Einblicke in die Teilchenphysik
1. Einführung 2. Beschleuniger 3. Detektoren
4. Bewegungsgleichungen und Symmetrien 5. Das Quark-Modell und die CKM-Matrix 6. CP-Verletzung im Standardmodell
7. Proton- und Photonstruktur
8. Elektroschwache Präzisionsmessungen 9. Das Higgs-Boson
10. Neutrino-Massen und Neutrino-Oszillationen
Was wollen wir messen
− In Teilchenkollisionen werden viele verschiedene, meist kurzlebige, Teilchen erzeugt.
− In den Detektoren werden die stabilen Teilchen e−, p, γ und eine Reihe langlebiger Teilchen z.B. µ±, π±, π0, n, KS, KL nachgewiesen.
− Die wichtigen Messgrößen sind ~x, t, E, p~, ~v und m.
− Zum Teilchennachweis sind prinzipiell alle Arten von Wechselwirkungen der Teilchen mit dem Material der Nachweiselemente geeignet. Die Wichtigste ist die elektro-magnetische Wechselwirkung, gefolgt von der starken Wechselwirkung.
− Für geladene Teilchen benutzt man hauptsächlich den Energieverlust, hervorgerufen durch Ionisation, (dE/dx), und durch Photon-Bremsstrahlung.
− Für Photonen werden Photoeffekt, Compton-Streuung und Paar-Erzeugung benutzt.
− Andere neutrale Teilchen, z.B. Neutronen, übertragen erst in Kernreaktionen ihre Energie auf geladene Teilchen, die dann detektiert werden.
− In modernen Collider-Experimenten werden nahe am Wechselwirkungspunkt hochauflö- sende Halbleiterdetektoren zur Orts- und Impulsmessung verwandt, gefolgt von Kalori- metern zum Nachweis elektromagnetischer und hadronischer Energie.
− Der Teilchennachweis ist immer ein Kompromiss zwischen viel Materie zur Erreichung großer Signale, aber auch starker Beeinflussung, und wenig Materie zur exakten
Vermessung der Trajektorien.
Das Bauprinzip von Teilchen-Detektoren und ein Beispiel
Mit dem Zwiebelschalenprinzip ... ... kriegen wir euch (fast) alle
~
x, ~v, ~p ~x, E ~x, E ~x, ~p
Elektromagnetisches Kalorimeter (e, γ)
− Aufschauern im Absorber (z.B. Bleiplatten).
− Messen im sensitiven Material (z.B. Licht in einem Szintillator).
− Die Lichtmenge gibt dann Aufschluß über
Der ATLAS Detektor
-
¾
45 m
6
?
22 m
MPI Beteiligungen Monitored Drift Tubes (MDT)
?
Hadron End Cap (HEC)
@ @
@ @
@ @
@ @
@ I
Semi Conductor Tracker (SCT)
¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ µ
Nützliche Konstanten
Symbol Definition Wert oder Dimension
α Feinstrukturkonstante 1/137.03599976(50)
m Masse des einfallenden Teilchens MeV/c2 E Energie des einfallenden Teilchens MeV T kinetische Energie des einfallenden Teilchens MeV
z · e Ladung des einfallenden Teilchens z· 1.6021 · 10−19 C re klassischer Elektronenradius 2.817940285(31) fm
NA Avogadro-Zahl 6.02214199(47) · 10−23 / mol
Z; A Atomzahl; Atomgewicht des Absorbers −; g/mol
K 4πNAremec2 0.307075 MeV cm2
δ Dichtekorrektur zur Ionisation
Ep Plasmaenergie 28.816p
ρhZ/Ai eV, ρ in g/cm3
X0 Strahlungslänge g/cm2
λ Absorptionslänge g/cm2
Tmax Maximal übertragbare kinetische Energie MeV
I Mittlere Ionisationsenergie eV
Ec; Eµc Kritische Energie für Elektronen; Myonen MeV; GeV
Ionisationsverlust geladener Teilchen
βγ = p/m Die Bethe-Bloch Formel
−dE
dx = Kz2 Z A
1 β2
·1
2 ln 2mec2β2γ2Tmax
I2 − β2 − δ 2
¸
|
¾
{z-
}Muon momentum 1
10 100
Stopping power [MeV cm2/g] Lindhard- Scharff
Bethe-Bloch Radiative
Radiative effects reach 1%
µ+ on Cu
Without δ Radiative
losses
0.001 0.01 0.1 1 10 βγ 100 1000 104 105 106
[MeV/c] [GeV/c]
100 10
1
0.1 1 10 100 1 10 100
[TeV/c]
Anderson- Ziegler
Nuclear losses
Minimum ionization
Eµc µ−
− Die Bethe Bloch Formel beschreibt die Ionisation und ist nur im mittle- ren Impulsbereich gültig.
− Atomare Effekte bei niedrigsten Impulsen und die Bremsstrahlung bei sehr hohen Impulsen werden separat beschrieben.
− Die Haupteigenschaften sind:
1) ZA Abhängigkeit, favorisiert H. 2) 1/β2 bei niedrigen Impulsen,
favorisiert leichte Teilchen.
3) Minimum bei p/m ≈ 3 − 4, ⇔ Minimum Ionising Particle (MIP).
4) Logarithmischer Anstieg bei hohen Impulsen.
5) Dichteeffekt durch Polarisation des Absorbers.
Die wichtigste Formel zum Teilchennachweis.
Berechnung des maximalen Energieübertrags
− Streuung:
à E
~ p
! +
à me
~0
!
=
à E0
~ p0
! +
à Ee
~ pe
!
− Impulserhaltung: p02 = p2 + p2e − 2ppecs, mit cs ≡ cosθp,pe
− Energieerhaltung: (E + me − Ee)2 = E02 = p2 + p2e − 2ppecs − m2 0 = (E + me)2 − 2Ee(E + me) + Ee2 − p2 − p2e + 2ppecs − m2
0 = E2 + 2meE + m2e − 2Ee(E + me) + m2e − p2 + 2ppecs − m2
0 = meE + m2e − Ee(E + me) + ppecs = −(Ee − me)(E + me) + pcsp
Ee2 − m2e
− mit Ekin = Ee − me folgt Ekin2 (E + me)2 = p2c2sEkin(Ekin + 2me) Ekin = 2me p
2c2s
(E+me)2−p2c2s ⇒ Tmax = 2me (E+mp2
e)2−p2 = 2meγ2β2c2
1+2γ mem +m
2e m2
− Beispiele: 1) 2γmme ¿ 1 und mme ¿ 1 ⇒ Tmax = 2meγ2β2c2 = 2me mp22
2) γ À 1 ⇒ Ekin ≈ E ≈ p ⇒ Tmax = E2
E+m2me2c2
3) m = me ⇒ Tmax = E − mc2 = Ekin
Elektronen können ihre ganze kinetische Energie auf Elektronen des Materials übertragen.
Verschiedene Teilchen und Materialien
Verschiedene Materialien
1 2 3 4 5 6 8 10
1.0 10 100 1000 10 000
0.1
Pion momentum (GeV/c)
Proton momentum (GeV/c)
1.0 10 100 1000
0.1
1.0 10 100 1000
0.1
1.0 10 100 1000 10 000
0.1
−dE/dx (MeV g−1cm2)
βγ = p/Mc
Muon momentum (GeV/c) H2 liquid
He gas C FeAl Sn Pb
Die Z-Abhängigkeit
0.5 1.0 1.5 2.0 2.5
〈–dE/dx〉 min (MeV g–1 cm2 )
1 2 5 10 20 50 100
Z
H He Li Be B C NO Ne Fe Sn
Solids Gases
H2 gas: 4.10 H2 liquid: 3.97
2.35 – 1.47 ln(Z)
Faustformel: (dE/dx)min = 1 − 2 MeV cm2/g bei p ≈ 3 Ruhemassen.
Blasenkammer - das Prinzip
Prinzipskizze Eigenschaften
− Benutzte Materialien sind H2, Ne, C3, Freon.
− Die Flüssigkeit wird nahe des Siedepunkts gehalten, was mehrere bar Druck erfordert.
− Vor dem Teilchendurchgang wird der Druck erniedrigt.
− Die Teilchen erzeugen dann Siedekeime.
− Lebensdauer der Keime ∆tBlase = 10−11 − 10−10 s.
⇒Externer Trigger ist nötig!
6
Zeit
− Kammer-Zyklus ca. 100 ms, schlechte π/µ Trennung.
Blasenkammern sind für die meisten heutigen Anwendungen ungeeignet.
Blasenkammer - ein Beispiel zum Genießen
− B~ ⊥ p~, |B~| = einige Tesla.
− Sehr gute Auflösung:
σx = 6 µm ⇒
στ = σcx = 2 · 10−14 s
− Blasendichte ∝ dEdx → 1
β2
− Impuls: p = qBr
− Masse: m = γβcp
− Wegen der dicken Eintritts- fenster an Beschleunigern nicht einsetzbar.
− Wegen zeitintensiver Scan- arbeit sind hohe Ereignis- raten nicht zu bewältigen.
An fixed-target Exp. werden Blasenkammern wegen der guten Auflösung weiter benutzt.
OPAL Jetkammer
Ein Sektor in Azimuth
Die gespannten Drähte
Der fertige Detektor
− 0.25 < R < 1.85 m
− L = 4 m
− 24 Sektoren in Azimuth
− 159 Drähte / Sektor
− E = 890 V/cm
− Ar / CH4 / C4H10 = (88.2 / 9.8 / 2.0)%
+ 500 ppm Wasser
− p = 4 bar
Die OPAL Jetkammer arbeitete von 1989 - 2000.
Energieverlustmessung mit der OPAL Jetkammer
Die Messung
6 8 10 12 14 16 18
10 -1 1 10 102
p (GeV/c)
dE/dx (keV/cm)
dE/dx-resolution:
(159 samples)
µ-pairs: 2.8 % min. ion. π: 3.2 % p
K
π
µ
e µ-pairs
Die Teilchen-Separation
Für niedrige Impulse ist die Teilchentrennung mittels dE/dx sehr effizient.
Driftkammern
− Die Elektronen und Ionen driften im Gasvolumen, z.B. in Ar/CO2. Bewegungsgleichung: md~dtv = q³
E~ + ~v × B~´
+ m~τv
Mittlere Zeit zwischen zwei Stößen: τ = µmq mit µ = Beweglichkeit.
Zyklotronfrequenz: ω = qBm
− Die asymptotische Driftgeschwindigkeit, d~dtv ≡ 0, ergibt sich für E~ ⊥ B~ zu: v = √µE
1+ω τ = √ E
B2+1/µ2 = √ µE
1+(µB)2.
− Typische Driftgeschwindigkeit ist v = 5cmµs . Mit σt = 1 ns folgt dann für die Ortsauflösung: σx = v · σt = 50 µm.
− Der Winkel α zwischen E~ und ~v ist der Lorentzwinkel, tanα = ωτ = µB.
− Beispiel: E = 500 mV , v(B = 0) = 3.5 cms und tanα = 0◦,
⇒ v(B = 1.5) = 2.4 cms und tanα = 46◦.
Große Driftkammern werden in vielen Detektoren zur Impulsmessung benutzt.
Halbleiterdetektoren
Die Prinzipskizze
n+-Silizium p+-Aus-
lesestreifen
Metallisierung (Al)
Ausleseelektronik
Metallisierung (Al) Sperr-
spannung
ionisierendes Teilchen
- + - - - - -
+ + + + +
n-Silizium
Die Bandstruktur
n-Halbleiter
El EF
Ev Leitungsband
p-Halbleiter
Valenzband
X E
X Ne Nl
Verarmungszone
a)
b)
Die Halbleiterdetektoren werden als Vertexdetektoren eingesetzt.
Der innere Spurdetektor von ATLAS
»»» »»» »» » :
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» »
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» 9
AK A A AU
2.3 m
7 m Die Silizium Detektoren
Der Pixel Detektor
− Radius 4.8 − 16 cm
− 3 Lagen, 8 Scheiben
− 1.4 · 108 Auslesekanäle Der SemiConductor Tracker
− Radius 27 − 52 cm
− 4 Lagen, 18 Scheiben
− 6.3 · 106 Auslesekanäle
− 4088 Module, 61 m2 Silizium
Am MPI bauen wir 400 Module des SCT Vorwärtsbereichs.
Vom Modell zum Modul ist ein langer Weg
¾
16 cm-
6
?
8 cm
Die wichtigsten Dinge sind
− ein Roboter zum Ausrichten der Detektoren mit einer Ge- nauigkeit von besser als 5 µm,
− ein Kleberoboter,
− und viel Ruhe und Geduld, Bauzeit: 1 Tag/Modul.
Die Modultypen
Mittleres Modul
Trägerstruktur (Spine)
Thermal Pyrolytic Graphite 500 µm dick, 1700 W/m/K
@ @
@ @ I
¾ ¡
¡ ¡
¡ ª
Befestigungspunkte Genauigkeit 20 µm
³³ ³³ ³³³ 1
@ @
@ @
@ @
@ @ R
Detektoren
ca. 6x6x0.285 cm3
768 einseitige p Streifen
auf n Substrat mit 50-90 µm Streifenabstand
»»» »»» »»» » : XXXX XXXX X X z
Hybrid
6-lagige Kupfer-Polyimid Flex auf Carbon-Substrat
@@ R
Auslesechips6 ABCD3T Chips pro Seite, binäre Auslese
© ©
© ©
©
¼
Fan-ins
4/Modul, Glas mit Al-Streifen 300 µm dick
¾
Äußeres Modul Inneres Modul
Die Reproduzierbarkeit beim Modulbau
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
-0.02 -0.01 0 0.01 0.02
∆ Detektorabstand / mm
N
0 1 2 3 4 5 6 7 8
-0.2 0 0.2
∆ Stereowinkel / mrad
N
0 2 4 6 8 10 12 14
-0.02 -0.01 0 0.01 0.02
∆x-Zentrum / mm
N
0 1 2 3 4 5 6
-0.01 -0.005 0 0.005 0.01
∆y-Zentrum / mm
N
Mechanische Parameter
- 6
y x
Fast alle Modul-Prototypen liegen innerhalb der Toleranzen.
Eigenschaften unbestrahlter Module
Chip number
0 2 4 6 8 10
Noise [e- ENC]
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
Rauschverhalten hNoisei = 1500e−
Chip number
0 2 4 6 8 10
Gain [mV/fC]
0 20 40 60 80 100
Verstärkung
hGaini = 50 mV/fC
Effizienz und Noisehit-Belegung
Threshold (fC) 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Efficiency
0.9 0.91 0.92 0.93 0.94 0.95 0.96 0.97 0.98 0.99 1
Noise Occupancy
10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 1
1 fC = 6250b e− Noise = 0.24 fCb Signal = 3.3 fCb
Die unbestrahlten Module erfüllen die Designanforderungen.