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Archiv "Berufsgenossenschaften: Kooperationsmodell -Alternative zum BK-Arzt-Verfahren" (04.07.1997)

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Mit Einführung des Sozialgesetz- buches (SGB) VII im Januar 1997 ha- ben die Berufsgenossenschaften (BGen) nach § 34 alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst früh- zeitig einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung für die Berufskrank- heiten gewährleistet wird. Hierzu sind Verträge vom Hauptverband der ge- werblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nach An- hörung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu schließen. Die entsprechenden Verhandlungen ha- ben jetzt begonnen.

Umstritten

Im Rahmen dieser Verhandlun- gen wird auch das weiter kontrovers diskutierte Berufskrankheiten-Arzt- Verfahren der BGen zu behandeln sein (Heft 43/1995). Hierdurch soll ei- ne frühestmöglich einsetzende Individualprävention und Rehabilita- tion von Berufskrankheiten erreicht werden. Die BGen wollen hierzu ein- seitig Fachärzte in Praxis oder Klinik benennen. In Analogie zum D-Arzt- Verfahren ist eine Zuweisungspflicht der übrigen Fachkollegen zu diesen BK- beziehungsweise BK-Beratungs- Ärzten vorgesehen, wenn der Erstbe- handelnde den Verdacht einer Be- rufskrankheit hat.

Kritik geäußert wurde insbeson- dere an der Betriebsferne solcher BG-Vertrauensärzte als erster Ent- scheidungsinstanz im Berufskrank- heiten-Verfahren, an den nicht faßba- ren Qualitätskriterien, der Einschrän- kung der freien Arztwahl (auch weil im SGB VII dem Versicherten die Wahl zwischen drei Fachgutachtern zugebilligt wird) etc. Der geforderte Effizienznachweis solch eines Verfah-

rens wurde bisher nicht erbracht (sie- he auch Broschüre des Hessischen So- zialministeriums zur Diskussionsver- anstaltung im Hessischen Landtag am 22. Februar 1996).

Dieses umstrittene BK-Arzt- Verfahren wird inzwischen als BK- Beratungsarzt-Verfahren in verschie- denen Landesverbänden der BGen praktiziert, ohne daß ein entspre- chender Vertrag nach § 34 SGB VII geschlossen wurde. Vor der rechtlich verbindlichen Etablierung solch eines Verfahrens gilt es jetzt die Chance zu nutzen, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen ein bedarfsgerechte- res Konzept zur Prävention und Re- habilitation von Berufskrankheiten zu finden – nach gemeinsamen Ge- sprächen der Vertragspartner (KBV/

HVBG/Bundesbeauftragter für den Datenschutz) mit den Beteiligten wie GKV, Bundesärztekammer, Fachge- sellschaften, Berufsverbänden und Gewerbeärzten.

Kooperation mit der Arbeitsmedizin

Im D-Arzt-Verfahren der BGen soll eine bestmögliche Behandlung der Beschäftigten nach Arbeitsunfäl- len gewährleistet werden. Im Berufs- krankheiten-Geschehen ist das Ex- pertenwissen jedoch nicht primär auf therapeutischem, sondern auf diagno- stischem Gebiet gefordert: Der ur- sächliche Zusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkran- kung ist zu klären und im zweiten Schritt die Gefährdung abzustellen – wenn möglich –, um eine sinnvolle Behandlung zu ermöglichen.

Hier sind die arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Erkennt- nisse zur Gefährdung des Erkrankten aus dem Beschäftigungsbetrieb mit

dem diagnostischen Spezialwissen des jeweiligen Facharztes zusammenzu- führen. In der Diskussion hat sich hierzu der Begriff eines Kooperati- onsmodells zwischen kurativer Medi- zin und Arbeitsmedizin entwickelt, um den Weg für eine effiziente Zu- sammenarbeit zu öffnen zwischen den bisher mit wenig Vertrauen ineinan- der und weitgehend aneinander vor- beiarbeitenden Fachrichtungen.

Durch die zunehmende Angst vor einem Arbeitsplatzverlust werden von den Beschäftigten arbeitsplatzbe- zogene Krankheitssymptome immer häufiger im Betrieb verschwiegen.

Dementsprechend kommen die mei- sten BK-Meldungen von kurativ täti- gen Ärzten und nicht von Betriebs- ärzten. Vertrauensbildende und be- schäftigungssichernde Voraussetzun- gen während der Abklärung/Behand- lung von Erkrankungen sind in den Betrieben zu schaffen, um die wert- volle Zeit für gezielte Sekundär- präventionsmaßnahmen nicht weiter zu vertun. Daneben wären die Ein- führung von Frühmeldeverfahren wie der Hautarztbericht auch für die an- deren Berufskrankheiten sinnvoll.

Praktische Umsetzung

Die praktische Umsetzung eines solchen Kooperationsmodells könnte unter anderem in der Form erfolgen, daß die BGen mit Einverständnis des Beschäftigten die von einem kurativ tätigen Arzt erstellte BK-Anzeige oder einen Hautarztbericht direkt an den zuständigen Betriebsarzt weiter- leiten. Mit Beteiligung des Beschäf- tigten wären dann entsprechende be- rufskrankheit- und branchenbezoge- ne Fragebögen zur Verursachung der Beschwerden und zu den erforderli- chen betrieblichen Korrekturmaß- nahmen zu beantworten. In interdis- ziplinären Arbeitsgruppen könnten solche Erhebungsbögen mit einem möglichst hohen Informationsgehalt erarbeitet werden. Für Klein- und Mittelbetriebe – noch ohne arbeits- medizinische Versorgung in der Über- gangsphase – könnte hier der Be- triebsrat mit der Sicherheitsfachkraft der Adressat sein.

So würde direkt vor Ort im Be- trieb eine erste realitätsbezogene A-1859

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 27, 4. Juli 1997 (27)

Berufsgenossenschaften

Kooperationsmodell – Alternative zum

BK-Arzt-Verfahren

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Kausalitätsprüfung besser gelingen, als es in dem inhaltlich überforderten BK-Arzt- oder BK-Beratungsarzt- Verfahren möglich sein wird. Um den berechtigten Ängsten der Beschäftig- ten gerecht zu werden, wären zu de- ren Schutz eindeutige Verfahrens- schritte festzuschreiben. So könnten unter anderem Betriebsarzt und kura- tiv tätiger Arzt umgehend weitere notwendige diagnostische/therapeuti- sche Schritte vereinbaren, gegebe- nenfalls bei einem Experten mit spe- ziellen arbeitsmedizinischen Kennt- nissen (siehe unten). Der Modus der Kostenübernahme in dieser frühen Abklärungsphase wäre in den anste- henden Verhandlungen zu klären.

Paragraph 3 BeKV

In § 3 der Berufskrankheiten- Verordnung (BeKV) haben die BGen bei drohenden Berufskrankheiten die Fürsorgepflicht, diese Gefahr für den jeweiligen Beschäftigten mit allen ge- eigneten Mitteln zu verhüten, das heißt die Durchführung einer best- möglichen Sekundärpräventionsmaß- nahme zu gewährleisten. Bei frühzei- tig greifenden technischen, arbeitsor- ganisatorischen und gegebenenfalls persönlichen Schutzmaßnahmen wer- den sich die Krankheitssymptome bei einem nicht geringen Teil der Berufs- krankheiten ohne großen therapeuti- schen Aufwand zurückbilden (Bei- spiel Latexallergie). Bei den BK- Arzt- oder BK-Beratungsarzt-Ver- fahren zeigen sich dagegen zuneh- mend problematische Behandlungs- verläufe über Monate, ohne daß Maß- nahmen am Arbeitsplatz ergriffen werden.

Ökonomischer Aspekt

Solch ein ursachenbezogenes Vorgehen im Betrieb wäre auch öko- nomisch sinnvoll: Der Arbeitgeber könnte kostenträchtige AU-Zeiten reduzieren, den Verlust eines Be- schäftigten vermeiden, in dessen Qualifikation investiert wurde, und die zu 100 Prozent vom Betrieb zu tra- genden BG-Beitragskosten senken.

Arbeitsplatzerhaltende Para- graph-3-Maßnahmen, insbesondere

bei der Notwendigkeit spezieller tech- nischer Schutzvorrichtungen im Be- trieb, wären von den BGen grundsätz- lich mit den Kosten einer Umschulung oder Rente zu vergleichen.

Ohne diese Paragraph-3-Maß- nahmen trägt der Beschäftigte das Ri- siko, dauerhaft zu erkranken und gekündigt zu werden. Neben GKV und BG werden nun auch Bundesan- stalt für Arbeit und Rentenversiche- rung belastet.

Erweiterte

BK-Ermittlungen

Lassen die betriebsärztlichen In- formationen aus dem Beschäftigungs- betrieb keine Klärung der Verursa- chung der angezeigten Erkrankung für die BGen zu, wird die Einleitung eines erweiterten BK-Ermittlungs- verfahrens erforderlich. Im nächsten Schritt wäre vor der Beauftragung des medizinischen Fachgutachters ein speziell ausgebildeter Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) einzuschal- ten. Mit dessen Expertenwissen soll- ten die arbeitstechnischen Vorausset- zungen der jeweiligen Berufskrank- heit noch einmal vor Ort überprüft werden mit Dokumentation in der BK-Akte als Grundlage für das medi- zinische Fachgutachten.

Von den Einzel-BGen wurden in- zwischen Gefährdungskataster zur Erfassung der Belastungen (chemi- sche, physikalische etc.) an Arbeits- plätzen in den unterschiedlichen Branchen EDV-mäßig erstellt. Dieses Einzelwissen wäre zu bündeln, konti- nuierlich zu aktualisieren und allen am BK-Verfahren Beteiligten zugän- gig zu machen. Diese Verbesserung der Gefährdungsdokumentation und deren wissenschaftlich-arbeitsmedizi- nische Beurteilung als Grundlage von Prävention und Entschädigung im BK-Geschehen müssen dringend ge- zielter angegangen werden.

Weiter besteht ein erheblicher Handlungsbedarf zur Qualifizierung der arbeitsmedizinischen wie versi- cherungstechnischen Kenntnisse in- nerhalb der Fachgebiete und der ent- sprechenden medizinischen Sachver- ständigengutachten. Hierzu sind in den jeweiligen Fachgesellschaften und Berufsverbänden eindeutige

Qualitätskriterien/Nachweise zu for- dern mit entsprechenden Schulungen.

Durch Rückkopplung der Ergebnisse der BK-Verfahren an den kurativ täti- gen Arzt und den Betriebsarzt wären Informations- und Lernprozesse wei- ter zu fördern. Vom Einverständnis des Beschäftigten ist hier auszugehen.

Paragraph 20 SGB V

Mit der Einführung des § 20 SGBV (1988) wurde ein bisher kaum genutzter Ansatz zur Prävention in Kooperation von GKV, BGen und Gewerbeärzten geschaffen: „Ist anzu- nehmen, daß bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrank- heit vorliegt, hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Ar- beitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mit- zuteilen.“

Zur Früherkennung von Berufs- krankheiten wären eindeutig formu- lierte Verdachtshinweise für die zur Meldung verpflichteten Ärzte/ Zahn- ärzte hilfreich, auch zur Codierung in der ICD-10. Zudem wäre auf diesem Weg die immer wieder geforderte Ko- stentransparenz für GKV- und BG- Leistungen zu verbessern.

Gewinn auf allen Seiten

In den anstehenden Verhandlun- gen zur Durchführung der Heilbe- handlung bei Berufskrankheiten gemäß § 34 SGB VII kann jetzt die Chance genutzt werden, die überfälli- ge Koordination und Kooperation im Bereich der Prävention und Rehabili- tation von Berufskrankheiten verfah- rensmäßig zu etablieren. Ein erhebli- cher Teil der vermeidbaren Berufs- krankheiten und arbeitsbedingten Er- krankungen würde frühzeitiger er- kennbar und deren Chronifizierung mit schwerwiegenden individuellen wie sozioökonomischen Folgen auf- zuhalten sein.

Solch eine bedarfsgerechte Ko- ordination und Kooperation könnte auch ein erster Schritt zu einer reellen Kostenreduktion im Gesundheitswe- sen werden. Dr. med. Eva Eck A-1860

P O L I T I K AKTUELL

(28) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 27, 4. Juli 1997

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