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Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 15, 16. April 1999 (1)
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ie Führungs- und Leitungs- strukturen im Krankenhaus, insbesondere im klinikärzt- lichen Dienst, sind – bis auf wenige Ausnahmen – immer noch durch überspitzte Hierarchien und eine berufliche Versäulung gekennzeich- net. Nur in wenigen Krankenhäu- sern ist das Teamarztmodell er- probt worden. Die jetzt angekün- digte Strukturreform im Gesund- heitswesen sollte auch Gelegenheit bieten, tradierte Strukturen in der Krankenhauswirtschaft zu überprü- fen und zunehmend kooperative Managementstrukturen, besonders im krankenhausärztlichen Dienst, zu erproben und zu etablieren.Teamstrukturen und koopera- tives, interdisziplinäres Vorgehen sind wesentliche Voraussetzung für den effizienten Einsatz qualifizier- ter Mitarbeiter. Sie sind notwendig für das Krankenhaus als Dauerar- beitsplatz. Die Bundesärztekam- mer hat erneut auf diese Notwen- digkeiten hingewiesen und den
Krankenhausträgern empfohlen, sich für diese Ideen zu öffnen, sind sie es doch, die sich den Herausfor- derungen eines sich verschärfenden Wettbewerbs und dem ungebroche- nen medizinischen Fortschritt stel- len müssen. Das moderne Kranken- haus wird seinen Aufgaben nur dann gerecht, wenn es die qualitativ hochstehenden Leistungen durch motiviertes, qualifiziertes Fachper- sonal bewältigt – mit einem funktio- nierenden und leistungsorientierten Mitarbeiterteam.
Die Bundesärztekammer plä- diert für eine differenzierte Füh- rungs- und Organisationsstruktur.
Auch bei Aufrechterhaltung von Angestelltenverhältnissen können historisch gewachsene, formale Hierarchiestrukturen aufgegeben und die Leistungen von qualifizier- ten, grundsätzlich untereinander gleichberechtigten Fachärzten ge-
meinsam erbracht werden. Zusätz- lich fachlich und administrativ qua- lifizierte Ärzte werden auf Vor- schlag des Teams und im Einver- nehmen mit der Klinikleitung und dem Krankenhausträger in die Kli- nikleitung delegiert. Diese sind ko- ordinierende Ansprechpartner ge- genüber dem Träger, der Direktion und der Pflegedienstleitung. Die lei- tenden Fachärzte legen die Vertei- lung der zusätzlichen administrati- ven Aufgaben fest, ebenso die Ver- pflichtung bei der Aus- und Wei- terbildung und die medizinischen Dienstaufgaben untereinander. Mit- hin gibt es nach diesem Modell:
noch nicht weitergebildete Ärzte, gerade erst weitergebildete Fach- ärzte ohne größere Berufserfah- rung, qualifizierte Fachärzte – und Ärzte aus deren Mitte mit zusätz- lichen Führungs- und Administra- tionsaufgaben. Dr. Harald Clade
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as Bundesgesundheitsmini- sterium vertraut bei der Ge- staltung der „Gesundheits- reform 2000“ weiter auf die Ko- operationsbereitschaft der Kran- kenkassen. Dies wurde auf dem Weltgesundheitstag deutlich, den in Deutschland die Bundesvereini- gung für Gesundheit im Auftrag des Bundesgesundheitsministeri- ums organisierte. Auf der Veran- staltung in Bonn diskutierten 300 geladene Experten unter dem Mot- to „Aktiv leben – gesund alt wer- den“ über Maßnahmen zur Ge- sundheitsförderung. Diskussions- grundlage waren 15 Regeln für ein gesundes Älterwerden, aufgestellt von Prof. Dr. med. Andreas Kruse.Der Leiter des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg legt seinen Regeln ein umfassendes Verständnis von Ge- sundheit zugrunde, dessen Kern
die aktive, selbständige und selbst- verantwortliche Lebensführung sowie die Zufriedenheit des Men- schen bildet. Dabei betont er die Bedeutung des richtigen Verhal- tens im gesamten Lebenslauf. Hier seien insbesondere die Ärzte ge- fragt, die ihre Patienten auch be- reits in jungen Lebensjahren über vorsorgende Gesundheitsmaßnah- men informieren sollten.
Mehr Präventionsmaßnahmen, Rehabilitation vor Pflege und ei- ne bessere Versorgung psychisch kranker älterer Menschen lauteten die wichtigsten Empfehlungen für die Politik. Erwin Jordan, Staats- sekretär im Bundesgesundheits- ministerium, betonte die Paralle- len dieser Forderungen mit den Plänen seiner Regierung. Bei der
Umsetzung beziehungsweise Finan- zierung dieser Konzepte setzt der Staatssekretär jedoch auf unver- bindliche Freiwilligkeit statt klare gesetzliche Vorgaben. „Die Kran- kenkassen erkennen die wachsen- de Bedeutung der Gesundheitsför- derung“, meinte Jordan. Es müsse also möglich sein, im Gespräch mit den Kassen und mit Selbsthilfe- gruppen Einigung darüber zu er- zielen, was gefördert und wie es finanziert werden soll. „Eine Fest- legung des konkreten Kassenbei- trags zur Gesundheitsförderung ist nicht notwendig.“
Das klingt bekannt: Somit könnten die Kassen künftig auch bei der Gesundheitsprävention die Rahmenbedingungen nach Belie- ben setzen. Jens Flintrop