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Archiv "Radon und Gesundheit" (11.06.1999)

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A-1576

M E D I Z I N

(60) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 23, 11. Juni 1999 ie Österreichische Ärztekam-

mer und das Forschungsinsti- tut Gastein veranstalteten un- ter der wissenschaftlichen Leitung von P. Deetjen, Innsbruck, und A. Fal- kenbach, Bad Gastein, vom 28. bis 30.

September 1998 in Bad Hofgastein das Internationale Symposium Radon und Gesundheit – Radon and Health.

Ziel des Symposiums war es, Nutzen und Risiko der Radonexposition ent- sprechend dem aktuellen Stand der Kenntnisse zu diskutieren. Die The- menschwerpunkte waren der klini- sche Wirkungsnachweis der Radon- behandlung sowie der Einfluß von Radon auf das Tumorrisiko.

Krebsprävention durch Radon?

Das Lungenkrebsrisiko durch Radonexposition erörterte ausführ- lich B. Cohen, Pittsburgh. Es präsen- tierte seine viel diskutierten umfang- reichen Studien (University of Pitts- burgh study on lung cancer), die eine negative Beziehung zwischen der Lungenkrebsmortalität und der Ra- donkonzentration in Wohnräumen aufzeigen. In 1 729 Counties der USA, in denen etwa 90 Prozent der US-Be- völkerung leben, wurde von unter- schiedlichen Institutionen die Radon- konzentration gemessen. Im Niedrig- dosisbereich, das heißt mit Sicherheit bei Wohnraumkonzentrationen bis zu 6 pCi/l, sprechen die dargestellten Er- gebnisse eindeutig gegen eine positive lineare Beziehung zwischen dem Lun-

genkrebsrisiko und dem Ausmaß der Radonexposition.

In der nachfolgenden Diskussion fanden die Ausführungen von Cohen eine weitere Bestätigung. E. Toth, Budapest, und K. Becker, Berlin, be- richteten über neue Untersuchungen zum Radonrisiko in Wohnräumen (in Ungarn beziehungsweise Sachsen).

Die Ergebnisse belegen nicht die bei hohen Konzentrationen (wie im Uranbergbau) bekannte positive Kor-

relation, sondern umgekehrt eine im niedrigen Dosisbereich negative As- soziation zwischen Radonkonzentra- tion und Lungenkrebsmortalität.

Mögliche Erklärungen für die ge- nannten positiven Effekte im Sinne der Hormesis diskutierte L. Feinende- gen, Bethesda, USA. Er stellte aus- führlich die Wirkung der Strahlung im zellulären Bereich dar. Der sogenann- te duale Effekt ionisierender Strah- lung ist charakterisiert durch die gleichzeitige Induktion von Schädi- gung und Reparatur. Die durch die Strahlung verbesserten Reaktions- möglichkeiten zum Schutz der Zelle und des Gewebes (wie antioxidatives System, enzymatische Reparaturlei- stung, Apoptose) gewährleisten je- doch nicht nur eine weitgehende Be- seitigung der strahleninduzierten Lä- sionen, sondern auch der sehr viel häufigeren Schädigungen, die durch körpereigene oder externe Noxen ausgelöst werden. Als Konsequenz dieser aktivierten Schutzfunktionen der Zelle resultiert bis zu einer Dosis von etwa 0,2 Gy ein Nutzen für den Organismus. Erst wenn diese Bestrah- lungsdosis überschritten wird, domi- nieren die negativen Effekte. Der Grenzwert von 0,2 Gray beruht auf den experimentellen Untersuchungen und Berechnungen aus Feinendegens Arbeitsgruppe. Die Arbeiten von K.

Yamaoka, Tokyo, bestätigen diese Aussagen. So fand er bei Kaninchen eine nach Radoninhalation erhöhte Konzentration von Superoxiddismu- tase im Blut.

S. Hattori, Tokyo, stellte neben den Langzeituntersuchungen der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki eine Vielzahl von experi- mentellen und klinischen Ergebnissen japanischer Studien vor. Im Tierver- such mit Mäusen zeigte sich eine signi- fikant höhere Überlebensrate nach hochdosierter Bestrahlung (8 Gy), wenn zwei Wochen zuvor eine Be- strahlungsdosis von 5 cGy appliziert wurde. Diese Ergebnisse können als Beweis gelten, daß es offensichtlich relevante körpereigene Schutzreak- tionen gibt, die durch eine niedriger dosierte Strahlenexposition aktiviert KONGRESSBERICHT

Radon und Gesundheit

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Mortalität pro 100 000/Jahr Männer

a)

Theoretischer Anstieg

1. Quartile

0 1 2 3 4 5 6 7 Durchschnittliche Radonexposition (pCi/l)

3. Quartile Grafik

Lungenkarzinom-Mortalität in 1 601 US-Counties (ohne die Migrationsstaaten Kalifornien, Arizona und Florida) in Abhängigkeit vom mittleren Radongehalt in den Wohnräumen der jeweiligen Region. Counties mit dem- selben Konzentrationsbereich sind zusammengefaßt.

Die erhobenen Daten zeigen einen negativen Zusam- menhang zwischen den Mortalitätszahlen und der Ra- donkonzentration und stehen somit im Widerspruch zu den theoretisch zu erwartenden Mortalitätszahlen, die auf der Linear-No-Threshold-(LNT-)Theorie basieren.

Ein ähnlicher Kurvenverlauf ergibt sich, wenn die doku- mentierte Inzidenz nach dem Rauchverhalten korrigiert wird (modifiziert nach Cohen 1999, Kongreßband der Veranstaltung, im Druck) a) Männer, b) Frauen

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Frauen Mortalität pro 100 000/Jahr

Theoretischer Anstieg

1. Quartile

0 1 2 3 4 5 6 7 Durchschnittliche Radonexposition (pCi/l)

3. Quartile

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werden können. Klinisch äußerst in- teressant erscheinen erste positive Berichte einer höheren Überlebens- rate von Patienten mit Non-Hodgkin- Lymphom, die neben der lokalen Be- strahlung zusätzlich eine niedrig do- sierte Ganzkörperbestrahlung erhiel- ten.

J. Soto, Santander, beschrieb ein reduziertes Wachstum von MCF-7- Zellkulturen (Mammakarzinomzel- len), deren Nährlösung Radon und Radonfolgeprodukte enthielt (Strah- lendosis zwischen 0,1 und 10 mGy).

Der antiproliferative Effekt war bei ei- ner Dosis von 1 mGy am deutlichsten ausgeprägt. Zudem fand er nach Strahlendosen von mehr als 1 mGy ei- ne vermehrte Expression von Genen, die für die Apoptose relevant sind (bax, bcl-x). In seinen Untersuchun- gen ergaben sich Hinweise auf additi- ve Effekte einer Kombination von Ra- donexposition und Taxolapplikation.

Mögliche klinisch bedeutsame Konse- quenzen, die derzeit jedoch noch weit- gehend spekulativ sind, wurden disku- tiert.

Positive Erfahrungen bestätigt

Aus den deutschen und öster- reichischen Radonbädern erfolgte die Darstellung klinischer Studien zu Ef- fizienz und Effektivität der Radonbe- handlung. Kontrollierte Untersu- chungen der letzten Jahre bestätigen die positiven Erfahrungen der Radon- behandlung bei Morbus Bechterew und rheumatoider Arthritis sowie bei degenerativen rheumatischen Er- krankungen.

G. Lind-Albrecht, Bad Kreuz- nach, fand in einer prospektiven kon- trollierten Untersuchung von 262 Pa- tienten mit gesichertem Morbus Bechterew, daß die Patienten bis zu zwölf Monate nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme signifikant weniger Schmerzen (bestimmt unter anderem nach visueller Analogskala, Schmerzdauer nach Dahle) haben und weniger nicht steroidale Anti- rheumatika benötigen, wenn sie zu- sätzlich zu einem standardisierten Re- habilitationsverfahren Behandlungen im Radonstollen von Bad Kreuznach erhalten hatten. Die größten Unter-

schiede zwischen Radon- und Kon- trollgruppe zeigen sich nicht am Ende der Behandlungsphase, sondern erst in den nachfolgenden Monaten.

Ähnliche Ergebnisse aus dem Gasteiner Radonthermalstollen un- terstützen die Empfehlung, den Er- folg einer Radonbehandlung nicht be- reits bei Therapieende, sondern erst in den nachfolgenden Monaten zu be- urteilen. In einer kontrollierten Stu- die wurden von Bechterew-Patienten signifikant bessere Funktionsgewinne nach einer Radonthermalbehandlung im Gasteiner Heilstollen im Vergleich zu einer üblichen stationären Rehabi- litationsmaßnahme berichtet. Die vorgestellten Daten aus Bad Kreuz- nach und Gastein belegen die Wirk- samkeit der speleotherapeutischen Radonbehandlung bei der ankylosie- renden Spondylitis und können zum Verständnis der großen Akzeptanz in Patientenkreisen, wie sie eine unab- hängige Befragung der Mitglieder der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew aufzeigte, beitragen. Bei der Evaluation möglicher Wirkme- chanismen fand N. Reinisch, Inns- bruck, bei Patienten mit ankylosieren- der Spondylitis eine verminderte ba- sale und mit Formyl-Methionin-Leu- cin-Phenylalanin stimulierte Sauer- stoffradikalfreisetzung aus zirkulie- renden Neutrophilen nach zehnmali- ger Radonthermalstollenbehandlung.

Nach den Ergebnissen einer pro- spektiven randomisierten kontrollier- ten einfach (patientenseitig) verblin- deten Parallelgruppenuntersuchung von L. Reiner, Bad Brambach, waren bei rheumatoider Arthritis - als Zu- satztherapie zu einer stationären Re- habilitationsmaßnahme -, kombinier- te Radon- und CO2-Bäder alleinigen CO2-Bädern in ihrer klinischen Wir- kung signifikant überlegen. Nur in der mit Radon therapierten Gruppe hiel- ten Schmerzreduktion und Funkti- onsverbesserung bis zum Ende des Evaluationszeitraums von sechs Mo- naten an, während diese Zielparame- ter in der allein CO2-behandelten Gruppe dann bereits wieder die Aus- gangswerte vor Therapiebeginn er- reicht hatten.

H. G. Pratzel, München, stellte zwei randomisierte kontrollierte Dop- pelblindstudien mit dreiwöchiger Be- handlungsphase und viermonatiger

Nachbeobachtungszeit aus Schlema und aus Bad Steben vor, die die anal- getische Wirkung von Radonbädern bei schmerzhaften degenerativen rheumatischen Erkrankungen beleg- ten. Auch hier waren die Unterschiede zwischen der Radongruppe und der Kontrollgruppe in den Monaten nach der Therapiephase am größten.

Schlußfolgerungen

Die während des Symposiums vorgestellten Studien erlauben eine positive Beurteilung des Nutzen-Risi- ko-Verhältnisses der Radontherapie in den Kurorten. In kontrollierten Stu- dien zeigen sich gute Therapieerfolge bei entzündlichen und nicht entzündli- chen rheumatischen Erkrankungen.

Noch in den Anfängen sind die Diskussionen um einen möglichen Nutzen der Radonbehandlung bei on- kologischen Erkrankungen. Während Malignome bisher als Kontraindikati- on für die Radontherapie eingestuft wurden, gibt es inzwischen erste Hin- weise auf positive Auswirkungen ei- ner niedrig dosierten Strahlenexposi- tion als unterstützende Maßnahme in der Tumornachbehandlung. Hier sind jedoch sicherlich noch weitere um- fangreiche Studien zur Beurteilung notwendig.

Die optimale Dosierung und die beste zeitliche Gestaltung der thera- peutischen Radonexposition (welche Dosis in welchem Zeitraum) beruhen noch immer auf den klinischen Erfah- rungen und sind noch nicht ausrei- chend durch wissenschaftliche Studi- en abgesichert.

Eine positive lineare Beziehung zwischen dem Lungenkrebsrisiko und der Radonexposition im Niedrigdo- sisbereich muß nach den vorgestellten Daten angezweifelt werden. Hierauf beruht jedoch weitgehend die der- zeitige Strahlenschutzgesetzgebung.

Weitere wissenschaftliche Untersu- chungen sowie sachliche (und nicht emotionale) Diskussionen erscheinen äußerst wünschenswert.

Priv.-Doz. Dr. med.

Albrecht Falkenbach Kranken- und Kuranstalt Gasteiner Heilstollen

A-5645 Badgastein-Böckstein

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Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 23, 11. Juni 1999 (61) KONGRESSBERICHT

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