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Archiv "Tempolimit: Waffe gegen Verkehrsunfälle" (19.10.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen

Praktikantenschein

Vorlesungsstörungen wesentlich rücksichtsloser vorgegangen wird als früher. Während die Störer frü- herer Jahre wenigstens noch eine gewisse Scheu davor hatten, solche Störungen in Anwesenheit der im Unterricht demonstrierten Patienten durchzuführen, ist diese psychologi- sche Schranke jetzt gefallen. Bei den massiven Störungen des Jahres 1977 in der Heidelberger Chirurgi- schen Klinik hat man in Anwesenheit von Patienten Stinkbomben gewor- fen und Mäuse im Hörsaal springen lassen. ln einem anderen Hörsaal er- folgte ein Einzug maskierter Gestal- ten, als eben Patienten im Unterricht gezeigt wurden.

in Heidelberg haben die Ermittlun- gen gegen die Organisatoren dieser

"Streiks" des Jahres 19.77 ergeben, daß es sich in der Mehrzahl um Stu- denten handelte, die schon ein an- deres Studium abgeschlossen ha- ben, aufgrund kommunistischer Umtriebe während dieses Studiums jedoch keine Aussicht hatten, im Staatsdienst angestellt zu werden. Über die sog. "Warteliste" wurden sie aufgrund der Anciennität ihres Abiturzeugnisses, ohne auch nur ein Semester "warten" zu müssen, so- fort zum Medizinstudium zugelas- sen und all denen vorgezogen, die wirklich warteten.

Alle diese Beobachtungen führen leider nicht an der Tatsache vorbei, daß - solange die neue Approba- tionsordnung in der jetzigen Form gültig ist - der Leistungsnachweis vor der Vergabe des Praktikanten- scheines der einzige gangbare Weg ist, um in der Bundesrepublik Deutschland wieder zu einer Medizi- nerausbildung zu kommen, die ei- nen Vergleich mit den Ausbildungs- systemen der Nachbarländer aus- halten kann.

Auf die Dauer wird das aber nur durchführbar sein, wenn der Hoch- schullehrer, der solche Erfolgskon- trollen durchführt, die juristische Rückendeckung durch das Landes- prüfungsamt und durch das Ministe- rium erhält Wenn schon das Bun- desgesundheitsministerium nicht bereit ist, eine mündliche und prak-

tische Prüfung in allen klinischen Fächern wieder einzuführen, dann müßte zumindest der Leistungs- nachweis vor Vergabe des Prakti- kantenscheines besser juristisch ab- gesichert werden. Wenn der medizi- nische Hochschullehrer in dieser wichtigen Funktion von den staatli- chen Stellen weitgehend im Stich gelassen wird und auf sich selbst gestellt bleibt, wird dies immer wie- der zu Versuchen führen, durch

"Streiks" oder sonstige Gewaltmaß- nahmen das System der notwendi- gen Erfolgskontrollen an dieser

"schwachen Stelle" aufzubrechen. Deshalb wird uns das Thema Stu- denten-"Streiks" kontra Leistungs- nachweis in Zukunft auch noch öf- ters beschäftigen.

Anschrift des Verfassers: Professor

Dr. med. Wolfgang Jaeger Universitätsaugenklinik Bergheimer Straße 20 6900 Heidelberg

Leserbrief

MEDIZINSTUDIUM

Zu dem Schlußwort von Diplom-Volks- wirt Klaus Gehb, erschienen in Heft 371 1978, Seite 2027, in dem unter anderem festgestellt wurde, daß die Studienkapa- zität in der Humanmedizin bis 1980 auf jährlich 15 000 erweitert werden solle.

Unbekannte Zahl

Derartige Planungen bestehen we- der bei uns im Rahmen der Gemein- schaftsaufgabe "Hochschulbau", noch ist mir bekannt, daß an anderer Stelle auch nur derartige Erwägun- gen angestellt werden. Es wäre auch völlig unmöglich, innerhalb weniger Jahre die Kapazität nochmals um mehr als 4000 Plätze zu steigern.

Ministerialdirektor Dr. jur. Eberhard Böning Bundesministerium

für Bildung und Wissenschaft Postfach 20 01 81

5300 Bonn 2

2456 Heft 42 vom 19. Oktober 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

FORUM

Tempolimit:

Waffe gegen Verkehrsunfälle

Elmar Hellenthai

Wenn im Zusammenhang mit dem Autoverkehr in der Bundesrepublik die Erstversorgung der Verletzten klappt, wenn die Unfallstationen be- friedigend organisiert sind und der Rettungsdienst vermittels Hub- schrauber eine eindrucksvolle, tech- nische Höhe erreicht hat, so sollte es nach landläufiger Meinung nichts mehr zu bemäkeln geben.

Demgegenüber darf sich der Blick nicht vernebeln lassen. Der Arzt muß wahrnehmen, daß es außerhalb der Grenzen .der Bundesrepublik welt- weit ganz andere Maßstäbe der Ver- kehrssicherheit gibt. Wir belegen in der Unfallstatistik seit zehn Jahren konstant den schlechtesten Platz.

Wie groß der Unterschied zu ande- ren inzwischen geworden ist, zeigt ein Vergleich mit England. Es hat etwa die gleiche Größe, die gleiche Bevölkerung und die gleiche Zulas- sungsquote pro Straßenki lometer.

Die (amtlichen) Zahlen gelten für 1975: Tote: 6366, Schwerverletzte:

77 122. Die deutschen Zahlen für 1977: Tote: 14 968, Schwerverletzte:

153 014.

Noch wichtiger als das aber er- scheint für den Arzt folgendes: Die Alternative zu einem Verkehrstoten sind nicht zwei Verkehrstote, auch nicht 2,54 Tote pro Million Fahrkilo- meter. Es ist an der Zeit, hier grund- sätzlich umzudenken. Oie humane Alternative zu einem Toten ist das unversehrte Leben. Das heißt: Pro- phylaxe hat vor allem Gültigkeit Unsere Hauptsünden gegen die Pro- phylaxe sind:

..,.. Wir fahren zu schnell,

..,.. wir fahren zu technisch, das heißt mit einem Vertrauen auf tech- nische Korrekturen, das durch nichts gerechtfertigt ist. l>

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Spektrum der Woche Aufsätze . Notizen Tempolimit

Geschwindigkeit

Ob man nun mit befangenen oder unbefangenen Gesprächspartnern zu tun hat, es wird eingewendet:

Was soll denn schon an der Ge- schwindigkeit gefährlich sein?

Wenn ein Auto auf guter Straße und bei geringem Verkehr und bei all den technischen Vollkommenhei- ten, die heute geliefert werden, wirk- lich ausgefahren wird, braucht doch gar nichts zu passieren und passiert auch in den meisten Fällen nichts.

Demgegenüber ist auf der ganzen Welt das Tempolimit das wichtigste Mittel zur Eindämmung von Ver- kehrsunfällen, und Gögler (Heidel- berg) sagte schon vor zehn Jahren, es funktioniere wie im physikali- schen Experiment. Woher kommt dieser Widerspruch?

Er kommt daher, daß im ersten Falle die lndividualgeschwindigkeit ange- sprochen ist, im zweiten aber die Allgemeingeschwindigkeit. Als All- gemeingeschwindiCeit müssen wir die Durchschnittsgeschwindigkeit aller Fahrzeuge begreifen, die im Beobachtungszeitraum unterwegs sind. Nur sie hat den deutlichen Be- zug auf das Unfallgeschehen, der dann auch in der umfassenden Langzeitstatistik zur Geltung kommt. Das ist seit langem bewie- sen, und zwar im Ausland. Es gibt da kein Ausweichen mehr vor der Ver- antwortung, und diese trifft den Gesetzgeber.

Die lndividualgeschwindigkeit dage- gen wird vom Fahrer bestimmt und wechselt je nach der Verkehrssitua- tion. Man liest sie vom Tachometer ab. Problematisch wird die Situation erst, wenn das Fahrzeug steht, etwa bei einem Unfall. Man möchte dann wissen, wie die Geschwindigkeit vor dem Unfall war. Dafür gibt es keine physikalische Methode, sondern nur Schätzungen. Bekanntlich hat man sich in der Medizin damit geholfen, daß man in solchen Fällen die Be- zeichnung „Risikofaktor" wählte.

Diese Bezeichnung träfe die Indivi- dualgeschwindigkeit recht gut, al- lerdings müßte es physikalisch exakt

„Risikoexponent" heißen.

Die Technik hat eine ganze Wissen- schaft von den Unfallursachen ent- wickelt. Der Arzt kann sie nicht ein- fach übernehmen. Soweit diese Wis- senschaft dem Laien bekannt und begreiflich ist, handelt es sich um Spurensuche, die fast kriminali- stisch anmutet, und um statistische Hochrechnungen. Die Individualge- schwindigkeit ist schwer faßbar, wie schon erwähnt. Sie kann sich leicht der Aufmerksamkeit entziehen oder der jeweiligen Interpretation fügen.

Beispiel dafür sind die Statistiken, die der ADAC macht über den Zu- sammenhang von Unfall und Ge- schwindigkeit. Der Arzt muß also seine eigenen Analysen machen.

Das geschieht zunächst induktiv:

Beispiele sind: Was und wieviel kön- nen Kinder im Verkehr lernen — was leistet die Atemspende am Unfallort

— bedeutet der Sturzhelm des Motor- radfahrers eine Schonung des Ge- hirns? Das Wesentliche aber erhellt erst aus der deduktiven Analyse:

Beispiel: England hat eine weit bes- sere Unfallstatistik als die Bundesre- publik. Es hat die gleiche Bevölke- rung, etwa die gleiche Zulassungs- quote, etwa die gleichen Straßenki- lometer. Könnte der Unterschied vom besseren Fahrverhalten, genau- er gesagt: von einem langsameren Verkehrsfluß, also von einer gut ge- regelten Allgemeingeschwindigkeit herrühren?

Deutsche Verkehrsordnung Das Verkehrsparlament der Süd- deutschen Zeitung veranstaltete am 17. November 77 eine Diskussion unter dem Titel: „Das Motorrad, eine unerträgliche Gefahr?" Welcher Arzt möchte es heute noch wagen, das Fragezeichen hinter diesen Satz zu setzen! Die Motorradwelle ist eine bundesdeutsche Angelegenheit. Im Ausland kennt man sie nicht in die- ser Form. Wo die Tempolimits nicht ausreichen, hat man für das Motor- rad Sonderlimits eingerichtet, die meist nicht über 90 km/h hinausge- hen.

Wenn also das Tempolimit eine so wirksame Waffe gegen den Ver-

kehrsunfall ist, warum funktioniert es dann bei uns nicht?

Die Antwort ist leicht zu geben: Das Tempolimit ist ein Regulierungssy- stem, das so gut und so schlecht funktioniert, wie es gehandhabt wird. Unsere Verkehrsordnung wird von der mächtigen Lobby der Schnellfahrer gemacht. Sie hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie grundsätzlich gegen jede Tempobe- schränkung ist. Tempo 100 auf Bun- desstraßen war für sie eine Panne.

Dagegen konnte sie sich erfolgreich wehren gegen die Tempobeschrän- kung auf den Autobahnen. Späte- stens heute (1978) wissen wir, daß die Lücke im Gesetz groß genug ist, um Hunderten und Tausenden den Weg zum Opfertod frei zu machen.

Opfer wofür?

Für Geltungsdrang? Für Geschäft?

Für eine Suchtkrankheit?

Umkehr

Es kann sich natürlich von heute auf morgen nicht alles ändern. Aber die Ärzteschaft trifft die unabdingbare Verpflichtung, den Anstoß zu einer Änderung zu geben._ Das Dringlich- ste scheint zu sein, daß die soge- nannte Richtgeschwindigkeit auf den Autobahnen endlich zu einer ehrlichen Höchstgeschwindigkeit gemacht wird. Von da an ist freilich noch ein weiter Weg bis zu einem Weltstandard. Er muß spätestens jetzt angetreten werden.

Der Weltstandard, in dem das Prakti- zieren und das Erleiden des moder- nen Autoverkehrs gerecht ausgegli- chen sind, hat sich in Nordamerika entwickelt. Dort gilt in allen Staaten (auch in Kanada) für alle Straßen und für alle Fahrzeuge (außer dem Blaulicht) folgendes: Höchsttempo innerorts: 30 Meilen 48 km/h; außer- orts: 55 Meilen 88 km/h.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Elmar Hellenthal Münchner Straße 46 8011 Kirchseeon

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2457

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