wollen. Eine solche falsche Lehre

scheint mir nun auch die Ansicht von dem hohen Alter des Awestä

zu sein. Es ist dies eine Meinung, die ich selbst viele Jahre

lang getheilt und vertreten habe, ehe ich mich genöthigt. sah, dem

Gewicbte der Thatsacben gegenüber die frühere Ansicht mit einer

andern zu vertauschen; anderen Forschem auf diesem Gebiete ist

es , wie ich sehe , ähnlich ergangen und es dürfte daher nicht

überflüssig sein, einmal zusammenzustellen, was sich für die neue

Ansicht sagen lässt und welche Gründe gegen die alte sprechen.

Wir dürfen es als eine feststehende historische Thatsache

betrachten , dass unter der Herrschaft der Säsäniden der Oberste

der Magier zu den Fürsten des Reiches zählte rmd als solcher

ein bestimmtes Gebiet besass. ünser Gewährsmann ist Alberüni,

der uns in seiner so schätzbaren Chronologie der orientalischen

Völker (1, 101 ed. Sachau) ein Verzeichniss der ihm bekannten

Fürsten des eränischen Reiches sammt ihren Titeln mittheilt und

unter ihnen auch die Fürsten von Demhävend (JujLoti uijJLx)

mit dem Titel Ma^maghän (|^jLi*Aa/«) erwähnt. Demhävend oder

Demävend ist nach Yäqüt der Name eines Berges und eines Districtes

Ud. XXXV. 41

(2)

630 Spiegel, üher das Vaterland und das Zeitalter des Awestä.

der zur Provinz Rai gehört und zwischen der Stadt Rai und

Taheristan liegt, den Titel Maijmaghän wird Niemand anders als

Oberster der Magier erklären. Weniger zuverlässig erscheint, was

uns derselbe Alb6rüni (1. c. 1, 227) über den Ursprung dieser

Fürsten erzählt, man sieht jedoch daraus, dass man die Entstehung

der Würde in eine sehr alte Zeit verlegte. Nach Alberüni hat

der König Frödün (Feridun) diese Würde geschaifen und sie dem

Izmäll (Irmäil hei Firdosi 1, 35 ed. Vullers) übertragen zum Lohne

dafür, dass er unter der Regierung des Dahäk einer grossen An¬

zahl von Personen das Leben gerettet hatte, die dazu bestimmt

waren, den Schlangen des Dahäk zum Frasse zu dienen. Zuver¬

lässiger als über den Anfang sind wir über das Ende dieser

Fürstenreihe berichtet, wir verdanken die Mittheilung Yäqüt und

ich gehe sie hier nach der Uebertragung Barbier de Mejmards '):

,Oustoxmavend. Forteresse cölfebre dans le district de Denbävend,

provinee de Rey. On la nomme aussi Djerhoud (aJ'.js-).

Elle est trfes - ancienne et a 6t6 trfes-bien fortifiee. On pretend

qu'elle existe de plus de trois mille ans et que, au temps du

paganisme, eile etait la place de guerre du mesmogän (^^^Ij-t-wr.*)

de ce pays. Ce mot, qui designe le grand pretre de la rehgion

de Zoroastre, est compose de m e s («o« ^) ), grand, et de qLä» ,

qui signifie madj ous, mage. Khaled l'assiegea et an6antit la

puissance du demier d'entre eux. II lui enleva ses deux filles,

les conduisit ä Baghdad et les offrit ä Mehdi. L'une d'elles qui

se nommait Bahrieh, mit au monde Mansour ben-el-Mehdi, l'autre

eut Egalement im fils du Khalife.' Das Ende der Grossmagier

gleicht also dem Schicksale so vieler Dynastien des Orients : man

tödtete die erbberechtigten männlichen Mitglieder des Hauses, die

vveiblichen wurden die Frauen des neuen Herrschers, der durch

diese Heirath die legitimen Ansprüche des untergegangenen Ge¬

schlechtes auf semö Person übertrug.

Diese wichtigen Nachrichten muhammedanischer Schriftsteller

werfen nun ein volles Licht auf eine Stelle des Awestä, die man

bis jetzt mehr vermuthungsweise zu deuten versuchte. Sie ist

zwar schon öfter besprochen worden, ich setze sie aber der besseren

Uebersicht wegen wenigstens in Uebersetzung wieder her. Sie

steht Y9. 19, 50—52 und lautet: „Welches sind die Herren?

der Hausherr, der Clanherr, der Herr der Genossenschaft, der

Herr der Gegend, Zarathustra ist der fünfte, in den Gegenden

nämlich, welche ausser dem zarathustrischen Reiche sind. Vier

1) Dictionnaire geographique, liistorique ot litteraire de la Perse (Paris 18G1) p. 53.

2) Die Form jj«— < ist mittelerÄnisch und entspricht sicher dem neuper¬

sischen , gross.

(3)

Spiegel, über das Vaterland und das Zeitalter des Awestd. 631

Herren hat das zarathustrische Ragha. Welches sind die Herren?

Der Hausherr, der Clanherr, der Herr der Genossenschaft, Zara¬

thustra ist der vierte." Wie man sieht ist der ünterschied

zwischen dem zarathustrischen Reiehe in Ragha (d. j. Rai) und den

übrigen Reichen hlos der, dass in dem ersteren der Landesherr

fehlt, darum ist hier Zarathustra der vierte, während er sonst

überall der fünfte und oherste ist , d. h. also , er vereinigte in

Bagha die höchste weltliche imd geistliche Würde in seiner Person.

Wir müssen noch hinzufügen, dass die üehersetzung statt Zara¬

thustra so übersetzt, als ob Zarathustrotema stände, sie überträgt also die Würde, weicbe im Texte dem Religionsstifter zugeschrieben

wird, auch auf dessen Stellvertreter und Nachfolger. Man beachte

auch die Glosse zu Yg. 69, 3, wo.es heisst: „denn es ist offen¬

bar, dass eine oberste Mobedwürde von jeder Familie nicht mög¬

lich ist, sondern in der Famihe und Nachkommenschaft entsteht,

die durch die oberste Mobedwürde den Namen trägt". — Mit der

eben erwähnten Stelle des Awesta lässt sich eine zweite leicht

vereinigen , in welcher gleichfalls von Ragha die Rede ist. Es

wird nämlich Vd. 1, 60 Jiagha als der zwölfte und beste der

geschaffenen Orte und Plätze genannt mit den Worten: „Ragha,

das aus drei Genossenschaften besteht", üeber das was unter den

drei Genossenschaften zu verstehen ist hören wir am besten zuerst

die Ansicht der Parsen selbst und wir setzen hier die älteste der

einheimischen Erklärungen nach Geiger i) her : „Ragha d. b. Atno-

patkan ; manche sagen : Rai ; die Dreistämmigkeit ist die, dass es

dort gute Priester, Krieger und Ackerbauer giebt; manche sagen:

Zertust war von diesem Ort und in ihm waren diese drei (Stände)

drinnen; wenn man dieser Ansicht nicht ist, so ist die Drei¬

stämmigkeit die, dass die drei Geschlechter von diesem Ort sind,

d. h. von ihm ausgehen". In dieser Glosse sind zwei Dinge er¬

klärt, welche uns interessiren, erstens nämhch, was unter Ragha

zu verstehen sei. Es werden zwei Erklärungen angeführt, eine

weitere und eine engere, beide sind ganz vernünftig. Im weiteren

Sinne soU Ragha so viel als Atropatene bedeuten, also der Name

eines ganzen Bezirks sein, als solchen kennen ihn auch die Mu¬

hammedaner und auch Isidor von Charax spricht von 'Payictv^

lUridia. Die neuere Geographie dehnt zwar die Grenzen Atro-

patenes nicht bis Rai aus, das mag aber früher der Fall gewesen

sein; bescheidener ist jedenfalls die Ansicht, dass blos Rai unter

Bagha zu verstehen sei. Zweitens versucht die Glosse den Sinn

des Wortes thrizantu, aus drei Genossenschaften oder Stämmen

bestehend, zu erläutern. Sie knüpft — gewiss richtig — an die

aus Yt. 13, 89 bekannte Vorstellung an, dass Zarathustra der erste

Priester, Krieger und Ackerbauer gewesen sei und dass diese

Stände dann durch seine drei Söhne weiter geführt wurden. Nur

1) Die Pehleviversion des ersten Capitels des Vendidäd p. 21.

41*

(4)

632 Spiegel, über das Vaterland und das Zeitalter des Awestd.

darüber ist sie etwas in Zweifel, ob der Text blos sagen wolle,

dass es diese drei Stände in Ragba gab oder ob angedeutet werde,

dass die drei Stände von dort ausgingen, die letztere Erklärung

ist die wahrscbeinlicbere. WUl man ein Gewicht darauf legen,

dass der Verfasser des Vendidäd in Ragha den Sitz grossen Un¬

glaubens siebt, während der Verfasser der Ya^nastelle offenbar

mit grosser Ehrfurcht von dem Zarathustrischen Reiche spricht,

so muss man zugeben, dass beide Texte nicht von demselben

Verfasser herrühren können, sonst aber kann es nicht befremden,

dass in einer Stadt, in welcher so viele Priester lebten, auch

Sekten und Ketzereien nicht gefehlt haben werden.

Man wird nicht leugnen können, dass die eben angeführten

Stellen des Awestä sehr gut zu den Nachrichten stimmen die wir

oben aus muhammedanischen Quellen mitgetheilt haben. Indem

wir aber das Reich der Grossmagier im Awestä wiederfinden, haben

wir dasselbe bis in das alte Reich znrückverlegt , denn wenn ich

auch durchaus nicht geneigt bin, unser Awestä in das 8. Jahrh.

V. Chr. zu verlegen, so glaube ich doch, dass wir die Mehrzahl

der Texte desselben getrost in die letzte Zeit der Achämeniden¬

herrschaft setzen dürfen. Es fragt sich nun, ob es nicht ausser¬

halb des Awestä noch Notizen giebt, die wir auf eine solohe

Dynastie der Mager in jenen Gegenden beziehen können. Unwill¬

kürlich denkt man hier sofort an das Reich des Artabazanes von

dem uns Polybius (3, 55. 3) erzählt. Es war ein altes Reich,

das schon zm- Zeit der Achämeniden bestand und von Alexander

nicht zerstört worden war. Der Träger" dieser Herrschaft genoss

ein grosses Ansehen und muss in Medien gev^ohnt haben , da

Antiochus IIL sich erst mit ihm verständigen musste ehe er daran

denken konnte die Fürsten von Parthien und Baktrien zu züchtigen,

Polybius lässt ihn deano^siv ök xai tiZv 2aTQanu(üv xaXovfiivuv

xai TWV TOVTOig avvttgfxovovvTtov k&vwv, lie|t man mit Nöldeke (s. diese Zeitsch. 34, 695) etwa 'ATQaneiüiv statt des unverständ¬

lichen ^arganetüv, so wird die Sache noch wahrscheinlicher.

Nahe genug Uegt auch die Vermuthung, es möge dieser Artabazanes

ein Nachkomme jenes in den Feldzügen Alexanders erscheinenden

Atropates gewesen sein, denn wir haben die bestimmte Nachricht

des Strabo (XI, 525 vgl. meine Alterthumsk. 3, 566), dass die

Dynastie des Atropates auch nach dessen Ableben fortbestand und

sich mit den Königen der Armenier, Farther Und Syrer verschwä¬

gerte, von diesen also als ebenbürtig angesehen ward. Strabo

giebt dem Atropates den Titel rjyaftmv, dieselbe Bezeichnung wählt

auch Arrian wo er ihn zum ersten Male nennt. Dies geschieht

Anab. 3, 8. 4 in dem Verzeichnisse der Führer welche das Heer

des Darius gegen Alexander befehligten: MrjSuiv öi ijysiTO'Argo-

ndtrjq. Denmach war Atropates kein Emporkömmling, der sein

Glück dem Zufalle verdankte , dass er sich zu rechter Zeit an

Alexander anschloss , er muss schon unter den Achämeniden eine

(5)

Spiegel, üher das Vaterland und das Zeitalter des Awestä. 633

bedeutende Rolle gespielt haben und es ist leicht rpöglich, dass

die Führerschaft der Meder in seiner Familie erblich war. üeber

die Zeit wann Atropates zu Alexander überging, sind uns meines

Wissens genaue Nachrichten nicht erhalten, wahrscheinlich geschah

es erst nach dem Tode des Darius, als das Achämenidenreich auf¬

gelöst und es hohe Zeit für den medischen Fürsten war , seine

und seiner Pamilie Güter aus dem allgemeinen SchifiTbruche zu

retten. Dass er in jener Zeit noch nicht zu Alexander kam als

derselbe persönlich in Medien war, schliesse ich daraus, dass uns

weder seine Unterwerfung gemeldet wird, während wir doch von

dem Uehertritte weit weniger wichtiger Personen hören, noch auch

er irgend ein Amt erhält, das ihm sonst Alexander gewiss gegeben

haben würde. Erst während des Feldzuges in Sogdiana (Arrian

Anab. 4, 18. 3 vgl. auch Curtius 8, 3. 17, wo er rälchlich Arsaces

heisst) hören wir dass Atropates zum Satrapen von Medien emannt

worden sei. Diese Stellung behielt Atropates auch nach Alexanders

Tode unter seinem Schwiegersohne Perdikkas (Diod. 18, 3), doch

erscheint neben ihm auch noch Pithon in Medien, woraus ich

schliesse, dass Atropates fortan auf das Gebiet beschränkt wurde,

das nach eränischer Anschauung seiner Familie gehörte. In der

Theilung von Triparadeisos erscheint sein Name nicht mehr, er

mag inzwischen gestorben sein. Dass seine Familie damals ihre

berechtigten Anspruch^ nicht verlor, beweist die Notiz bei Strabo,

dass sie auch später noch regierte. Dass die Landschaft Atropa¬

tene ihren Namen von Atropates erhalten hat, lässt sich kaum be¬

zweifeln, gleichwohl nehme ich ebenso wie Darmesteter Anstand,

diesen Namen von einem Individuum abzuleiten welches Atropates

hiess. Gegen die Annahme dass Atropates eine Dynastie begründete,

welche die Atropatiden hiess, hätte ich nichts einzuwenden, un¬

gewöhnlich aber ist es jedenfalls, dass das Land sich nach seinem

Namen nannte. Aus diesem Grunde habe ich in meiner Alter¬

thumskunde angenommen, dass Atropates ein Titel war, der etwa

zu übersetzen wäre „vom Feuer beschützt" oder auch „Beschützer

des Feuers" und dass die Gegend Atropatene ihren Namen darum

führte weil man sie unter dem besonderen Schutze des Feuers

stehend dachte oder auch weil man sie als das dem Atropates

gehörende Gebiet betrachtete. Aucb der berühmte Namensbrader

des Atropates, Ädarbäd Mahrespendän, dürfte den Namen Ädarbäd

als Titel geführt haben und wohl selbst ein Grossmagier gewesen

sein. Einen hohen Grad von Wahrscheinhchkeit hat es für mich,

dass die Würde eines Obermagiers nicht blos in die Zeit der Achä¬

meniden zurückgeht sondern schon von den Medem begründet

wurde. ' Ohne Frage war die Hauptstadt des Mederreiches in

Hangmatäna oder Ekbatana, nicht in Ragha, Herodot sagt dies

ausdräcklich und die Keihnschriften bestätigen es, wir wissen aber

auch durch Herodot, dass Ekbatana erst durch Dejokes zur Haupt¬

stadt erhoben wurde und wir geben Rawlinson Recht, wenn er die

u •

(6)

634 Sjyiegel, über das Vaterland und das Zeitalter des Aicestä.

eigentliche Heimath des (auch durch die assyrischen Keilinschriften

bestätigten) Dejokes weiter östlich, in der Umgegend von Ragha,

sucht, dass er Ekbatana und nicht Ragba zur Hauptstadt erhob,

daran waren die damaligen Verhältnisse in Assyrien schuld. Dass

Dejokes ein durch Frömmigkeit ausgezeichneter Mann war, dürfen

wir schon aus der Aeusserung Herodots scbliessen, dass seine

Richtersprüche in grossem Ansehen standen, das wäre nicht möghch

gewesen, wenn nicht Dejokes im Rufe besonderer Heiligkeit ge¬

standen hätte, denn Religion und Jurisprudenz fielen in jenen

Tagen (wie auch nocb weit später im Morgenlande) durchaus zu¬

sammen. Ich gestehe aber auch, dass mir die damaligen Erfolge

des Dejokes und der Meder überhaupt nur dann erklärlich scheinen,

wenn man für sie die Religion als Ausgangspunkt annimmt. Poli¬

tisch gefährliche Völkerbündnisse würden damals die Assyrer so

nahe an ihrer Grenze nicht geduldet haben und sie waren auch

mächtig genug um sie zu verhindern, machtlos aber waren sie

geistigen , namentlich religiösen Bewegungen gegenüber , die .im

Oriente immer einen grösseren Einfluss ausgeübt haben als die

Politik und oft genug die Vorläufer wichtiger politischer Ver¬

änderungen gewesen sind. Aus jener Zeit dürfte sich die Ver¬

breitung der Magier nach Osten wie nach Westen herschreiben, sie

waren die stillen Vorbereiter des Abfalls von Assyrien. Trotz

Allem was man neuerdings gegen die Glaubwürdigkeit von Herodots

medischer Geschichte eingewendet hat, halte ich dieselbe doch im

Wesentlichen für richtig. Es stebt mir fest, dass die medischen

Könige ein kräftiges Geschlecht waren, welches sich Aufgaben ge¬

stellt batte die im Oriente zu den wichtigsten gehörten: die Ver¬

breitung ihrer religiösen Ansichten, indem sie die modischen Mager

in die verschiedenen Theile ihres Reiches aussandten und wohl

auch andere Priestergeschlechter mit ihnen verschmolzen, und die

Bildung eines einheitlichen Heeres. In letzterer Beziehung lege

ich weniger Gewicht auf das was Herodot (1, 102. 103) von den

Bemühungen des Phraortes und Kyaxares in dieser Hinsicht erzählt,

als vielmehr auf seine Nachrichten von der Bewaffnung der Eränier

im Heere des Xerxes (Her. 7, 61 fg.). Selbst die Perser waren

■auf medische Art bewaffnet (7, 62) und Kissier wie Hyrkanier

unterschieden sich nicbt von der persischen Ausrüstung. Die

baktrische Rüstung war gleichfalls der medischen sebr ähnlich

(7, 64), die Arier w.aren mit medischen Lanzen bewaffnet, sonst

glich ihre Ausrüstung der baktrischen , ebenso die der Parther,

Chorasmier , Sogder , Gandarer und Dadiker (7, 66), auch die

Sarangen hatten medische Bogen und Lanzen. Bei diesen Angaben

hat Herodot gewiss nicht weiter an das Reicb der Meder gedacht,

sie l)eweisen aber, dass der Grund zu der einheitlichen Bewaffnung

in jenen Zeiten gelegt worden ist. Den König von Medien werden

wir uns als weltliches wie als geistliches Oberhaupt des Reiches

denken (aghusca ratusca nach dem Ausdrucke des Awestä), als das

I, i

(7)

Spiegel, über dm Vaterland und daa Zeitalter des Awestä. 635

Reich fiel, ging die weltliche Würde auf den Achämenidenkönig

über, der gefallene medische König behielt aber wohl in Medien

selbst seine Würde, zum wenigsten die geistliche. Ich schliesse

dies daraus , däss Astyages in seinem Lande zurückbleibt , denn

wenn Ktesias (29, 5 ed. Müller) ihn bei den Barkaniem leben lässt,

so hat man .darunter schon längst die H3rrkanier verstanden und

Justin (1, 6) sagt von Kyros: eumque (Astyagem) maximae genti

Hyrcanorum praeposuit. Es dürfte auch hier der Bezirk Demä¬

vend mit Rai gemeint sein. Es war allerdings nicht Sitte des

Kyros, die von ihm besiegten Könige zu tödten, ebensowenig

aber pflegte er sie in ihrem Lande zu lassen, Kroesus musste ihn

nach Persien begleiten, Nabonitus vrarde von Babylon nach Kara¬

manien gesandt, wenn nun Astyages blieb wo er war, so wird für

diese Ausnahmsstellung ein bestimmter Grund vorgelegen haben

imd dieser wird eben seine priesterliche Würde gewesen sein. Aus

den persischen Keilinschriften ist hierüber allerdings nichts zu er¬

fahren, die medischen Empörer unter Darius I. behaupten stets

aus dem Stamme des Uvakhsatara zu sein.- Dass dieser Uvakhsa¬

tara Niemand anderes ist als die Person die wir gewöhnlich Dejokes

nennen kann kaum bezweifelt werden, Dejokes war ein blosser Titel,

der Mann selbst hiess wie sein Enkel Uvakhsatara oder Kyaxares,

ebenso wie der Nachfolger des Dejokes, Phraortes, auch den Namen

seines Grossvaters führte. Damit ist nun freilich gesagt, dass die

Meder zur Zeit des Darius ebensowenig wie Herodot den Zara¬

thustra als den Gründer ihres Reiches ansahen, auch sonst hören

wir zwar, dass Zarathustra von dem Geschlechte der Könige ab¬

slammte , nicbt aber , dass das Königsgescblecht auf Zarathustra

zurückgeführt wurde. Der Umstand jedoch dass der Schwieger¬

sohn des Astyages bei Ktesias Spitames genannt wird, bringt das

medische Königshaus in nahe Berührung mit der Familie des

eränischen Propheten. Wir fügen nur noch bei, dass Ragha oder

Rai in allen Perioden der eränischen Geschichte eine Rolle spielt.

In den Inschriften des Darius I. wird die Stadt häufig genannt,

unter den parthischen Fürsten gehört sie zu den vorzüglichsten

Städten des Reiches, auch unter den Säsäniden wird sie öfter ge¬

nannt, durch ihr Benehmen während des Aufstandes des Behram

Cobin zog sie sich das Missfallen Khosravs II. zu. Auch jetzt ist

dort eigentlich die Hauptstadt, denn Teherän ist in unmittelbarer Nähe der Ruinen von Rai emporgewachsen.

Diese unsere Ansicht über den ursprünglichen Sitz eränischer

Cultur kommt mit der jetzt gewöhnlich geltenden Anschauung in

sofern in Conflict, als man zwar weder die Existenz noch das Alter

der medisch-persischen Cultur bezweifelt, dieselbe aber auf eine

noch ältere eränische oder arische zurückführt, welche in Baktrien

ihren Sitz gehabt haben soll. Es verlohnt sich wohl der Mühe,

die Gründe, welche für diese culturhistorisch so wichtige Ansicht

angeführt werden, einmal einer ausführlichen Prüfung zu unter-

(8)

636 Spiegel, üher das Vaterland und das Zeitalter des Au-estd.

werfen und wir werden dabei am besten den ebenso lichtvollen

wie vollständigen Darlegungen M. Dunckers ') folgen. Zuerst müssen

wir darauf hinweisen dass die den medisch-persischen Dynastien

vorausgehenden assyrischen Könige ein baktriscbes Reich nicht

kennen, mit welchem sie doch gleichzeitig sein müssten. Da auf

dem Obelisk des Salmanassar II. (859—823 v. Chr.) das Rhinoceros,

der Elepbant, der Buckelochs und das zweihöckerige Kameel als

Tribut erscheinen und das genannte Kameel wie auch der Buckel¬

ochs in Baktrien heimisch sind , so hat man schon vor der Ent¬

zifferung der assyrischen Inschriften geschlossen, es müsse Salma¬

nassar II. bis zu den östlichen Stämmen des eränischen Hochlandes

vorgedrungen sein um diesen Tribut zu erlangen. Durch die Ent¬

zifferung ist nun diese Vermuthung hinfällig geworden, der Tribut

kam aus einem Lande Musri , das wahrscheinlich in der Nähe

Atropatenes zu suchen ist, die Ansicht, es könne Baktrien darunter

verstanden werden ist abzuweisen. Ueber diesen Punkt geben

dem Leser die ausführlichen Untersuchungen Schräders (Keilin¬

schriften und Geschichtsforschung p. 246—82) die beste Auskunft.

Ob unter Arakuttu wirklich Arachosien zu verstehen sei ist un¬

gewiss und für unseren Zweck völlig gleichgültig. Ehensowenig

Werth hat die Eroberung Baktriens durch Ninos und Semiramis,

von der nur Diodor nach Ktesias erzäblt, wir kommen damit in

das Reich der Pabel (vgl. auch Duncker 1. c. p. 56). Dass es

zur Zeit der Assyrer bereits einen Stamm der Baktrer gegeben

haben könne, wollen wir nicht leugnen, dass aber derselbe eine

irgendwie hervorragende Rolle gespielt habe, ist nicht zu erweisen.

Nachdem nun aus gleichzeitigen auswärtigen Berichten die

Existenz eines baktrischen Reiches nicht zu erweisen ist, müssen

wir die einheimische Quelle betrachten, welche für dasselbe nicht

blos eine zuverlässige, sondern auch gleichzeitige Gewähr sein

soll. Wir sind nicht der Meinung, dass man die Möglichkeit einer

so weit zurückreichenden Schrift von vorneherein bestreiten solle.

Dass ein so grosses und im Ganzen doch wohlgegliedertes Reich

wie das eränische die Wissenschaften nicht ganz entbehren konnte,

ist einleuchtend und wir würden annehmen müssen, dass eine

Literatur vorhanden war, selbst wenn wir keine Naebricht darüber

bätten. Es liegen aber im Gegentheil ganü bestimmte Nachrichten

darüber vor. Schon Herodot erwäbnt Gesänge, welche die Magier

smgen, eine grosse Anzahl anderer Schriftsteller des Alterthums

sehliessen sich an , die man bei Duncker (1. c. p. 40) nachsehen

kann. Mehr noch, spätere Schriftsteller erwähnen selbst den Ge¬

brauch der heiligen Schriften Zoroasters unter den Achämeniden

(Duncker p. 68. 73), endhch Darius L erwähnt selbst (Bh. 4, 64)

1) Geschichte rtes Alterthums 4, 15 t'g. (Ich citire nach der vierten Auf¬

lage von 1877). Ueher die Zeit der Abl'assung des Awestä, Mouatsberichte der k. preussischen Akademie, August 1876 p. 517 — 527.

(9)

Spiegel, über dae Vaterland und das Zeitalter des Aicestä. 637

das Abashtä und da an jener Stelle die assyrisehe Uebersetzung

das Wort dureh dinat wiedergiebt, das Wort mit dem sie auch

däta , Gesetz , zu übersetzen pflegt , so wird Abashtä wohl ein

Gesetzbuch und lautlich vielleicht mit Awestä identisch sein ^).

Nichts hindert uns anzunehmen, dass die Perser dieses Abashtä

bereits von den Medem überkommen haben und diese wieder von

einem noch früheren Volke. Spätere Erwähnungen des Awestä

sind noch häufiger. Die Parsen behaupten, das Buch sei nach

der Eroberung Alexanders verloren gewesen , man habe aus dem

Gedächtnisse wieder aufgeschrieben, was man noch in Erinnerung

hatte. Sie zählen diejenigen Theile des Awestä auf, welche nach

Alexander noch vorhanden waren , es war immer noch ein sehr

umfangreiches Buch, als solches bezeicbnen es auch die Muhamme¬

daner , wenn sie von ihm reden (Duncker p. 39 flg.). Wir hören

von verschiedenen Redactionen des Awestä sogar schon unter den

Arsakiden, namenthch aber unter den Säsäniden, bei welchen der

Umfang und der Text der heiligen Schriften festgestellt wurde,

die letzte und wichtigste dieser Redactionen scheint unter der

Begienmg des Shäpür II. vorgenommen worden zu sein. Diesen

Nachrichten gegenüber wollen wir die Frage, welche uns haupt¬

sächhch interessirt noch vertagen. Wir fragen also nicht, ob das

Awestä ursprünglich in Medien oder in Baktrien geschrieben

wurde, was wir vor Allem wissen wollen, ist: ob wir irgend eine

Gewissheit haben, dass dieses Awestä, welches nach Alexander

aufgeschrieben wurde, ganz das alte war, welches Darius kannte

und seine Vorgänger in Persien und Medien gebrauchten, ferner,

ob die späteren Redactionen von der Ansicht ausgingen, dass nur

in den Canon aufzunehmen sei , was wirklich und erweislich von

Zarathustra abstammte und dass die Aufnahme nach Grundsätzen

erfolgte, welchen die heutige Kritik zustimmen kann? Ich meines¬

tbeils möchte in dieser Hinsicht eine Garantie nicht übernehmen.

Soviel mag hier gleich gesagt werden, dass wir nicht den min¬

desten Zweifel hegen dürfen, dass die Lehren des uns zugäng¬

lichen Awestä bereits unter den Achämeniden bekannt waren, denn

Plutareh giebt uns eine Skizze der eränischen Religion , welche

sehr gut zu diesen Lebren stimmt und da er seine Nachrichten

wahrscheinlich dem Theopomp verdankt, so dürfen wir den Lehr¬

inhalt des Awestä am Ende der Achämenidenperiode bestimmt als

1) Ganz ohne Schwierigkeit ist die Vereinigung heider VVörter nicht. Das altpersische Wort lautet Abashtä, die Parsen gebrauchon stets die Formen Awa(;tä oder Awivta, das anlautende a ist stets kurz, os müsste also auch die altpersiscbe Form mit S begonnen hahen. Da Aw.iv'" ^''^'^ '"' e. bh, geschrieben wird, so miisste in abashtä Ii = hh stehen, was unbedenklich ist.

Dass in der neueren Form <,■an der Stelle von sh erscheint, kaini nicht be¬

sonders autTallen. man denke an altp. daushtar und neup. do^t (Freund). Man müsste also das ursprüngliche Wort in a-hash-tä zerlegen und für dasselbe ciue Wurzel bash annehmen, vor welcher a priv. stäude.

A 6 *

(10)

638 Spiegel, Uber das Vaterland urul das Zeitatter des Awestd.

vorhanden annehmen. Oh auch am Anfange dieser Periode ist

sehr zweifelhaft, denn die Vergleichung der Keilinschriften mit

dem Awestä zeigt zwar grosse Verwandtschaft, nicht aher Iden¬

tität. Wir Icönnen den Gegenstand hier nicht weiter verfolgen ')

und wollen nur andeuten, dass die Nichterwähnung der Amesha-

Qpenta, der Daevas, des Agro-mainyus sehr auffallend ist. Auch

was Herodot von den .Lehren der Perser heriehtet, stimmt nicht

zum Awestä und Zweifel üher die Identität des älteren und des

späteren Awestä sind darum völhg gerechtfertigt. Zu einem

sicherern Resultate werden wir über eine andere Frage kommen,

die uns noch näher angeht, nämlich, ob das Awestä, welches wir

vor uns haben , identisch, ist mit dem Awestä von dessen Redac¬

tionen Parsen und Muhammedaner sprechen? Wir können darauf

mit Bestimmtheit antworten, dass dies nicht der Fall ist, nicht sein

kann , denn beim geringsten Nachdenken muss man sich sagen,

dass dieses Buch, welcbes wir baben, unmöglich als Religions¬

und Gesetzbuch für die Bedürfnisse eines grossen Reicbes aus¬

reichen konnte. Die Parsen lassen uns aber über das Verhältniss

unseres Awestä zujn eigentlichen Awestä gar nicht in Zweifel.

Unser Awesta ist ein Gebetbuch , zu liturgischen Zwecken aus

dem grossen Awestä ausgezogen. Nur der Vendidäd ist ein wirk¬

licher Theil des grossen Awesta und bildet dort die zwanzigste

Abtbeilung, die übrigen Texte sind Bruchstücke aus verschiedenen

Abtheüungen, alle wahrscheinlich nach der letzten Redaetion unter

Shäpur II. Obwohl wir bereits gesehen haben, dass die Lehren

des Awestä bis in die Achämenidenzeit zurückreichen, so getraue

ich mir doch nicht rnit Bestimmtheit zu behaupten, dass sie auch

nur unter den Säsäniden der allgemeine Glaube in ganz Erän

gewesen seien. Es ist ganz gut möglich, dass es so gewesen ist,

es ist aber auch möglicb, dass es nicht so war. Noch Shahrastani

kennt mehrere eränische Religionssysteme , unser Awestä dürfte

die Ansichten seiner Zaratbustrier repräsentiren, danehen erwähnt

er aber auch die Zerväniten und dass einer der eifrigsten Ver¬

fechter der eränischen Staatsreligion, der Minister des glaubens¬

eifrigen Yezdegerd IL, ein Zervanite war, dürfte nacb dem Wort¬

laute seiner Proclamation an die Armenier bei Elisaeus nicht

zweifelhaft sein. Wir baben femer allen Grand zu glauben, dass

Firdosi die religiösen Ansichten, welche er in seinen Quellen

fand, correct wieder giebt, bei ihm finden wir einen von der

Regierung der Welt ganz zm-ückgezogenen Gott, was in dieser

zu tbun ist besorgen die Gestime , ein Standpunkt der sicb mit

,dem der Zerväniten, nicht aber mit den Lehren des Awestä ver¬

einigen lässt.

1) Für ausführliche Belehrung verweisen wir auf Windischmann Zoroastr.

Studien p. 121 fg. Harlez im Journal asiatique Avril-Mai 1877, p. 300 fg. Vgl.

auch meine arischen Studien p. 62 fg.

* 6 *

(11)

Spiegel, über das Vaterland und das Zeitalter des Awestd. 639

ünsere weitere Aufgabe sebeint mir, nach dem was bis jetzt

erörtert worden ist, sehr einfach zu sein. Wir wissen nunmehr,

dass wir in unserem Awesta Bruchstüclce vor uns haben, welche

möglicher Weise sehr alt, möglicber Weise auch jung sind. Wir

werden also durch unbefangene Prüfung dieser Texte uns ein

Urtheil zu bilden haben und- zwar wird sich unsere Prüfung auf

die Schrift, die Sprache und den Inhalt des Buches erstrecken

müssen.

Dass die Awestäschrift nicht dazu dienen kann, das Alter

des Buches zu erweisen, wird wohl von keiner Seite bezweifelt

werden, denn es ist ja die allgemeine Ansicht, dass die Pehlevi-

wie die Awestäschrift unserer Handschriften erst um 600 n. Chr.

entstanden sein können (Duncker p. 47. 48). Ebenso gewiss ist

nun freilich auch , dass der Awestätext früher in einer anderen

Schriftart gescbrieben war, womit man aber erweisen will diese

Schriftart sei die sogenannte arianische gewesen und sogar, dass

man sich in Osterän dieser Schrift von Alters her bedient habe,

ist mir durchaus unklar. Ich halte überhaupt die Idee, diese

Schrift als die arianische zu bezeichnen, für eine unglückliche.

Strabo versteht (p. .516. 517) unter 'Agiava die Provinzen Ge¬

drosien , Drangiana , Arachosien , Paropamisus , Aria, Parthien imd

Karamanien, also eranische Landschaften unter welche nicht einmal

Baktrien einbegriffen ist. Die sogenannte arianische Schrift ist

aber eine indische Schrift, nur indische Münzlegenden und In¬

schriften sind in ihr geschrieben , es mag sein, dass man dieselbe

Schrift auch in Baktrien und für eranische Sprachen anwandte,

einen Beweis dafür vermag wohl Niemand beizubringen, noch

weniger dafür, dass diese Schrift von jeher in Osterän im Ge¬

brauche war. Aber selbst wenn es so wäre, so würde dadurch

eine frühe osteränische Bildung nicbt erwiesen, denn die arianische

Schrift hat ibre. Wurzel im semitischen Alphabete, muss also aus

dem Westen gekommen sein. — Auch hinsichthch der Sprache

giebt man ja zu, „dass die Sprache des Awesta, mit den Inschriften

der Achämeniden verglichen, weniger alte und weniger feste Formen

zeigt" (D. p. 72), freilich sucht man den Abschreibern die Schuld

aufzubürden. Ich habe schon öfter Gelegenheit gehabt zü be¬

merken, dass ich auf den sprachlichen Beweis nichts gebe, denn

gesetzt auch , es liesse sich nachweisen , dass die Sprache uralt

sei, so würde man doch nach einem Auskunftsmittel suchen und

etwa annehmen müssen, das Awestä sei nach dem Aussterben der

Sprache geschrieben, falls innere Gründe uns nöthigen, das Buch

einer späteren Periode zuzuweisen. Es ist also der Inhalt des

Awestä allein, aus dem wir unsere Gründe für das Alter und den

osteränischen ürsprung desselben schöpfen können.

Was nun die Entstehung des Awestä in Bkktrien betrifft, so

wird man dafür zumeist indirecte Beweise auffinden müssen, deim

direet wird Baktra im Awestä nur ein einziges Mal genannt

(12)

040 Spierjel, über dns Vaterland und das Zeitalter des Ateestä.

(Vd. 1, 22) mit dem Beiworte eredhwo-drafsha, mit hohen Fahnen

versehen. Wenn Duncker aus diesem Beiworte sehliessen will,

dass Baktra dadurch als Sitz einer grösseren Herrschaft, als Mittel¬

punkt eines Reiches bezeichnet werden solle (p. 24), ja sogar als

Sitz der Herrschaft (p. 70), so geht er meines Eracbtens viel zu

weit, ich kann darin nichts Anderes finden als die Mittheilung,

dass in Baktra eine Heeresabtheilung stand, was so nahe an der

Grenze des Reiches sebr natürlich ist. Baktra theilt sein Beiwort

mit verschiedenen anderen Orten jener Gegend, wir finden die

Fahne (drafsha) wieder in Igäxpaxa (Arrian Anab. 3, 29. 1),

.Idgaxpa und "Aä^axjia bei Strabo (p. 516. 725, letzteres wohl

für hadrafsha), auch der Name /iQtxpiavoi in Sogdiana gehört hie¬

her und bezeichnet wohl eine Mihtärkolonie , wie sie die alten

Eränier mehrfach anlegten. Wenn femer behauptet wird das Awestä

ignorire den Westen Erans vollständig (D. p. 23), so ist das nicht

richtig, denn das Awestä kennt nicht blos den Urumiasee (Caeca9ta) sondern selbst Babylon (Bawri), seine Kenntniss reicht also westlich

noch über die Grenzen Erans hinaus. Ein besonderes Gewicht

wird bei den Beweisen für den osteränischen ürsprung des Awesta

gewöhnlich auf das Länderverzeichniss im ersten Fargard des

Vendidäd gelegt, wo angeblich nur osteränische Orte genannt

werden. Abgesehen davon, dass Ragha und Varena nicht als ost¬

eränische Landschaften gelten können, um von Airyanem vaejagh

zu schweigen, so muss man sich auch erinnern, dass Vd. 1, 81

ausdrücklich gesagt wird, dass es noch andere Orte und Plätze

gebe. Sonst muss ich gestehen, dass nach meiner Ansicht das

Alter dieses ersten Fargards sehr überschätzt wird. Nicht selten

wird derselbe nach dem Vorgange Rhodes mit der Völkertafel der

Genesis verglichen und als Beweis für sein hohes Alterthum der

Umstand angeführt, dass Ekbatana nicht genannt werde und daher

noch nicht gebaut gewesen sei als jener Fargard geschrieben wurde.

Dieser Beweis ist seltsam, man kann ebensogut daraus sehliessen

dass Ekbatana damals seine frübere Bedeutung schon eingebüsst

hatte. Oben haben wir bereits gesagt, dass wir auf den sprach¬

lichen Beweis nicht viel geben, eine Untersuchung der sprachlichen Eigenthümlichkeiten des ersten Fargard wird aber kaum ein günstiges

Resultat für sein Alter ergeben. Man nehme nur Eigennamen wie

Mouru und Bakhdhi und vergleiche sie mit den alten Formen wie

Margu, Margiana, Bäkhtris, Baktria und man sieht, dass sie bereits

Consonanten emgebüsst haben und sich in bedenklicher Weise den

neueren Formen wie Merv, Balkh nähern. Solche Verschlech¬

terangen der Form pflegt man den Abscbreibern aufzubürden, aber

obne allen Grund. Auch der Ausdruck hapta hindu , mit dem

man die vedischen sapta sindhavas vergleicht , beweist nicbt was

er soll, doch können wir darauf hier nicht weiter eingehen. Kann

man aber glauben , dass Sätze wie yo hapta hindu im 8. Jahrh.

v. Chr. geschrieben seien ? Auch andere syntaktische Eigenthümlich-

(13)

Spiegel, iiher das Vaterland und das Zeitalter des Aii'estä. 641

keiten veirathen die spätere Zeit. Durch die Völkertafel des ersten

Fargard können wir mithin weder das hohe Alter noch den hak-

trischen Ursprung des Awestä als erwiesen ansehen. Einen weiteren

Grund für Beides 'entnimmt man aus den Sagen welche das Awestä

enthält und die sich durchaus auf Osterän beziehen sollen (D.p.24fg.).

Was sich an alten Sagen im Awestä vorfindet, das stimmt, wie

ich schon anderwärts gezeigt habe , mit Sagen des Königsbuches.

Dass sich diese Sagen ausschliesslich oder auch nur vorzugsweise

auf Osterän beziehen, muss ich bestreiten, sie gehören dem ganzen

Nordrande Erans an. Die älteren Könige erscheinen auf der Hara

berezaiti oder dem Alborj, wo sie aueh hingehören, nämlich Hao-

shyagba, Takhmaurupa und Yima, ebenso lässt das Königsbuch den

Gayomard und Kai-qobäd vom Alborj herabsteigen, den Naudar

seine Familie auf den Alborj zurücksenden (Schähnäme 1, 14. 268.

290 fg.). Wo sollte die ursprüngliche Wohnung des Königsge¬

schlechtes auch anders sein als auf der Hara berezaiti, wo nach

Yt. 10, 50 Mithra seine Wohnung hat? Die übrigen alten Könige

erscheinen da wo sie hingehören: Thraetaona in Varena, d. i.

Tabaristän , Dahaka in Bawri d. i. Babylon , KereijaQpa im Vara

Pisbinagha d. i. wahrscheinlich Pishin, Kava-ufa auf dem Berge

Erezifya (unbestimmt), Hao^rava binter dem Vara Caeca9ta d. i.

dem Urumiasee. Bezeichnend ist, dass der Name des osteränischen

Haupthelden , des Rustem , im Awestä gar nicht genannt wird.

Die Uebereinstimmung zwischen dem Awestä und dem Königs¬

buche hört aber gerade da auf wo sie zum Beweis für die ost¬

eränische Heimath des Buches am wichtigsten wäre , nämlich bei

der Zarathustrasage. So gewiss es ist, dass das Königsbuch den

Sitz des VistäQpa und seines Propbeten nach Baktrien verlegt, so

schwer ist es auch , für diese Ansicht die Billigung des Awesta

zu gewinnen. Zarathustra selbst opfert (Yt. 5, 104) in Airyanem

vaejagh, das gewiss nicht in Baktrien liegt, Zairivairi und Vistäspa selbst an der Daitya (Yt. 5, 112. 9, 29) d. i. in Airyanem vaejagh.

Nur wenn nach Yt. 5, 108 Vistäspa am Wasser Frazdänu opfert,

so kann man dasselbe mit dem Bundehesh in Osterän suchen,

durchaus nothwendig ist auch dieses nicht. Ueber die Persönhch¬

keit des Vistagpa enthalte ich mich weitläufig zu reden, da ich

dieselbe in einer eigenen Abhandlung besprochen habe '). Icb

bemerke also blos , dass ihn unsere älteste Quelle nach Medien

setzt und dass ihm seine Thaten bei den Qyaonas (Chioniten),

Varedhakas (Vertae) und Hunus (Hunnen) eine ominöse Aehnlich¬

keit mit Shäpür II. verleihen.

Unter diesen Umständen kann icb die Ansicht, dass Baktrien

das Vaterland des Awestä sei, nicht mehr als richtig anerkennen.

Ich habe darum auch aufgehört, mich des Ausdruckes „altbaktrisch"

1) Historischo Zeitsclirift N. V. 8, 1 fg.

(14)

642 Spiegel, über das Vaterland und das Zeitalter de» Awestä.

für die Awestasprache zu hedienen, aher ich kann mich auch

nicht entschhessen , zu der anerkannt falschen Bezeichnung als

Zendsprache zurückzukehren und gehrauche heber den Ausdruck

awestisch, wie Bezzenberger und Harlez schon vor mir gethan haben.

Wir können diese Betrachtungen nicht sehliessen, ohne vor¬

her der hochwichtigen Kalenderfrage zu gedenken, welche neuer¬

dings zweimal besprochen worden ist, von Bezzenberger (Göttinger

Nachrichten 1878 p. 251 fg.) und zuletzt von Roth (s. diese Zeitschr.

34, 698 fg.). Dass meine Ansicbt von der der genannten beiden

Gelehrteil in mehrfacher Hinsicht verschieden sein muss, leucbtet

ein, ich beabsichtige jedoch nicht, dieselbe ausführlich hier dar¬

zulegen, ich werde nur so weit auf sie eingehen, als es der

in der Ueberschrift genannte Zweck erfordert. Das Hauptinteresse

knüpft sich weniger an die Bezeichnung der Monate und Tage im

Awesta als an die sogenannten Gahanbärs '). Nach der überein¬

stimmenden Tradition der Parsen sollen dies 6 Peste sein, die

über das ganze Jahr vertbeilt sind zum Andenken an die 6 Perioden

der Weltschöpfung. Dass dieser Glaube an 6 Perioden der Welt¬

scböpfung ein ursprünglich iranischer sei, scheint auch mir nicht

wahrscheinlich, die Frage ob die Anschauung alt oder nicht alt

sei, hat uns aber weniger zu beschäftigen als die, ob sie awestisch

ist oder nicht, so angesehen wird es sich nicht leugnen lassen,

dass sie bereits dem Awestä angehört, denn Y9. 19, 2. 3 heisst

es: „Was war jenes Wort, Ahura-Mazda, das du mir verkündet

hast als seiend vor dem Himmel, vor dem Wasser, vor der Erde,

vor dem Vieh, vor den Pflanzen, vor dem Feuer, dem Sohne

Ahura-Mazdas , vor dem reinen Mann ?" Hier hat man ganz die

Perioden der Weltscböpfung (auch die Einschiebung des Feuers

ist ganz der Tradition gemäss), nur mit der einzigen Unregel¬

mässigkeit, dass bier das Vieh vor den Pflanzen geschafi'en wird,

während nach der gewöhnhchen und naturgemässen Ansicht das

Vieh erst nach den Pflanzen erscheint. Ich glaube darum, dass

schon die Schreiber des Awestä unter den Gahanbärs (yäirya ratavo

im Texte) solche Feste verstanden haben, ob diese Ansicht die

allerursprünglichste war soll damit nicht gesagt sein und ist für

unseren Zweck nicht von Belang. Dass diese Feste landwirth¬

schaftliche Feste sein sollten, geht namentlich aus dem Vispered

hervor und ist von Roth in das rechte Licht gestellt worden.

Schwierig ist die Erklämng der Namen dieser Gahanbärs. Was

1) Der Käme Gahafibär winl verächieden erklärt. Destür Peshotan Beh- rämji in seinem Tefsir-i-gihanhär (Bombay 1862) p. 4 erklärt: „Lob Gottes wegen der Schenkung". Nach dem Burhän soll Gähaübär stehen für (ji-S'lj Li'^Lj uud bedenten: temporis s. temporum periodus s. periodi. Ich denke Gähanbär ist = ^•*^^ '^'^ ^^'^ ausfüllend oder voll machend, weil diesa Feste immer die Zeitperiode schliesseu zu deneu sie geboren.

(15)

Spiegel, Uber dan Vaterland und das Zeitalter dea Awestd. 643

ich zur Erklärung beibringen konnte, habe ich bereits in meinem

Commentare zu Vsp. 1, 2 fg. gesagt, icb gebe hier die Namen mit

den Erklärungen Behrämjis, Bezzenbergers und Roths:

1. Maidhyozaremayaübereinstimmend: Mitte des Frühlings

oder Mitt-Frühling.

2. Maidhyoshema, ehenso übereinstimmend : Mitte des Sommers.

3. Paitis-habya, Bh. Ende der Hitze. B. Herr des Getreides.

R. Erntezeit.

4. Ayäthrema, Bh. Abnahme der Rapithwan. B. Rückkehr.

R Heimkehr.

5. Maidhyäirya, Bh. Ruhe des Eräniers. B. bemerkt, die Er¬

klärung sei unsicher. R. Mittwinter, Mittjahr.

6. Hamagpathmaedhaya , Bh. die vereinigten Ergänzungstage.

■B. den Sommer frei machend. R. Erholungszeit, Ruhezeit.

In der Erklärung von 1 und 3 stimme ich mit Roth über¬

ein, die anderen Namen sind mir rmsicher, es befriedigt mich keine

Erklärung. Dass Maidhyoshema statt maidhyobama stehe ver¬

stösst gegen ,die Lautgesetze , das Wort müsste maidhyoaghama

lauten. Ein maidhyoshad e.xistirt nicht, sondem nur ein unbe¬

denkliches maidhyoishad. Immerhin würde man sagen können,

shma, shema sei durch Ausstossung des a aus dem ursprünglichen

sama entstanden, unter dem Schutze des m sei s geblieben und

aspirirt worden. Wie passt aber zu Mitt-Frühling, Mitt-Sommer

ein Mittjahr? Hier scheint mir ein ganz verschiedener Gedanken¬

gang vorzuliegen.

Doch die Hauptfrage für uns ist eine Frage welche Roth

nicht berührt: die Frage nach dem Alter des Awestäkalenders.

Betrachten wir die Lage der Dinge. Unzweifelhaft ist, dass der

von Roth behandelte Kalender dem Awestä angehört. Die Namen

der Gähanbars finden sich in verschiedenen Awestätexten, die Namen

der Monate finden sich zwar nicht, da aber Yq. 17, 12 fg. und im

Siroza die Folge der Tage und die Benennung derselben mit den

späteren Angaben übereinstimmt, so werden wir annehmen dürfen,

dass wir auch über die- Monatsnamen des Awestä recbt berichtet

worden sind. Eine Bestätigung des Alters dieses Kalenders wollte

man früher aus dem so ähnlichen kappadokischen Kalender ent¬

nehmen, dieser stammt aber wahrscheinlich aus einem byzantinischen

Staatskalender (Lagarde, ges. Abhandlungen p. 258), kann also

keinen Beweis für das Alter abgeben. Mit Entschiedenheit kann

1) Ich benutze diese Gelegenheit, um die von mir gewählten Lesarten Maidhyozaremaya, Hamai;pathmaedhaya zu vertheidigen. Sie sind gut beglaubigt und worden als richtig erwiesen durch die Accusative Maidhyozaremaem, Hama^- pathmaedliaem , die nimmermehr von maidhyozaremya etc. herkommen können.

Ich sehe auch gar keinen Grund, warum wir die Lesart ändern sollten. Wörter wie ärä^taya, kävaya zeigen uus den Weg zur Erklärung. Wir haben Themen

■wie Maidhyozaremi etc. anzunehmen , von ihnen leiten sich die Formen auf -aya so regelmässig ab wie mainyava von mainyu.

(16)

644 Spiegel, iiber das Vaterland und das Zeitalter des Awestä.

behauptet werden, dass der altpersische Kalender ein ganz anderer

war, erstlich sind die Monatsnamen ganz verschieden, zweitens

werden dort die Tage einfach gezählt, nicht nach verschiedenen

Schutzheiligen benannt. Was Bezzenberger (1. c. p. 258) zu Gunsten

des höheren Alters des Awestäkalenders anführt, hat mich durch¬

aus nicht überzeugt, auch vertragen sich seine Annahmen nicht

mit den Ermittlungen Opperts, nach Bezzenberger wäre der alt¬

persische Garmapada unser Mai, nacb Oppert der August, der

Bägayädis (wahrscheinhch Gartenbau cf. np. ju) unser December,

nach Oppert aber April. — Auch über die Gegend in welcher der

Awestäkalender entstand lässt sich aus den Angaben des Awestä

nichts entnehmen und wir brauchen uns nicht mit Roth die Frage

zu stellen, ob wir die Entstehung desselben nach Medien oder nach

Baktrien verlegen wollen, das Klima welches man für ihn voraus¬

setzen muss, gilt mit unbedeutenden Abweichungen für den ganzen

Nordrand von Erän. Von Teherän (also Ragha s. o.) sagt Ritter

(Asien, 8, 611): „als B. Frazer am 28^November 1822 in Tehran

einzog war das ganze Blachfeld scbon mit Schnee bedeckt und als

J. Morier 10. März 1811 dahin kam war es ebenso, alles Wasser

mit Eis bedeckt, bei sehr rauhem Nordwinde vom Elburs. Erst

Ende Mai beginnt hier das mildere Wetter, der Frühling fUngt an,

schnell ist Alles grün'. Von Nishäpür bören wir Aehnliches (Ritter

l. c. 308): „Mitte September waren die Nächte scbon sehr kalt,

der Winter wurde sebr strenge, viel Kälte und Schnee, am 6.

Februar besuchte B. Frazer Tus in Sturm und Schnee und auch

am 23. Februar fiel noch viel Schnee, am 11. März hatte aber

der Frühling in seiner ganzen Schönheit begonnen". Ritter findet

demnach hier ein mitteldeutsches Klima und so werden die Ver¬

hältnisse bei der hohen Erhebung Erans am ganzen Nordrande sein.

Die Sache steht also so, dass sich nicht aus diesem Kalender das

Alter des Awestä erweisen lässt, sondern umgekehrt das Alter

dieses Kalenders durch die Frage nacb dem Alter des Awesta be¬

dingt ist. Neben den klimatischen Verhältnissen legt Roth (1. c.

p. 715) den meisten Nachdruck auf zwei Gründe: auf die innige

Verwandtschaft die zwischen den Ariern in Baktrien und den am

Hindus sitzenden in Sprache und Religion besteht und zweitens

auf den Umstand, dass das Awestä von Magiern kein Wort weiss.

Keiner dieser Gründe beirrt mich in meiner Ansicht. Was 'die

Sprache und die Religion betrifl't, so sind beide in ganz Erän so

ziemlich identisch, dass die letztere in Baktrien entstanden sei ist

ebensowenig ausgemacht, als dass die erstere von dort aus sich

nach Westen verbreitet habe, auch getraue ich mir, an mehr als

einem Falle nachzuweisen, dass das Altpersische dem Sanskrit näher

steht als das Norderänische. Ueber das Verhältniss der Mager

und Athravans habe ich in meiner Alterthumskunde (3, 559 fg.

besonders p. 594) ausführlich gesprochen und brauche hier nicht

darauf zurückzukommen.

(17)

Spiegel, üher das Vaterland und das Zeitalter des Awestä. 645

Verschweigen wollen wir nicht, dass sich neben dem ge¬

wöhnlichen Kalender auch noch Spuren einer anderen Zeitrechnung

im Awestä finden. Nach den übereinstimmenden Berichten der

Alten wie der Parsen war das alteränische Jahr ein Sonnenjahr

und der Tag soll vor der Nacht gezählt werden, das Jahr zerfällt

in 12 Monate, die Monate selbst in vier ungleiche Wochen, zwei

zu 7 und zwei zu 8 Tagen. Daneben erscheinen aber auch Spuren

einer anderen Rechnung, in welcher die Nacht vor dem Tage ge¬

zählt wurde. So sagt schon Darius (Bh. 1, 19) tyasäm hacäma

athahya khsapavä raucapativä ava akunavyatä „was ihnen von mir

gesagt wurde, in der Nacht oder am Tage, das wurde gethan".

Auch der Vendidad rechnet gewöhnlich nach Nächten. Wenn die

Parsentradition im Zweifel ist, oh sie den Ausdruck pagca hü

fräshmo-daitim') übersetzen solle mit „nach Sonnenuntergang' oder

„nach Mitternacht' so dürfte die Verschiedenheit in der Zählung

die Ursache gewesen sein. Am genauesten lemen wir diese zweite

Art der Berechnung bei Gelegenheit der Monatsfeste kennen, die

sich natürlich nach dem Monde richten. Aus den Angaben der

Uebersetzungen besonders des Neriosengh zu Y(j. 1, 24. 25 lässt

sich entnehmen, dass der Monat in zwei gleiche Hälften zu 15

Tagen zerfiel, von welchen jede in 3 Wochen ("|33D i. e. ji_s\_JLj

genannt, d. h. Fünfer) zu 5 Tagen, also der ganze Monat in 6

Wochen zu 5 Tagen getheilt wurde. Festwochen sind die des

ersten Viertels, des Vollmonds und des letzten Viertels, die Ver¬

dunklung wird natürlich nicht gefeiert. In dieses System passen

dann auch die Gähanbärfeste zu 5 Tagen, welche Roth (1. c. p. 707)

mit Recht auffallend findet ^).

1) Vgl. über diesen Ausdruck diese Zeitsclir. 17, 54fg.; meinen Commen¬

tur zum Awostä 2, 429 ; Harlez, Journal asiatique 1877 B'evr.-Mars p. 108.

2) Hei wiederholter Betrachtung der Sachlage ist mir klar geworden, dass wir dio Gähanbärfeste in denjenigen Kalender einzureihen haben, welcher die Wocho zu fiinf Tagen bestimmt. Alle Angaben Uber dio Dauer der verschie¬

denen Schöpfungsperioden sind durch fünf theilbar , wir erhalten dann zwei Halbjahre zu 36 Wochen und fünf Ergäuzungstage :

Schöpfungsperiodo 1. des Himmels 2. des Wassers 3. dor Erdo

Tage 45 60 75

Wochen zu 5 T.

9 12 15 36 W.

4. der Bäume 5. des Viehs 6. des Monschon

30 80 7ö

6 16 15 37 W.

odor 36 Wochen und 5 Ergäuzungstage.

Bd. XXXV. 42

(18)

646

Noch eine Handschrift des „Sapiens Sapientium".

Nachtrag zu XXXIV, 232—240.

Von Lic. Dr. C. H. CorniU.

Als ich Trumpps „Kritische Bemerkungen zum Sapiens Sapien¬

tium' (diese Zeitschr. XXXIV, 232 ff.) gelesen hatte, entsann ich

mich, auch unter den äthiopischen Handschriften der Frankfurter

Stadtbihliothek einem Exemplar des fllfXH '. CTiCl/lli ' be¬

gegnet zu sein. Bei meiner letzten Anwesenheit in Frankfurt

suchte ich nach und fand den Text auch richtig und zwar in dem

von Rüppell (Reise in Abyssinien II, pg. 404—406) unter 3) auf¬

geführten prachtvollen grossen Pergamentfolianten, auf den sieben

ersten Seiten , welche dem Bildnisse des zu des barfenspielenden

Königs David FüsSen der Länge nach auf dem Boden liegenden

äthiopischen Kaisers Hezekijä (regierte von 7280 bis 7286 der

äthiopischen Zeitrechnung d. i. 1787—1793) vorangehen. Uehrigens

ist der Codex nicht erst, wie das Bild scbliessen lassen könnte,

für den Kaiser Hezekijä geschrieben, sondern beträchtlich älter: der

"JT-IU : ilW^ : HA.^P'ÄJP : hat nämhch den Codex

ganz einfach annectiert, indem er „menschlich ordinär' den Namen

des ursprünglichen Besitzers überall auswaschen und den seinigen

mit rother Farbe darüberschmieren liess: ein ziemlich unkaiserliches

Verfahren, welches aber aufs Beste zu den Schilderungen stimmt,

welche Rüppell (II, 90 ff.) 40 Jahre später von dem kaiserlichen

Hofe zu Gondar entwirft; als er am 26. Nov. 1832 von dem Kaiser

Saglu Dengel zur Tafel befohlen wurde, emfing er durchaus den

Eindruck einer „pauvre honnetete*.

Ich verglich die Recension dieser Frankfurter Hs. genau mit

dem von Dillmann in der Chrestomatbia pg. 108—131 abgedruckten

Text, und will von den 141 Varianten solche, weicbe ein Interesse

haben , mittheilen : die Hs. bezeichne ich dabei mit F , den ge¬

druckt«* Text mit Dillm.

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