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Modulation Aktin-regulierender Signalkaskaden in einem Modell der Spinalen Muskelatrophobie (SMA)

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Academic year: 2022

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Aus dem Institut für Neuroanatomie der Medizinischen Hochschule Hannover

Modulation Aktin-regulierender Signalkaskaden in einem Modell der Spinalen Muskelatrophie

(SMA)

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Sarah Al Rayes aus Peine

Hannover 2012

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 12.09.2012

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann Betreuer der Arbeit: Prof. Dr. rer. nat. Peter Claus

Referent: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Schmiedl Korreferentin: Prof.‘in Dr. med. Susanne Petri

Tag der mündlichen Prüfung: 12.09.2012

Prüfungsausschussmitglieder: Prof. Dr. med. Ernst Ungewickell Prof. Dr. med. Johannes Gessner Prof. Dr. rer. biol. hum. Roland Jacobs

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Diese Arbeit ist Eike gewidmet.

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Die Spinale Muskelatrophie – eine neurodegenerative Motoneuronen-Erkrankung 1

1.2 Funktionen des SMN-Proteins 6

1.3 Das SMN-Protein und das Aktin-Zytoskelett 9

1.4 Regulation des Aktin-Zytoskeletts 11

1.5 Fasudil, fMLP, C3bot – Modulatoren Aktin-regulierender Signalkaskaden 14

2 Zielsetzung der Arbeit 18

3 Material und Methoden 19

3.1 Plasmide und Bakterienkultur 19

3.1.1 Plasmidisolation aus Escherichia coli DH5α 19 3.1.2 Bestimmung der DNA-Konzentration im Photometer 20

3.2 Zellbiologische Methoden 21

3.2.1 Kultivierung von PC12-Zellen 21

3.2.2 Transfektion von PC12-Zellen 22

3.2.3 Lipofektion mit Metafectene® 23

3.2.4 Elektroporation 24

3.2.5 Differenzierung der PC12-Zellen 24

3.3 Immunzytochemische Methoden 25

3.3.1 Fixierung der differenzierten PC12-Zellen 25 3.3.2 Färbung mit 4‘, 6-Diamidino-2-phenylindol (DAPI) 26 3.3.3 Bildverarbeitung und Messen der Neuritenlängen der PC12-Zellen 26

3.4 Proteinchemie 26

3.4.1 Zelllyse von PC12-Zellen und Proteinextraktion 26

3.4.2 Quantitative Proteinbestimmung 27

3.4.3 Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese (SDS-PAGE) 28

3.4.4 Western Blot 30

3.5 Antikörper 32

3.6 Chemikalien 33

4 Ergebnisse 35

4.1 SMN knock-down in PC12-Zellen führt zu einer signifikanten Verkürzung der

neuronalen Ausläufer 35

4.2 Pharmakologische Intervention in Rho-GTPasen vermittelten Signalkaskaden

verändert die Länge neuronaler Ausläufer von PC12-Zellen nach SMN knock-down 36

(5)

4.3 Die Anzahl neuronaler Ausläufer von differenzierten PC12-Zellen wird durch den SMN knock-down nicht und durch pharmakologische Intervention nur wenig

beeinflusst 41

4.4 Pharmakologische Intervention in neuronal differenzierten PC12-Zellen unter

SMN-Reduktion beeinflusst das Phosphorylierungsmuster von Cofilin tendenziell 43

5 Diskussion 50

5.1 Regulation des ROCK-Wegs bei der Spinalen Muskelatrophie 51 5.2 ROCK-Inhibition und Regulation des Neuritenwachstums 53 5.3 Regulation des Aktin-Zytoskeletts und Degeneration von Motoneuronen 56

5.4 ROCK-Inhibition als therapeutische Option 58

5.5 Ausblick 60

6 Zusammenfassung 62

7 Literatur 64

8 Danksagung 78

9 Lebenslauf 79

10 Ehrenwörtliche Erklärung 80

(6)

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ADF actin-depolymerizing factor

ADP Adenosindiphosphat

APS Ammoniumperoxodisulfat

a-SMN axonale SMN-Isoform

ASO Antisense-Oligonukleotide

AS-Rest Aminosäure-Rest

ATP Adenosintriphosphat

BCA-Assay Bicinchoninsäure-Assay

bidest. H2O zweifach destilliertes Wasser

BSA Rinderserumalbumin, bovine serum albumin

C3bot C3-Toxin aus Clostridium botulinum

Cdc42 cell division cycle 42

CP capping protein

CSPG Chondroitinsulfat-Proteoglykan-haltiges Medium

DANN Desoxyribonukleinsäure

DAPI 4', 6-Diaminphenylindol

DMEM Dulbecco's modified Eagle Medium

DMSO Dimethylsulfoxid

DsRed2 rot fluoreszierendes Protein aus Discosoma striata

E. coli Escherichia coli

EDTA Ethylendiamintetraacetat

ERK extracellular-signal regulated kinase

Ex Exon

F-Aktin filamentöses Aktin

Fasudil Hydroxyfasudil, ROCK-Inhibitor

FGF Fibroblastenwachstumsfaktor

fMLP formyl-Methionyl-Leucyl-Phenylalanin

G-Aktin globuläres Aktin

GAP GTPase activating protein

GAPDH Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase

GDI Guanine nucleotide dissociation inhibitor

(7)

GDP Guanosindiphosphat

GEF Guanine nucleotide exchange factor

GTP Guanosintriphosphat

H-1152 ROCK-Inhibitor

HDAC Histon-Deacetylase

HeLa-Zellen Humane Epithelzelllinie

hnRNP heterogenous ribonucleoprotein

iPSC induzierte pluripotente Zellen

LimK Lim-Kinase, Lin11-Isl1-Mec3-Kinase

MIM Mendelian Inheritance in Man, Datenbanksystem

MLCP myosin light chain phosphatase

mRNA messenger RNA

MSK mitogen- and stress-activated protein kinase

NAD Nicotinsäureamid-Adenin-Dinukleotid

NF Neurofilament

NGF Nervenwachstumsfaktor

NMJ neuromuscular junction

NPF nucleation promoting factor

NSC34-Zellen Motoneuronenzelllinie aus der Maus

OD Optische Dichte

p75 Neurotrophin-Rezeptor für NGF

PAK p21-aktivierte Kinase

PBS physiologische Kochsalzlösung, phosphate buffered saline

PC12-Zellen Pheochromocytoma cells, Nebennierenmarktumor-Zelllinie aus der Ratte

PFA Paraformaldehyd

Pi anorganische Phosphatgruppe

prä-mRNA Präkursor-mRNA

PRK protein kinase C-related protein kinase

PRMT5 Proteinmethyltransferase 5

pSupp.control pSuppressor-Vektor ohne Insert

pSupp.SMN pSuppressor-Vektor kodiert eine gegen SMN-mRNA gerichtete shRNA

Rac1 Ras-related C3 botulinum toxin substrate 1

RhoA Ras-homologous member A

ROCK RhoA-bindende Kinase

scAAV9 self complementary adeno-associated virus

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Abkürzungsverzeichnis

scaRNA small Cajal body RNA

SDS Natriumdodecylsulfat

SDS-PAGE Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese

shRNA short-hairpin RNA

siRNA small interfering RNA

SMA Spinale Muskelatrophie

SMN survival of motoneuron

Sm-Protein Smith-Antigen-Protein

snRNA small nuclear RNA

SSH Slingshot Phosphatase

TBST Tris-gepufferte physiologische Kochsalzlösung mit Triton-X-100

TEMED N, N, N', N'-Tetramethylethylendiamin

TesK testikuläre Kinase

TrkA Rezeptortyrosinkinase für NGF

UsnRNP uridine-rich small nuclear ribonucleoprotein

v/v volume per volume

w/v weight per volume

x g Erdbeschleunigung

Y-27632 ROCK-Inhibitor

ZNS Zentralnervensystem

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1

1 Einleitung

1.1 Die Spinale Muskelatrophie – eine neurodegenerative Motoneuronen- Erkrankung

Die Spinalen Muskelatrophien zählen zu der Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen, deren Kennzeichen ein zunehmender Untergang der Motoneurone mit resultierender Muskelatrophie ist. Als Ursache können verschiedene Erbgänge in Frage kommen, wobei die Mehrheit der Patienten an der autosomal rezessiv vererbten Variante, der proximalen Spinalen Muskelatrophie (SMA), leidet, die nach Zystischer Fibrose die zweithäufigste autosomal rezessive Erkrankung Zentraleuropas ist, die zum Tode führt (Wirth, 2000). Weitere seltenere Spinale Muskelatrophien unterscheiden sich sowohl in der Klinik als auch im Erbgang von der proximalen SMA, wie zum Beispiel die autosomal dominante, distale SMA (Sambuughin et al., 1998) und die X-chromosomale SMA, die auch Kennedy’s Disease genannt wird (La Spada et al., 1991).

Die proximale Spinale Muskelatrophie ist charakterisiert durch eine progressive Degeneration der α- Motoneurone im Vorderhorn des Rückenmarks und der motorischen Kerne im Hirnstamm (Batten and Holmes, 1912; Crawford and Pardo, 1996). Als Folge wird eine symmetrische Muskelatrophie in den Extremitäten, im Verlauf der Erkrankung eventuell sogar des gesamten Rumpfes, mit nachweislichem Verlust von motorischen Einheiten beobachtet, wobei dieser Verlust bei milderen Krankheitstypen schwächer ausgeprägt ist (Bromberg et al., 2003). Histologisch findet man neben atrophischen auch hypertrophische Muskelfasern (Batten and Holmes, 1912; Munsat and Davies, 1992). Dabei tritt in der Regel ein typisches Lähmungsmuster auf, bei dem die proximale Muskulatur stärker betroffen ist als die distale und die Schwäche der Beine ausgeprägter ist als die der Arme, des Rumpfes und des Gesichtes. Eine Beeinflussung der Sensibilität oder der Nervenleitgeschwindigkeit tritt nicht auf und die Kreatinkinase liegt im Normbereich (Munsat and Davies, 1992). Je nach Schweregrad können die Muskeleigenreflexe abgeschwächt bis nicht vorhanden sein und es können sich Faszikulationen, besonders der Zungenmuskulatur, und ein Tremor der Hände ausbilden (Hirtz et al., 2005).

Da der Schweregrad der Erkrankung sehr variabel ist, wurde eine international geltende Klassifikation der proximalen Spinalen Muskelatrophie in 4 Subtypen beschlossen, deren Kriterien auf Diagnosezeitpunkt und erreichten Meilensteinen der Kindesentwicklung basieren. So wird die schwerste Form der Spinalen Muskelatrophie, SMA I (syn. Werdnig-Hoffmann Syndrom; Mendelian Inheritance in Man (MIM) #253300), bei einem Kind diagnostiziert, welches innerhalb der ersten 6 Lebensmonate erkrankt und niemals in der Lage ist, ohne Hilfe zu sitzen (Munsat and Davies, 1992).

Klinisch auffällig werden diese Kinder meistens bis zum 4. Lebensmonat durch generalisierte

(10)

Einleitung

2 Schwäche, Hypotonie („floppy infant“), mangelnde Kopfkontrolle und Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme (Pearn and Wilson, 1973; Rudnik-Schöneborn et al., 2009). Die kleinen Patienten liegen oftmals auf dem Rücken in einer froschartigen Position und atmen hauptsächlich mit dem Zwerchfell, da die Interkostalmuskulatur, die die thorakale Atmung initiiert, ebenfalls von der Muskelschwäche betroffen ist (Hirtz et al., 2005). Diese respiratorische Insuffizienz kann durch Dysfunktion im Atemzentrum der Medulla oblongata verstärkt werden, wobei die präzise Mitwirkung auf die Entwicklung respiratorischer Komplikationen nicht vollständig geklärt ist. Aufgrund klinischer Erfahrungen geht man jedoch davon aus, dass diese Dysfunktion eine bedeutende Rolle bei zumindest einem Teil der SMA Typ I-Patienten spielt (Bertini et al., 2005). Es entstehen Ess- und Schluckbeschwerden und so gehäuft Aspirationspneumonien, aber auch andere sekundäre bronchopulmonale Infektionen und Atelektasen, die schlussendlich zur häufigsten Todesursache bei Spinaler Muskelatrophie, dem respiratorischen Versagen, führen (Hirtz et al., 2005). Treten die ersten Symptome bereits direkt nach der Geburt auf, sprechen manche von einem sogenannten SMA Typ „0“

(Dubowitz, 1999). Bereits pränatal lässt sich eine Muskelschwäche beobachten und die Kinder kommen mit Gelenkkontrakturen zur Welt. Auch eine respiratorische Insuffizienz liegt meist schon nach der Geburt vor und macht eine sofortige und dauerhafte Beatmung notwendig. Die Lebenserwartung dieser Kinder ist entsprechend kurz (Rudnik-Schöneborn et al., 2009). Desweiteren sind inzwischen über 20 Fälle berichtet worden, in denen die Patienten eine Kombination aus schwerer SMA Typ I / Typ „0“ mit einem kongenitalen Herzfehler aufwiesen, darunter auch bei Geschwistern (Burglen et al., 1995; Cook et al., 2006; El-Matary et al., 2004; Jong et al., 1998; Menke et al., 2008;

Møller et al., 1990; Mulleners et al., 1996; Rudnik-Schöneborn et al., 1996; Rudnik-Schöneborn et al., 2008; Sarnat and Trevenen, 2007; Vaidla et al., 2007). Vorhof- und/oder Ventrikelseptumdefekte stellten die größte Entität dar (Menke et al., 2008). Ob es einen Zusammenhang oder gar einen weiteren SMA-Subtyp gibt, ist derzeit noch unklar.

Bis Mitte der 90er Jahre galt für SMA Typ I-Patienten, dass sie in der Regel vor dem Erreichen des 2.

Lebensjahres starben (Munsat and Davies, 1992; Pearn and Wilson, 1973; Thomas and Dubowitz, 1994) und im Durchschnitt 9,6 Monate alt wurden (Bach et al., 2007; Thomas and Dubowitz, 1994).

In den letzten Jahren ist die Überlebensrate dieser Kinder deutlich gestiegen. Nachgewiesen wurde dies durch eine retrospektive Untersuchung, die Patientendaten, welche im Zeitraum 1980-1994 geboren worden waren, mit denen, die zwischen 1995 und 2006 zur Welt kamen, verglich. Das Risiko zu sterben wurde demnach für die Patienten der neueren Generation um 70 % reduziert (Oskoui et al., 2007). Als Ursachen können die erweiterten Möglichkeiten an lebensverlängernden Maßnahmen angesehen werden, die den Tod der Kinder hinauszögern, jedoch nicht die Pathogenese der Erkrankung rückgängig machen. Invasive Verfahren stellen die Beatmung über eine Trachealkanüle nach stattgehabter Tracheotomie oder über einen Endotrachealtubus dar. Eine Tracheotomie führt jedoch häufig dazu, dass die Kinder sofort die Fähigkeit verlieren, selbständig zu atmen oder zu lernen, verbal zu kommunizieren. Eine weitere Methode ist die nicht invasive Beatmung (noninvasive

(11)

3 ventilation = NIV), meist bestehend aus druckkontrollierter Beatmung über eine Maske (BIPAP = biphasic positive airway pressure) und mechanisch assistiertem Abhusten (MAC = mechanically assisted coughing). Sowohl die invasive als auch die nicht-invasive Beatmungsform führen zu signifikant verlängertem Überleben mit einem durchschnittlichen Lebensalter von 61-66 Monaten (Bach et al., 2007).

SMA Typ II (MIM #253550) verläuft moderater und wird dementsprechend erst zwischen dem 6. und dem 18. Lebensmonat klinisch auffällig (Munsat and Davies, 1992). Im Gegensatz zu Typ I-Patienten sind diese Kinder in der Lage zu sitzen, eventuell auch zwischenzeitlich mit Unterstützung zu stehen oder gar zu gehen, jedoch erlernen sie niemals das freie Laufen, da sie ihr Körpergewicht nicht tragen können (Hirtz et al., 2005; Ioos et al., 2004). Dazwischen variieren ihre motorischen Fertigkeiten:

Erlangen sie die Fähigkeit mit Hilfe zu stehen, so ist ihre Prognose günstiger als bei Typ II-Patienten, die nicht über das Sitzen hinaus kommen (Zerres et al., 1997). Faszikulationen der Zunge und ein Tremor der Hände sind häufig auftretende Symptome. Die respiratorische Funktion zeigt eine restriktive pulmonale Insuffizienz mit einer langsamen und progressiven Abnahme der respiratorischen Kapazität im Verlauf der Erkrankung ohne Phase der Stabilisierung. An Atemversagen versterben die Patienten in der Regel nicht vor der Pubertät und ein Großteil erreicht heutzutage das Erwachsenenalter (Ioos et al., 2004; Zerres et al., 1997).

Die Kugelberg-Welander-Erkrankung, SMA Typ III (MIM #253400), ist die mildeste Verlaufsform der infantilen Spinalen Muskelatrophie (Kugelberg and Welander, 1956). Erste Symptome zeigen sich frühestens nach dem 18. Lebensmonat und spätestens in der Adoleszenz (Munsat and Davies, 1992), wobei diese große Spannweite weiter in einen Typ IIIa mit Erkrankungsbeginn vor dem 3. Lebensjahr und in einen Typ IIIb mit Erkrankungsbeginn danach eingeteilt wird (Zerres and Rudnik-Schöneborn, 1995). Die Patienten erlernen selbständiges Gehen, wenngleich Typ IIIb-Patienten diese Fähigkeit deutlich länger erhalten bleibt als Typ IIIa-Patienten (Zerres and Rudnik-Schöneborn, 1995). Ihre Lebenserwartung ist kaum reduziert und die Entwicklung der Erkrankung ist durch eine sehr langsame Progression charakterisiert (Kaufmann et al., 2011; Zerres et al., 1997).

SMA Typ IV (MIM #271150) ist eine seltene, adulte Form der Spinalen Muskelatrophie mit Erkrankungsbeginn nach dem 30. Lebensjahr. Auch hier kann es zum Verlust der Gehfähigkeit kommen (Zerres and Rudnik-Schöneborn, 1995). Die Lebenserwartung ist jedoch nicht beeinträchtigt.

Die Inzidenz für die proximale Spinale Muskelatrophie beträgt etwa 1:6.000 bis 1:10.000, wobei Typ I mit 1 auf <25.000 Lebendgeburten am häufigsten vorkommt (Emery, 1991; Pearn, 1978; Pearn, 1973;

Thieme et al., 1993; Thieme et al., 1994; Wirth, 2000). Jeder 35. in der Bevölkerung ist ein Überträger der Erkrankung (Cusin et al., 2003; Feldkötter et al., 2002). Der Verdacht auf eine SMA kann neben einer genauen klinischen Untersuchung durch Elektromyographie, welches ein typisches Denervierungsmuster zeigt, seltener durch eine Muskelbiopsie mit den oben beschriebenen

(12)

Einleitung

4 A

Merkmalen, und vor allem durch eine Genanalyse bestätigt werden. Ursache der Spinalen Muskelatrophie ist ein Gendefekt, der 1990 durch Kopplungsanalyse auf dem Chromosomenabschnitt 5q11.2–13.3 lokalisiert werden konnte (Brzustowicz et al., 1990; Melki et al., 1990). 1995 wurde dann das Survival of motoneuron (SMN)-Gen als SMA-bestimmendes Gen identifiziert (Lefebvre et al., 1995). Das stark konservierte SMN-Gen setzt sich aus 9 Exons (Ex1, Ex2a, Ex2b, Ex3-Ex8) und 8 Introns zusammen, enthält ein Stop-Codon am Ende von Exon 7 und kodiert ein ca. 38 kDa großes Protein aus 294 Aminosäureresten, das SMN-Protein (Burglen et al., 1996; Lefebvre et al., 1995). Es existieren zwei verschiedenen Kopien des SMN-Gens auf dem Chromosomenabschnitt 5q13, das telomere SMN1- und das zentromere SMN2-Gen (Burglen et al., 1996; Lefebvre et al., 1995). 96 % der SMA Typ I-, 94 % der SMA Typ II- und 86 % der SMA Typ III-Patienten weisen eine homozygote Deletion des SMN1-Gens auf. Die übrigen Patienten besitzen in der Regel eine heterozygote Deletion mit relevanter Mutation im verbliebenen SMN1-Gen. Dagegen hat die Abwesenheit des SMN2-Gens keine medizinischen Folgen für den Menschen (Lefebvre et al., 1995;

Wirth, 2000). Das SMN2-Gen unterscheidet sich nur in 5 Punktmutationen vom SMN1-Gen, von denen sich 2 innerhalb der Exons befinden und keine eine veränderte Aminosäuresequenz bewirkt (Monani et al., 1999). Jedoch hat der Nukleotidaustausch C840 T in Exon 7 Folgen beim Spleißen (Abb. 1, B): Aus dem SMN1-Gen entsteht das vollständige SMN-Protein aus 8 Exons, dagegen führt ein alternativer Spleiß-Vorgang bei der SMN2- mRNA in 90 % zum Verlust von Exon 7 (Helmken et al., 2003; Lefebvre et al., 1995; Lorson et al., 1999; Monani et al., 1999). Das Produkt ist ein trunkiertes SMN-Protein aus 282 Aminosäureresten, SMNΔ7. Instabilität, eine kürzere Halbwertszeit sowie mangelnde Oligomerisierung sind im Vergleich zum vollständigen SMN- Protein nachgewiesen worden und sind die Erklärung für die ungenügende Funktionalität von SMNΔ7 (Lorson and Androphy, 2000; Lorson et al., 1998). Die Bedeutung von Exon 7 zeigt sich auch bei denjenigen SMA-Patienten, die eine heterozygote Deletion des SMN1-Gens und im verbliebenen SMN1-Gen eine Mutation in Exon 7 haben (Lorson et al., 1999; Talbot et al., 1997; Wang et al., 1998).

Abb. 1 Pathologie der Spinalen Muskelatrophie. (A) Fotographie eines 2 Monate alten Mädchens mit diagnostizierter SMA Typ I (aus: Chang and Gieron-Korthals, 2011). Die Muskelschwäche zeigt sich bereits in mangelnden Arm- und Beinbewegungen sowie einer fehlenden Kopfkontrolle beim Aufrichten in die Sitzposition. (B) Der Austausch von Cytosin zu Thymin in Exon 7 des SMN2-Gens verändert das Spleißen der Präkursor-mRNA und bewirkt den Verlust von Exon 7 im SMN2-Genprodukt. Es entsteht das SMNΔ7-Protein, welches verglichen mit dem vollständigen SMN-Protein nur unzureichend funktionsfähig ist.

B

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5 Bei Mäusen führt die Abwesenheit von SMN schon während des Embryonalstadiums zum Tod (Schrank et al., 1997), da das murine Genom nur ein SMN-Gen enthält. Der vollständige Verlust von SMN1 und SMN2 in einem SMA-Patienten ist bisher nicht berichtet worden, alle besitzen mindestens eine SMN2-Kopie, was vermutlich notwendig ist, um lebensfähig zu sein (Burghes, 1997). Da jede SMN2-Kopie mindestens zu 10 % das vollständige und somit funktionale SMN-Protein produziert, bedeutet eine höhere Anzahl an SMN2 mehr SMN-Protein und daher einen milderen Phänotyp.

Tatsächlich ist bei SMA-Patienten diese direkte Korrelation zwischen SMN-Proteinspiegel und Schweregrad der Erkrankung gegeben (Burghes, 1997; Feldkötter et al., 2002; Mailman et al., 2002;

Velasco et al., 1996). Eine vermehrte Anzahl an SMN2-Kopien kommt unter anderem dann zustande, wenn eine Konversion des SMN1- in das SMN2-Gen stattfindet (Campbell et al., 1997). So besitzen in der Regel Typ I-Patienten 2, Typ II-Patienten 3 und Typ III-Patienten 3-4 SMN2-Gene (Feldkötter et al., 2002; Harada et al., 2002). Die sehr schwere Form der SMA mit deutlicher Symptomatik bereits nach der Geburt geht in den meisten Fällen mit nur einer SMN2-Kopie einher (Rudnik-Schöneborn et al., 2009; Rudnik-Schöneborn et al., 2010). Neben der Anzahl an SMN2 ist mindestens ein weiterer Faktor für die Ausprägung der Erkrankung verantwortlich, Plastin 3. So führen hohe Plastin 3-Spiegel trotz eines SMA-Genotyps zu einer deutlich abgeschwächten Klinik bzw. gar keinen Symptomen (Oprea et al., 2008).

Das SMN2-Gen tritt erstmalig in der Evolutionsgeschichte in Menschenaffen (Hominidae) auf (Rochette et al., 2001) und fehlt allen übrigen Tieren. Dementsprechend können nur diese Lebewesen an Spinaler Muskelatrophie erkranken, die Deletion von SMN1 führt bei den übrigen Tieren noch vor der Geburt zum Tod. Um dennoch die Möglichkeit zu haben, mit Hilfe von Tiermodellen Grundlagen- und Therapieforschung zu betreiben, sind in den letzten Jahren Methoden für verschiedene SMA- Tiermodelle entwickelt worden. So werden beim Zebrafisch (Danio rerio) Antisense-Oligonukleotide eingesetzt, die die Translation von SMN-mRNA inhibieren und daher den SMN-Proteinspiegel reduzieren (Nasevicius and Ekker, 2000). Der knock-down hat verkürzte und fehlgeleitete Motoneurone zur Folge, andere Organsysteme sind nicht betroffen (McWhorter et al., 2003). Die Maus (Mus musculus) ist bei homozygoter Deletion von SMN (SMN-/-) ebefalls nicht lebensfähig (Schrank et al., 1997). Das Einbringen von humanen SMN2-Genen in einen SMN-/- Hintergrund, was als transgenes Tiermodell bezeichnet wird, lässt die Mäuse überleben und führt zu pathologischen Veränderungen im Rückenmark und in den Muskeln entsprechend der Spinalen Muskelatrophie (Hsieh-Li et al., 2000; Monani et al., 2000). Wie beim Menschen ist der Phänotyp abhängig von der Anzahl der Transgene und so können die verschiedenen Schweregrade der SMA gut simuliert werden.

Durch das Einbringen zusätzlicher Transgene, wie dem SMNΔ7-Gen, können mildere Phänotypen generiert werden (Le et al., 2005).

(14)

Einleitung

6

1.2 Funktionen des SMN-Proteins

Das humane SMN-Protein besteht aus 294 Aminosäureresten (Lefebvre et al., 1995) in acht Exons (Ex1, Ex2a, Ex2b, Ex3-7) (Burglen et al., 1996) und enthält mehrere Domänen mit verschiedenen Funktionen. Die Tudor-Domäne wird durch die Aminosäurereste 92-144 in Exon 3 kodiert (Selenko et al., 2001) und erkennt symmetrisch dimethyliertes Arginin in den Arginin-Glycin reichen C-Termini von Smith-Antigen Proteinen (Sm-Proteinen) (Selenko et al., 2001; Sprangers et al., 2003). Außerdem weist das SMN-Protein eine Polyprolin-Sequenz in Exon 5 auf, die eine Bindung zu Profilin vermittelt (Nölle et al., 2011; s.u.), und eine YG-Box im C-terminalen Ende (Aminosäurereste 269-281 in Exon 6 und 7), ein evolutionär konserviertes Motiv aus Tyrosin- und Glycin-Resten (Talbot et al., 1997).

Sowohl in Exon 6 als auch in Exon 2b befindet sich je eine Selbstassoziationsdomäne. Beide ermöglichen unabhängig voneinander eine Oligomerisierung des SMN-Proteins, die wiederum zu einer Zunahme der Widerstandsfähigkeit gegenüber proteolytischen Faktoren führt (Lorson et al., 1998; Young et al., 2000).

Das SMN-Protein kann im Zytoplasma mit acht weiteren Komponenten einen makromolekularen Komplex ausbilden, den SMN-Komplex (Kolb et al., 2007; Meister et al., 2000). Gemin2 bis 8 und Unrip sind durch direkte bzw. indirekte Bindungen mit SMN zu einem Multimer verknüpft (Otter et al., 2007). Die Funktion des SMN-Komplexes ist hauptsächlich die Herstellung von Uridin-reichen small nuclear ribonucleoproteins (UsnRNPs), die aus einer (U1, U2, U5) oder zwei (U4/U6) small nuclear RNA (snRNA), Sm-Proteinen und weiteren für das jeweilige UsnRNP spezifische Proteinen bestehen und Teil des Hauptspleißosoms sind (Pellizzoni et al., 1998; Will and Lührmann, 2001).

Auch an der Biosynthese von U11snRNP und U12snRNP, die im Nebenspleißosom wirken (Will and Lührmann, 2001), scheint der SMN-Komplex beteiligt zu sein (Pellizzoni et al., 2002). Sowohl das Haupt- als auch das Nebenspleißosom schneiden aus der transkribierten Präkursor-mRNA (prä- mRNA) nicht-kodierende Sequenzen heraus und verknüpfen anschließend die kodierenden Abschnitte miteinander.

Zu Beginn der snRNP Biogenese steht die Transkription der UsnRNA im Zellkern durch die RNA- Polymerase II und der anschließende Transport der monomethylierten (m7G) U1, U2, U4, U5snRNA ins Zytoplasma (Hamm and Mattaj, 1990; Will and Lührmann, 2001). Nur die U6snRNA bildet in diesem Ablauf eine Ausnahme, da sie von der RNA-Polymerase III transkribiert wird und im Zellkern verbleibt (Reddy et al., 1987; Vankan et al., 1990). Im Zytoplasma binden nun sieben Sm-Proteine (SmB/B', SmD1, SmD2, SmD3, SmE, SmF, SmG) unter Ausbildung einer stabilen heptameren Ringform an die hochkonservierte Sm-Sequenz der UsnRNA (Kambach et al., 1999; Stark et al., 2001). Diese Grundstruktur, auch Sm-Core-Domäne genannt, ist allen reifen UsnRNPs, ausgenommen der U6snRNP, gemein und wird durch zwei Komplexe vermittelt, den Proteinmethyltransferase-5

(15)

7 (PRMT5)- und den SMN-Komplex. Erstgenannter katalysiert die symmetrische Dimethylierung von Arginin-Resten der Sm-Proteine SmB/B', SmD1 und SmD3 (Friesen et al., 2001b), welches in vitro eine Steigerung der Affinität der Sm-Proteine für das SMN-Protein zur Folge hat (Brahms et al., 2001;

Friesen et al., 2001a). Der SMN-Komplex bindet nun die Sm-Proteine, um diese anschließend unter ATP-Verbrauch in einer heptameren Konformation auf die UsnRNA zu übertragen (Golembe et al., 2005; Meister et al., 2001). Für den Transport des Komplexes aus UsnRNPs und SMN-Komplex in den Zellkern zurück ist die Hypermethylierung des monomethylierten Guanosin-Rests (m7G) in der UsnRNA-Kappe erforderlich (Plessel et al., 1994). Die entstandene 2,2,7-Trimethylguanosinkappe der UsnRNPs dient neben der Sm-Core-Domäne (Fischer et al., 1993) als Signalstruktur für den Transport in den Zellkern, welcher maßgeblich von Snurportin 1 und Importin-β vermittelt wird (Palacios et al., 1997; Strasser et al., 2005). Zur weiteren Prozessierung durch small Cajal body RNAs (scaRNAs) akkumulieren die UsnRNPs zeitweise in den Cajal-Körpern des Nukleus (Jady et al., 2003), wo vermutlich ebenfalls die Dissoziation des SMN-Komplexes von den UsnRNPs in Anwesenheit von Coilin stattfindet (Hebert et al., 2001). Nach Anlagerung der UsnRNP- spezifischen Proteine können die reifen UsnRNPs ihre Funktion am Spleißvorgang ausüben.

In unserer Arbeitsgruppe konnte die Interaktion zwischen dem SMN-Protein und der 23 kDa Isoform des Fibroblastenwachstumsfaktors-2 (FGF-223) nachgewiesen werden (Claus et al., 2004; Claus et al., 2003). Die FGF-Familie besteht aus 22 Mitgliedern, die an einer Vielzahl biologischer Prozesse sowohl in der Embryonalentwicklung als auch beim Erwachsenen regulierend mitwirken, einschließlich der Angiogenese, gewebsreparativer Prozesse, Zellwachstum und –differenzierung und neuroprotektiven Vorgängen (Grothe and Timmer, 2007; Itoh and Ornitz, 2004). FGF-2 kann durch alternative Startcodons in verschiedene Isoformen translatiert werden (Sorensen et al., 2006), die sich in ihrem intrazellulären Verteilungsmuster unterscheiden (Claus et al., 2003). Nur die hochmolekulare Isoform FGF-223 ist in der Lage, direkt an den N-Terminus des SMN-Proteins (AS-Reste 1-90) zu binden (Claus et al., 2004). Die symmetrische Dimethylierung der N-terminalen Arginin-Glycin- Motive von FGF-223 durch den PRMT5-Komplex (Bruns et al., 2008) führt wahrscheinlich ähnlich wie bei den Sm-Proteinen SmB/B', SmD1 und SmD3 zu einer gesteigterten Affinität für das SMN- Protein (Friesen et al., 2001a). Weitere Verknüpfungen zum SMN-Komplex sind das konkurrierende Verhalten von FGF-223 und Gemin2 um die Bindungsstelle am SMN- Protein (Bruns et al., 2009) und die Interaktion von FGF-223 mit der U2snRNA und der U4snRNA (Claus et al., 2004).

Verschiedene Arbeiten deuten außerdem auf mindestens eine neuronale bzw. axonale Funktion des SMN-Proteins hin. Im Rückenmark postnataler Mäuse findet sich SMN in Dendriten und Axonen von Motoneuronen (Pagliardini et al., 2000). Während der Differenzierung von murinen P19- Teratocarcinoma-Zellen zu neuronen- und gliazellartigen Zellen kommt es zur Akkumulierung von SMN im Leitsaum von Wachstumskegeln und in Filopodien (Fan and Simard, 2002). Eine weitere Untersuchung zur intrazellulären SMN-Verteilung in humanen Motoneuronen zeigt im Laufe der

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8 Embryo- und Fetogenese eine zunehmende Verlagerung der SMN-Lokalisierung vom Zellkern in die aussprießenden Axone (Giavazzi et al., 2006). Beim Entdecken des SMN-Interaktionspartners hnRNP-R (heterogenous nuclear ribonucleoprotein), einem RNA-bindenen Protein, fällt eine Co- Lokalisation beider Proteine in den neuronalen Ausläufern kultivierter Motoneurone auf (Rossoll et al., 2002). Eine nähere Untersuchung ergab, dass hnRNP-R und SMN auch in Neuriten und im Zellkörper von neuronal differenzierten Zellen aus dem Phäochromozytom der Ratte (PC12-Zellen) co-lokalisieren. Die Überexpression von hnRNP-R führt in diesen PC12-Zellen zu einer signifikanten Längenzunahme der Neuriten, die hingegen bei Überexpression des mutierten hnRNP-R ΔSmn (Mourelatos et al., 2001), welchem die Domäne zur Bindung des SMN-Proteins fehlt, ausbleibt (Rossoll et al., 2003). Außerdem kann hnRNP-R spezifisch an die zipcode-Region von β-Aktin- mRNA binden und ist im Komplex mit SMN an der intrazellulären β-Aktin-Translokation beteiligt (Rossoll et al., 2003). Die Verbindung zwischen dem SMN-Protein und dem Aktin-Zytoskelett wird in einem eigenen Kapitel genauer beleuchtet. Desweiteren konnte eine neue Isoform des SMN-Proteins identifiziert werden, das sogenannte axonale SMN-Protein (a-SMN), welches bedingt durch alternatives Spleißen nur aus den ersten drei Exonen und dem darauffolgenden Intron 3 besteht. In Motoneuronen von Ratten findet sich a-SMN hauptsächlich während der embryonalen Entwicklung und seine Überexpression führt bei NSC34-Zellen zu signifikant längeren Axonen und stimuliert bei HeLa-Zellen die Bildung neuritenartiger Ausläufer (Setola et al., 2007). Unsere Arbeitsgruppe konnte dagegen zeigen, dass ein C-terminales Konstrukt aus dem SMN-Protein, das aus Exon 6 und 7 kodiert wird, stimulierend auf das Neuritenwachstum von PC12-Zellen wirkt und seine Überexpression einen endogenen SMN knock-down vollständig kompensiert (van Bergeijk et al., 2007).

Unklar bleibt bislang, welcher Funktionsverlust des ubiquitär exprimierten SMN-Proteins bei der Spinalen Muskelatrophie zur spezifischen Degeneration der Motoneurone führt. In der Literatur finden sich zwei Hypothesen zu dieser Frage: Die erste geht davon aus, dass die Beteiligung an der snRNP Biogenese die entscheidende Funktion des SMN-Proteins ist (Gabanella et al., 2007; Winkler et al., 2005). Folgen des SMN-Mangels sind über die Beeinträchtigung der snRNP-Produktion Spleißdefekte in der mRNA verschiedener Gene (Zhang et al., 2008), unter denen Gene angenommen werden, die für die physiologische Entwicklung der Motoneurone essentiell sind. Bei der zweiten Hypothese wird der Wegfall einer neuronalen Funktion des SMN-Proteins für den Motoneuronenuntergang verantwortlich gemacht. Die Beeinträchtigung der snRNP Biogenese als Ursache für die Spinale Muskelatrophie kommt hier nicht in Frage und wird versucht zu widerlegen (Carrel et al., 2006). Nicht zuletzt kann die Wahrheit zwischen beiden Thesen liegen und der Verlust beider Funktionen zum Krankheitsbild der Spinalen Muskelatrophie führen (Pellizzoni, 2007).

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1.3 Das SMN-Protein und das Aktin-Zytoskelett

In Maus- , Drosophila melanogaster- und in Zebrafischmodellen der SMA kommt es zu einer schweren Beeinträchtigung der Motoneurone, die sich in deutlicher Verkürzung der Axone, verändertem Branching und Wegfindungsstörungen beim Auswachsen äußert (McWhorter et al., 2003; Rajendra et al., 2007; Rossoll et al., 2003). Auch neuronal differenzierte PC12-Zellen zeigen unter Reduktion des SMN-Spiegels eine erhebliche Abnahme der Neuritenlänge (Bowerman et al., 2007; van Bergeijk et al., 2007). Die Form der Ausläufer ist dabei pathologisch verändert und weist vermehrt Schwellungen auf, in denen die Neurofilament (NF)-Akkumulation auf eine Störung des Zytoskeletts hindeutet (Bowerman et al., 2007). Einen maßgeblichen Anteil an der physiologischen Entwicklung neuronaler Fortsätze trägt das Aktin-Zytoskelett (Da Silva and Dotti, 2002).

In P19-Teratocarcinom-Zellen konnte während der neuronalen Differenzierung eine SMN-Anhäufung in den Wachstumkegeln und dort besonders am Leitsaum beobachtet werden, die räumlich eng mit Aktin-Strukturen assoziiert war (Fan and Simard, 2002). Eine Co-Lokalisation mit globulären Aktinmonomeren (G-Aktin), aber keine Überlagerung mit Aktinfilamenten (F-Aktin), wurde in Filopodien und Lamellipodien der Wachstumskegel von unserer Arbeitsgruppe in primären, humanen Fibroblasten nachgewiesen (van Bergeijk, 2007). Differenzierte PC12-Zellen unter SMN knock-down Bedingungen zeigen eine signifikante Verschiebung des G-/F-Aktin-Verhältnisses in Richtung F- Aktin bei unveränderter Aktin-Expression (van Bergeijk et al., 2007). Eine vergleichbare Hyperstabilisierung von F-Aktin findet sich auch in Motoneuronen von SMA-Mäusen. Fibroblasten von SMA-Patienten weisen dagegen keine Veränderung des Aktinhaushalts im Vergleich zu Kontrollpersonen auf, so dass diese durch SMN-Defizienz verursachte Dysregulation vermutlich auf neuronale Zellen beschränkt ist (Nölle et al., 2011). Eine Beeinflussung des lokalen β-Aktin-Niveaus wurde in Motoneuronen von Mäusen eines SMA Typ I-Modells entdeckt. Zwar ist die Expression unverändert, jedoch lässt sich eine deutliche Abnahme an β-Aktin in Wachstumskegeln und distalen Abschnitten der Axone feststellen (Rossoll et al., 2003). Unter physiologischen Bedingungen entsteht die asymmetrische, intrazelluläre Proteinverteilung von β-Aktin durch Translokation der entsprechenden mRNA in die Wachstumskegel (Kislauskis et al., 1997; Lawrence and Singer, 1986).

Es konnte gezeigt werden, dass SMN zusammen mit seinem Interaktionspartner hnRNP-R (Rossoll et al., 2002) am axonalen Transport dieser β-Aktin-mRNA beteiligt ist und sich so die lokale β-Aktin- Verminderung bei SMN-Reduktion erklären lässt (Rossoll et al., 2003). Neben hnRNP-R und hnRNP- Q konnten einige weitere Interaktionspartner des SMN-Proteins entdeckt werden, die Einfluss auf das Aktin-Zytoskelett ausüben. Als eines der ersten wurde die Wechselwirkung zu Profilin nachgewiesen (Giesemann et al., 1999), ein Protein, welches zum dynamischen Aufbau von F-Aktin beiträgt (Yarmola and Bubb, 2006). Giesemann et al. konnten in vitro eine Interaktion zwischen dem C-

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10 Terminus von SMN und Profilin feststellen mit einer höheren Affinität zur neuronalen Isoform, Profilin 2 (Giesemann et al., 1999). Unsere Arbeitsgruppe belegte diese Interaktion in vivo und charakterisierte mit Hilfe von SMN-Mutanten die zweite Poly-Prolin-Mikrodomäne in Exon 5 als die für die Bindung notwendige Sequenz (Nölle et al., 2011). Eine Reduktion des SMN-Proteinspiegels lässt dementsprechend Auswirkungen auf Profilin 2 vermuten. So konnte in PC12-Zellen eine signifikante Hyperphosphorylierung bei unveränderter Expression nach SMN knock-down beobachtet werden und auch in einem SMA Typ I-Mausmodell ließ sich dieses veränderte Phosphorylierungsmuster nachweisen (Nölle et al., 2011). Ebenfalls zu den Aktin-bindenden Proteinen gehört Plastin 3, welches unter anderem zur Quervernetzung von Aktinfilamenten beiträgt (Delanote et al., 2005). Es hat einen geschlechtsspezifischen SMA-modifizierenden Effekt, da eine hohe Expression von Plastin 3 bei Frauen trotz nachgewiesenem SMA-Genotyp mit erheblicher Symptomabschwächung oder gar Fehlen von Krankheitszeichen korreliert (Oprea et al., 2008). Bei genauerer Untersuchung wurde festgestellt, dass die Überexpression von Plastin 3 in vitro eine Wiederherstellung des neuronalen Wachstums bei reduziertem SMN-Proteinspiegel bewirkt und die Gabe von Plastin 3-mRNA im SMA-Zebrafischmodell eine signifikante Verbesserung des Phänotyps erzielt. Eine Assoziation von Plastin 3 und SMN in einem größeren Proteinkomplex konnte gefunden werden (Oprea et al., 2008). Auch scheint es Verbindungen zwischen Plastin 3 und Profilin 2 zu geben. In SMN2B/— Mäusen, einem intermediären SMA-Mausmodell, führte die SMN-Reduktion zu einer Verminderung des Plastin 3-Spiegels, welcher durch einen Profilin 2 knock-out gerettet werden konnte, jedoch ohne positiven Einfluss auf die Motoneurondegeneration oder den Phänotyp blieb (Bowerman et al., 2009). Ein weiterer Interaktionspartner des SMN-Proteins wurde in der SMN- Nullmutante von Drosophila melanogaster beschrieben. Es konnte in vivo die Bildung von Komplexen zwischen SMN und α-Actinin, einem Aktin-bindenden Protein mit quervernetzender Funktion, nachgewiesen werden (Djinovic-Carugo et al., 1999; Rajendra et al., 2007).

Neben den direkten Interaktionspartnern gibt es weitere Verbindungen zwischen dem SMN-Protein und dem Aktin-Zytoskelett. Unter SMA-Bedingungen kommt es zu einer Veränderung der Phosphorylierungs- und Aktivitätsmuster von Cofilin und Enzymen der übergeordneten Signalkaskaden. Cofilin kann Aktinfilamente schneiden und depolymerisieren, aber auch die Entstehung neuer Filamente induzieren (Andrianantoandro and Pollard, 2006; Chan et al., 2000), und wird durch die Lim-Kinase (LimK) phosphoryliert (Arber et al., 1998). Bei SMN knock-down in neuronal differenzierten PC12-Zellen findet sich eine tendenzielle Hypophosphorylierung der Lim- Kinase und eine signifikante Hypophosphorylierung des Cofilins (Nölle et al., 2011). Somit weisen mehrere Ergebnisse auf eine essentielle Bedeutung der Regulation des Aktin-Zytoskeletts bei der SMA-Pathogenese hin.

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1.4 Regulation des Aktin-Zytoskeletts

Für das Aussprossen, die Migration und die Wegfindung axonaler Ausläufer wird die Lenkung durch den Wachstumskegel benötigt, dessen essentielle Bestandteile das Mikrotubuli- und das Aktin- Zytoskelett sind (Geraldo and Gordon-Weeks, 2009). Das Aktinnetzwerk besteht aus Aktinfilamenten, in welchen sich jeweils zwei Ketten polymerisierter Aktinmonomere helixartig umeinander winden.

Durch den asymmetrischen Aufbau von G-Aktin kommt es zu einer Polarität innerhalb des Filaments mit zwei verschiedenen Enden: dem (+)-Ende (barbed end) und dem ()-Ende (pointed end) (Steinmetz et al., 1997). Unter physiologischen Gleichgewichtsbedingungen dominiert die Assoziation von ATP-gebundenem G-Aktin an das (+)-Ende und die Dissoziation von ADP-gebundenen Monomeren vom ()-Ende (Fujiwara et al., 2002; Pollard and Borisy, 2003). Kurz nach der Addition des ATP-Aktins an das (+)-Ende findet die Hydrolyse von ATP zu ADP und einer anorganischen Phosphatgruppe (Pi) statt. Die Abspaltung von Pi ist eine deutlich langsamere Reaktion und geht mit einer anschließenden Konformationsänderung des Aktins einher, die wiederum die Dissoziation des ADP-Aktins begünstigt (Belmont et al., 1999; Carlier et al., 1992). Andere Ergebnisse deuten darauf hin, dass neu polymerisierte Aktinfilamente - unabhängig ob ADP- oder ATP-Aktin - eine instabilere Struktur aufweisen, die eher zu einer Depolymerisierung führt als bei gealterten Filamenten, die in der typischen Helixform vorliegen (Kueh et al., 2008; Orlova et al., 2004).

Für die Regulation des dynamischen Aktinhaushalts in der eukaryotischen Zelle werden eine Vielzahl an Faktoren benötigt (Pollard and Cooper, 2009; Siripala and Welch, 2007). Profilin kann monomeres Aktin binden und dabei den Nukleotidaustausch von ADP-Aktin zu ATP-Aktin beschleunigen (Goldschmidt-Clermont et al., 1992). In Anwesenheit von Thymosin β4 als auch von Forminen fördert es außerdem die Elongation am (+)-Ende der Aktinfilamente (Kovar et al., 2006; Pantaloni and Carlier, 1993). Vier Isoformen des Profilins werden in Säugetieren exprimiert, wobei durch alternatives Spleißen zwei Profilin 2-Varianten existieren (Profilin 2a und 2b) (Lambrechts et al., 2000). Profilin 2a findet sich besonders im Gehirn, an dessen neuronaler Entwicklung es beteiligt ist, und kann durch die RhoA-bindende Kinase (ROCK) phosphoryliert werden (Da Silva et al., 2003;

Lambrechts et al., 2000). Profilin 1 wird mit Ausnahme von Herz- und Skelettmuskulatur ubiquitär im Körper exprimiert (Lambrechts et al., 2000) und hat die höchste Affinität zu Aktin (Gieselmann et al., 1995). Die bislang wenig charakterisierten Isoformen Profilin 3 und 4 lassen sich wie auch Profilin 2b hauptsächlich in der Niere, aber auch in anderen Geweben in niedrigeren Konzentrationen nachweisen (Jockusch et al., 2007). Da in der Literatur die Isoformen Profilin 2a und Profilin 2b nicht durchgängig differenziert angegeben werden, wird in dieser Arbeit auf eine Differenzierung verzichtet und ausschließlich die Bezeichnung Profilin 2 verwendet. Neben der Assoziation von G-Aktin an bereits existierende Filamente kann Aktinpolymerisation auch durch Bereitstellen neuer (+)-Enden induziert

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12 werden. Formine vermitteln diesen Effekt durch die de novo-Synthese eines Aktin- Kondensationskeims (Hotulainen and Lappalainen, 2006; Kovar et al., 2006). Dagegen fördert der Arp2/3-Komplex die Aktinpolymerisation, indem er nach Aktivierung durch entsprechende NPFs (nucleation promoting factors) die Entstehung neuer Filamente an den Seiten bereits vorhandener Mutterfilamente im 70° Winkel initiiert (Amann and Pollard, 2001; Welch et al., 1997). Der Auf- und Abbau von Aktinfilamenten wird ebenfalls durch Proteine reguliert, die die Enden der Filamente bedecken oder die Monomere binden. Durch das Besetzen des (+)-Endes mit CP (capping protein) und des ()-Endes mit Tropomodulin wird so unkontrollierte Assoziation und Dissoziation verhindert (Wear et al., 2003; Weber et al., 1994). Der Pool an freien Aktinmonomeren, der die Geschwindigkeit einer F-Aktin Zunahme mitbestimmt, wird durch Dimerisierung von G-Aktin mit Thymosin β4 oder Profilin gesteuert (Blanchoin and Pollard, 1998; Safer et al., 1991).

Ein weiteres Aktin-bindendes Protein ist Cofilin, welches im Menschen in drei verschiedenen Isoformen mit unterschiedlicher Gewebeverteilung exprimiert wird: ADF (actin-depolymerizing factor), Cofilin 1 (dominante Form im Körper außer im Muskelgewebe) und Cofilin 2 (muskelspezifische Isoform) (Bamburg et al., 1980; Gillett et al., 1996). Im Folgenden wird hauptsächlich auf Cofilin 1 Bezug genommen und dieses als Cofilin bezeichnet. Cofilin bindet sowohl an G- als auch an F-Aktin mit einer höheren Affinität zur ADP-gebundenen Form (Carlier et al., 1997). Beschriebene Auswirkungen sind die Monomerdissoziation vom ()-Ende, das Zerschneiden von Filamenten (severing), die Dimerisierung mit G-Aktin, aber auch die de novo –Synthese neuer Aktinfilamente (Andrianantoandro and Pollard, 2006; Carlier et al., 1997; Chan et al., 2000; Nishida et al., 1984). In vitro konnte gezeigt werden, dass die Aktivität von Cofilin konzentrationsabhängig ist (Andrianantoandro and Pollard, 2006). Bei einem niedrigen Cofilin/Aktin-Verhältnis induziert Cofilin eine Konformationsänderung der Filamente, die zu einer Destabilisierung mit anschließendem Bruch des Aktinfilaments führt (Andrianantoandro and Pollard, 2006; McGough et al., 1997; Pavlov et al., 2007). Die Zunahme an (+)- bzw. ()-Enden könnte je nach Interaktion mit weiteren Aktin-bindenden Proteinen entweder eine gesteigerte Polymerisation mit Erhöhung des F-Aktin-Gehalts oder eine verstärkte Depolymerisation mit erniedrigtem F-Aktin-Gehalt in der Zelle bewirken (Andrianantoandro and Pollard, 2006; Ghosh et al., 2004). Bei einem hohen Cofilin/Aktin-Verhältnis in vitro fördert Cofilin die Polymerisation von Aktinmonomeren zu neuen Filamenten (Andrianantoandro and Pollard, 2006). In welchem Ausmaß die Konzentrationsabhängigkeit in vivo zum Tragen kommt, bleibt noch zu klären. Durch Phosphorylierung am Serin-3 wird die Aktin- bindende Fähigkeit von Cofilin inhibiert, ohne dass es dabei zu einer Konformationsänderung des Proteins kommt (Agnew et al., 1995; Blanchoin et al., 2000). Verantwortlich für diese Inaktivierung sind zwei Kinasefamilien: die Lim-Kinasen (LimK1 und LimK2) und die testikulären Kinasen (TesK1 und TesK2) (Abb. 2; Arber et al., 1998; Toshima et al., 1995; Toshima et al., 2001), wobei nur die Lim-Kinasen ubiquitär und in größeren Mengen in neuronalen Geweben exprimiert werden (Foletta et al., 2004). Die Dephosphorylierung und somit Reaktivierung erfolgt über die Cofilin-spezifischen

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13 Phosphatasen: Chronophin und die verschiedenen Isoformen der Slingshot-Phosphatasen (SSH) (Gohla et al., 2005; Niwa et al., 2002). Auch unspezifische Phosphatasen sind zum Teil in der Lage, Cofilin zu dephosphorylieren (Ambach et al., 2000; Meberg et al., 1998). Die Isoform SSH-1L, deren Regulation von den spezifischen Phosphatasen bisher am besten untersucht ist, wird Ca2+-abhängig durch Calcineurin (Phosphatase 2B) dephosphoryliert und aktiviert (Wang et al., 2005). Dabei fördert die Bindung von SSH-1L an Aktinfilamente deren Phosphatase-Aktivität enorm (Nagata-Ohashi et al., 2004). Inhibiert wird Slingshot durch das Protein 14-3-3 und in vitro durch Phosphorylierung durch die p21-aktivierte Kinase (PAK) 4 (Nagata-Ohashi et al., 2004; Soosairajah et al., 2005).

Abb. 2 Schematische Darstellung der Regulationswege von Cofilin im Zusammenhang mit der RhoA-ROCK- bzw. der Rac1/Cdc42-PAK-Signalkaskade (vereinfacht). Die kleinen GTPasen RhoA, Rac1, Cdc42 können im GTP-gebundenen Zustand über ROCK bzw. PAK zur Phosphorylierung und somit Aktivierung der LimK1/2 führen. Diese wiederum phosphorylieren Cofilin am Serin-3 und bewirken eine Inhibition Cofilins. Neben den unspezifischen Phosphatasen sind bislang zwei spezifische Phosphatasen – Chronophin und SSH – beschrieben worden, die Cofilin dephosphorylieren und reaktivieren können. Desweiteren sind Zusammenhänge zwischen den Phosphatasen und den downstream Effektoren der kleinen GTPasen sowie die Verbindung zu Profilin 2 dargestellt.

Die Regulationswege der Cofilin-phosphorylierenden Lim-Kinasen sind umfassender untersucht (Abb. 2). Downstream Effektoren der Rho-GTPasen phosphorylieren die beiden Enzyme in ihrem aktiven Zentrum (LimK1: Thr508, LimK2: Thr505) und führen so zu deren Aktivierung. ROCK ist in der Lage, beide Isoformen der Lim-Kinasen zu phosphorylieren und wird selbst durch die Bindung an

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14 GTP-assoziiertes RhoA aktiviert (Maekawa et al., 1999; Matsui et al., 1996; Ohashi et al., 2000; Sumi et al., 2001). Dagegen können PAK1 und 4 nur LimK1 phosphorylieren (Dan et al., 2001; Edwards et al., 1999). Deren Aktivierung wiederum wird durch die Assoziation an die Rho-GTPasen Cdc42 oder Rac1 ausgelöst (Abo et al., 1998; Daniels et al., 1998). SSH1, eine bereits genannte Phosphatase von Cofilin, kann aktivierte LimK1 am Threonin 508 dephosphorylieren und zeigt somit eine positive Rückkopplungsschleife, indem SSH1 simultan Cofilin aktivieren und dessen Inhibitor hemmen kann (Soosairajah et al., 2005). Die Rho-GTPasen gehören zur Superfamilie der kleinen GTPasen und sind zentrale Bestandteile der Signaltransduktion. Durch die Bindung an GTP im Austausch gegen GDP kommt es zur Aktivierung der Rho-GTPasen, wobei dieser Wechsel von der GDP- zur GTP- gebundenen Form durch die GEFs (Guanine nucleotide exchange factor) beschleunigt wird (Linseman and Loucks, 2008; Schmidt and Hall, 2002). Rho-GTPasen können durch ihre intrinsische GTPase- Aktivität das assoziierte GTP zu GDP hydrolisieren. Diese Inaktivierung wiederum wird durch die GAPs (GTPase activating protein) stimuliert (Bernards, 2003; Bernards and Settleman, 2004). GDIs (Guanine nucleotide dissociation inhibitors) verhindern den Bindungsaustausch von GDP zu GTP und wirken somit hemmend auf die Rho-GTPasen (Hoffman et al., 2000).

1.5 Fasudil, fMLP, C3bot  Modulatoren Aktin-regulierender Signalkaskaden

Die kleinen Rho-GTPasen RhoA, Rac1 und Cdc42 spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der neuronalen Entwicklung, Differenzierung und Regeneration, u.a. durch Regulation des Aktin- Zytoskeletts. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass Rac1 und Cdc42 stimulierend auf das Wachstum neuronaler Ausläufer wirken und Reparationsprozesse nach neuronalen Verletzungen in die Wege leiten, wohingegen RhoA hemmende Effekte auf das Aussprießen und Wachsen von Neuriten sowie auf den neuronalen Heilungsprozess vermittelt (Govek et al., 2005; Hall and Lalli, 2010;

Linseman and Loucks, 2008). Für die Experimente dieser Arbeit wurden pharmakologische Substanzen gewählt, die jeweils ein Protein der Signalkaskade dieser Rho-GTPasen beeinflussen.

Fasudil ist ein effizienter ROCK-Inhibitor (Uehata et al., 1997), der in Japan bereits seit 1995 als Arzneimittel zugelassen ist. Im Vergleich zu strukturähnlichen Kinasen wird ROCK am potentesten inhibiert, jedoch werden in schwächerem Ausmaß auch Kinasen wie PRK2 (protein kinase C-related protein kinase 2), MSK1 (mitogen- and stress-activated protein kinase 1) und weitere in ihrer Aktivität gehemmt (Davies et al., 2000). Die erste Indikation für den Einsatz des Isoquinolinderivats in Japan ist die Verhinderung eines sekundären, durch eine Subarachnoidalblutung ausgelösten zerebralen Vasospasmus gewesen, der eine verzögerte zerebrale Ischämie zur Folge hat. Eine zuvor durchgeführte Placebo-kontrollierte, double-blind Studie an Patienten in 60 neurologischen Kliniken

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15 hatte ein deutlich verbessertes Outcome nachweisen können (Shibuya et al., 1992). Trotz Inhibition eines ubiquitär exprimierten Proteins zeigte sich sowohl in dieser als auch in einer Post-Marketing Surveillance Studie, dass Fasudil erstaunlich wenige unerwünschte Nebenwirkungen aufweist (Shibuya et al., 1992; Suzuki et al., 2007), von denen bislang die häufigste Kopfschmerzen ist (Shimokawa et al., 2002). Wegen seiner vasodilatierenden Wirkung wird Fasudil inzwischen bei vaskulären bzw. kardialen Erkrankungen getestet (Masumoto et al., 2001; Shibuya et al., 2005;

Shimokawa et al., 2002; Vicari et al., 2005). Aktuell werden in den USA zwei Phase II- Studien und eine Phase III-Studie durchgeführt, die Fasudil zur Therapie vom Raynaud-Syndrom, Arteriosklerose und bei Stenose der Arteria carotis (≥ 70%) einsetzen (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00498615, NCT00120718, NCT00670202). Im Tiermodell wird Fasudil mittlerweile auch zur Behandlung neurologischer Erkrankungen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Verletzungen an Gehirn und Rückenmark mit einer starken Aktivierung des RhoA-ROCK-Pfades einhergehen und dass der therapeutische Einsatz von Fasudil zu gesteigertem Wachstum von Nervenfasern, verminderten Gewebsläsionen und einer verbesserten klinischen Genesung der Tiere führt (Hara et al., 2000; Tanaka et al., 2004). Weiteres Potential liegt in der Behandlung von Multipler Sklerose. Offensichtlich sind RhoA und ROCK notwendig für die pathologische Leukozyteneinwanderung in das ZNS (Honing et al., 2004) und die Hemmung dieser Signalkaskade durch Fasudil bewirkt im Mausmodell eine Verlangsamung der Erkrankung bei Abnahme der T-Zell-Migration (Yu et al., 2010).

Formyl-Methionyl-Leucyl-Phenylalanin (fMLP) ist ein Formylpeptid, das unter natürlichen Bedingungen von Bakterien ausgeschüttet wird und bei Entzündungsprozessen im Menschen eine Schlüsselrolle im Heranlocken neutrophiler Granulozyten und Monozyten einnimmt (Yang et al., 2008). G-Protein gekoppelte Formylpeptidrezeptoren auf der Zelloberfläche vermitteln die Reaktionen auf fMLP und führen neben weiteren Signalkaskaden zur Phosphorylierung und somit Aktivierung von PAK (Ding et al., 1996; Huang et al., 1998; Knaus et al., 1995; Zhan et al., 2003). Passend zur Notwendigkeit, schnell auf das Eindringen von Bakterien zu reagieren, erfolgt die maximale Aktivierung von PAK in den neutrophilen Granulozyten bereits nach 15-30 Sekunden (Huang et al., 1998). Das durch fMLP hervorgerufene Phänomen der Chemotaxis wird durch dynamische Veränderungen im Aktin-Zytoskelett verursacht. So findet sich kurz nach der Stimulation eine relative Reduktion des G-Aktin-Gehalts bei gleichzeitig lokalem Konzentrationsanstieg von F-Aktin mit anschließender, für Zellmigration typisch morphologischer Polarisierung (Howard and Meyer, 1984;

Lepidi et al., 1992). Eine genauere Betrachtung zeigt in der ersten Minute nach Stimulation eine signifikante Zunahme der freien barbed ends (Glogauer et al., 2000), welche wiederum durch uncapping und durch Aktivierung des Arp2/3-Komplexes sowie von Cofilin bereitgestellt werden (Sun et al., 2007). Die Aktivierung von Cofilin wurde hierbei anhand der signifikanten Abnahme des Phosphorylierungsmusters nach 60 Sekunden Stimulation mit fMLP nachgewiesen (Sun et al., 2007).

Bislang wurde fMLP hauptsächlich im Zusammenhang mit Granulozyten und den Vorgängen der Chemotaxis erforscht. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass fMLP nicht nur Auswirkungen auf das

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16 Immunsystem hat. So fördert es die Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen zu Osteoblasten und hemmt dagegen deren Differenzierung zu Adipozyten, wobei diese Entwicklung allerdings durch eine PAK-unabhängige Signalkaskade vermittelt wird (Shin et al., 2011).

Clostridium botulinum Typ C produziert neben dem bekannten, Botulismus auslösenden Neurotoxin und einem für einige Tierarten gefährlichen C2-Toxin ein drittes Exotoxin, das C3-Toxin (C3bot), welches erstmals vor knapp 25 Jahren entdeckt wurde (Aktories et al., 1987) und inzwischen der Prototyp einer Familie aus mindestens sieben C3-Exoenzymen unterschiedlichen bakteriellen Ursprungs ist (Vogelsgesang et al., 2007). C3bot katalysiert mit Hilfe von Co-Substrat NAD+ die ADP-Ribosylierung eines Asparagin-Rests (Asn-41) von Rho-GTPasen, der sich nahe der „switch I“- Region, welche die Interaktion mit Effektormolekülen vermittelt, befindet (Narumiya et al., 1988;

Sekine et al., 1989). Von den zahlreichen Rho-GTPasen dienen ausschließlich RhoA, RhoB und RhoC als Substrat, weshalb C3bot unter anderem für die Erforschung der zellulären Funktionen von RhoA eingesetzt wird (Chardin et al., 1989; Just et al., 1992; Rubin et al., 1988). Die ADP-Ribosylierung führt zur Inaktivierung von Rho mit schweren Folgen für das Aktin-Zytoskelett einiger Zellarten (Chardin et al., 1989; Wiegers et al., 1991). In neuronalen Zellen jedoch hat die Gabe von C3bot einen stimulierenden Effekt auf das Wachstum von Zellausläufern. So induziert C3bot in nicht differenzierten PC12-Zellen die Ausbildung eines neuronalen Phänotyps (Nishiki et al., 1990) und verhindert eine Wachstumshemmung durch Myelinsubstrate in differenzierten PC12-Zellen (Lehmann et al., 1999). Hippokampale Neurone weisen nach Stimulation mit C3bot signifikant längere Axone und eine signifikante Zunahme des Axonbranchings auf (Ahnert-Hilger et al., 2004). Im Tiermodell konnte in Ratten und Mäusen nach schweren Rückenmarksverletzungen eine funktionelle Wiederherstellung und eine Zunahme der axonalen Regeneration gezeigt werden (Dergham et al., 2002; Dubreuil et al., 2003). Allerdings bewirken auch sowohl ein rekombinantes C3bot, bei welchem eine Aminosäure im katalytischen Zentrum ausgetauscht wurde, als auch ein aus 29 Aminosäuren bestehendes C3bot-Peptid (C3bot154-182) eine signifikante Längenzunahme von Axonen hippokampaler Neurone, obwohl beide keine ADP-Ribosylierung von Rho katalysieren können (Ahnert-Hilger et al., 2004; Höltje et al., 2009). C3bot154-182stimuliert zudem das axonale Wachstum von α-Motoneuronen und führt ähnlich wie das vollständige, enzymatisch aktive C3bot auch im Mausmodell nach Rückenmarksschädigung zu einer signifikant verbesserten lokomotorischen Wiederherstellung bei gesteigerter Nervenfaserregeneration (Boato et al., 2010). Weiterhin wurde beobachtet, dass die intrazelluläre Expression von unverändertem C3bot dagegen eine signifikante Abnahme der Axonlänge in hippokampalen Neuronen induziert (Ahnert-Hilger et al., 2004). Somit ist bislang unklar, wie genau C3bot seinen wachstumsstimulierenden Effekt auf Neurone vermittelt. Ebenfalls rätselhaft bleibt bis heute die Aufnahme von C3bot in die Zelle, da C3-Toxinen eine spezifische Transportdomäne fehlt und bisher kein hinreichend schlüssiger Mechanismus nachgewiesen werden konnte (Just et al., 2011; Vogelsgesang et al., 2007). Für einen möglichen therapeutischen Einsatz wurde daher das von C3bot abgeleitete „cell-permeable“ Fusionsprotein BA-210 (Cethrin®) hergestellt

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17 und zuerst bei Rückenmarksverletzungen in Mäusen und Ratten getestet (Lord-Fontaine et al., 2008).

Die mit BA-210 behandelten Tiere zeigten über mehrere Wochen eine signifikant verbesserte Lokomotion bei guter Verträglichkeit und deutlich minimiertem strukturellen Sekundärschaden. Eine extradurale Gabe von BA-210 ergab eine verbesserte Durchwanderung in die graue und weiße Substanz im Vergleich zum ursprünglichen C3bot (Lord-Fontaine et al., 2008). Inzwischen ist eine Phase I/IIa-Studie bei 35 Patienten mit akuter thorakaler oder zervikaler Rückenmarksverletzung durchgeführt worden, die eine gute Verträglichkeit von BA-210 im Menschen ohne das Auftreten besonderer Nebenwirkungen vorweisen konnte. Hierbei konnten nach 1 Jahr bei den mit BA-210 behandelten Patienten nach zervikaler Rückenmarksverletzung verbesserte motorische Fähigkeiten beobachtet werden (Fehlings et al., 2011).

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Zielsetzung der Arbeit

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2 Zielsetzung der Arbeit

Die proximale Spinale Muskelatrophie ist eine Erkrankung, die durch den Mangel an SMN-Protein ausgelöst wird. Die Klinik ist charakterisiert durch eine progrediente Muskelschwäche, wobei in der aktuellen Literatur Symptome anderer Organe zunehmend beschrieben werden. Zur Zeit werden die Patienten symptomatisch behandelt. Zugelassene Therapien, die eine Lebensverlängerung bei gleichbleibender Lebensqualität bewirken, existieren nicht. Das SMN-Protein wird ubiquitär im menschlichen Organismus produziert und geht eine Vielzahl an Interaktionen ein, weshalb der pathogene Mechanismus der Erkrankung bislang unklar bleibt. Unsere Arbeitsgruppe konnte ein neuronales SMA-Zellkulturmodell in PC12-Zellen entwickeln, welches die neuronale Wachstumshemmung der Erkrankung widerspiegelt und gleichzeitig eine hohe Anzahl biochemischer Untersuchungen ermöglicht. Veränderungen des Aktin-Zytoskeletts und einiger Aktin-regulierender Faktoren konnten hiermit unter SMA-Bedingungen beobachtet werden. So beeinflusst der SMN knock-down das Phosphorylierungsmuster von Cofilin, einem ROCK-Substrat und Aktin-bindendem Protein. ROCK wiederum wird durch RhoA reguliert, eine kleine Rho-GTPase, die bekanntlich hemmend auf neuronales Wachstum und neuronale Heilungsprozesse wirkt.

Zentrales Thema dieser Arbeit ist die Modulation der RhoA-ROCK-Signalkaskade in unserem SMA- Zellkulturmodell, um deren Einfluss auf das Neuritenwachstum bei SMN-Proteinreduktion zu bestimmen. Hintergedanke ist hierbei die Suche nach einem neuen Therapieansatz, der stimulierend auf neuronales Wachstum trotz SMN knock-down wirkt. Gleichzeitig soll auf molekularer Ebene untersucht werden, ob diese Modulation die durch SMN-Defizienz beobachteten Effekte auf die Cofilinphosphorylierung rückgängig macht bzw. ob Cofilin als downstream Target von ROCK die potenziellen Veränderungen der Modulatoren auf das Neuritenwachstum vermittelt. Fasudil als ROCK-Inhibitor und C3bot als RhoA-Inhibitor sollen dafür eingesetzt werden.

Neben der RhoA-ROCK-Signalkaskade soll ein weiterer Aktin-regulierender Signalweg moduliert werden, der Rac1/Cdc42-PAK-Weg. Dieser verhält sich gegensätzlich zu der RhoA-ROCK-Kaskade, da ihm stimulierende Effekte auf neuronale Wachstums- und Reparationsprozesse zugeschrieben werden. Dementsprechend wird für diese Arbeit das Peptid fMLP als ein PAK-Aktivator verwendet.

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19

3 Material und Methoden

3.1 Plasmide und Bakterienkultur

3.1.1 Plasmidisolation aus

Escherichia coli

DH5α

Zur endogenen SMN-Proteinreduktion wird das Prinzip der RNA-Interferenz angewendet. Small interfering RNA (siRNA) induziert die Degradierung der komplementären SMN-mRNA, so dass der SMN-Proteinspiegel sinkt. Die Etablierung dieses SMN knock-down-Modells hat bereits im Vorfeld in unserer Arbeitsgruppe stattgefunden (van Bergeijk et al., 2007). In diesem Fall codiert ein pSuppressor-Vektor (pSupp.SMN) für eine short-hairpin RNA (shRNA), eine doppelsträngige RNA- Sequenz mit zusätzlicher Haarnadelschlaufe, die durch intrazelluläre Prozessierung die entsprechende siRNA bildet und die SMN-Reduktion vermittelt.

Die benutzten Plasmide pSupp.SMN und pSupp.control (leerer Kontrollvektor) werden von den entsprechenden, in Glycerin bei -84°C gelagerten kompetenten Escherichia coli (E.coli)-Bakterien repliziert und nach dem Prinzip der alkalischen Lyse aus den Zellen (modifiziert nach Birnboim and Doly, 1979) gewonnen. 100 ml LB-Medium pro Bakterienstamm werden mit Kanamycin versetzt (30 µg/ml) und mit den Bakterien angeimpft. Die Bakteriensuspension inkubiert über Nacht bei 37°C im Schüttler. Am nächsten Tag wird die Isolierung und Reinigung der Plasmid-DNA mit Hilfe des Maxi Kits (Qiagen) nach Herstellerangaben durchgeführt.

Die Ernte erfolgt durch Zentrifugieren für 10 Minuten bei 4300 x g und 4°C. Der Überstand wird verworfen und das Pellet mit 10 ml EDTA-haltigem Resuspensionspuffer resuspendiert.

Ethylendiamintetraacetat (EDTA) fördert durch Komplexbildung mit Metallkationen die Instabilität der bakteriellen Zellwände. Außerdem ist dem Resuspensions-Puffer RNase A zugefügt, welches die bakterielle RNA degradiert. Anschließend werden 10 ml eines alkalischen Natriumdodecylsulfat (SDS)-Puffers hinzugefügt. Das Einwirken eines anionischen Detergens bei hohem pH löst die Phospholipide und Proteinkomponenten der Zellwände und denaturiert während einer Inkubationszeit von ungefähr 5 Minuten sowohl chromosomale als auch Plasmid-DNA sowie die Proteine. Die Plasmid-DNA kann allerdings bei folgender Neutralisation mit Kaliumacetat für 7-10 Minuten wieder renaturieren. Gleichzeitig werden unlösliche Komplexe aus Protein- und Nukleinsäureresten der chromosomalen DNA in Anwesenheit von Kaliumdodecylsulfat gebildet, die ausfallen und durch Filtration über eine Filtrationssäule entfernt werden. Die klare Lösung wird nun auf eine vorher äquilibrierte Anionen-Austauscher-Säule gegeben, welche durch die Elutionsbedingungen nur die Plasmid-DNA bindet. Unerwünschte Substanzen, die ebenfalls an die Säule binden, werden in 2

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Material und Methoden

20 Waschschritten mit je 30 ml Waschpuffer entfernt. 15 ml eines Puffers mit hoher NaCl-Konzentration kann die Plasmid-DNA von der Säule eluieren. Gefällt wird die DNA anschließend mit 10,5 ml Isopropanol durch Zentrifugieren für 1 Stunde bei 5000 x g und 4°C. Der Überstand wird verworfen und zu der pelletierten Plasmid-DNA 6 ml 70%-Ethanol gegeben. Erneutes Zentrifugieren, Abgießen und Lufttrocknen führen zu aufgereinigter Plasmid-DNA, die nun in bidest. H2O gelöst und bei -20°C gelagert werden kann.

3.1.2 Bestimmung der DNA-Konzentration im Photometer

Die Bestimmung der Plasmid-DNA-Konzentration und der Reinheit erfolgt in einem Photometer (DU520, Beckmann Coulter GmbH), wobei DNA ein Absorptionsmaximum von 260 nm hat. Für die Nullwertbestimmung wird bidest. H2O benutzt, da auch die für die Konzentrationsbestimmung verwendete DNA zuvor in bidest. H2O verdünnt wird. In einer 10 mm Quarzküvette besitzt

Puffer Zusammensetzung

Resuspensionspuffer 50 mM Tris-HCl pH 8,0 10 mM EDTA

100 µg/mL RNase A

Lysepuffer 200 mM NaOH

1 % (w/v) SDS

Neutralisierungspuffer 3 M Kaliumacetat pH 5,5 Äquilibrierungspuffer 750 mM NaCl

50 mM MOPS pH 7,0 15 % (v/v) Isopropanol 0,15 % (v/v) Triton®X-100

Waschpuffer 1 M NaCl

50 mM MOPS pH 7,0 15 % (v/v) Isopropanol

Elutionspuffer 1,6 M NaCl

50 mM Tris-Cl pH 7,0 15 % (v/v) Isopropanol

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21 doppelsträngige DNA eine optische Dichte von 1, wenn ihre Konzentration in der Lösung 50 µg/ml beträgt. Dementsprechend wird die Konzentration unter Einbeziehung des Verdünnungsfaktors wie folgt berechnet:

OD260nm x 50 µg/ml x Verdünnungsfaktor = DNA-Konzentration [µg/ml]

3.2 Zellbiologische Methoden

3.2.1 Kultivierung von PC12-Zellen

PC12-Zellen wurden erstmals 1976 aus dem Phäochromozytom einer Ratte gewonnen und dienen seitdem als Modellsystem zur Untersuchung neuronaler Differenzierung und Entwicklung (Greene and Tischler, 1976). Chromaffine Zellen aus dem Nebennierenmark gehen wie die Sympathikoblasten aus den Neuralleisten hervor und können somit als modifizierte sympathische Neurone aufgefasst werden.

Durch Zugabe des Nervenwachstumsfaktors (NGF) verlieren sie ihre runde oder polygonale Form und bilden lange dünne, sich verzweigende Ausläufer aus, die sowohl axonale als auch dendritische Eigenschaften besitzen und dementsprechend in Anlehnung an den englischen Wortgebrauch als Neuriten bezeichnet werden.

Für die Kultivierung der PC12-Zellen werden zunächst Zellkulturflaschen mit Poly-L-Lysin

(c=0,5 mg/ml; 33 µg/cm2) für 1 Stunde bei Raumtemperatur beschichtet und danach zwei Mal mit physiologischer Kochsalzlösung (PBS) gespült. In diesen können die Zellen sich nun in PC12- Proliferationsmedium bei einer Temperatur von 37°C und einer Kohlendioxid-Atmosphäre von 8,5 % in einem befeuchteten Brutschrank proliferieren.

Da PC12-Zellen in Zellhaufen wachsen, müssen sie einmal pro Woche vereinzelt werden, um ein Absterben zu verhindern. Dafür werden sie mit einer 0,05 % (w/v) Trypsin / 0,83 mM EDTA-Lösung vom Boden der Zellkulturflasche abgelöst. Nach ungefähr 5 Minuten wird die Proteolyse durch Zugabe von Medium gestoppt. Die Zellsuspension wird nun für 5 Minuten bei 1000 x g und Raumtemperatur zentrifugiert, das Pellet in 2-3 ml Medium gelöst und mit einer über dem Bunsenbrenner enggeschmolzenen Glas-Pasteurpipette trituiert. Die Bestimmung der Zellzahl erfolgt mit einer Neubauer-Zählkammer. Anschließend kann die gewünschte Zellzahl in eine neue, frisch beschichtete Zellkulturflasche umgesetzt werden.

Referenzen

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