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Bericht und Meinung
AUS DEN BUNDESLANDERN
BERLIN
Personalmisere wird hitzig diskutiert
Parteien und Gewerkschaften dis- kutieren leidenschaftlich über die Misere an den Berliner Kranken- häusern, in denen einerseits jah- reszeitlich bedingt eine hohe Bele- gung, andererseits aber ein hoher Krankenstand auch beim Kran- kenhauspersonal zu verzeichnen ist.
Berlins Krankenhausbetten waren im Februar zu 88,9 Prozent belegt (ohne Betten für chronisch Kran- ke) bei einem durchschnittlichen Personalkrankenstand von rund 20 Prozent. Die Diskussion steht zum Teil im Zeichen des Wahl- kampfes (am 18. März finden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt).
Von ärztlicher Seite werden die Vorwürfe an die Adresse des Se- nats jedoch teilweise bestätigt.
Deshalb hat die Delegiertenver- sammlung der Ärztekammer Ber- lin in einer fast einstimmig gefaß- ten Entschließung Gesundheitsse- nator Erich Pätzold aufgefordert, sofort Auswege aus dem Dilemma zu suchen. Die Delegiertenver- sammlung sieht einen engen Zu- sammenhang zwischen Bettenre- duzierung und Personalnot: seit 1973 wurden in Berlin rund 1000 Krankenhausbetten „wegrationali- siert".
Senator Pätzold hat inzwischen je- der Kinderstation der Berliner Krankenhäuser je eine zusätzliche Pflegekraft bewilligt.
Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Professor Dr. Wilhelm Heim, schlug auf einer Pressekon- ferenz die Schaffung einer „Feuer- wehr" vor, die bei Personaleng- pässen in den Krankenhäusern fle- xibel und unbürokratisch einge- setzt werden könne.
Inzwischen hat der Kommunisti- sche Bund West-Berlin (KBW) ei-
nen Streik des Krankenhausperso- nals wegen der ständigen Überla- stung durch fehlende Planstellen angekündigt, und die Gewerk- schaft ÖTV ruft für den 5. April zu einer Demonstration „für sinnvolle Reformen und gegen Sparmaß- nahmen auf Kosten der Gesund- heit" auf. ees
„Vielfache
Teilnehmerzahl"
in der Fortbildung
Rund 10 700 Teilnehmer an ärztli- chen Fortbildungsveranstaltungen wurden im Jahre 1978 allein bei der Ärztekammer Berlin (Akade- mie für ärztliche Fortbildung) und bei der Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswe- sen gezählt.
Die Kongreßgesellschaft für ärztli- che Fortbildung und der Landes- verband Berlin des Berufsverban- des der praktischen Ärzte und Ärz- te für Allgemeinmedizin Deutsch- lands benannten zusammen wei- tere 11 000 Teilnehmer. Hinzu kommen die Berliner Ärzte, die weitere Angebote in Berlin sowie Kongresse und Fortbildungsver- anstaltungen außerhalb Berlins besuchen.
Alles zusammen ergibt, wie Ge- sundheitssenator Erich Pätzold auf die Anfrage eines FDP-Abge- ordneten im Abgeordnetenhaus mitteilte, bei den Ende 1978 in Berlin tätigen 6904 Ärzten eine
„vielfache jährliche Teilnehmer- zahl in der Fortbildung".
Auf einen weiteren Teil der Anfra- ge bestätigte Senator Pätzold die Notwendigkeit, Psychiatern, Inter- nisten und Ärzten für Allgemein- medizin vertiefte Kenntnisse über Diagnose und Therapie von Sucht- krankheiten, insbesondere der Al- koholkrankheit, zu vermitteln.
Der Senat werde daher diesen Be- reich der Fortbildung mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln fördern. EB
NORDRHEIN-WESTFALEN
Krankenhausbau künftig im Leasing-Verfahren?
Die Idee, künftig Krankenhausneu- bauten eventuell im Miet- oder Leasing-Verfahren zu erstellen und zu nutzen, hat anläßlich der parlamentarischen Beratung des Sozialetats für 1979 im nordrhein- westfälischen Landtagsausschuß für Arbeit, Gesundheit und Sozia- les neuen Auftrieb erhalten. Dieses Konzept hatte Arbeits- und Sozial- minister Prof. Dr. Friedhelm Farth- mann (SPD) bereits vor drei Jah- ren ins Gespräch gebracht. Da- mals hatte der Minister . mit dem Vorstand der Westdeutschen Lan- desbank (West LB) entsprechende Finanzierungsmodelle erörtert.
Die Landesbank war seinerzeit nicht abgeneigt, eine eigene Lea- sing-Gesellschaft zu gründen, um Krankenhäuser auf eigene Rech- nung zu errichten und sie dann als Eigentümer an Krankenhausbe- treiber zu vermieten. Die Befür- worter der Leasing-Finanzierungs- lösung lockten damit, daß man beispielsweise bei einem jährli- chen Mietaufwand von 500 Millio- nen DM den zehnfachen Wert an Investitionen (fünf Milliarden DM) finanzieren könne.
Inzwischen beurteilen Finanzie- rungsexperten der Landesregie- rung die Krankenhausfinanzie- rung mittels Leasing eher skep- tisch. Das Verfahren sei „unsoli- de", weil der Betrag ausschließlich für Zins und Tilgung des Darle- hens eingesetzt werden müsse.
Die dafür erforderlichen finanziel- len Mittel dürften jedoch nicht im Vorgriff auf künftige Jahre ausge- geben werden.
Ähnlich skeptisch beurteilt die Deutsche Krankenhausgesell- schaft (DKG), Düsseldorf, Miet- und Leasing-Finanzierungsmodel- le. Die Gesamtkosten wären ver- gleichsweise höher als bei der her- kömmlichen Finanzierung über langfristig gewährte Darlehen.
Denn beim Leasing müßten neben
694 Heft 11 vom 15. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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den Investitionskosten zumindest auch die Betriebskosten im Miet- preis berechnet werden. Außer- dem wäre der Krankenhausnutzer lediglich in die Rolle des „Be- triebsführers" gedrängt, und zwar so lange, als das Eigentum nicht auf den Betreiber übergegangen sei. Dadurch könne sich die jetzige Trägerlandschaft sehr leicht ver- ändern. Daran sind die Kranken- hausträger aber nicht interessiert, sie wollen als Träger weiter das
„Sagen" haben.
Dagegen sei das Darlehensverfah- ren billiger als das Leasing-Ver- fahren. Denn nach § 5 des Kran- kenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) kann anstelle von Zuschüs- sen der Schuldendienst von Darle- hen, die der Träger auf dem Kapi- talmarkt aufgenommen hat, vom Land übernommen werden.
Zunächst bleibt es beim bisheri- gen Finanzierungsverfahren; der Minister erklärte sich lediglich be- reit, dem Ausschuß entsprechende
„Denkmodelle" vorzulegen. Für 1979 hat das Land für die Kranken- hausförderung Gesamtausgaben in Höhe von 991 Millionen DM und 1,3 Milliarden für Verpflichtungs- ermächtigungen eingeplant.
Die veranschlagten Haushaltsmit- tel werden im wesentlichen für die Weiterfinanzierung der vor 1979 begonnenen Baumaßnahmen be- nötigt. Geplant sind sechs größere Krankenhausersatzneubauten so- wie weitere sechs Teilneubauten und Ersatzbauten kleineren Um- fangs. HC
In einem Satz
Krankenhausforschung — Bis En- de 1981 stellen Bund, Länder und Gemeinden nach Maßgabe des
§ 26 des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes 54 Millionen DM ( = 0,25 Prozent der Investitions- förderung) für Forschungsvorha- ben auf dem Krankenhaussektor zur Verfügung. DÄ
Zunächst viel Skepsis und deutli- che begriffliche Verständigungs- schwierigkeiten zwischen Medizi- nern und Ökonomen, dann aber fruchtbare Sachgespräche und si- cherlich auf beiden Seiten neue Erkenntnisse brachte ein zweitägi- ges Expertengespräch über In- strumente und Mechanismen der Planung und Steuerung im Ge- sundheitswesen, zu dem die Aka- demie für Politik und Zeitgesche- hen der der CSU nahestehenden Hanns-Seidel-Stiftung im Februar in ihr Bildungszentrum Wildbad Kreuth eingeladen hatte. Das Pro- gramm der im wesentlichen auf In- itiative von Professor Dr. Herbert Blaha, Gauting, zustandegekom- menen Veranstaltung mußte zwar kurzfristig geändert werden (die aus Kiel erwarteten Vortragenden vom dortigen Sozialministerium und vom Institut für Gesundheits- System-Forschung saßen im Schnee fest), aber dafür sprangen zum Teil Gäste ein, und zudem gab es auf diese Weise noch mehr Zeit für die Diskussionen.
In seinem Eröffnungsvortrag „Pla- nung als Prozeß" erläuterte Di- plomphysiker Mark Füllemann vom Institut für Operations Re- search der Eidgenössischen Tech- nischen Hochschule Zürich scheinbar sehr abstrakte Grund- begriffe, -bedingungen und -merkmale von Planungsprozes- sen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Der erste Anschein trog. In Wirk- lichkeit gab Füllemann eine bei al- ler Subjektivität — oder vielleicht:
gerade wegen seiner Subjektivität
— umfassende, verständliche und auch für Mediziner und Gesund- heitspolitiker durchaus nützliche Einführung ins Planen.
Füllemanns Grundsätze: Planen heiße, eine Situation verändern zu
TAGUNGSBERICHT
wollen (und zwar eine Situation, die man auch ändern kann). Man muß also eine genaue Zielvorstel- lung haben, wobei es jedoch manchmal genügt, auf scheinba- ren „Nebenschauplätzen" Ände- rungen herbeizuführen und abzu- warten, ob die „Umwelt" sich dann so entwickelt, daß das plane- rische Ziel „von allein" erreicht wird. Als unabdingbar notwendi- gen Bestandteil sinnvoller Pla- nung betrachtet Füllemann die Kontrolle, die begleitende Kontrol- le der Verwirklichung.
Hierzu ist es wichtig, sich über die Planungsebenen klarzuwerden: in Ressorts gegliederte staatliche Planung ist oft nicht aufeinander abgestimmt. Wenn dann zum Bei- spiel Parlamentarier versuchen, wieder zusammenzuführen, was einzelne Verwaltungsressorts aus- einanderstrebend geplant haben, merken sie zu spät, daß sie mit dem Planungsauftrag auch Ent- scheidungsvollmachten aus der Hand gegeben haben. Daher müs- se man sich klarmachen: Pla- nungs- und Entscheidungsebene sind kaum voneinander zu tren- nen. Und daraus wiederum resul- tiert ein weiterer Grundsatz: Je hö- her die Planungsebene, desto mehr darf nur Rahmenplanung be- trieben werden — Detailplanung gehört auf untere Ebenen.
Gewissermaßen „die andere Hälf- te" der Diskussionsgrundlage steuerte Ministerialdirektor Dr.
Hans Schmatz vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung bei, der in seinem Vortrag das Gesundheitswesen in die soziale Marktwirtschaft einord- nete und dabei zwei wesentliche Thesen herausarbeitete:
Das Ordnungsprinzip Soziale Marktwirtschaft mit seiner Verbin-
Planen und Steuern
im Gesundheitswesen aber wie?
Mediziner und Ökonomen diskutierten in Wildbad Kreuth
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