DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
AUSSPRACHEStellungnahme
Aus der Sicht des niedergelasse- nen Gastroenterologen möchte ich zu den Ausführungen von Prof.
Rösch folgendes ergänzen:
0 Die kritische Sichtung der zur Therapie des Reizmagens augen- blicklich propagierten Konzepte verdient volle Zustimmung.
© Die Wirksamkeit der Motilitäts- regulatoren ist theoretisch zu be- gründen und in Studien belegt.
® In der Praxis ist es aber so, daß die therapeutischen Effekte auf die Symptomatik des Patienten oft genug enttäuschend sind: Auf die Einzeltherapie mit MCP (oder ana- logen Mitteln) reagiert nur ein klei- ner Teil der Patienten gut.
® Den Grund dafür sehe ich dar- in, daß die Diagnosen „funktionel- le Oberbauchbeschwerden " oder
„Reizmagen" nur einen Teilaspekt erfassen. Häufig ist zum Beispiel auch eine Kreislaufschwäche bei diesen Patienten nachweisbar;
beides sehe ich nun als Ausdruck einer tiefergreifenden und umfas- senden Störung psychosomati- scher Art.
® Die psychoanalytische Ent- wicklungspsychologie zeigt die Beziehung zwischen Magenstö- rungen und Depressivität auf, psy- chosomatische Untersuchungen haben schon lange die Bestäti- gung erbracht für den Zusammen- hang zwischen Entwicklungsstö- rungen der frühen Kindheit und dem späteren Auftreten von Ma- genbeschwerden in ähnlich gela- gerten Konfliktsituationen.
® Die Behandlung des Patienten mit Reizmagenbeschwerden muß
deswegen häufig weiter ausgrei- fen: Initial sind oft Spasmolytika oder Tranquilizer nötig, um die be- lastenden Schmerzen rasch zu lin- dern; so wirkt manchmal schon die Magenspiegelung mit der Prä- medikation von 5 mg Diazepam und der Luftinsufflation: Der Pa- tient berichtet bei der nächsten Konsultation ein schlagartiges Verschwinden der Beschwerden nach der Untersuchung!
0 Mittelfristig kläre ich mit dem Patienten die Frage, ob er ein ent- spannendes Verfahren wie das au- togene Training oder Joga erler- nen kann und will; wenn dies nicht der Fall ist, ist eine Therapie mit Antidepressiva über einige Wo- chen oft nützlich.
® Wenn diese Maßnahmen nicht zum Ziel führen, oder wenn die Beschwerden schon längere Zeit bestehen und erfolglos vorbehan- delt wurden und wenn schließlich der psychische Leidensdruck of- fenkundig ist, sehe ich die Indika- tion zu einer psychotherapeuti- schen Behandlung: Entweder eine Einzeltherapie (Psychoanalyse) oder eine Gruppenpsychotherapie oder eine Gesprächstherapie.
Dr. med Otto Allwein
Internist — Gastroenterologie Psychoanalytiker
Buchmannstraße 1 8000 München 82
Schlußwort
Mit vielen, wenn auch nicht allen Ergänzungen von Herrn Kollegen Allwein stimme ich überein, mir ging es, wie gesagt, um eine kriti- sche Sichtung der derzeit mit ei- nem nicht unerheblichen Werbe-
aufwand propagierten symptoma- tischen Therapie. Auch wenn der Volksmund mit dem Begriff „mir schlägt sich etwas auf den Ma- gen" einen engen Zusammenhang zwischen Psyche und Verdau- ungstrakt nahelegt, ist die wissen- schaftliche Basis für die Annahme, Störungen der normalen Funktion seien auf unangemessene Reak- tionen des Organismus auf bela- stende Ereignisse, auf eine be- stimmte Persönlichkeitsstruktur oder auf unbewußte Konflikte im Patienten zurückzuführen, sehr schmal und wackelig. Fast alle Da- ten, die sie zu unterstützen schei- nen, kommen von unkontrollierten Beobachtungen an sehr kleinen Patientenkollektiven oder gar an Einzelpersonen (Stacher). Be- hauptungen, daß es klare Bezie- hungen zwischen psychischen Be- lastungen, dem Aufhören oder der Bewältigung solcher Belastungen und der Remission der Krankheit andererseits gebe, können nicht durch harte Daten untermauert werden, so der Leiter des Psycho- physiologischen Labors der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien.
Daß bei Patienten mit einem Reiz- magen-Reizdarm-Syndrom eine Neigung zu depressiver Verstim- mung besteht, die sich zum Bei- spiel in einer ausgeprägten Karzi- nophobie äußert, ist unbestritten.
Neben der kleinen Psychotherapie durch den behandelnden Arzt, der dem Patienten vor Augen führen muß, daß der Bauch der Reso- nanzboden der Gefühle ist und daß er an einer Erkrankung leidet, die außerordentlich häufig ist, die ihn Zeit seines Lebens in wech- selnder Intensität begleiten wird und die eine günstige Prognose aufweist, ist der Einsatz von Tran- quilizern und Antidepressive durchaus gerechtfertigt (Rösch, 1986). Svendlund und Mitarbeiter (1983) konnten in einer prospekti- ven kontrollierten Studie einen eindeutig positiven Effekt nach zehn psychotherapeutischen Sit- zungen, über drei Monate verteilt, nachweisen, der bis zu einem Jahr lang anhielt. I>
Therapie des Reizmagens
Zu dem Editorial von Professor Dr. med. Wolfgang Rösch in Heft 22/1986, Seiten 1618 bis 1619
3462 (42) Heft 49 vom 3. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Reizmagen AUSSPRACHE
Nicht bestätigen kann ich die Be- obachtung, daß allein durch eine Magenspiegelung mit der Präme- dikation von 5 mg Diazepam und der Luftinsufflation die Beschwer- den schlagartig verschwinden können, gehört doch die Gastro- skopie zur Ausschlußdiagnostik einer organischen Magenerkran- kung, an die sich bei negativem Befund die Therapie anschließt.
Langzeitbeobachtungen zeigen im übrigen die Problematik der medikamentösen Therapie, aber auch von Maßnahmen wie Psy- chotherapie und autogenem Trai- ning. Fünf Jahre nach Diagnose- stellung waren eigenen Untersu- chungen zufolge (Rösch, 1980) nur 18,5 Prozent von 264 Patien- ten beschwerdefrei; bei 51 Pro- zent hatten sich die gastrointesti- nalen Symptome zwar gebessert, doch standen jetzt andere vegeta- tive Symptome wie Herz-Kreislauf- Beschwerden, Schlaflosigkeit, Kopfschmerz und ähnliches im Vordergrund.
Palmer (1978) stellt sicher mit Recht die ganzheitliche Betrach- tung des Patienten mit funktionel- len abdominalen Beschwerden in den Vordergrund der therapeuti- schen Bemühungen, wenn er schreibt: „Bei der heutigen Ten- denz zur exakten Untersuchung mit objektiven Methoden bis zur Grenze des Möglichen, oft mit we- nig Nutzen und wenig Worten für den Patienten, bleibt immer weni- ger Zeit für das Einfühlen in den Patienten als einen Mann oder ei- ne Frau mit einer Familie, mit ängstlichen Befürchtungen, wirt- schaftlichen Problemen, mit einer Vergangenheit und einer Zukunft und einem Arbeitsplatz, der zu ver- lieren ist."
Literatur beim Verfasser Professor Dr. med Wolfgang Rösch Medizinische Klinik
am Krankenhaus Nordwest der Stiftung
Hospital zum Heiligen Geist Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt (M) 90
w-3-Fettsäuren aus Fisch:
Zeltfunktionen, Gesundheit
Zu dem Editorial von
Professor Dr. med. Peter C. Weber in Heft 49/1985
Seiten 3688 und 3689 Was tun gegen zuviel Cholesterin?
Noch ein weiteres Nahrungsmittel übt nach jüngsten Beobachtun- gen einen günstigen Einfluß auf hohe Cholesterinwerte aus: Das ist die Sojabohne, die in Ostasien, besonders China, als Nahrungs- mittel dient. Herzinfarkte gehören bei uns zu den häufigsten Todes- ursachen, in China zu den selte- nen Erkrankungen. Gewiß, Chole- sterin ist einer der wichtigsten Ri- sikofaktoren für Herz-Kreislauf-Er- krankungen. Untersuchungen zeigten, daß der Cholesterinspie- gel im Blutserum der Chinesen er- heblich niedriger ist als der von Menschen in den westlichen Indu- strieländern. Die Erniedrigung be- trifft ausschließlich das „schlech- te" Cholesterin, LDL-Cholesterin, während das „gute" Cholesterin, HDL-Cholesterin gleich hohe Wer- te wie bei gesunden Menschen aufweist. Auch Zuckerkrankheit und Anlage zur Gicht mit erhöhten Harnsäurewerten werden in China ganz selten beobachtet.
Die Kalorienaufnahme von chine- sischen Menschen und derjenigen westlicher Industrieländer ist gleich. Ursache eines gesünderen Verhaltens dürfte aber die Zusam- mensetzung der Nahrung sein.
Zwar ist in China der Fettverzehr geringer, aber der große Unter- schied dürfte im Verzehr von Soja- bohnenspeisen, also mehr pflanz- lichem als tierischem Eiweiß, lie- gen. Tatsächlich konnten J. G. Mil- ler und Mitarbeiter zeigen, daß mit pflanzlichem Eiweiß niedrigere Konzentrationen der Blutlipide be- obachtet wurden als mit tieri- schem. Und Sirtori und Mitarbeiter konnten überzeugende Erfolge mit Sojabohnenprotein bei fami- liärer Hypercholesterinämie erzie-
len. LDL (Low Density Lipopro- tein) wurde bei allen Patienten re- duziert, während HDL unverändert blieb. In keinem Falle war die Diät völlig erfolglos. Der Cholesterin- spiegel fiel in jedem Fall um min- destens 10 Prozent. Es wurde au- ßerdem eine zwar kleine, aber si- gnifikante Blutdrucksenkung be- obachtet, ferner sank der Harn- säurespiegel um 6 und 7 Prozent.
Diese Beobachtungen mit unseren Nahrungsmitteln, ob Fischöle oder Sojabohnenprotein, sind äu- ßerst beachtenswert, denn gleich- gültig, ob hohe Cholesterinwerte nur Symptom einer weiteren, übergeordneten Stoffwechselstö- rung sind und somit Cholesterin nur einen Risikoindikator darstel- len würde, so daß die Senkung er- höhter Cholesterinspiegel nur rei- ne „Blutfettkosmetik" darstellen würde, zeigen die beiden Nah- rungsmittel doch eine gewisse prophylaktische Wirkung gegen kardiovaskuläre Leiden. Der Nut- zen dieser Nahrungsmittel ist um so höher zu bewerten, als jede me- dikamentöse Therapie der Hyper- lipidämie lebenslänglich erfolgen muß, sie ist immer eine Langzeit- therapie über Jahre und damit oft mit vielen Nebenwirkungen und Folgerisiken verbunden. Mit Hilfe von Nahrungsmitteln ist sie risiko- loser, aber wegen der Zubereitung von Mahlzeiten etwas hinderlich, so wird wöchentlich eine Fisch- mahlzeit empfohlen. Mit Hilfe griff- bereiter Präparate ist die Behand- lung einfacher. In der Bundesre- publik Deutschland liegt das wohl- schmeckende und zu jeder Zeit leicht einnehmbare Sojaproteindi- ätmittel Almasan vor. Die Therapie ist bequem, man nimmt es teelöf- felweise ein und hat nicht das Ge- fühl der täglichen Pillen- oder Ta- blettenschluckerei, das die Patien- ten von der Sache her schon ver- ängstigt.
Literatur beim Verfasser Dr. Josef Klosa
Jänickestraße 13, 1000 Berlin 37 Professor Weber hat auf ein Schlußwort verzichtet.
3464 (44) Heft 49 vom 3. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A