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Fasudil, fMLP, C3bot  Modulatoren Aktin-regulierender Signalkaskaden

Die kleinen Rho-GTPasen RhoA, Rac1 und Cdc42 spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der neuronalen Entwicklung, Differenzierung und Regeneration, u.a. durch Regulation des Aktin-Zytoskeletts. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass Rac1 und Cdc42 stimulierend auf das Wachstum neuronaler Ausläufer wirken und Reparationsprozesse nach neuronalen Verletzungen in die Wege leiten, wohingegen RhoA hemmende Effekte auf das Aussprießen und Wachsen von Neuriten sowie auf den neuronalen Heilungsprozess vermittelt (Govek et al., 2005; Hall and Lalli, 2010;

Linseman and Loucks, 2008). Für die Experimente dieser Arbeit wurden pharmakologische Substanzen gewählt, die jeweils ein Protein der Signalkaskade dieser Rho-GTPasen beeinflussen.

Fasudil ist ein effizienter ROCK-Inhibitor (Uehata et al., 1997), der in Japan bereits seit 1995 als Arzneimittel zugelassen ist. Im Vergleich zu strukturähnlichen Kinasen wird ROCK am potentesten inhibiert, jedoch werden in schwächerem Ausmaß auch Kinasen wie PRK2 (protein kinase C-related protein kinase 2), MSK1 (mitogen- and stress-activated protein kinase 1) und weitere in ihrer Aktivität gehemmt (Davies et al., 2000). Die erste Indikation für den Einsatz des Isoquinolinderivats in Japan ist die Verhinderung eines sekundären, durch eine Subarachnoidalblutung ausgelösten zerebralen Vasospasmus gewesen, der eine verzögerte zerebrale Ischämie zur Folge hat. Eine zuvor durchgeführte Placebo-kontrollierte, double-blind Studie an Patienten in 60 neurologischen Kliniken

15 hatte ein deutlich verbessertes Outcome nachweisen können (Shibuya et al., 1992). Trotz Inhibition eines ubiquitär exprimierten Proteins zeigte sich sowohl in dieser als auch in einer Post-Marketing Surveillance Studie, dass Fasudil erstaunlich wenige unerwünschte Nebenwirkungen aufweist (Shibuya et al., 1992; Suzuki et al., 2007), von denen bislang die häufigste Kopfschmerzen ist (Shimokawa et al., 2002). Wegen seiner vasodilatierenden Wirkung wird Fasudil inzwischen bei vaskulären bzw. kardialen Erkrankungen getestet (Masumoto et al., 2001; Shibuya et al., 2005;

Shimokawa et al., 2002; Vicari et al., 2005). Aktuell werden in den USA zwei Phase II- Studien und eine Phase III-Studie durchgeführt, die Fasudil zur Therapie vom Raynaud-Syndrom, Arteriosklerose und bei Stenose der Arteria carotis (≥ 70%) einsetzen (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00498615, NCT00120718, NCT00670202). Im Tiermodell wird Fasudil mittlerweile auch zur Behandlung neurologischer Erkrankungen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Verletzungen an Gehirn und Rückenmark mit einer starken Aktivierung des RhoA-ROCK-Pfades einhergehen und dass der therapeutische Einsatz von Fasudil zu gesteigertem Wachstum von Nervenfasern, verminderten Gewebsläsionen und einer verbesserten klinischen Genesung der Tiere führt (Hara et al., 2000; Tanaka et al., 2004). Weiteres Potential liegt in der Behandlung von Multipler Sklerose. Offensichtlich sind RhoA und ROCK notwendig für die pathologische Leukozyteneinwanderung in das ZNS (Honing et al., 2004) und die Hemmung dieser Signalkaskade durch Fasudil bewirkt im Mausmodell eine Verlangsamung der Erkrankung bei Abnahme der T-Zell-Migration (Yu et al., 2010).

Formyl-Methionyl-Leucyl-Phenylalanin (fMLP) ist ein Formylpeptid, das unter natürlichen Bedingungen von Bakterien ausgeschüttet wird und bei Entzündungsprozessen im Menschen eine Schlüsselrolle im Heranlocken neutrophiler Granulozyten und Monozyten einnimmt (Yang et al., 2008). G-Protein gekoppelte Formylpeptidrezeptoren auf der Zelloberfläche vermitteln die Reaktionen auf fMLP und führen neben weiteren Signalkaskaden zur Phosphorylierung und somit Aktivierung von PAK (Ding et al., 1996; Huang et al., 1998; Knaus et al., 1995; Zhan et al., 2003). Passend zur Notwendigkeit, schnell auf das Eindringen von Bakterien zu reagieren, erfolgt die maximale Aktivierung von PAK in den neutrophilen Granulozyten bereits nach 15-30 Sekunden (Huang et al., 1998). Das durch fMLP hervorgerufene Phänomen der Chemotaxis wird durch dynamische Veränderungen im Aktin-Zytoskelett verursacht. So findet sich kurz nach der Stimulation eine relative Reduktion des G-Aktin-Gehalts bei gleichzeitig lokalem Konzentrationsanstieg von F-Aktin mit anschließender, für Zellmigration typisch morphologischer Polarisierung (Howard and Meyer, 1984;

Lepidi et al., 1992). Eine genauere Betrachtung zeigt in der ersten Minute nach Stimulation eine signifikante Zunahme der freien barbed ends (Glogauer et al., 2000), welche wiederum durch uncapping und durch Aktivierung des Arp2/3-Komplexes sowie von Cofilin bereitgestellt werden (Sun et al., 2007). Die Aktivierung von Cofilin wurde hierbei anhand der signifikanten Abnahme des Phosphorylierungsmusters nach 60 Sekunden Stimulation mit fMLP nachgewiesen (Sun et al., 2007).

Bislang wurde fMLP hauptsächlich im Zusammenhang mit Granulozyten und den Vorgängen der Chemotaxis erforscht. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass fMLP nicht nur Auswirkungen auf das

Einleitung

16 Immunsystem hat. So fördert es die Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen zu Osteoblasten und hemmt dagegen deren Differenzierung zu Adipozyten, wobei diese Entwicklung allerdings durch eine PAK-unabhängige Signalkaskade vermittelt wird (Shin et al., 2011).

Clostridium botulinum Typ C produziert neben dem bekannten, Botulismus auslösenden Neurotoxin und einem für einige Tierarten gefährlichen C2-Toxin ein drittes Exotoxin, das C3-Toxin (C3bot), welches erstmals vor knapp 25 Jahren entdeckt wurde (Aktories et al., 1987) und inzwischen der Prototyp einer Familie aus mindestens sieben C3-Exoenzymen unterschiedlichen bakteriellen Ursprungs ist (Vogelsgesang et al., 2007). C3bot katalysiert mit Hilfe von Co-Substrat NAD+ die ADP-Ribosylierung eines Asparagin-Rests (Asn-41) von Rho-GTPasen, der sich nahe der „switch I“ -Region, welche die Interaktion mit Effektormolekülen vermittelt, befindet (Narumiya et al., 1988;

Sekine et al., 1989). Von den zahlreichen Rho-GTPasen dienen ausschließlich RhoA, RhoB und RhoC als Substrat, weshalb C3bot unter anderem für die Erforschung der zellulären Funktionen von RhoA eingesetzt wird (Chardin et al., 1989; Just et al., 1992; Rubin et al., 1988). Die ADP-Ribosylierung führt zur Inaktivierung von Rho mit schweren Folgen für das Aktin-Zytoskelett einiger Zellarten (Chardin et al., 1989; Wiegers et al., 1991). In neuronalen Zellen jedoch hat die Gabe von C3bot einen stimulierenden Effekt auf das Wachstum von Zellausläufern. So induziert C3bot in nicht differenzierten PC12-Zellen die Ausbildung eines neuronalen Phänotyps (Nishiki et al., 1990) und verhindert eine Wachstumshemmung durch Myelinsubstrate in differenzierten PC12-Zellen (Lehmann et al., 1999). Hippokampale Neurone weisen nach Stimulation mit C3bot signifikant längere Axone und eine signifikante Zunahme des Axonbranchings auf (Ahnert-Hilger et al., 2004). Im Tiermodell konnte in Ratten und Mäusen nach schweren Rückenmarksverletzungen eine funktionelle Wiederherstellung und eine Zunahme der axonalen Regeneration gezeigt werden (Dergham et al., 2002; Dubreuil et al., 2003). Allerdings bewirken auch sowohl ein rekombinantes C3bot, bei welchem eine Aminosäure im katalytischen Zentrum ausgetauscht wurde, als auch ein aus 29 Aminosäuren bestehendes C3bot-Peptid (C3bot154-182) eine signifikante Längenzunahme von Axonen hippokampaler Neurone, obwohl beide keine ADP-Ribosylierung von Rho katalysieren können (Ahnert-Hilger et al., 2004; Höltje et al., 2009). C3bot154-182stimuliert zudem das axonale Wachstum von α-Motoneuronen und führt ähnlich wie das vollständige, enzymatisch aktive C3bot auch im Mausmodell nach Rückenmarksschädigung zu einer signifikant verbesserten lokomotorischen Wiederherstellung bei gesteigerter Nervenfaserregeneration (Boato et al., 2010). Weiterhin wurde beobachtet, dass die intrazelluläre Expression von unverändertem C3bot dagegen eine signifikante Abnahme der Axonlänge in hippokampalen Neuronen induziert (Ahnert-Hilger et al., 2004). Somit ist bislang unklar, wie genau C3bot seinen wachstumsstimulierenden Effekt auf Neurone vermittelt. Ebenfalls rätselhaft bleibt bis heute die Aufnahme von C3bot in die Zelle, da C3-Toxinen eine spezifische Transportdomäne fehlt und bisher kein hinreichend schlüssiger Mechanismus nachgewiesen werden konnte (Just et al., 2011; Vogelsgesang et al., 2007). Für einen möglichen therapeutischen Einsatz wurde daher das von C3bot abgeleitete „cell-permeable“ Fusionsprotein BA-210 (Cethrin®) hergestellt

17 und zuerst bei Rückenmarksverletzungen in Mäusen und Ratten getestet (Lord-Fontaine et al., 2008).

Die mit BA-210 behandelten Tiere zeigten über mehrere Wochen eine signifikant verbesserte Lokomotion bei guter Verträglichkeit und deutlich minimiertem strukturellen Sekundärschaden. Eine extradurale Gabe von BA-210 ergab eine verbesserte Durchwanderung in die graue und weiße Substanz im Vergleich zum ursprünglichen C3bot (Lord-Fontaine et al., 2008). Inzwischen ist eine Phase I/IIa-Studie bei 35 Patienten mit akuter thorakaler oder zervikaler Rückenmarksverletzung durchgeführt worden, die eine gute Verträglichkeit von BA-210 im Menschen ohne das Auftreten besonderer Nebenwirkungen vorweisen konnte. Hierbei konnten nach 1 Jahr bei den mit BA-210 behandelten Patienten nach zervikaler Rückenmarksverletzung verbesserte motorische Fähigkeiten beobachtet werden (Fehlings et al., 2011).

Zielsetzung der Arbeit

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