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Archiv "Unspezifische Entzündungen: Die akute Entzündung und ihre Zellen" (03.04.1980)

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Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Einleitung

Ob eine Entzündung entsteht und ob sie im Einzelfall akute eitrige

(Granulozyten, Thrombozyten) oder akute nicht-eitrige Entzündung (Lymphozyten, Monozyten), heißt, hängt vom Auslöser, den Mediato- ren, der Immunität, den Gewebsun- tergängen und den genetischen In- dividualkomponenten (HLA, Blut- gruppen) ab. Trifft der Auslöser auf eine humorale Immunität (Antikör- per und Komplement), so wird die Entzündung eher eitrig sein, auch wenn er sich diese Form nicht vor- gestellt hatte (zum Beispiel Arthus- Phänomen). Wird der Auslöser von einer zellgebundenen Immunität (sensibilisierte Lymphozyten, Lym- phokinine) überrascht, so sieht er sich eher mit einer nicht eitrigen Re- aktion konfrontiert.

Eine Entzündung kann sich aber auch unabhängig von einer Immun- reaktion ausbilden, wie uns Patien- ten mit einem Immundefekt (Hafer- kamp 1976) modellhaft zeigen; hier kann der Auslöser gewissermaßen das Wunschbild seiner Entzündung erzeugen.

Endothelien

Bei der akuten Entzündung findet sich die Stelle gesteigerter Permea- bilität in der postkapillären Venole, später auch in der Kapillare. Akto- myosin-Filamente im Zytoplasma verleihen den Endothelien nach Re-

aktion der Mediatoren mit der Zell- membran die Befähigung zur Kon- traktion; die interzellulären Poren öffnen sich weit. Zu ihrer Öffnung müssen die Endothelien also nicht absterben.

Von besonderer Bedeutung ist die Zellmembran mit dem deckenden Glykokalix, wo sich unter anderem Rezeptoren für Blutzellen finden.

Diese Rezeptoren bestimmen zum Beispiel bei Lymphozyten, wann und wo die einzelnen Typen dieser Zel- len das Blutgefäßsystem unter Be- dingungen der Norm und wahr- scheinlich auch bei Entzündung ver- lassen dürfen.

Thrombozyten

Sie dienen als potentielle Quelle von Serotonin und Prostaglandinen, die sie auf Entzündungsreize (Immun- komplexe mit Aktivierung des klassi- schen Komplementweges, Aus- weichaktivierung des Komplement- systems) abgeben. Ist das Endothel abradiert, so können die Thrombo- zyten mit Kollagen (III) der Gefäß- wand reagieren; es kommt zur Adhä- sion der Thrombozyten an die Ge- fäßwand mit anschließender Aggre- gation. Dabei bietet ein faserförmi- ges Glykoprotein auf ihrer Oberflä- che, das Fibronektin, eine bindende Unterstützung. Die bekannte Frei- setzungsreaktion der Plättchen mit ihren Folgen (Aktivierung des Gerin- nungssystems) setzt ein.

Die Endothelien sind aktiv kontrahierende Zellen; sie ge- ben den Weg aus dem Blutge- fäß in die Umgebung für hu- morale und zelluläre Blutbe- standteile frei. Die Thrombo- zyten stellen einen wichtigen Entstehungsort für Prosta- glandine und Kinine dar, wo- bei sie Serotonin aus ihren Speichern spenden, es aber nicht selbst produzieren; sie verkörpern einen Kern der Ak- tivierung des Gerinnungssy- stems (Fibrinbildung). Die Granulozyten phagozytieren, töten, bauen ab und verlieren lysosomale Enzyme mit ihrem breiten, auch chemotakti- schen Wirkungsspektrum.

Dies ist auch bei Monozyten und Makrophagen der Fall, welche jedoch zusätzlich noch sekretorische Zellen für neutrale Hydrolasen (Elastase, Kollagenase) darstellen. Lym- phozyten und Plasmazellen sind die Vertreter des Immun- systems im Entzündungsfeld.

Granulozyten

Prostaglandine und Komplementsy- stem bilden chemotaktisch wirksa- me Substrate. Daneben können aber auch Bakterien eine Chemotaxis von Granulozyten auslösen, indem sie Substrate abgeben; diese haben zur Entdeckung komplement-unabhän- giger, chemotaktisch wirksamer Tri- peptide geführt. Die Tripeptide ha- ben die Forschung der Chemotaxis sehr gefördert und gezeigt, daß die Chemotaxis den Granulozyten einen spezifischen Zellrezeptor und eine Ca2 +-abhängige Aktivierung des kontraktilen Apparates abverlangt, darüber hinaus aber auch ihren Stoffwechsel zur erhöhten Bildung von H 20 2 und schließlich die Exozy- tose lysosomalen Materials anregt.

Bevor die Granulozyten aus der vas- kulären Peripherie austreten, kleben sie am Glykokalix (kohlenhydratrei-

*) Ein Aufsatz zu dem Thema „Die akute Ent- zündung und ihre Mediatoren" wird in ei- nem der folgenden Hefte veröffentlicht.

UNSPEZIFISCHE ENTZÜNDUNGEN:

Die akute Entzündung und ihre Zellen

Otto Haferkamp*)

Aus der Abteilung für Pathologie

(Leiter: Professor Dr. med. Otto Haferkamp) der Universität Ulm

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 895

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Aktuelle Medizin

Entzündungsentstehung

che Decklage auf der Zellmembran mit reichlichen Rezeptoren aus der Membran) der Venolenendothelien, wozu Ca2 + notwendig ist. Einmal nach Verlassen der vaskulären Peri- pherie im Wundgebiet angelangt, beginnen die Granulozyten ihre Tä- tigkeit; sie phagozytieren. Das Pha- gozytierte gelangt in ihr Zytoplasma (Darstellung 1), wo es sich in einer Abschnürung der Zellmembran, im Phagosom (= phagozytische Vakuo- le) wiederfindet (Haferkamp 1976).

Mit dem Phagosom verschmelzen dann die in Granulozyten „Granula"

genannten Lysosomen, womit deren Enzyme das phagozytierte Material einhüllen: Myeloperoxidase, saure Hydrolasen (zum Beispiel Phospha- tase), neutrale Hydrolasen (zum Bei- spiel Kollagenase), Lysozym und an- dere. Prostaglandin E 1 , cAMP, Epi- nephrin und Colchicin hemmen, cholinergische Agonisten fördern diesen Vorgang. Bei der Phagolyso- sombildung erhöht die Zelle den He-

xose-Monophosphat-Shunt und bil- det H 20 2, den sie zusammen mit Myeloperoxidase und Halogen zum Abtöten von lebenden Bakterien oder Pilzen benötigt.

Teils aus unvollständig nach außen abgeriegelten Phagolysosomen, teils aus abgestorbenen Granulozy- ten dringt der Inhalt der Lysosomen ins Freie, wobei chemotaktische Substrate wirksam werden, die unter anderem Monozyten anlocken.

Durch Kollagenase wird kollagenes Bindegewebe abgebaut.

Monozyten

Nach den Granulozyten kommen die Monozyten an, die im Kampfgebiet des Entzündungsfeldes zu Makro- phagen reifen. Immunologische Faktoren fördern diese Reifung. Bei diesem Prozeß werden die Monozy- ten größer; sie vermehren neben Mitochondrien ihre Lysosomen und

damit deren Enzyme, die im wesent- lichen denen der Granulozyten ent- sprechen. Zusätzlich wird der Mono- zyt bei seinem Reifungsprozeß zu einer sezernierenden Zelle, indem er neben Lysozym neutrale Hydrolasen (Kollagenase, Elastase, Plasmino- gen-Aktivator) abgibt. Auch die Pha- gozytoseleistung steigert sich, ein Vorgang, der von einer Vermehrung der Rezeptoren auf der Makropha- genoberfläche für Immunglobulin G und Komplementfaktoren begleitet wird.

Die Zellmembran nimmt also an dem Vorgang teil. Die Reifung kann noch gesteigert werden zum aktivierten Makrophagen, der sich — zusätzlich zum einfachen Makrophagen — ein gesteigertes Abtötungsvermögen für fakultativ intrazellulär überle- bensfähige Bakterien (zum Beispiel Tuberkelbakterien) angeeignet hat.

Hierzu benötigt der Makrophage die Auslösung einer zellgebundenen Im- munität; bei dieser Reaktion geben

Azurophile Granula (pnmare Lysosomenl Saure Phosphatase Myeloperoxydase Lysozym Elastase

Kationische Proteine

Spezifische Granula (sekundäre Lysosomenl Alkalische Phosphatase Lysozym

Laktoferrin

1) Verschmelzung von Phagosom mit Lysosom 2) Antimikrobielle Systeme in Phagolysosomen

Vom Sauerstoff abhängig:

1. Myeloperoxydase-H 20 2-Halogen 2. Wasserstoffsuperoxyd

3. Aktive Radikale (Superoxyd-Hydroxyl-) 4. Naszierender Sauerstoff

Vom Sauerstoff unabhängig:

1. Lysozym

2. Kationische Proteine 3. Laktoferrin

a) aus Phagolysosom Ausschleusungsvorgang nach Phagozytose

b) aus Lysosom (ohne Phagozytose) Sekretorischer Granulozyt z. B. durch Komplementeinwirkung (c35 ) auf Zellmembran

Darstellung 1: Funktionen der Lysosomen bei Abwehr und Entzündung

896 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aktuelle Medizin

Entzündungsentstehung

bekanntlich auf Antigenkontakt sen- sibilisierte T-Lymphozyten Lympho- kinine genannte Wirkstoffe von ihrer Oberfläche ab, womit die Überfüh- rung der Freßzelle in die aktivierte Makrophagenform eingeleitet wird (North, 1978).

Die Funktion — besonders die Abga- be von Hydrolasen — kann bei den monatelang im Gewebe überlebens- fähigen Makrophagen (einer End- stufe der Zelldifferenzierung) durch Glukokortikoide gehemmt werden.

Auf der Oberfläche dieser Zellen fin- det man Rezeptoren für Cortison, Corticosteron und das synthetische Steroid Dexamethason.

Lymphozyten und Plasmazellen Als nächste Zellrasse sind die Lym- phozyten und Plasmazellen zu be- trachten. Bei den Lymphozyten, die morphologisch im Paraffinschnitt al- le gleich aussehen, unterscheiden wir die T-Lymphozyten, die B-Lym- phozyten und Lymphozyten ohne immunologische Veredlung, die 0- Lymphozyten. Die T-Lymphozyten sind im Thymus zu immunkompe- tenten Zellen veredelt worden (da- her „T"-Lymphozyten); sie dienen der zellgebundenen Immunität (zum Beispiel Tuberkulose, Transplantat- verwerfung) und befinden sich auf einer stetigen Wanderschaft im Blut- und Lymphsystem; sie suchen ihr Antigen.

Treffen sie auf ihr—etwa von Makro- phagen angebotenes — Antigen, so teilen sie sich und gehen als „sensi- bilisierte" T- Ly m phozyte n wiederum auf Wanderschaft. Treffen sie nun in der vaskulären Peripherie erneut auf dieses Antigen, so kommt es zu ei- ner Immunreaktion vom verzögerten oder zellgebundenen Typ. Dabei ge- ben die Lymphozyten die Lymphoki- nine ab, die unter anderem chemo- taktische Eigenschaften besitzen und Makrophagen aktivieren. Man kann also im Gewebe jungfräuliche, auf der ersten Suche auf ihr Antigen befindliche und sensibilisierte T- Lymphozyten erwarten, die morpho- logisch nicht zu trennen sind. Die B- Lymphozyten werden bei Vögeln in

der Nachbarschaft der Kloake in der Bursa Fabricii, beim Menschen im hypothetischen Bursa-Äquivalent zu immunkompetenten B-Lymphozyten veredelt; mit ihrer Antikörperbildung und Komplementbeteiligung dienen sie der humoralen Immunität. Das Komplement übernimmt in etwa die Funktion der Lymphokinine. Auch die B-Lymphozyten wandern im Blut- und Lymphgefäßsystem. Fin- det der B-Lymphozyt sein Antigen, so wandelt er sich über die Zwi- schenstufe des Immunoblasten zur Plasmazelle um.

Diese Plasmazelle bleibt im Gegen- satz zur sensibilisierten T-Zelle ses- sil und schickt den von ihr produ- zierten Antikörper auf die Reise;

wird also eine Plasmazelle etwa im Entzündungsfeld der Haut angetrof- fen, so sollte sie sich in loco aus einem B-Lymphozyten nach Stimu- lation entwickelt haben.

Trifft der Antikörper dann auf seiner Wanderschaft in der vaskulären Pe- ripherie sein Antigen, so kommt es zur humoralen Immunreaktion mit Komplementbeteiligung, wodurch unter anderem auch ein chemotakti- scher Reiz ausgelöst wird. Kortiko- steroide reduzieren die Zahl der Lymphozyten, sie nehmen aber auf eine Immunantwort und eine Im- munreaktion wenig Einfluß.

Die Zahl der Lymphozyten in einem Gewebe wird maßgeblich von den Venolen bestimmt; diese Gefäße entscheiden nämlich mit, wann und welche T- und B-Lymphozyten vor einer Sensibilisierung aus der Blut- bahn genommen. werden und in das Gewebe gelangen. Im Experiment vereitelt eine Entfernung des endo- thelialen Glykokalix oder eine Hy- droxylierung von Rezeptor-Glyko- protein der Lymphozytenoberfläche einen Austritt von Lymphozyten aus Venolen.

Mastzellen, basophile

und eosinophile Granulozyten Die Mastzelle und die basophilen Granulozyten besitzen auf ihrer Oberfläche einen Rezeptor für IgE-

Immunglobulin. Findet dieses Im- munglobulin als Antikörper sein An- tigen (allergische Reaktion) oder werden diese Zellen traumatisch al- teriert, so degranulieren sie, und es wird Histamin freigesetzt; außerdem geben sie einen chemotaktischen Faktor ab, der bevorzugt eosinophi- le Granulozyten anzieht. Dies erklärt die reichlichen eosinophilen Granu- lozyten einer allergischen Gewebs- le Granulozyten anzieht. Dies erklärt die reichlichen eosinophilen Granu- lozyten einer allergischen Gewebs- reaktion.

Darüber hinaus scheinen die baso- philen Granulozyten auch eine Mitt- lerrolle zwischen dem antigenen Material, den Mediatoren und den Entzündungszellen zu spielen, in- dem sie die Antworten von Granulo- zyten und Lymphozyten auf diese Mediatoren abschwächen.

Eine analoge Rolle könnte auch den eosinophilen Granulozyten zukom- men, welche Heparin neutralisieren und die Freisetzung von Histamin durch ein Prostaglandin E, und E 2 hemmen.

Literatur

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Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Otto Haferkamp Leiter der Abteilung für Pathologie der Universität Ulm Oberer Eselsberg 7900 U Im

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