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den SMN knock-down nicht und durch pharmakologische Intervention nur wenig beeinflusst

5.2 ROCK-Inhibition und Regulation des Neuritenwachstums

Das neuronale Wachstum zum richtigen Zeitpunkt in der Entwicklung zu den Zielstrukturen ist abhängig von extrazellulären Stimuli, intrazellulären Signaltransduktionskaskaden sowie dem Zytoskelett aus Aktin und Mikrotubuli, das letztlich die Formveränderung und Migration umsetzt.

Diskussion

54 Extrazelluläre Stimuli sind Strukturproteine der extrazellulären Matrix, z.B. Kollagen IV, und Botenstoffe, die Membranrezeptoren aktivieren. Durch anschließende Rekrutierung intrazellulärer Proteine an die Zellmembran und deren Aktivierung bzw. Inhibition werden in der Regel verschiedene Signalkaskaden in Gang gesetzt, die sich untereinander beeinflussen können und die in einer veränderten Aktivität einer Vielzahl assoziierter Faktoren münden. Deren Regulation des Aktin-Zytoskeletts ergibt zusammen mit dem Mikrotubuli-Netzwerk die adäquate Antwort des Wachstumskegels auf die extrazelluläre Stimulation.

Bei den PC12-Zellen ist der Nervenwachstumsfaktor NGF der Botenstoff, der das Ausprossen der Neuriten induziert. Neurotrophine wie NGF vermitteln ihre Signale mit geringer Affinität über den p75-Rezeptor (Johnson et al., 1986) und mit hoher Affinität über Rezeptortyrosinkinasen der Trk-Familie, beispielsweise NGF über TrkA (Kaplan et al., 1991; Klein et al., 1991). Signalkaskaden, z.B.

die ERK-Kaskade, werden aktiviert und führen über transkripitionelle und post-translationale Veränderungen zum Überleben und zur neuronalen Differenzierung (Vaudry et al., 2002). Sowohl die Bindung an den p75- als auch an den TrkA-Rezeptor reduziert die Aktivität von RhoA (Gehler et al., 2004; Nusser et al., 2002; Sebök et al., 1999), umgekehrt bleibt das durch NGF stimulierte Neuritenwachstum durch Expression von konstitutiv aktivem RhoA aus (Sebök et al., 1999). Eine jüngste Studie untersuchte in Spinalganglienzellen aus dem Huhn das Verhalten des Wachstumskegels auf die Stimulation mit NGF (Marsick et al., 2010). Hochauflösende Bilder zeigten die Membranprotusionen des Wachstumskegels zum Ort der höchsten NGF-Konzentration hin, induziert durch eine lokale signifikante Steigerung an F-Aktin und freien barbed ends. Gleichzeitig konnte eine deutliche lokale Hypophosphorylierung und somit Aktivierung von Cofilin beobachtet werden, die für das Wachstum und die Reaktion des Wachstumskegels auf den Stimulus notwendig war (Marsick et al., 2010). Ein Zusammenhang dieser Beobachtungen lässt sich leicht herstellen, da aktives Cofilin durch severing die Anzahl freier barbed ends steigern kann und somit eine vermehrte Aktinpolymerisation ermöglicht (Chan et al., 2000). Wie bei den Spinalganglienzellen ist auch in den PC12-Zellen eine signifikante Hypophosphorylierung von Cofilin während der neuronalen Differenzierung nachgewiesen worden (Endo et al., 2007; Meberg et al., 1998), weshalb sich ein ähnlicher Mechanismus von Cofilin beim neuronalen Wachstum von PC12-Zellen vermuten lässt.

Die Bedeutung der von Rho GTPasen vermittelten Signalkaskaden für das neuronale Wachstum ist schon in vielen Studien belegt worden, nur über den tatsächlichen Effekt der einzelnen Faktoren im Zusammenspiel mit den anderen in vivo wird noch diskutiert. Neben den bereits genannten Arbeiten ist in weiteren Studien mit Überexpressions- und knock-down-Versuchen bestätigt worden, dass aktives Cofilin essentiell für das neuronale Wachstum in PC12-Zellen und in primären neuronalen Zellkulturen aus Huhn und Ratte ist (Endo et al., 2003; Kuhn et al., 2000; Meberg and Bamburg, 2000). Dementsprechend führt eine Reduktion der Slingshot-Phosphatase als Cofilin-aktivierendem Faktor in PC12-Zellen zu signifikant verminderter neuronaler Differenzierung und ein

Doppel-knock-55 down von Cofilin und Slingshot zusammen verstärkt diesen Effekt weiter (Endo et al., 2007). Nicht konsistent sind die Ergebnisse der Überexpression von LimK, die verantwortlich für die Inaktivierung von Cofilin ist. In Spinalganglienzellen des Huhns unterdrückt die Hochregulation die Mobilität des Wachstumskegels (Endo et al., 2003), wohingegen die Überexpression in murinen Spinalganglienzellen und in hippocampalen Neuronen der Ratte das neuronale Wachstum steigert (Aizawa et al., 2001; Rosso et al., 2004). Eine vorstellbare Erklärung wäre, dass für das physiologische Wachstum neuronaler Ausläufer in Abhängigkeit vom Zelltyp eine exakt regulierte Menge an aktivem Cofilin notwendig ist, die durch das Zusammenspiel der Lim-Kinase und Slingshot erreicht wird. Profilin ist ein weiteres Aktin-bindendes Protein, welches das Neuritenwachstum beeinflusst. In murinen hippocampalen Neuronen führt die Profilin 2-Reduktion zu einer signifikanten Wachstumszunahme der hippocampalen Neuriten und die Überexpression zu einer -abnahme (Da Silva et al., 2003). Außerdem konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass eine Zunahme der Phosphorylierung von Profilin 2, die durch ROCK katalysiert wird (Da Silva et al., 2003), signifikant kürzere Neuriten in PC12-Zellen bewirkt (Nölle et al., 2011).

Die Inhibition von RhoA und ROCK ist erforderlich für die Neuritogenese neuronaler Zellen und eine gesteigerte Aktivierung im Rahmen nervaler Läsionen verhindert neuronale Regeneration (Niederöst et al., 2002). Daher wird bereits im Rahmen von Traumata mit Verletzung von Nerven der Effekt einer pharmakologischen RhoA- bzw. ROCK-Inhibition untersucht (Boato et al., 2010; Lord-Fontaine et al., 2008). In dieser Arbeit wurden sowohl ein RhoA- als auch ein ROCK-Inhibitor eingesetzt mit der Überlegung, auch hier neuronales Wachstum zu stimulieren und so die durch SMN-Mangel ausgelöste Wachstumshemmung zu kompensieren, vor allem da SMN-Defizienz veränderte Phosphorylierungsmuster der ROCK-Signalkaskade bedingt. Bei physiologischen SMN-Proteinspiegeln steigerten Fasudil als ROCK- und C3bot als RhoA-Inhibitor das Neuritenwachstum der PC12-Zellen nicht wesentlich im Vergleich zu Kontrollzellen, die ausschließlich mit NGF inkubiert worden waren. Aber die unter SMN-Bedingungen aufgetretene Neuritenverkürzung blieb in Anwesenheit von Fasudil bzw. C3bot aus und konnte vollständig kompensiert werden (Abb. 5 und 7).

Einen vergleichbaren Effekt zeigten C3bot und Y-27632, wie Fasudil ein ROCK-Inhibitor, bei primären neuronalen Zellkulturen, die auf Chondroitinsulfat-Proteoglykan-haltiges Medium (CSPG) kultiviert wurden, einem Substrat, das ähnlich wie Glianarben hemmend auf das Aussprießen von Neuriten wirkt. Die Zugabe von C3bot bzw. Y-27632 führte zur kompletten Wiederherstellung der Neuritenwachstums (Dergham et al., 2002). Auch in PC12-Zellen konnte der Effekt wachstumsinhibierender Substrate durch C3bot kompensiert werden (Lehmann et al., 1999). Die positive Wirkung von C3bot auf die neuronale Regeneration wurde auch bereits in Tiermodellen nachgewiesen und wird inzwischen in klinischen Studien getestet (Boato et al., 2010; Fehlings et al., 2011; Lord-Fontaine et al., 2008). Doch warum führte die RhoA-/ROCK-Inhibition in dieser Arbeit nur bei pathologischem SMN-Proteinspiegel zur Stimulation des neuronalen Wachstums? In hippocampalen Neuronen konnte gezeigt werden, dass ohne wachstumshemmende Substrate die

Diskussion

56 Zugabe von C3bot eine signifikante Steigerung der Axonlänge erzeugt (Ahnert-Hilger et al., 2004).

Auch in PC12-Zellen, die mit RhoA- oder ROCK-Inhibitoren stimuliert wurden, bildete sich ein neuronaler Phänotyp mit signifikant längeren Neuriten aus (Fujita et al., 2001; Nishiki et al., 1990;

Zhang et al., 2006). Allerdings ist in den Arbeiten auf eine Zugabe von NGF verzichtet und auch die hippocampalen Neurone sind nicht mit weiteren neuritenstimulierenden Substanzen inkubiert worden.

Da NGF seine Wirkung wie C3bot und Fasudil durch Hemmung der RhoA-ROCK-Signalkaskade vermittelt, bleibt vermutlich eine zusätzliche RhoA- bzw. ROCK-Inhibition bei physiologischen Bedingungen ohne weitere Konsequenz. Aufgrund des in 5.1 vorgestellten Modells könnte die durch SMN-Reduktion entstehende verstärkte Verfügbarkeit von Profilin 2 zu einer über dem Normalniveau gesteigerten Aktivität von ROCK führen und der Einsatz von Fasudil bzw. C3bot würde eine durch ROCK-getriggerte Wachstumsinhibition verhindern.

Die Wirkung der Zugabe des Peptids fMLP während der neuronalen Differenzierung der PC12-Zellen ohne und mit SMN-Proteinreduktion ähnelte der von Fasudil und C3bot. Nur unter SMN knock-down Bedingungen zeigte sich eine Wachstumsstimulation der Neuriten, die aber groß genug war, um den wachstumshemmenden Effekt der SMN-Reduktion vollständig zu kompensieren (Abb. 6). Bislang ist für fMLP noch keine neuriteninduzierende Wirkung bekannt, da es hauptsächlich im Rahmen der Chemotaxis untersucht wird. Doch wie beim Aussprießen neuronaler Ausläufer ist für die Chemotaxis ein dynamisches Aktin-Zytoskelett erforderlich und sowohl für die Rho GTPase Rac1 als auch für seinen Effektor PAK ist eine Aktivierung durch fMLP beobachtet worden (Huang et al., 1998; Sun et al., 2007). Rac1 und Cdc42 fördern im Gegensatz zu RhoA neuronales Wachstum und so führt die Aktivierung von PAK in PC12-Zellen zur Ausbildung von Neuriten (Ahmed et al., 2006; Daniels et al., 1998; Kuhn et al., 2000). Da in dieser Arbeit fMLP wie Fasudil und C3bot bei SMN-Defizienz die Neuritenlänge funktionell wiederherstellen konnte, bei physiologischen Proteinkonzentrationen jedoch ohne Effekt blieb, deutet dies darauf hin, dass fMLP downstream von ROCK dessen wachstumsinhibierende Wirkung kompensiert. Eine mögliche Schnittstelle zwischen der Rac1/Cdc42-PAK- und der RhoA-ROCK-Signalkaskade ist Cofilin, das wie bereits erwähnt zur Stimulation neuronalen Wachstums erforderlich ist.