schaftlicher Direktor des European Media Laboratory in Heidelberg.
Tatsächlich sei ein hoher Rechenauf- wand erforderlich, um derartige Auf- nahmen, die bisher nicht verfügbare Informationen für den Arzt erschlie- ßen, zu erzeugen. Die Selektion von Informationen wird genauso möglich werden wie die Kombination von ver- schiedenen Verfahren. Zum Beispiel könne man eine Bildebene in ein ani- miertes Rechnermodell des Herzens projizieren.
Eine weitere Entwicklungsrich- tung beschäftigt sich mit elektroni- schen Frühwarnsystemen, die bei Pa- tienten mit bestimmten Risikofakto- ren kritische Parameter erheben, mit den Normwerten vergleichen und ge- gebenenfalls den Arzt alarmieren.
Diese mobilen Geräte, die in der End- version so groß wie eine Armbanduhr sein sollen, befinden sich derzeit in der Realisierungsphase.
Gleichzeitig wird daran gearbei- tet, erweiterte Netze bereitzustellen, die komplexe Informationen für Ärz- te und Patienten zugänglich machen.
Trotz großer Entfernungen können Experten so über dieselben Aufnah- men diskutieren und die beste Be- handlungsmethode festlegen. Auch das Arzt-Patienten-Verhältnis wird nicht unbeeinflusst bleiben.
Weniger utopisch ist das Operie- ren per „Joystick“. Operationsrobo- ter werden schon jetzt eingesetzt.
Durch hochauflösende Diagnosever- fahren lässt sich die Präzision beim Operieren, vor allem im Bereich von Mikrostrukturen, noch verbessern.
Genutzt wird Multimedia auch im Medizinstudium. In Pilotprojek- ten, wie zum Beispiel im Fach Urolo- gie der Universität Tübingen, erset- zen Multimedia-Lernprogramme be- reits die traditionelle Frontalvorle- sung und die Großgruppenseminare.
Die neue Lernversion sieht so aus: In einer Mediothek oder zu Hause am PC erwerben sich die Studierenden das Basiswissen mithilfe eines Lern- programms, das den Stoff systema- tisch darstellt, typische Fälle, ein- schließlich Fotos und Filme, zeigt und einen Testteil enthält. Im Kleingrup- penunterricht am Patientenbett wird dieses Wissen unter Leitung eines Tu- tors vertieft und später in einer Klau- sur geprüft. Dr. med. Eva A. Richter
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P O L I T I K AKTUELL/GLOSSE
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 8, 25. Februar 2000 ehr und mehr nach Berlin
versetzte Bonner Bedien- stete leiden unter dem „Sick Building Syndrom“ (SBS) – das sug- gerierte eine Einladung des Berliner Medien-Clubs zu einem Hintergrund- gespräch Anfang Februar.
„Krankes Gebäude Syndrom“? Wer veräp- pelt uns hier? Der Blick ins Archiv hilft: SBS ist kein Witz, son- dern die Bezeich- nung für Gesund- heitsstörungen, die vor allem mit dem Raum- klima in neuen oder frisch reno- vier- ten Büros assozi- iert wer- den. Da sich selten hohe to- xikologische Bela- stungen nachweisen lassen, gelten auch psychoso- ziale Faktoren als Auslöser.
Auf dem Weg zum Termin nicke ich in der U-Bahn kurz ein. Ich träu- me von einem Bonner mit Narrenkap- pe, der wegen eines fremdartigen Ge- ruchs an seinem Berliner Arbeitsplatz die Nase rümpft und wenig später über Kopfschmerzen und Konzentra- tionsstörungen klagt. Alaaf! Wie En- de 1998 in einer nordamerikanischen Schule geschehen, verbreitet sich auch hier das Leiden durch Mund-zu- Mund-Propaganda. Die Berlin-Un- verträglichkeit der Bonner verkürzt die Inkubationszeit natürlich be- trächtlich: bald hat es jeder im Büro.
Und dank des Medienechos eines ominösen Hintergrundgesprächs wis- sen wenig später alle Bonner in Ber- lin, wie sie rechzeitig zum Rosenmon-
tag wieder zurück in die alte Heimat kommen. Mit einem Lächeln werde ich am Zielbahnhof wach und frage mich, ob SBS tatsächlich der ideale
„Heimschuss“ für alle heimwehkran- ken Bonner ist.
Der Gastgeber und Moderator Dr. med. Axel Bedürftig ent- täuscht. Er kennt leider weder die Zahl der Bon- ner SBS-Erkrankten noch eine Anstiegsra- te. Meinen schönen Bericht kann ich schon mal verges- sen. Die Bon- ner waren nur sein Köder.
Die Kolle- gen zer- ren dar- um wü- tend an der An- gel, und einige ha- ben sich auch schon losgerissen und schwim- men heim.
Den traurigen Rest belustigt dann eine un- heimliche Stimme aus dem Off:
Der angekündigte Aachener Experte für Umwelmedizin muss via Telefon- leitung zu uns sprechen, weil er erkrankt ist. Nein, nein, nicht was Sie denken. Experten erkranken nicht an SBS.
Die physisch anwesenden Ber- liner Fachleute sprechen nach dem Geist-Intermezzo allgemein von sehr wenigen SBS-Fällen in Deutschland.
Also viel Lärm um nichts? Nein.
Hinter umweltbedingten Erkran- kungen steckt mehr als Hysterie.
Das Modethema SBS ist ein kom- plizierter Sonderfall; mit forschen Vorurteilen sollte man sich besser zurückhalten. Darum, liebe Bonner: verzeiht die lauten Gedan- kenspiele. Nils Bergemann
Zeichnung: Ralf Brunner