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Archiv "Prävention und Therapie der Arthrose – Raus aus dem Teufelskreis: Abnehmen und bewegen" (13.02.2015)

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A 280 Deutsches Ärzteblatt

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13. Februar 2015 Arthrose – hier im

Kniegelenk – ist die häufigste Ge- lenkerkrankung in Deutschland.

Foto: Fotolia/Sebastian Kaulitzki

PRÄVENTION UND THERAPIE DER ARTHROSE

Raus aus dem Teufelskreis:

Abnehmen und bewegen

Orthopäden und Unfallchirurgen raten Arthrose-Patienten zu einer individuellen Therapie und täglichem Training für die Gelenke. So können sie Schmerzen reduzieren und ihren Alltag bewältigen.

tionen aufweisen, müsse die Ar- throsetherapie individuell erfolgen, erklärte Windhagen: „Bei jüngeren adipösen Patienten ist es wichtig, konservative Maßnahmen möglichst voll auszureizen.“

Prof. Dr. phil. Klaus Bös, ehema- liger Leiter des Instituts für Sport- wissenschaften am Karlsruher Insti- tut für Technologie, warnte vor ei- nem Teufelskreis aus zunehmendem Körpergewicht, abnehmender Mo- bilität aufgrund arthrosebedingter Schmerzen und fortschreitender Ar- throse. Schont sich der Arthrose-Pa- tient, wird weniger Gelenkflüssig- keit produziert und die Knorpel werden rau und spröde, was wieder- um zu mehr Verschleiß und Schmer-

zen führt. Außerdem habe in der Vergangenheit eine stark funktions- orientierte Sicht innerhalb der Sport- wissenschaft dazu geführt, dass Ar- throse-Patienten falsche Übungsein- heiten empfohlen wurden.

Vor diesem Hintergrund stellen Gewichtsabnahme bei Übergewicht und Bewegung zentrale Bestandtei- le der nicht medikamentösen Ar- throse-Therapie dar. Bös empfahl ein moderates Training, idealerwei- se täglich 30 bis 40 Minuten,9 min- destens zweimal pro Woche. Als ge- eignete Sportarten nannte er Schwim- men, Gehen (Nordic Walking), Ski- langlauf, Jogging, Aerobic und Rad- fahren. Nicht zu empfehlen sind Sportarten, die mit hohen mechani- schen Belastungen, abrupten Rich- tungswechseln und Stoßbelastun- gen einhergehen wie Tennis, Squash, Volleyball, Ski alpin, Fußball oder Handball. Ergänzend könnten phy- sikalische Therapien, Ergotherapie und orthopädische Hilfsmittel wie Einlagen oder Orthesen angewandt werden.

Kontroverse Empfehlungen zur Pharmakotherapie

Bei der medikamentösen Therapie orientieren sich viele bislang an der Leitlinie der EULAR (European League against Rheumatism) von 2003 (2), erläuterte Dr. med. Nor- bert Müller, Orthopäde in Zirndorf.

Diese und zwei weitere in 2014 pu- blizierte Leitlinien (3, 4) – von der Osteoarthritis Research Society In- ternational (OARSI) und der Ame- rican Academy of Orthopaedic Sur- geons (AAOS) – stimmen aber nicht in allen Punkten überein.

So beurteilt die EULAR die Evi- denz für den Einsatz von Parace - tamol, topischem Capsaicin, topi-

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rthrose ist weit verbreitet und verursacht hohe Kosten. In Deutschland betrug die Lebenszeit- prävalenz im Jahr 2010 bei Frauen circa ein Viertel und bei Männern circa ein Sechstel (1). „Jährlich ge- hen 70 000 verlorene Erwerbstätig- keitsjahre und zehn Millionen Ar- beitsunfähigkeitstage auf das Konto der häufigsten Gelenkerkrankung, der Arthrose“, betonte Dr. med. Jo- hannes Flechtenmacher, Präsident des Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin (1).

Übergewicht schädigt Knorpel auf vielfältige Art und Weise

Außer dem Alter ist das Körperge- wicht ein maßgeblicher Risikofak- tor für Arthrose. „Orthopäden und Unfallchirurgen sollten bei ihren Patienten so früh wie möglich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Übergewicht nicht nur dem Her- zen, sondern auch den Gelenken schadet“, sagte Flechtenmacher und stellte dazu beispielhaft für viele Patienten eine Kasuistik vor: Eine 39-jährige Frau klagt über Schmer- zen in den Knien. Sie ist 1,62 Meter groß und wiegt 130 Kilogramm. Die Gelenke dieser Patientin werden beim Gehen mit dem 3,5-Fachen des Körpergewichtes belastet, erläuterte Flechtenmacher.

Der Knorpel kann aber auch di- rekt geschädigt werden durch eine von den Fettzellen ausgehende sys- temische Entzündung, sagte Prof.

Dr. med. Henning Windhagen, Kon- gresspräsident der Deutschen Ge- sellschaft für Orthopädie und ortho- pädische Chirurgie (DGOOC). Un- ter dem Aspekt, dass operative Ein- griffe wie Gelenkersatz bei einem Body-Mass-Index über 40 kg/m2 ein erhöhtes Risiko für Komplika-

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tika (NSAR), systemischen NSAR (inklusive Cox-2-Hemmern) und Opioiden je mit Evidenzlevel 1a oder 1b (2). In der OARIS-Leitlinie werden die genannten Optionen laut Müller ebenfalls als geeignet eingeschätzt, die Datenlage für den Einsatz von Opioiden bei Arthrose aber insgesamt als unzureichend bewertet.

Die AAOS-Leitlinie halte Pa - racetamol bei starkem Arthrose- Schmerz für unzureichend wirksam und auf Dauer für unzureichend verträglich, ergänzte Müller. Jahre- lange Einnahme könne zum Nie - renversagen führen. Demgegenüber spreche die AAOS-Leitlinie eine starke Empfehlung für topische NSAR, systemische NSAR (inklu- sive Cox-2-Hemmer) und Tramadol aus, führte Müller fort (4).

Beliebt sind die sogenannten symptomatisch langsam wirken- den Arthrose-Medikamente (SYSA- DOA). Dazu zählen Substanzen wie die oral zu verabreichenden Substan- zen Chondroitinsulfat, Glukosamin- sulfat, Diacerrhein und pflanzliche Extrakte wie die Artischocke. Aber auch die intraartikuläre Injektion von Hyaluronsäure wird zu den SYSA- DOA gerechnet. Ihre Evidenz wird in der EULAR-Leitlinie ebenfalls mit dem Level 1a oder 1b angegeben (2). Die OARSI- und die AAOS- Leitlinie würden die Wirksamkeit je- doch als gering einstufen, so Müller.

Während die Autoren der OARSI deren Anwendung für ungewiss hiel- ten, werde in den Leitlinien der amerikanischen Fachgesellschaft (AAOS) entschieden abgeraten. Die Evidenz zur intraartikulären Korti- koidinjektion gibt die EULAR mit 1b an, die OARSI-Leitlinie hält sie laut Müller für geeignet, die AAOS- Leitlinie hingegen nicht (2–4).

Für Nahrungsergänzungsmittel konnten nach seinen Ausführungen bislang keine positiven Effekte ge- zeigt werden (5). Viele Substanzen, die einer Arthrose vorbeugen oder ihr Fortschreiten verhindern sollen,

„liegen nur knapp über oder auf dem Niveau eines Placebo-Ef- fekts“, ergänzte Dr. med. Uwe de Jager, niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus

Freudenstadt. Müller empfiehlt, mit ausgewählten Medikamenten zu ar- beiten, bei denen sich gewünschte Effekte sowie Neben- und Wechsel- wirkungen gut einschätzen ließen.

Zugleich warnte er eindringlich vor Polymedikation, wie sie ältere Pa- tienten häufig erhielten: „Sie als Arzt haben die Interaktionen nicht im Griff und Ihr Praxiscomputer auch nicht, da alle Interaktionen do- sisabhängig sind.“ Müller rät, so lange keine Medikamente zu ver- schreiben, wie der Patient ohne sie zurechtkommt.

Präparate mit kurzer Halbwertszeit bevorzugt

NSAR setzt Müller aufgrund von Nebenwirkungen nur kurzfristig so- wie möglichst nicht über 24 Stun- den ein, zudem bevorzugt er Präpa- rate mit kurzer Halbwertszeit. Bei älteren Patienten empfahl Müller eine generelle Zurückhaltung und Priorisierung der Gesundheitspro- bleme, damit diese nicht zu viele Medikamente erhalten.

Der wichtigste Aspekt für den Therapieerfolg ist die Beratung des Patienten. Das belegen zahlreiche Studien. Daher hat die Kommuni - kation mit dem Betroffenen in der Arthrose-Behandlung besondere Be- deutung. „Der behandelnde Arzt muss den Patienten umfassend infor- mieren – über die Erkrankung, ihren möglichen Verlauf, die Medikation und über Möglichkeiten, selbst Ein-

fluss auf den Krankheitsverlauf neh- men zu können“, fordert Flechten- macher.

Um Schmerzen und Immobilität zu reduzieren, empfehlen Orthopä- den und Unfallchirurgen eine kurz- zeitige Physiotherapie: „Gezieltes Training stärkt die Muskulatur um das von Arthrose geschädigte Ge- lenk. Das erhält die Beweglich- keit“, erklärt Prof. Dr. med. Johan- nes Stöve, Chefarzt der Orthopädi- schen und Unfallchirurgischen Kli- nik am St.-Marien-Krankenhaus Ludwigshafen. Nach professionel- ler Anleitung müsse das Training aber in Eigenregie konsequent im Alltag fortgesetzt werden.“ Viele Patienten profitieren auch von Wär- me- und Kältetherapie oder der Or- thopädietechnik, wie Tapes und Schuheinlagen. „Hier ist die Studi- enlage allerdings noch unzurei- chend, um objektive Empfehlungen auszusprechen“, betont Stöve.

Ein weiteres zentrales Thema des Kongresses waren Fortschritte der letzten Jahre in der Endoprothetik.

Es gehe heute nicht mehr nur um die Technologie, es gehe vor allem auch um die Struktur- und Prozessquali- tät, erklärte Windhagen. Er nannte die seit 2010 aufgebauten Endopro- thetikzentren (EndoCert®), in denen Mindestmengen für die Operateure, eine interdisziplinäre Teamarbeit so- wie Zertifizierungen und Rezer - tifizierungen gewährleistet sind.

Windhagen: „Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Ergebnisquali- tät.“ Kam es 2011 noch bei circa 2,25 Prozent der Patienten nach ei- ner Hüftgelenkoperation zu einer Infektion, waren hiervon 2013 we- niger als ein Prozent betroffen“, so das Ergebnis einer ersten Auswer- tung. „Inzwischen halten 90 Pro- zent der künstlichen Kniegelenke länger als 20 Jahre.“

Petra Eiden Endoprothesen können bei Arthrose nicht nur den Gelenk-

schmerz lindern und die Beweglichkeit verbessern, son- dern – einhergehend – auch das Risiko für Herzkreislauf- Erkrankungen reduzieren. Das zeigte erstmals eine Studie, auf die Prof. Dr. med. Henning Windhagen, Präsident des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie, hinwies. Die Analyse basiert auf den Daten von 153 ge- matchten Patientenpaaren mit moderater bis schwerer Hüft- oder Kniegelenkarthrose im Alter über 55 Jahren, von denen jeweils einer eine Endoprothese erhalten hatte und der andere nicht. Demnach konnte die Implantation des künstlichen Gelenks innerhalb von sieben Jahren das Infarktrisiko absolut um 12,4 Prozent reduzieren (6).

„Nicht zuletzt macht dieser positive Effekt den Gelenker- satz zu einer der wichtigsten chirurgischen Therapien der Nachkriegszeit“, betonte Windhagen.

STUDIE ZU KNIEPROTHETIK

Quelle: Pressekonferenz „Arthrose erfolgreich vor- beugen und behandeln: Sport, Physio, Tabletten oder OP?“ und Symposium „Evidenzbasierte Pharmakotherapie in Orthopädie und Unfallchirur- gie“, im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0715 oder über QR-Code

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13. Februar 2015

LITERATURVERZEICNHIS HEFT 7/2015, ZU:

PRÄVENTION UND THERAPIE DER ARTHROSE

Raus aus dem Teufelskreis:

Abnehmen und bewegen

Orthopäden und Unfallchirurgen raten Arthrose-Patienten zu einer individuellen Therapie und täglichem Training für die Gelenke. So können sie Schmerzen reduzieren und ihren Alltag bewältigen.

LITERATUR

1. Arthrose: Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 54. Hrsg: Robert Koch-Institut, Berlin 2013: www.rki.de; letzter Abruf am 7. 11. 2014.

2. Jordan KM, et al.: EULAR Recommendati- ons 2003: an evidence based approach to the management of knee osteoarthritis: Re- port of a Task Force of the Standing Com- mittee for International Clinical Studies In- cluding Therapeutic Trials (ESCISIT). Ann Rheum Dis 2003; 62: 1145–55.

3. McAlindon TE, et al.: OARSI guidelines for the non-surgical management of kneeos- teoarthritis. Osteoarthritis Cartilage 2014;

22: 363–88.

4. AAOS: Treatment of Osteoarthritis of the Knee – 2nd Edition, 2014: www.aaos.org/

Research/guidelines/GuidelineOAKnee.asp;

letzter Abruf am 7. 11. 2014.

5. Steinmeyer J, et al.: Oral treatment options for degenerative joint disease – presence and future. Adv Drug Deliv Rev 2006; 58:

168–211.

6. Ravi B, et al.: The relation between total joint arthroplasty and risk for serious car- diovascular events in patients with moder- ate-severe osteoarthritis: propensity score matched landmark analysis. BMJ 2013;

347: f6187.

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Referenzen

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