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Archiv "Entlassmanagement: „Nur durch ständigen Dialog hat sich manches verändert“" (03.05.2013)

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A 858 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 18

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3. Mai 2013

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ie historisch bedingten Sek- torengrenzen im deutschen Gesundheitswesen gelten seit Jah- ren als stärkste Bremser, wenn es darum geht, die Qualität der Patien- tenversorgung zu verbessern. Wäh- rend sich die Politik schwertut, die Grenzen zu öffnen, haben die Ak- teure vor Ort vielfach praktikable Lösungen entwickelt, um den Pa- tienten den Weg durch die Sektoren zu ebnen.

Seit dem GKV-Versorgungsstruk- turgesetz umfasst die Krankenhaus- behandlung auch „ein Entlass - management zur Lösung von Problemen beim Übergang in die Versorgung nach der Krankenhaus- behandlung“. Nicht alle Kranken- häuser haben jedoch bis heute funk- tionierende Strukturen aufgebaut.

„Ich stehe in Kontakt mit zwölf Akutkliniken“, berichtete Johannes Röser, Teamleiter bei „PiA – Pflege im Anschluss“, auf dem 8. Kon- gress für Gesundheitsnetzwerker Mitte April in Berlin. „Und alle zwölf haben unterschiedliche Ent- lassmanagementsysteme.“ Noch heu- te gebe es Blitzentlassungen, bei denen nichts vorbereitet worden sei – aber auch Entlassungen mit einer nahtlos anschließenden ambulanten Weiterbehandlung.

Das Projekt PiA ist die Service- stelle von 16 kirchlichen ambulan- ten Pflegediensten in der Region Freiburg. „Wir verstehen uns als Dienstleister für die ambulanten Pflegedienste und liefern ein kos- tenloses Beratungs- und Koordi - nationsangebot für Patienten und Angehörige“, erläuterte Röser. PiA existiert seit 2002.

Ungeplante Entlassungen

„Vor zehn Jahren waren die Entlas- sungen aus dem Krankenhaus viel- fach ungeplant“, so Röser weiter.

„Wir bekamen einen Anruf aus der Klinik, dass ein Patient am kom- menden Tag entlassen wird. Erst beim ersten Hausbesuch hat der ambulante Pflegedienst dann gese- hen, wie die soziale und psychische Situation des Patienten ist und wel- cher konkrete Bedarf besteht.“

Heute seien sie von Beginn an am Entlassprozess der Krankenhäuser beteiligt.

„Wir haben, im besten Fall, ei- nen festen Ansprechpartner in den Kliniken und erfahren, wann der Patient nach Hause entlassen wer- den soll, wie der aktuelle Unterstüt- zungsbedarf des Patienten ist und wann der erste Hausbesuch des am- bulanten Pflegedienstes notwendig wird“, schilderte Röser die Abläufe.

Er informiert in der Folge die Haus- ärzte über die Entlassung, spricht mit den Angehörigen und bestellt, zum Beispiel, Essen auf Rädern.

Zugleich informiert er die Kranken- häuser über das häusliche Umfeld und das soziale Netz der Patienten.

„Wir haben in den zehn Jahren gelernt, dass die Dialogbereitschaft auf beiden Seiten eine wichtige Vor - aussetzung ist und dass sich beide Seiten ernst nehmen müssen“, be- tonte Röser. Nur durch den ständi-

gen Dialog habe sich manches ver- ändern und hätten auch Vorurteile abgebaut werden können.

Das „Versorgungsnetz Gesund- heit“ aus dem niedersächsischen Oldenburg existiert ebenfalls seit 2002. Vorausgegangen war das Pro- jekt „Qualitätsverbesserung auf der Ebene des Care Managements“ der Ärztekammer Niedersachsen. Dem Verein gehören heute mehr als 90 Mitglieder an, darunter die Kranken- häuser der Stadt, ambulante Ärzte und Pflegedienste, stationäre Pfle- geeinrichtungen, Krankenkassen, Apotheken und Physiotherapeuten.

Von Beginn an war auch die Kas- senärztliche Vereinigung Nieder- sachsen involviert. „Wir wollten die Kommunikation und die interdis- ziplinäre Zusammenarbeit verbes- sern. Das war die Initialzündung“, ENTLASSMANAGEMENT

„Nur durch ständigen Dialog hat sich manches verändert“

Mit einem guten Entlassmanagement können Schneisen durch den Versorgungsdschungel geschlagen werden – zum Vorteil von Patienten und Leistungserbringern. Drei Beispiele aus der Praxis

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sagte die Schriftführerin des Net- zes, Regine Harms, Ende 2012 auf einer Veranstaltung des Bundesver- bandes Medizintechnologie.

Zunächst entwarfen die Mitglie- der des Versorgungsnetzes eine standardisierte Entlassungsplanung, bei der in den Bereichen Aufnahme, Verlauf, Kooperation, Entlassung und Evaluation jeweils das Ziel, die Struktur, der Prozess und das Er- gebnis definiert wurden. So sollen bei der Anamnese im Krankenhaus beispielsweise die zuvor versorgen- den Einrichtungen erfragt werden.

Mit den weiterversorgenden Ein- richtungen soll bei Bedarf zudem ein Erstbesuch im Krankenhaus vereinbart werden. Und die weiter- versorgenden Pflegedienste sollen bei der Entlassung einen, ebenfalls standardisierten, Überleitungsbo- gen vom Krankenhaus erhalten.

„In den Krankenhäusern wurde diese Entlassungsplanung als ver- bindlicher Standard verabschiedet“, erklärte Harms. Bei den anderen Projektpartnern habe die Anwen- dung der neuen Strukturen jedoch nicht angeordnet werden können.

Deshalb seien die Standards bei den Projektpartnern zunächst uneinheit- lich umgesetzt worden.

Bald wurden in dem Versor- gungsnetz auch Rückmeldebögen entwickelt. „Oft gibt es Hemmun- gen, konkret nachzufragen, wenn etwas nicht so gut funktioniert hat“, sagte Harms. „Mit den Rückmelde- bögen werden die Partner nun aktiv aufgefordert zu sagen, was gut war und was schlecht.“ Dadurch habe sich die Schwelle gesenkt, Kontakt zueinander aufzunehmen.

Seit 2004 findet einmal im Quar- tal mit dem sogenannten Pflegefo- rum ein Austausch zwischen den

ambulanten und den stationären Pflegekräften statt. „Das ist eine sehr erfolgreiche Veranstaltungsrei- he bei uns“, berichtete Harms. Zu- nächst gebe es dabei Vorträge zu medizinischen Themen. Danach tauschten sich die Teilnehmer im kleinen Kreis aus. „Dadurch erfah- ren sie viel über die Probleme in den jeweils anderen Einrichtun- gen“, so die gelernte Kranken- schwester. Mittlerweile nehmen auch Medizinische Fachangestellte, Sozialarbeiter und Ärzte an dem Forum teil. Zweimal jährlich trifft sich zudem die Fachgruppe Über- leitung, bestehend aus Vertretern der Krankenhäuser, der stationären Pflegeeinrichtungen, der ambulanten Pflegedienste und einem Hausarzt.

Definierter Ansprechpartner Seit einiger Zeit werden in Olden- burg auch die Rettungsdienste in das Netz einbezogen. „Die Ret- tungssanitäter haben uns gesagt:

Wir kennen die Personen doch gar nicht, wenn wir zu einer häuslichen Notfallsituation gerufen werden, und sollen trotzdem entscheiden, ob sie ins Krankenhaus kommen sollen oder nicht“, berichtete Harms. Um den Sanitätern Informationen über die Patienten zu geben, wurde da- her eine Notfallmappe entworfen, die alle medizinischen Informatio- nen enthält – zudem Patientenver- fügungen und Vorsorgevollmach- ten. Auch bei einer Einlieferung des Patienten ins Krankenhaus wird die Mappe mitgegeben.

Die KlinikumStadtSoest gGmbH hat vor drei Jahren begonnen, ihr Entlassmanagement umzustruktu- rieren. Zuvor gab es in dem kom- munalen Krankenhaus einen Sozi- aldienst und eine Pflegeüberleitung,

die getrennt voneinander gearbeitet hätten und bei denen nicht immer klar gewesen sei, wer was mache, berichtete Daniela Lenze, Projekt- leiterin „Aufnahme-, Betten- und Entlassmanagement“ des Klini- kums auf dem Kongress der Ge- sundheitsnetzwerker. Nun gebe es ein Team Patientenkoordination, das die Bereiche Sozialberatung, Pflegeüberleitung und Entlassma- nagement umfasse.

„Die Patientenkoordinatoren schauen sich jede Patientenakte an und entscheiden, bei wem ein Nachsorgebedarf besteht“, sagte Lenze. „Zudem nehmen sie an der Visite teil. Sollte ein Arzt einen Wunsch zur Nachsorge haben, kann er die Koordinatoren direkt darüber informieren.“ Wenn ein Patient wieder nach Hause entlassen wor- den ist, rufen sie darüber hinaus am nächsten Werktag an und fragen nach, ob er alles erhalten habe, was er brauche.

Das Team der Patientenkoordi- natoren am Klinikum Soest umfasst jetzt sechs Vollzeitkräfte, die zudem das Belegungsmanagement und bald auch das Aufnahmemanage- ment gestalten. Jeder Arzt und jede Pflegekraft hat dort einen An- sprechpartner. Zuvor waren die Pa- tientenkoordinatoren fast alle Stati- onsleiter in der Pflege und haben ei- ne Fortbildung im Bereich Case Management absolviert.

„Wir haben auch eine Zuweiser- befragung durchgeführt“, sagte Lenze. Bei jedem Fachbereich hät- ten der jeweilige Chefarzt und ein Patientenkoordinator die Top-Ten- Zuweiser besucht und sie nach ih- ren Wünschen gefragt. Wichtig sei den Zuweisern dabei ein definierter Ansprechpartner gewesen. Zudem habe sich gezeigt, dass die große Mehrheit lieber Faxe erhalten wolle als E-Mails. „Heute informieren wir unsere Zuweiser am Vortag dar- über, wenn ihr Patient aus dem Krankenhaus entlassen wird“, so Lenze. Umgekehrt riefen die Zu- weiser im Krankenhaus an, wenn sie zum Beispiel einen Patienten eingewiesen haben, der vielleicht nicht mehr nach Hause zurückkeh-

ren könne.

Falk Osterloh Mit einem Lächeln

das Krankenhaus verlassen: Ein gutes Entlassmanagement kann dazu beitragen, dass sich Patienten keine Sorgen um ihre Weiterbehandlung machen müssen.

Foto: Your Photo Today

Bundesweit haben Organisationen verschiedene Empfehlungen für ein erfolgreiches Entlass - management erarbeitet. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin beispielsweise hat im März vergangenen Jahres „Checklisten für das ärztliche Schnittstellenmanagement zwischen den Versorgungssektoren“ herausgegeben. Bereits im

Jahr 2004 hat das Deutsche Netzwerk für Quali- tätsentwicklung in der Pflege einen „Experten- standard Entlassungsmanagement in der Pflege“

veröffentlicht, der 2009 aktualisiert wurde.

Und im vergangenen Jahr hat der Bundesverband Managed Care ein „Positionspapier Entlassmanage- ment im Krankenhaus“ verfasst.

CHECKLISTEN UND STANDARDS

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