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Archiv "Bewusstsein schaffen" (15.10.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 41

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15. Oktober 2010 731

M E D I Z I N

Risiko durch Radon überbewertet

Der Hauptmangel der Publikation liegt in der fehlenden Erwähnung der Radioaktivität im Tabakrauch, die laut amerikanischer Strahlenschutzkommission mehr als 100 mSv Strahlenexposition der Lungen beim Raucher ausmacht. So sind auch Nichtraucher in Gebäuden, in denen geraucht wird, einer erheblichen Strahlenexposi- tion ausgesetzt. Ferner wird auch die erhebliche Pluto- niumemission durch Kohlekraftwerke als zusätzlich denkbarer Einflussfaktor auf „Radon-Studien“ (und ei- gentlich wichtige Aufgabe der Arbeitsmedizin) nicht erwähnt.

In der zitierten Metaanalyse von Darby wurde bei le- benslangen Nichtrauchern das Risiko eines Lungenmali- gnoms im Alter von 75 Jahren bei Radon-Belastungen von 0,100 und 400 Bq/m³ mit 0,4 %, 0,5 % und 0,7 % angegeben beziehungsweise bei Zigarettenrauchern ein ungefähr 25-fach höheres Risiko von 10 %, 12 % und 16 %. Bei Nichtrauchern besteht zwischen einer Exposi- tion von 0 und 100 Bq/m³ ein Unterschied von nur 0,1 %. Die Autoren berichten von einer durchschnittli- chen Radonbelastung in Deutschland von lediglich 49 Bq/m3 (bereits die natürlichen Außenluftwerte schwan- ken laut Bundesamt für Strahlenschutz bis 80 Bq/m³), womit ein relevanter Einfluss bei Nichtrauchern nicht mehr nachweisbar und auch die Rolle als relevantes Co- Karzinogen bei Rauchern fraglich ist.

Was die angeblich lineare Dosis-Wirkungs-Bezie- hung angeht, so vermisse ich eine Diskussion darüber, warum im Iran mit einer natürlichen Strahlenexposition der Bevölkerung von bis zu 200 mSv (hierzulande sind es zwischen 1 und 6 mSv) keine erhöhte Malignominzi- denz festgestellt wurde.

Die geforderten Maßnahmen im Hausbau stehen in keiner Relation zur Bedrohung durch Radon. Besser sollten die Mittel hierzu in Raucherentwöhnungspro- gramme fließen, auch wenn dies mit zusätzlichen finan- ziellen Anstrengungen, geringeren Tabaksteuereinnah- men, einer fehlenden Stimulation der Bauwirtschaft und einer höheren Belastung der Rentenkassen durch eine re- levant zunehmende Lebenserwartung verbunden wäre.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0731a

Mit großem Interesse habe ich den Beitrag zu Radon in Innenräumen gelesen und festgestellt, dass das The- ma umfassend behandelt wurde und neben gesund- heitlichen Aspekten auch auf bauliche Maßnahmen sowie politische Notwendigkeiten wie ein Radon- schutzgesetz hingewiesen wurde. Knapp einen Monat nach Annahme des Manuskripts veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Handbuch zu diesem Thema (1), in dem ein Referenzwert von 100 Bq/m3 vorgeschlagen wird, da ein solcher Wert aus epidemiologischer Sicht gerechtfertigt ist. Das Deut- sche Ärzteblatt berichtete darüber bereits am 22. Sep- tember 2009 (2).

Durch das im Jahr 2005 mit über 100 Radonexper- ten und Wissenschaftlern aus fast 40 Mitgliedstaaten gestartete „International Radon Project“ versucht die WHO, ein Bewusstsein für die Radonproblematik zu schaffen. Die WHO ist insbesondere daran interes- siert, zuerst die politisch Verantwortlichen über die Gesundheitseffekte langjähriger Radonexposition zu informieren, um auf nationaler Ebene die Implemen- tierung der notwendigen gesetzlichen Rahmenbedin- gungen voranzutreiben. Daneben gilt es aber auch, spezifische Berufsgruppen wie Baufachleute anzu- sprechen, da sie durch angepasste Baumaßnahmen unmittelbar Einfluss auf Radonkonzentrationen in Wohnräumen nehmen können. Schließlich muss die Ärzteschaft in diese Bemühungen miteingebunden werden, um bei der Aufklärung der bestehenden Ge- sundheitsrisiken durch Radon mitzuwirken. Daher scheint mir dieser Beitrag im Deutschen Ärzteblatt sehr gelungen.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0731b

LITERATUR

1. WHO handbook on indoor radon: a public health perspective: (eds.) Zeeb H, Shannoun F, WHO, Geneva, 2009. www.who.int/ionizing_

radiation/env/radon/en/index1.html

2. www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=38209&src=su che&p=strahlenschutz

3. Schmid K, Kuwert T, Drexler H: Radon in indoor spaces—An under - estimated risk factor for lung cancer in environmental medicine [Radon in Innenräumen: Ein in der umweltmedizinischen Diskussion unterschätzter Risikofaktor für Lungenkrebs]. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(11): 181–6.

LITERATUR

1. Schmid K, Kuwert T, Drexler H: Radon in indoor spaces—An under - estimated risk factor for lung cancer in environmental medicine [Radon in Innenräumen: Ein in der umweltmedizinischen Diskussion unterschätzter Risikofaktor für Lungenkrebs]. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(11): 181–6.

2. www.gesundheitsamt.de/alle/umwelt/physik/strahl/ion/ra/rn

Prof. Dr. rer. nat. Hermann Dertinger Prof. Dr. med. Konrad Andrassy Institut für Biologische Grenzflächen

KIT – Campus Nord (vormals Forschungszentrum Karlsruhe) Postfach 3640

76021 Karlsruhe

E-Mail: hermann.dertinger@kit.edu

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

LITERATUR

1. Schmid K, Kuwert T, Drexler H: Radon in indoor spaces—An under - estimated risk factor for lung cancer in environmental medicine [Radon in Innenräumen: Ein in der umweltmedizinischen Diskussion unterschätzter Risikofaktor für Lungenkrebs]. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(11): 181–6.

PD Dr. med. Ernst Eising Elper Weg 66

45657 Recklinghausen E-Mail: e-g-e@web.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Bewusstsein schaffen

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732 Deutsches Ärzteblatt

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15. Oktober 2010

M E D I Z I N

Schlusswort

Die lebhafte Resonanz, die unser Artikel (1) gefunden hat, bestätigt unsere Einschätzung, dass das Problem der Radonbelastung in Innenräumen in der aktuellen umweltpolitischen Diskussion in Deutschland stärker berücksichtigt werden muss.

Ziel unseres Artikels war, möglichst umfassend die Problematik der Radonbelastung in Innenräumen aus umweltmedizinischer Sicht darzustellen. Die radioakti- ve Belastung durch Emissionen aus Kraftwerken, die radioaktive Belastung von Tabakblättern oder die Ra- dioaktivität im Iran waren nicht Gegenstand unseres Artikels und hätten den verfügbaren Rahmen ge- sprengt.

Die Anwendung von Radon im Rahmen der Radon- balneologie erfordert, wie jede ärztliche Therapiemaß- nahme, eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abschätzung unter streng wissenschaftlichen Kriterien. Dieses The- ma würde jedoch einen eigenständigen wissenschaftli- chen Artikel erfordern.

Herrn Kollegen Dr. Schlarb sei der Hinweis gege- ben, dass die Einheit Curie mittlerweile durch Becquerel ersetzt wurde, wobei ein Curie 37 Giga- becquerel entsprechen. Radonaktivitätskonzentratio- nen im „Heilwasser“ liegen üblicherweise zwischen 1,5 und 181 MBq/m3 Wasser. Die Freisetzung von Ra- don aus Thermalquellenwasser kann zu Aktivitätskon- zentrationen in der unmittelbaren Umgebungsluft von bis zu 100 000 Bq/m3 führen, Konzentrationen die auch in Stollen zur Radoninhalationstherapie vorge- funden werden (2).

Auf mögliche Belastungen durch Radon in Trink- wasser und Erdgas hatten wir hingewiesen. Die ge- schätzten Mittelwerte für die Radonkonzentrationen im Wasser liegen für die westdeutschen Bundesländer im Bereich von 400 bis 4 000 Bq/m3 (2). Bei entsprechen- der Radonbelastung des Trinkwassers kann, zum Bei- spiel beim Duschen, eine relevante Exposition möglich sein. Durch die gewöhnliche Aufenthaltsdauer in engen Duschkabinen dürfte jedoch der Beitrag zur Gesamtbe- lastung limitiert sein.

Der mangelnde Luftaustausch in modernen Wohn- gebäuden spielt in der Umweltmedizin eine wichtige Rolle. Hierbei können sich viele Schadstoffe (nicht nur Radon) in Innenräumen anreichern. Es besteht deshalb ganz klar die umweltmedizinische Forderung, in aus energetischen Gründen weitgehend abgedichte- ten Gebäuden für eine ausreichende Luftwechselrate zu sorgen, gegebenenfalls durch technische Belüf- tung.

Bezüglich des Leserbriefes von Herrn PD Dr. Eising sei festgehalten, dass die von uns zitierten epidemiolo- gischen Abschätzungen unter Berücksichtigung des Rauchverhaltens durchgeführt wurden. Im Haupt- und Nebenstromrauch findet man bereits eine große Anzahl hochpotenter chemischer Kanzerogene (3). Die Strah- lenbelastung durch radioaktive Isotope wie beispiels- weise Polonium-210 in Tabakblättern, und damit im Tabakrauch, wird dabei ebenfalls zur krebserzeugenden Wirkung beitragen (4, 5).

Nach sorgfältiger Prüfung der wissenschaftlichen Literatur steht für uns jedoch außer Frage, dass Ra- don in Innenräumen ein eigenständiger Risikofaktor für Lungenkrebserkrankungen ist. Gerne unterstützen wir die Forderung von Herrn PD Dr. Eising nach Raucherentwöhnungsprogrammen, da aktives Ziga- rettenrauchen eindeutig der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Lungenkrebs ist. Das Eine zu tun, darf jedoch nicht bedeuten, das Andere zu lassen.

Wir bedanken uns ausdrücklich bei Herrn Dr. Shan- noun für seinen Hinweis auf das aktuelle Hand - buch zu Radon in Innenräumen und das internationa- le Radonprojekt der Weltgesundheitsorganisation.

Wir sind mit ihm einer Meinung, dass hinsichtlich der Radonbelastung in Innenräumen Interventionen notwendig sind.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0732 LITERATUR

1. Schmid K, Kuwert T, Drexler H: Radon in indoor spaces—An under - estimated risk factor for lung cancer in environmental medicine [Radon in Innenräumen: Ein in der umweltmedizinischen Diskussion unterschätzter Risikofaktor für Lungenkrebs]. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(11): 181–6.

2. Strahlenschutzkommission: Radon und Lungenkrebs. In: Veröffentli- chungen der Strahlenschutzkommission Band 62: Einfluss der natür- lichen Strahlenexposition auf die Krebsentstehung in Deutschland.

Berlin: H. H. Hoffmann GmbH Fachverlag 2008; 116–66.

3. Greim H, Deutsche Forschungsgemeinschaft: Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (ed.): Passivrauchen am Arbeitsplatz; Änderung krebserzeugender Arbeitsstoffe. Wein- heim: WILEY-VCH 1999; 1–36.

4. Winters TH, DiFrenza J: Radioactivity and lung cancer in active and passive smokers. Chest 1983; 84: 653–4.

5. Muggli ME, Ebbert JO, Robertson C, Hurt RD: Waking a sleeping gi- ant: the tobacco industry’s response to the polonium-210 issue. Am J Public Health 2008; 98: 1643–50.

PD Dr. med. Klaus Schmid Prof. Dr. med. Hans Drexler

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg

Schillerstraße 25 91054 Erlangen

E-Mail: klaus.schmid@rzmail.uni-erlangen.de

Prof. Dr. med. Torsten Kuwert

Nuklearmedizinische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12

91054 Erlangen

Interessenkonflikt

Prof. Kuwert erhielt Vortragshonorare von der Firma Siemens Medical Solutions.

Prof.PD Dr. Schmid und Prof. Drexler erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Dr. P. H. Ferid Shannoun

Department of Public Health and Environment World Health Organization (WHO) 20 Avenue Appia

CH-1211 Geneva 27 Switzerland

E-Mail: shannounf@who.int

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

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