DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
DAS EDIT RIAL
Laser
in der Kardiologie
Jobst Nitsch und Berndt Lüderitz
IIJ
I nter dem Eindruck der raschen Ver- breitung angioplastischer Maßnah- men wurden die Möglichkeiten der Laserangioplastie Anfang der 80er Jahre enthusiastisch und teilweise unkritisch positiv beurteilt. Die Einschätzung therapeutischer Möglichkeiten gründete sich auf In-vitro-Studien, die eine Abtragung (Ablation) von Plaques an postmortal entnommenen arte- riosklerotischen Gefäßsegmenten durch Laser (Neodym-YAG-, CO 2-, Argon-Laser) demon- strierten (2, 6). Die Erwartungen wurden noch übertroffen, als die In-vitro-Studien 1982 bis 1984 auf tierexperimentelle In-vivo-Versuche ausgeweitet wurden und geringe Thrombogeni- tät und schnelle Re-Endothelialisierung des ab- ladierten Gefäßsegmentes nachgewiesen werden konnten (1). Diese Befunde korrelierten mit der geringen Rezidivquote, die Sanborn 1987 angio- graphisch und histologisch an der arterioskleroti- schen Arteria iliaca von Kaninchen zeigte (10).Klinische Anwendung thermischer Laser
Die vielversprechenden In-vitro- und In-vi- vo-Untersuchungen waren Anlaß zu ersten klini- schen Studien in den Jahren 1983 bis 1984 an pe- ripheren Gefäßstenosen und -verschlüssen und (intraoperativ) bei aortokoronarer Bypassopera- tion. Eine Ernüchterung trat ein, als bei befriedi- gendem Primärergebnis — abgesehen von einem relativ geringeren Effekt bei ausgeprägt verkalk- ten Läsionen — häufig Perforationen und frühzei- tige Thrombosierungen vorkamen. Bei experi- menteller und klinischer Anwendung des Lasers lag die Häufigkeit von Gefäßperforationen bei 20 bis 60 Prozent. Unterschätzt wurde die klini- sche Relevanz der Laser-Gewebe-Wechselwir- kung, die als photothermischer Effekt aufzufas- sen ist.
Es kam bei den eingesetzten Lasern durch die Wärmeleitung im Gewebe zur voluminösen Aufheizung und demzufolge zu tiefgreifenden thermischen Läsionen der Gefäßwand (6, 8). Hi- stologisch zeigten sich Verkohlungen und ausge- dehnte Vakuolisierungen (7). Nach den ersten klinischen Ergebnissen, die die Hoffnungen auf
ein sicheres und rezidivfreies Angioplastiever- fahren dämpften, wurde der Entwicklung der Glasfaser-Kathetersysteme, einer modifizierten Glasfaserspitze und von nichtthermischen La- sern vorrangig nachgegangen.
Ein optimales Kathetersystem war technisch schwer realisierbar, da es steuerbar, dünnkali- brig, flexibel und mehrlumig sein sollte, um ei- nen Führungsdraht oder ein Angioskop einfüh- ren zu können. Sanborn berichtete 1985, daß die Perforationsgefahr durch eine Metallkappe am Quarzfaserende gesenkt werden kann (Hot-tip- Laserangioplastie) (9). In den Koronarien führte die Hot-tip-Anwendung jedoch häufig zu lang- dauernden und kaum therapierbaren Spasmen.
Zu fragen war auch, ob nicht durch Hochfre- quenzstrom die Metallspitze technisch weniger aufwendig erhitzt werden kann. Mit dieser Alter- native würden die Kosten einen Bruchteil der Laserangioplastie betragen.
Ebenfalls mit dem Ziel, den Ablationskrater zu vergrößern und die Ausdehnung thermischer Gewebeläsionen zu begrenzen, wurden andere Modifikationen der Quarzfaser-Katheterspitze vorgenommen und klinisch eingesetzt, zum Bei- spiel Saphirspitzen (4). Jedoch brachten thermi- sche Laser auch mit indirekter Laserlichtappli- kation durch modifizierte Glasfaserspitzen nicht den Durchbruch zu sicherer und effektiver Abla- tion, so daß heute die kardiovaskuläre Anwen- dung dieser Systeme als obsolet angesehen wer- den kann.
Excimer-Laser
Offensichtlich waren befriedigende klinische Ergebnisse der Laserangioplastie nur durch nichtthermische Laser zu realisieren (5). Exci- mer-Laser (abgeleitet von „excited dimer") wei- sen in der Wechselwirkung mit dem Gewebe kei- ne oder nur eine geringe thermische Komponen- te auf. Diese gepulsten Hochdruck-Gaslaser emittieren bei Wellenlängen im ultravioletten Bereich (193 bis 351 mm), die von biologischen Molekülen stark absorbiert werden.
Bei dem konsekutiven photoablativen Pro- zeß kommt es zur Photodissoziation, das heißt zu einem Laser-induzierten Aufbrechen von Mole- A-3396 (48) Dt. Ärztebl. 86, Heft 45, 9. November 1989
külbindungen in kleine Untereinheiten und ei- nem abschließenden Abströmen der Photopro- dukte (Desorption). Die extrem energiereichen Pulse im Megawatt- und UV-Bereich liegen im Schwellenbereich der Zerstörung eines Lichtwel- lenleiters.
Ein Kompromiß zwischen möglichst niedri- ger Wellenlänge im UV-Bereich bei hoher Puls- frequenz und den Möglichkeiten der Quarzfaser- technologie wurde insofern gefunden, als nun Excimer-Laserlicht einer Wellenlänge von 308 bis 351 mm bei einer Repititonsfrequenz von 20 Hz mit 35 bis 45 mJ/mm 2 über Glasfaserkatheter- systeme geleitet werden kann, die für eine perku- tane transluminale Anwendung eine ausreichen- de Länge aufweisen. Als technisch besonders schwierig galt die Forderung, die Dauer der Ex- cimer-Laserpulse auf über 100 ns auszudehnen, um eine Effektivität auch bei stark verkalkten Plaques zu gewährleisten. Seit wenigen Monaten sind Excimer-Laser mit entsprechenden Kathe- tersystemen der neuen Generation verfügbar und stehen (als Einzelexemplare in Vorserie her- gestellt) zur klinischen Erprobung amerikani- schen und europäischen Kliniken zur Verfügung.
Neben In-vitro-Untersuchungen und tierex- perimentellen Studien liegen erste Berichte über klinische kardiovaskuläre Anwendungen vor.
Über die größten Erfahrungen verfügen Litvack und Grundfest in Los Angeles (Cedars-Sinai Medical Center) (3): Die perkutane translumi- nale Ablation von Koronarstenosen ist nach den ersten Mitteilungen offensichtlich relativ sicher ohne unvertretbares Perforationsrisiko durch- führbar und durch eine geringe Rezidivquote charakterisiert,
Um eine Gefäßperforation bei der Laseran- gioplastie zu vermeiden, muß die Möglichkeit ge- geben sein, auf optischem Wege physiologische Gefäßsegmente von arteriosklerotisch veränder- ten Arealen zu unterscheiden. Hier bietet sich neben der Angioskopie die Detektion der Laser- induzierten Fluoreszenz des Gewebes an. Einige an Protein gebundene Chromophore haben die Eigenschaft, zu fluoreszieren. Beim Vergleich der Fluoreszenzspektren von arterioskleroti- schem und normalem Gewebe ist an arterioskle- rotischen Arealen eine deutlich stärkere Fluo- reszenz im Bereich von 510 bis 600 nm zu ver- zeichnen, die zur Differenzierung von Plaques und gesunden Gefäßarealen eingesetzt werden kann.
Die von der amerikanischen „Food and Drug Administration" überwachten Multicenter- Studien über die Excimer-Laserangioplastie blei- ben abzuwarten, um definitiv die Effektivität und die Bedeutung als additives oder alternatives Therapieverfahren beurteilen zu können. Eine kritische klinische Erprobung der Lasertechno-
logie bei koronarer Herzkrankheit wurde in den vergangenen Jahren sicherlich auch durch eine zum Teil sensationsbezogene Berichterstattung über spektakuläre Einzelfälle erschwert.
Fazit
Nach annähernd zehn Jahren erfüllt die La- sertechnologie jetzt erstmals die Voraussetzun- gen, bei der koronaren Herzkrankheit mit der Ballondilatation als klinischer Methode konkur- rieren zu können: Flexible Kathetersysteme mit mehreren integrierten Glasfasern, Excimer-La- ser mit langer Pulsdauer und Kombination mit Spektroskopie und Angioskopie bilden ein effek- tives System zur Rekanalisation des Myokards.
Die Möglichkeiten der Laseranwendung sollten baldmöglichst durch sorgfältig vorbereitete Mul- ticenter-Studien und intensive Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Kardiochirurgen defi- niert und validiert werden.
Literatur
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Anschrift der Verfasser:
Prof. Dr. med. Jobst Nitsch Prof. Dr. med. Berndt Lüderitz Medizinische Universitätsklinik Innere Medizin — Kardiologie Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn 1
Dt. Ärztebl. 86, Heft 45, 9. November 1989 (51) A-3397