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Archiv "Versorgung Sterbender: Mehr allgemeine Palliativmedizin" (10.06.2011)

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A 1290 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 23

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10. Juni 2011

VERSORGUNG STERBENDER

Mehr allgemeine Palliativmedizin

Die ärztliche Betreuung von Sterbenden wird in einer alternden Bevölkerung immer wichtiger. Der Ärztetag widmete deshalb einen Tagungsordnungspunkt der Palliativ- medizin – mit der Erkenntnis: Es gibt gute Angebote, aber nicht flächendeckend.

D

ie meisten Sterbenden möch- ten ihre letzten Tage lieber zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld verbringen als in einem Kranken- haus. Dies erfordert auch eine be- sondere Betreuung durch Ärztinnen und Ärzte, die auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen und ih- rer Angehörigen eingehen müssen.

Woran es bei der palliativmedizini- schen Versorgung mangelt, disku- tierten die Delegierten auf dem 114.

Deutschen Ärztetag in Kiel.

Über den Stand der ambulan- ten Palliativversorgung berichteten Prof. Dr. med. Friedemann Nauck, Dr. med. Elisabeth Albrecht und Dr.

med. Barbara Schubert von der Deutschen Gesellschaft für Pallia- tivmedizin (DGP). „Die Palliativ- medizin hat sich in den vergange- nen 15 Jahren rasant entwickelt“, erklärte der DGP-Präsident. 5 000 Ärzte haben bisher die Zusatzwei- terbildung Palliativmedizin erwor- ben, und ab 2013 wird jeder Medi- zinstudierende in Palliativmedizin ausgebildet werden. „Trotzdem ha- ben, wir immer noch ein unzurei- chende Versorgung von Sterben- den“, stellte Nauck fest.

Vor allem bei der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) fehlten noch Strukturen.

Häufig wüssten der Patient und seine Angehörigen nicht, dass der Tod bevorstehe. Durch eine unzu- reichende oder schlecht vernetzte

Versorgung erhielten Betroffene und deren Familien oft wider- sprüchliche Aussagen über den Zu- stand des Patienten.

Um dem zu begegnen, müsse die ambulante Palliativmedizin drin- gend weiterentwickelt werden.

„Das Ziel der Patienten ist es, in ih- rer häuslichen Umgebung zu ster- ben oder in dem Altenheim, in dem sie leben, bei guter Symptomkon- trolle, schmerzgelindert, ohne Luft- not und ohne Angst“, sagte der Pal- liativmediziner. Doch nur jeder Zehnte, der eine palliativmedizini- sche Betreuung benötigt, erhält die- se auch ambulant. Es braucht, sagte Nauck, einer allgemeinen Versor- TOP II: Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland

FAZIT

Der Deutsche Ärztetag fordert von der Regierung bessere Rahmenbedingungen für eine flächendeckende allgemeine ambulante Palliativversorgung.

Einzelvertragssystem bei spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV) soll durch kassenübergreifende oder integrierte Versorgungsverträge ersetzt werden.

Lehrstühle und Forschung im Fach Palliativmedzin sollen ausgebaut werden.

Die Delegation ärztlicher Leistungen in der Palliativmedizin soll ausgebaut und eine ausreichende Finanzierung gewährleistet werden.

Die Palliativmedizin habe sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, berichtete Friedemann Nauck.

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ger Zusammenarbeit mit den benötigten Spezialisten.

Darüber hinaus betonte der DGP-Präsident, wie wichtig eine frühe Palliativversorgung sei: „Palliativmedizin darf nicht erst in der letzten Le- bensendphase einsetzen, son- dern muss bei unheilbaren schwer kranken Patienten schon vorher integriert wer- den.“ Dadurch ließen sich die Leiden des Patienten vermin- dern oder sogar teilweise ver- meiden, was zu einer besseren Lebensqualität des Betroffe- nen führe.

Obwohl die spezialisierte ambu- lante Palliativversorgung (SAPV) in den letzten Jahren gefördert wurde, profitieren nur bestimmte Patientengruppen davon. „Zurzeit erhalten überwiegend Patienten mit Krebsleiden eine palliativ - medizinische Betreuung. Wir brau- chen eine solche Betreuung aber auch für Patienten mit kardiolo - gischen, neurologischen oder pul - monalen Erkrankungen in der Lebensendphase“, erklärte Nauck.

Palliativmedizinische Versorgung sollte jedem zur Verfügung stehen, der sie benötige, unabhängig von seiner Erkrankung oder davon, ob er stationär oder ambulant betreut werden müsse.

Die AAPV ist eine originäre Auf- gabe der Hausärzte. Dies verdeut- lichte Elisabeth Albrecht in ihrem Vortrag. Das heutige Gesundheits- system würde den Arzt dabei aber kaum unterstützen, im Gegenteil:

Es bleibe zu wenig Zeit, sich ange-

messen um die Patienten zu küm- mern. Vor allem die Honorierung sei unzureichend: „Wir haben eine Gebührenordnung, die den Begriff Palliativversorgung nicht mal kennt“, kritisierte Albrecht.

Gute Vernetzung aller Beteiligten

Die Verschreibung teurer Schmerz- mittel im Rahmen einer palliativ- medizinischen Pflege könne dar - über hinaus dazu führen, dass Hausärzte ihre Arzneimittelbudgets überzögen. „Wir kommen mit eini- gen teuren Patienten ziemlich nah an einen Regress“, sagte die Pal - liativmedizinerin. „Das heißt, wer ein paar Schmerzpatienten hat, hat schnell ein finanzielles Risiko.“

Für eine gute AAPV ist eine ent- sprechende Ausbildung notwendig.

Diese fehle jedoch vielen Hausärz- ten, die zu Zeiten studiert hätten, als Palliativmedizin noch nicht gelehrt worden sei. Albrecht verwies des-

halb auf ein 40-stündiges Fort- bildungsprogramm, das die not- wendigen Kenntnisse vermit- teln soll. „Das ist etwas, was wir brauchen und auch flächen- deckend anbieten müssen.“

Außerdem ist eine gute Ver- netzung aller Beteiligten not- wendig. „Ein Sterbender sollte von seinen Angehörigen, sei- nem Hausarzt und seinem ver- trauten Pflegedienst umsorgt werden – das ist es, was ich mir wünsche“, sagte Albrecht.

Auf diese Grundversorgung könne – falls notwendig – eine SAPV aufsatteln.

Genau hier sieht Barbara Schubert ein Problem bei der spezialisierten Palliativversorgung:

„Was wir für die SAPV brauchen, ist der Hausarzt.“ SAPV-Teams würden diesen unterstützen und beraten, beispielsweise beim Wund - management oder bei der Schmerz- therapie. „Das kann aber nur funk- tionieren, wenn alle eng zusam- menarbeiten: Hausarzt, Pflege- dienst, ambulante Hospizdienste, Apotheken und Sozialdienste.“

Diese Strukturen hätten sich bisher aber noch nicht ausreichend etab- liert. Spezialisierte ambulante Pal- liativversorgung stehe immer noch nicht flächendeckend zur Verfü- gung. Von den benötigten 330 SAPV-Teams seien bisher lediglich 150 eingerichtet. Im stationären Be- reich sei die Situation besser: Hier stünden 22 Betten für eine Million Einwohner zur Verfügung; benötigt würden 30.

Kritisch sieht Schubert die Fo- kussierung der spezialisierten Pal- Kritisch sieht

Barbara Schubert die Fokussierung der spezialisierten Palliativversorgung auf onkologische Patienten.

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Patienten. „Den Betroffenen ist es egal, woran sie sterben“, sagte die Palliativmedizinerin. Deshalb müs- se eine entsprechende Betreuung und Pflege jedem zur Verfügung stehen, der sie benötige. „Speziali- sierte Palliativversorgung ist eine multiprofessionelle Angelegenheit.

Dabei geht es nicht nur um onkolo- gische Patienten, sondern um alle mit komplexen Symptomen.“

Der Vorstand der Bundesärzte- kammer greift in einem umfangrei- chen Antrag – der von den Dele- gierten einstimmig angenommen wurde – viele der genannten Pro- bleme auf:

Die AAPV soll flächende- ckend angeboten werden. Deshalb wird gefordert, dass die Politik Strukturen schafft, die eine qualita- tiv hochwertige AAPV ermögli- chen.

Bei der SAPV kritisiert der Vorstand die schwierigen Rahmen- bedingungen, die sich aus dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ergeben: Demnach müssen für SAPV-Angebote Einzelverträge mit den Krankenkassen geschlossen werden. Dies sei der Grund für die mangelhafte Versorgung mit spe- zialisierter Palliativmedizin. Der Gesetzgeber solle deshalb das Ein- zelvertragssystem durch kassen- übergreifende Verträge oder eine integrierte spezialisierte palliativ-

medizinische Versorgung ersetzen.

Die stationäre Palliativmedi- zin soll ebenfalls erweitert werden.

Dazu sollen die Krankenhäuser un- ter anderem multiprofessionelle konsiliarisch tätige Palliativteams einführen, die die palliativmedizini- sche Expertise sicherstellen. Außer- dem sollen Kurzzeitpflegeplätze ausgebaut werden, um für Angehö- rige zusätzliche Entlastungsmög- lichkeiten zu schaffen.

Palliativmedzin soll in der ärztlichen Tätigkeit stärker veran- kert werden. Durch die Aufnahme in die Approbationsordnung als Pflichtfach wurden die Grundlagen der Palliativmedizin in das Medi- zinstudium integriert. Dies müssten die Universitäten durch den Ausbau der Lehrstühle für Palliativmedizin umsetzen, betonte der Ärztetag in seinem Beschluss. Darüber hinaus müsse es eine öffentlich geförderte Forschung in diesem Bereich ge- ben, um neue und evidenzbasierte Erkenntnisse zu gewinnen.

Ein menschenwürdiges Sterben ermöglichen

Darüber hinaus sprach sich der Deutsche Ärztetag für einen Antrag von Ute Taube, Sächsische Landes- ärztekammer, aus. Sie fordert die Krankenkassen auf, Anträge auf ei- ne stationäre Versorgung in einem Hospiz unverzüglich zu bearbeiten.

„Die Bewilligung nimmt oft mehre-

re Tage in Anspruch“, erklärte sie.

„Die Aufnahme in ein Hospiz ist so oft nicht möglich.“ Je nach Zustand des Patienten könne es für ihn bei der Bewilligung schon zu spät sein.

In weiteren Anträgen stimmte die Ärzteschaft für den Ausbau der Delegation ärztlicher Leistungen in Zusammenhang mit der palliativ- medizinischen Versorgung. Hierzu müsse vor allem eine sinnvolle Fi- nanzierung erarbeitet werden. Auch solle die Regressdrohung gegen be- sonders engagierte Ärzte abge- schafft werden, heißt es in einem An- trag aus Hessen. Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Mit- glied des Vorstandes der Bundes- ärztekammer, stellte in diesem Zu- sammenhang die Bedeutung des Dis- pensionsrechts heraus: „Das wichti- ge Problem ist die Versorgung mit Betäubungsmitteln und verschrei- bungspflichtigen Schmerzmitteln in Zeiten des Apothekennotdienstes.

Wir stoßen dann plötzlich an die Grenzen des Möglichen, weil die Ärzte keine Medikamente beim Pa- tienten lassen dürfen.“

Deutlich wurde in den Anträgen der Delegierten: Die Palliativver- sorgung muss gestärkt und weiter ausgebaut werden, so dass sie je- dem zugänglich ist und ein men- schenwürdiges Sterben ermöglicht.

Prof. Dr. med. Alexandra Henne- berg aus Hessen brachte es auf den Punkt: „Das Schlimmste, was pas- sieren kann, ist, dass die Patienten glauben, es macht keinen Sinn mehr zu leben.“ Der Wunsch nach Sterbehilfe fuße oft auf unzurei- chender Palliativmedizin, betonte Dr. med. Helmut Gudat, Delegierter aus Nordrhein. Die Ärzteschaft lehnt deshalb in ihren Beschlüssen Sterbehilfe oder die Legalisierung einer Tötung auf Verlangen ab, wenn der Wunsch danach nur die Folge einer mangelhaften Betreu- ung und Pflege Sterbender ist. ■ Dr. rer. nat. Marc Meißner Die allgemeine ambulante Palliativ - versorgung sei eine originäre Aufgabe der Hausärzte, betonte Elisabeth Albrecht.

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