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Anzeigen.
Ibn Wädih qui dicitur al Ja'qübi, histariae. Pars prior
historiam ante-islainicam continens. Edidit indicesque ad¬
jecit M. Th. Houtsma. Lugdimi Batavoram apud
E. J. Brill, 1883 (CLIII und 318 S. in Octav). — Pars altera
historiam islamicam continens edidit M. Th. Houtsma ,
ib. eod. (630 S. in Oct.).
Der hohe Werth des kleinen geographischen Buches von Ja'qübi
ist längst anerkannt. Von seinem grossen historischen Werke er¬
fuhren wir orst durch de Goeje. Nun erhalten wir dm'ch Houtsma
dessen voUständigen Text und damit eine vorzüghche Quelle für
historische und litterariscbe Forschung. Das etwa 880 n. Chr.
geschriebne Werk zerfällt in zwei scharf gesonderte TheUe. Der
erste , ein gutes Drittel des Ganzen , enthält eine Uebersicht über
die vor- und nicht-muhammedanische Welt in ähnlicher Weise, wie
sie später Mas'üdi gegeben hat. Leider ist in der einzigen Hand¬
schrift des Werkes, die wir kennen, die Vorrede dieses ersten TheUs
verloren gegangen , in welcher Ja'qübi ohne Zweifel von dessen
QueUen sprach. Auf aUe FäUe ist anzuerkennen, dass er sich viel¬
seitig umgethan imd reiches Material gesammelt hat. Namentlich
kommt es ihm auf die Religion vmd auf die Litteratur der ver¬
schiedenen Völker an. Dass seine Nachrichten nicht immer an sich
\vei'thvoU sind, dass darunter vieles für uns nur als Curiosum gelten kann, versteht sich von selbst. Aber auch dabei treten oft wichtige
litterarische Zusammenhänge an's Licht. Schon der Herausgeber
hat erkannt, dass Ja'qübi's Hauptquelle für die Geschichte der Erz¬
väter das kürzlich von C. Bezold übersetzte Buch von der ,Schatz-
hühle" ist. Die betreft'enden Abschnitte haben uun vermuthhch für die Geschichte der Texte dieses seltsamen, aber wegen seiner gi-ossen
Verbreitung wichtigen Machwerks einigen Werth. Ich fand gleich
vomean einige Züge , welche nicht in Bezold's Uebersetzimg , wohl
aber im äthiopischen Adam-Buch stehn (vgl. S. 3, 16 mit Trumpp's
Text 68, Dilhuann's Uebersetzuug 58 f; S. 3, 18 ff. mit Trumpp
69 f, DiUmann 57). — Dio MittheUungen aus der Bibel gehn, so
weit ich verglichen habe, fast immer — natiulich indirect — auf
die Peschita zurück. Man sehe z. B. den Dekalog S. 36 an,
namentlich Z. 13 (Exod. 20, 10). So ist auch die Form der Eigen¬
namen durchweg die der Peschitä; danach sind also jyS>\ 48 paen. ==
WO)/ (hebr. iinis); ^\jJi.Ci 50, 8 = vj^aLi. (hebr. inay) ganz
ricbtig. Auch die angeführten Psahnen stammen, trotz der An¬
wesenheit von Ps. 151, aus der syrischen Bibel. Ebenso ist es mit
den neutestamenthchen SteUen, wie schon die semitischen Pormen
der Eigennamen zeigen. Dem Text der LXX folgt aber ein Ab¬
schnitt aus den Büchern Samuels S. 52 AT.; der Herausgeber weist
mit Becht auf die griechische Gestalt einiger darin vorkommenden
Namen hin. Beachte, dass hier die ägyptische Aussprache des y als
iji erschemt: f>yMji.(\) 'Axivocifi 53, 9; ^ Ui^il^Jl 6 XsTxaiog
55, 1. — Dm-ch Syrer sind auch die Listen assyrischer, babylo¬
nischer und andrer Könige aus griechischen Chronographen ver¬
mittelt. Vgl. z. B. 90, 11 ff. mit Eusebius Chron. I, 63 (Schoene)
= SynceU 96 f. (P.). Das grosse Verzeichniss 90 ff. läuft auf eme
Liste der Perserkönige aus, welche den Artabanus mitzählt. Die
Namen sind zum TheU arg entsteUt, z. B. Lwj-wU = Kaftßmris,
fjAx^ (ijM.ijJiji«?) = SoySittVog. Pseudosmerdis (ö Mdyog) ist
L»yw, d. i. Liyw = JüQ^^ Der Schluss der Liste ist ver¬
stümmelt, da Darius II mit Darius III verwechselt und Artaxerxes H
als letzter König genannt wird. — In den Nachrichten über Indien,
welche sich wie vieles andre aus diesem Bande theilweise bei Mas'üdi
wiederfinden, ist vieUeicht dies uud jenes für die Kenner sogar von
historischem Werth. Mich interessieren hier namentlich die genauen
Angaben über deu Inhalt von Kallla wa Dimna und die Bemerkvmg
über das Sindbadbuch; das sind wohl die ältesten directen littera¬
riscben Nachrichten über diese beiden Bücher. Auch die Mit¬
theUungen über das Schachspiel dürften für den Liebhaber Interesse
haben. S. 105 werden mehrere indische Werke erwähnt, danmter
Sushruta {^jmSm) ! — Was Ja'qübi über griechische wissenschaft¬
liche Werke, namenthch philosophische, mediciniscbe und mathe¬
matische, beibringt, enthält für uns kaum viel Neues. Aber es
würde sich doch wohl verlohnen , eine genaue üebersetzung des
ziemUch umfangreichen Abschnittes mit den nöthigen Verweisungen
und Erläuterungen zu machen, üeberhaupt enthalten beide Theile
von Ja'qübi's Werk viel Stoff zu nützhchen Monographien. Dass
unter den griechischen Weisen neben Hippokrates, Galen, Aristoteles,
Plato, Eukhd u. A. m. auch ApoUonius von Tyana (^J*_xJJLJ
134 paen., lies (j^^^^Ju) aufgeführt wird, kann Niemand befremden.
Die syrische Vermittlung zeigt sich auch hier zum Theü deutUch
Nöldeke, Houtsma's Jbn- Wädih. 155
in der Schreibung der Namen, z. B. ^ : ^ .J^ ^ 144, 1 =
|„| .rr>J<c^^ rsgaarjvug mit der in gewissen syrischen Schulen
üblichen Vertretung des « durcb oj; so auch in der Liste der
römischen Kaiser 165, 17, d. i. == ^oioM
.Nsgovag u. s. w. — Ueber den hohen Werth der persischen Ge¬
schichte bei Ja'qübi , die ich durch de Goeje's Liebenswürdigkeit längst benutzen konnte, habe ich mich schon früher ausgesprochen.
Sehr zu bedauem ist, dass er von den alten Sagenkönigen nur
wenig Notizen giebt, weil ihre Geschichte so fabelhaft sei. Wie
bei den griechischen ') Namen so ist auch bei den persischen hie
und da noch Einiges zu bessem. So durfte Houtsma für das viel¬
fach bezeugte oLywii 178, 3 v. u. nicht die zum Theil nur des
Metrums wegen gemachte Umformung des Schähnäme i^jL-^.,*»!^?
setzen. In derselben Zeile hat er in U^^^ richtig die Reste von
i_i-r .rl tj^ 2) erkannt; genauer wäre vielleicht aber ^.^[^ oder
lieber i_>u«/U.^' ^3. Da Ja'qübi persisches g auch in JLi
durch ! wiedergiebt (wozu wohl noch jtJu-Ä II, 600, 5 gehört;
vgl 3Lii3- Tab. HI, 1298), so war keine Veranlassimg, das durch
viele Stellen bei ihm bezeugte jtj-jl immer in das sonst gewöhn¬
liche, aber bei ihm nie vertretene j-j^—jt zu verwandeln. — Noch
über manche Völker Asien's und Africa's bringt das Buch Allerlei.
Davon verdiente u. A. der Abschnitt über die Länder und Völker
nördhch von Abessinien 217 ff. in Verbindung mit dem entsprechen¬
den in der Geographie eine gründliche Untersuchung. Houtsma
sieht in dem Gott eines dieser Stämme ^jopjjJt 218, 8, zu lesen
etwa j^crsujji't, das äthiopische EgztaihSr; trotz der ganz andern
Fonn in der Geographie 125, 8 recht wahrscheinlich, zumal in
diesen Gegenden da? äthiopische hagar „Stadt* Z. 2 und vieUeicht in
ol^^ Z. 14 auch das heutige baralcd, baracha „Wüste* begegnet.
Dass wir hier südlicher stehen, als man nach dem Anfang denken
sollte, zeigen der von Houtsma scharfsinnig entdeckte Name von
1) Im ersten Bande findet sich noch mehrfach das unrichtige Tasdid des Je bei einigen griechischen Städtenamen auf proparoxytoniertes sta:
Ä-sJ'LLj!, ÄA^Lsl, äaSj!*., dazu (IVixnin) und l>-f/i>)j 'Pci/irj (richtig I, 177 iUilLo 'Melirrj). Arabisiert sind XH^JOX*.! und i-jiSi ,
Massua' und am Ende auch die q-j^Lj Bazen (Kunama). Vom
eigenthchen Ahessinien weiss auch Ja'qübi sehr wenig. — Die An¬
gaben über Arabien und die Araber können neben unsern sonst so
reichen Nachrichten wohl uur bei kleinen Einzelheiten in Betracht
kommen. Gar zu breiten Ramn nehmen darin die meist recht
nichtsnutzigen Erzählungen über die Geschichte des alten Mekka's
und der Ahnen Muhammed's ein. Hier merkt man schon die über¬
triebene Ehrfurcht Ja'qübi's vor der Pamilie des Propheten.
Der zweite Band entbält ausser einer über die QueUen orien¬
tierenden Einleitung die muhammedanische Geschichte von der Geburt
des Propheten bis zum Jahre 259 d. H. (873 n. Chr.). Natürhch
stimmt Mie Erzählung in vielen Stücken zu dem sonst Bekannten,
vrie sie-ja auch zum Theü auf denselben QueUen beruht. Aber schon
der Umstand, dass der Verfasser vor Tabari schrieb, giebt seiner
DarsteUung besonderen Werth, noch viel mehr aber der, dass er
doch auch sehr Vieles hat, was wir bei Tabari imd Andem ver¬
gebhch suchen würden. Zum TheU hegt dies an seiner Vertraut¬
heit mit der Geschichte des von ihm überaus verehrten Geschlechtes
des 'Aü. AUerdings darf man seine schütische Gesinnung nicbt zu
stark betonen. Ja'qübi lässt den ersten Chalifen Gerechtigkeit
widerfahren und behandelt die 'Abbäsiden so ziemlich als recht¬
mässige Chalifen. Zeichnet er die 'Ahdischen Prätendenten be¬
sonders aus und lührt er auch vom Propheten Aussprüche an, welche
der schiitischcn tendenziös gefälschten Ueberlieferang angehören, so
hebt er doch auch den 'Abbäs und seinen Sohn 'AbdaUäh in über¬
triebner Weise hervor und giebt sogar die Erzählung, wie 'Ah's
Sohn Muhammed „der Sohn der Hanlfitinn" sein Erbrecht den Nach¬
kommen des 'Abbäs abgetreten habe (S. 356 f.); allerdings eine
Erfindung der 'Abbäsidischen Partei, um so fadenscheiniger, als
dieser Muhammed, der nicht des Propheten Enkel war, selbst keinerlei Erbrecht auf die welthche und geisthche Pührerschaft beanspruchen
konnte. Man sieht hieraus aber, dass Ja'qübi kein Schiit im aUer-
strengsten Sinn war. Seine persönhche Anhänghchkeit an das Haus
des Propheten ist höchstens noch um einige Nüancen stärker als
die der meisten Historiker jener Zeit, daja fast aUe mehr oder weuiger
'Ahdische Neigungen haben. Dass Ja'qübi's Werk wegen seiner
schütischen Gesinnung keine Verbreitnng gefimden habe, wie Houtsma
meint, glaube ich darum kaum. Schwerlich fand ein in damahgem
Sinne orthodoxer Muslim in unserm Bucb besondere Anstösse. Auf
aUe FäUe ist er durch seine Parteigesinnung nicht verblendet und
bewährt er sich in der Darstellung der Thatsachen als wahrheitshebend.
Die Tüchtigkeit einiger Omaijaden und die Kopflosigkeit, womit
die Aufstände der Aliden nntemommen wui-den, kann man auch
aus dem Buche dieses Alidenverehrers deutlich erkennen. Die Vor-
trefFlichkeit seiner Information hat schon de Goeje an einem Bei¬
spiel nachgewiesen. Sie bewährt sich aucb sonst wiederholt. Ein
gi'OSser Vorzug ist es, dass er die politischen Zustände einiger
Nölddce, Houtsma'fi Ibn Wädih. 157
Provinzen besonders in's Auge fasst. So namentlich die von Cho¬
räsän, das er genau kannte, von Sind und von Armenien. In
letzterem Lande scheinen , nach seinen Schilderimgen zu schliesseu,
die Omaijaden wie die 'Abbäsiden kaum viel fester Fuss gefasst
zu haben als die Säsäniden; die einheimischen grossen Barone
(yv^ l t-<.] ( ^ „die Patricier", wie die Araber sageu) waren wenigstens
noch ebenso rebelhsch wie zm- Perserzeit. Aus Ja'qübi sieht man
so recht, wie auch in den glücklichsten Zeiten des Chalifats, z. B.
unter Härün, das Reich niemals überall Ruhe hatte. Es war eben
viel zu gross , um von einer Stelle aus regiert zu werden , und in
mancher Hinsicht war es gewiss ein Glück, wenn die entfei-nteren
Provinzen zum Theil nach und nach wenigstens factisch zu selb¬
ständigen Staaten wurden. Der entsetzliche ZerfaU des Chalifats
nach Mutawakkil's Ermordung tritt in den letzten Partien des
Buches besonders deuthch hervor, wo Ja'qübi in trockner Kürze
die Begebenheiten seiner eigenen Zeit berichtet.
Die Behandlung der geschichtlichen Ereignisse ist nicht gleich¬
mässig. Nicht bloss wo genauere Quellen fehlten, sondern auch
sonst ist Ja'qübi oft sehr kurz und lässt wichtige Begebenheiten
ganz aus. So erfahren wir nichts von der Gründung des Omai-
jadenreichs in Spanien, und der Leser, welcher nicht anderweite
Kunde hat, weiss nun gar nicht, wer die Andalusier sind, die zu
Mämün's Zeit in Aegypten einfaUen (S. 542). Die Schlacht von
Nehävend , welche das Säsänidenreich definitiv zei-trümmerte , wird an der richtigen SteUe (S. 173) ausgelassen und nur nachträglich
erwähnt (S. 179). Das sind Mängel des Buches, die aber für uns
angesichts unserer sonstigen Quellen wenig in's Gewicht fallen.
Dagegen erfahren wir auch solche Dinge, die fabari meldet, durch
Ja'qübi zum Theil viel genauer. Bei Tabari III, 520, 21 f lesen
wir, dass ein gewisser 'Oqba b. Salm im Jahre 167 (78^U Cb.)
in 'isäbädh (einem StadttheU von Baghdäd) „von einem Manne" mit
einem Chandscbar umgebracht sei. In welch andres Licht tritt dies
scheinbar gleichgUtige Ereigniss durch Ja'qübi's DarsteUung (403.
478): 'Oqba hatte als Statthalter Mansür's in Jamäma und Bahrain
schrecklich gehaust und aus Stammeshass die Araber von Rabi'a
massenhaft niedergemetzelt, wie es Ma'n 1. Zäl'da mit den jemenischen
Stämmen gemacht hatte '). Mahdi rief den Wütherich nach Baghdäd
zurück. Ein Jüngling, dem 'Oqba den Vater, 5 Brüder und 3 Oheime
umgebracht hatte, folgte ihm dahin und ermordete ihn am Eingang
des Chalifenpalastes , wie er in grossem Aufzug vorbeiritt. Der
Chalif wollte den Mann freilassen , da er dessen subjective Berech¬
tigung zu der That anerkannte. Dem traten aber die grossen
1) Er sagte u. A.: „Wenn Ma'n auf einen Rennpferd und ich auf einem lahmen Esel sässe, käme ich ihm doch noch beim Ritt zur Hölle zuvor". Die trotzige Rohheit der Heerführer der ersten 'Abbäsiden ist ärger «Is die der verrufensten Omaijadisclien.
1 5
Befehlshaber (o!^0 entgegen: „komme der Mann frei, so könne
man jeden Tag erleben, dass ein behebiger Hund (v_j^jlX!| v-JlJ')
auf einen von ihren CoUegen einen Mordversuch mache", und sie
setzten seine Hinrichtung durch.
Eine Angabe, die ich mich nicht erinnere anderswo gelesen
zu haben, ist die, dass die beiden wichtigsten jüdischen Stämme
bei Medina, die Nadir rmd ^ die Quraiza, von echt arabischer Abkunft
waren, indem sie zu den Gudhäm gehörten , und nur das Juden¬
thum angenommen hatten (S. 49. 52), wie die meisten ihrer nächsten
Stammesbrüder das Christenthum. Bedenken wir, dass das Juden¬
thum in den Jahrbimderten vor Muhammed's Auftreten in Jemen
und Abessinien mächtig Propaganda gemacht vmd namentlich in
letzterem Lande einen sehr grossen TheU der Eingeborenen gewonnen
hatte '), so hat diese, meines Erachtens vöUig unverdächtige, Nach¬
richt gar nichts' Befremdendes. Ihre ungemeine Wichtigkeit für
die Rehgionsgeschichte brauche ich aber nicht erst hervorzuheben.
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Ueber die Gudhäm, Lachm und andere von Alters her La der
syrischen Wüste wohnenden Araberstämme erfahren wir auch sonst
von Ja'qübi noch AUerlei. So, dass die Tanüch in der Gegend von
Haleb erst unter Mahdi das Christenthum endgültig mit dem Isläm
vertauschten 2).
Was unser Buch zur Geschichte des Korän's bietet, ist nicht
von grossem Werthe. Die Angaben über 'Ah's Korän S. 152 ff.
kann icb nicht für authentisch halten. Auf alle FäUe setzt die hier
gegebene Ordnung der Suren die 'Othmänische Recension voraus,
da die Reihenfolge innerhalb der 7 einzelnen Ahtheilungen, die durch
künstliche Vertheilung gebildet sind, durchweg der gewöhnhchen
entspricht ').
Eine Eigentbümlicbkeit Ja'qübi's ist einerseits die Liebhaberei,
weise Aussprüche geistlicher Autoritäten anzuführen, wogegen die
1) Auch daran ist zu erinnern , dass sich diese Religion unter den Cha¬
zaren stark ausbreitete.
2) Wie die Erzählung S. 480 steht, ist sie unklar; wahrscheinlich ist c
Zeile 18 nach ^^^i^^^ eine Lücke, in welcher stand: „da erklärten sie alle, sic seien Muslime".
3) Z. B. Abtheilung 4: Sura 5. 10. 19. 26. 43 u. s. w.; Abtheilung 5:
Sura 6. 17. 21. 25 u. s. w. Dies geht durch in Abth. 2 und 4—7. In der ersten ist e i n o Ausnahme, die durch eine einfache Versetzung beseitigt werden kann; nur in der dritten stehn ara Ende 5 Suren, welche diese Ordnung ganz aufheben. Uebrigens fehlen in der Liste Sura 1. 13. 27. 34. 66. 96, von welchen zwei durcb die , freilich unzuverlässigen , partiellen Summierungen der Suren verlangt werden. — Mit der Angabe über die Zahl der Verse (jeder Theil zu 886, also der ganze Korän zu 6192 Versen) ist bei dem grossen Schwanken in der Versabtheilung nichts zu machen : die Zählung der KorSn- verse varicrt jn zwischen 6000 und 6616.
1 5
Nöldeke, Houtsma's Ibn Wädih. 159
poetischen Citate sehr zurücktreten, andrerseits die Neigung zu astro¬
nomischen Angaben. Wir erhalten fast für jeden Regienmgsantritt die damahge Constellation. Beruhten diese Angaben auf gleichzeitigen
Bestimmungen, so wären sie wichtig, aber wenigstens die grosse
Mehrzahl derselben ist erst durch nachträghche Eechnung gefunden,
imd also füi- uns werthlos , obgleich Ja'qübi sie den Werken der
berühmtesten Astronomen entnahm. Aus solchen hat er sicber auch
die gelegentlich angeführten Synchronismen mit christhchen Monaten.
Selbst von diesen sind nun aber mehrere falsch. So fäUt der Eama-
dän 105 d. H. nicht mit dem Känün (II) d. i. Januar zusammen
(S. 379, 4), da er am 1. Febr. (höchstens am 31. Jan.) 724 beginnt.
Der (am 19. Mai 763 beginnende) EabI' I 146 gehört nicht zum
Tammüz d. i. Juh (S. 457, 1)'). Diese Versehen bei Zeitangaben,
die sich am Ende auch damals ohne gar zu grosse Mühe genau
hätten berechnen lassen, mögen dazu beitragen, uns äusserst miss¬
trauisch zu machen gegen ahe solche Synchronismen, die nicht den
Begebenheiten gleichzeitig sind und nicht ausserdem einer dem
Berichtenden vrirklich geläufigen Datierungsweise folgen *).
Das Gesagte soh den reichen Inhalt des Werkes durchaus nicht
erschöpfen , sondem nur andeuten, vrie sehr Houtsma durch dessen
Herausgabe Orientahsten, die auf deu verschiedensten Gebieten arbeiten,
zu Dank verpflichtet hat. Seine Aufgabe war nicht leicht. Er hatte
nur die einzige, der Cambridger Universitätsbibliothek gehörige,
Handschrift, die von einem sehr nachlässigen Copisten, aUerdings
nach einer guten Vorlage, geschrieben ist. Zur Hülfe diente ihm
flir den ersten TheU besonders ein anonymes astronomisches Werk
in Schefer's Besitz, welches den Ja'qübi stark ausschreibt. Ausser¬
dem benutzte Houtsma natürhch noch Mas'üdi und andere Schrift¬
steller, die sachlich und zuweUen aucjh wörthch mit seinem Autor
übereinstimmen, zur HersteUung des Textes. Im Ganzen und Grosseu
hat er seine mühevoUe Aufgabe sehr gut gelöst. Jetzt, nachdem
er so vorgearbeitet und den handschrifthchen Befund auf's Genaueste
vorgelegt hat, sogar mit Anführung der einzelnen unpunctierten
Wörter und Buchstaben," auch wo über deren Aussprache kein
Zweifel seiu kann, jetzt findet wohl mancher Leser hier und da
noch Kleinigkeiten zu bessem. Und wer, mit den nöthigen Special¬
kenntnissen ausgerüstet, einzelne Abschnitte genau durcharbeitet,
der kann vieUeicht noch manche Correctur anbringen. Daraus
erwächst aber dem Herausgeber keiu Vorwurf.
Eine besondere Crux büden die zahlreichen in der Handschrift
nicht angedeuteten Lücken, deren Entdeckung Houtsma grosse Mühe
1) Der Syndironismus Tesrin II, d. i. November (749) für das Higra-Jalir 132 (S. 418) passt nicht zu dem Datum, neben dem er steht (dem vorletzten Tag des Dhulhigga), wohl aber zu dom vorher genannton (13. Rabi' I).
2) Die Oleichzeitigkoit allein schützt nicht vor groben Fehlern, wie die Datierung der ersten besten abessinischen Handschrift zeigen kann.
gewidmet hat, von denen sich mit der Zeit aber wohl nocb einige
weitere finden werden '). Wie sie auszufüllen sind , lässt sich bei
einigen nicht einmal dem ungefähren Sinn nach sagen.
Die äussere Einrichtung ist ganz die der Tabari-Ausgabe. Die
umfangreichen Indices zum ganzen Werk sind dem ersten Bande
beigegeben.
Strassburg, 25. Februar
1884. Th. Nöldeke.
Oniel: Die Sjrrachen und Völker Europas vor der arischen
Einwanderung. Detmold, 1883.
Die leitende Idee ist : Die Urbevölkerung Europas waren Indianer und Eskimos, auf sie folgte, ohne die alte Bevölkerung zu absorbiren,
eine turanische d. h. uralaltaische Einwandenmg aus Asien, anf
diese die arische von ebendaher, und letztere sprengte die Turanier
auseinander, von denen einen Rest ganz im Südwesten die Basken
bilden. Im Westen und Osten ist der Amalgamirungsprocess am
wenigsten energisch vor sich gegangen, es haben sich Spuren des ameri¬
kanischen Typus im Baskischen, Mordwinischen, Ugrisehen erhalten.
Die brennenden Fragen, welche hier uns entgegentreten, werden
in dem Buche freilich nicbt gelöst, können auch auf diesem Wege,
so summarisch, darüber täusche man sich nicht, nie gelöst werden.
Ein Hauptfehler des Werkchens ist der, dass die Grundbegriffe,
um die sich alles dreht, durchaus nicht klar hingestellt werden,
gleichwohl aber von gewissen angeblichen Thatsachen als etwas
selbstverständlichem ausgegangen, darauf wage Schlüsse gebaut
werden, und ein zweites und drittes durch ein erstes selbst nocb
zu Beweisendes bewiesen werden soll.
Die Hauptunklarheit treffen wir gerade an den Kardinalpuncten.
Was soll das heutzutage, wenn in der alten Weise fortwährend von
amerikanischen Sprachen geredet wird , als ob dieselben wirklich
einen Complex genealogisch zusammenhängender Sprachen, eine Art
Sprachstamm darstellten ? Ein solcber ist doch durch die Forscbungen
von L. Adam , Fr. Müller und vielen anderen definitiv zu Grabe
getragen , und es ist Unkritik von verbängnissvollen Folgen , wenn
1) Die Ungeliöriglieit , dass I, 313, 10 einem Sltlaven ein Stammbaum, und zwar aus einem angesehenen Beduinengeschlecht gegeben wird , ist am einfachsten durch die Annahme einer Liiclce nach ^ a -"^^m zu heben. Es
braucht bloss ausgefallen zu sein (gJt tV-Ä^ CT^') Ä-wfc-Äjt, .
Suhaim war nämlich ein Negcrslilave der Hashäs, deren Stammbaum hier, in Wüstenfeld's Tafeln M und in Suhaim's Diwftn (Leipziger Handschrift DC 33)
= Aghruii XX, 2 mit starken Abweichungen gegeben wird.
Oi-uel: Die Sprachen tmd Völker Europas etc. Ißl
mit einem solchen Begriff wie mit einem ganz präcisirten wissen¬
schafthch operirt wird, nachdem evident erwiesen ist, dass Amerika die allerverschiedensten Sprachtypen von der fast völhgen Isolirung bis zu den wohl entwickelten Sprachen nach Art der finnischen durch alle möghchen Zwischenstadien hindurch aufweist, dass diese Sprachen
nicht einmal den einzigen Punct der Incorporirung, der ihm so ent¬
scheidend scheint, gemeinsam haben, dass in dem zweiten wesent¬
hchen Punct, der Zählmethode, durchaus keine Einheit herrscht,
und dass die Incorporirung sich ausserdem auf den allerverschieden¬
sten Sprachgebieten, in Asien, Austrahen, Afrika wiederfindet?
Das fiihrt auf den zweiten Hauptfehler, dass der Verfasser,
wo eine derai-tige Erscheinung wie die einverleibende Conjugation oder das so weit verbreitete halb quinäre halb vigesimale Zählsystem
mehreren Sprachtypen gemeinsam ist, ohne weiteres genealogische
Verwandtschaft annimmt, während ich in einer Menge solcher FäUe
nichts als psychologische Verwandtschaft entdecke; wenn ersteres
stattfände, müsste ich ohne Widerspruch das Feuerländische, Ketschua
und eine Anzahl anderer amerikanischer Sprachen des Südens und
Nordens, so vor aUem die dravidischen Sprachen, einen TeU der
australischen u. a. dem uralaltaischen Sprachstamm ganz oder teü-
weise zuweisen, und es entstände ein turanischer Sprachstamm, un-
heüvoUer als der alte für Deutschland glückhch beseitigte.
Noch weit unklarer bleibt die Grenze zwischen indianisch und
eskimoisch, d. h. es werden meist gewisse Wortübereinstimmungen
zwischen eskimoisch und uralaltaischen Sprachen erwähnt, und wenn
es sich dann um die Consequenzen handelt, springen, als ob das
beides sich deckte, statt der Eskimos die Indianer ein. Wäre der
Verfasser hier der imumgänghchen Frage nach dem Verhältniss von
Indianern und Eskimos und dem Wesen der Sprache letzterer näher
getreten, so hätte er bald gefunden, dass diese sehr wesentliche
Gemeinsamkeiten mit dem Uralaltaischen theUe, ja er hätte sie, da
er das Baskische uralaltaisch nennt, ebenfalls dahin rechnen müssen.
Um den mühsam aufgeführten Bau zu stützen, müssen als
vermittelnde Gheder zwischen dem westhchen Europa durch ganz
Nordasien bis zu den eigenthchen Indianern hin indianische Völker
wohnen , Jukagiren , Jenissei - Ostjaken u. a. , obwohl er kaum
irgend welche sprachhche Berührungspuncte anführen kann.
Die kaukasischen Sprachen, von denen ein TheU das einver¬
leibende Princip hoch entwickelt zeigt, sind ihm zweifeUos indianisch,
ich würde nüt mindestens demselben Bechte aUe daghestanischen
Sprachen finnisch nennen. Nebenbei bemerkt er am Schlüsse,
dass auch Etrusker und Albanesen Indianer sein dürften „imd es
ist daher am wahrscheinhchsten, dass hier" (Etrurien) „ein Indianer¬
volk in compacter Masse bis zur Bömerzeit sich erhalten" etc.
Samojeden, Mordwinen, Ugrer sind ebenfaUs Indianer, oberflächhch
turanisirt, den Beweis erlässt er sich. Also sind Indianer: aUe
Ariner (Jenissei-Ostjaken etc.), Jukagiren, Tschuktschen und Ver-
Bd. XXXVIU. 11
1 s *
wandte , (Samojeden , Ugrer , Mordwinen (die viel indianischeren
Basken trechnet er nicht mehr dazu) , Kaukasusvölker , Etrusker,
Albanesen. Ermnert lebhaft an Falbs arische Bewohner des Inkalandes.
Den directen Beweis dafür, dass Eskimos, .Jukagiren und Ver¬
wandte, mithin auch Indianer, was freihch daraus durchaus nicht
folgt und lediglich durch die Zahlbenennungen 2, 3, 4 ün Tschuk-
tschischen und dem Algonqinsprachstamme wahrscheinhch gemacht
werden soll, ia Europa, und zwar in Berührung mit den tschudischen,
ugrisehen, samojedischen Völkem gesessen haben, liefem ihm einige
Wortvergleichungen auf lu-alaltaischem Gebiet einerseits, dem der
Eskimos, Jukagiren, Ariner anderseits, wodiurch er, allerdings ver¬
gebhch, mit kühner Divination sogar die ungelUhren Wege uud die
Reihenfolge der Wanderungen der Völker zweiter Kategorie beweisen
zu können vermeint, aber wiederum nicht sieht, dass das für ihn
unanfechtbare Axiom, worauf alles übrige sich autbaut, dass nämhch
Finnen und Samojeden nicht im nördhchen Asien gesessen habeu,
vmd mit ihm die ganze Wanderungsgeschichte hinfälhg ist, da Finnen
höchst wahrscheinhch bis über den Jenissei hinaus gewohnt habeu,
Samojeden noch heute bis tief ms östhche Asien hinein wohnen,
früher sich noch viel weiter erstreckt haben. Hier in Asien habeu
nach meinem Dafürhalten auch die Berührungen finnischer vmd
samojedischer Stämme mit allophyleu, die wohl nicht geleugnet
werden können, und für deren Constatirvmg er einiges dankenswerthe Material geliefert hat, stattgefunden, ohne dass wir Eskimos, Juka¬
giren u. a. nach Europa zu schaffen brauchten, was freihch für den
Verfasser uothwendig ist, da er damit seine Theorie begründen wül,
dass wirkhch Indianer in Europa ansässig gewesen.
Diese Wortvergleichungen selbst sind anregend, aber doch so
wenig zuverlässig, wie ich au vielen derselben nachgewiesen habe,
dass man ohne Prüfung keines annehmen darf; es ist die alte Art
nach einer gewisseu Lautähnhchkeit ohne alles Gesetz vmd ohne die
parallelen schon emirten Erscheinungen gehörig zu beachten, Dinge
der verschiedensten Art zusammenzubringen. Dafür nur zwei heraus¬
gegriffene neben einander steheude bezeichnende Beispiele, p. 150.
1) jukagir. joj oti, johoti Pfeü = ostjak. njot.
» jogu Nase = , njot.
Also die verschiedeuen Wörter joj oti jehoti und jogu werden
beidemal = njot gesetzt, njot oder njol ist ein und dasselbe
Wort in beiden Pällen, das allgemein finnische, auch tvmgusische
nür, nuola, nuole, nöle, nai, njäl, njöl, nyU. Bedeutimg Vorsprung,
Spitze, daher Pfeil, Gesichtsvorsprung, Nase, (t nnd l wechseln
im ugrisehen bekannthch fortwährend). Nebenbei ist jehoti un-
zweilelliiift = samojedisch johota.
l>arauf folgt als nächstes Wort:
2) jukag. yuiigui Gehölz = ostjak. juch, uut. Was diese
ZusauunensUillung Ixxlcute, verstehe ich gar nicht, juch heisst
Baum, dann Wald; ganz verschiedeu davon liut (vönt) - Ein-
1 S *
Cruel: Die Spraclien und Völker Europas etc. Jßg
Öde, Wildniss, Wald, magyar. vad. Beide haben jedenfalls
nicbts mit y u n g u 1 zu thun , am ungereimtesten ist das hersetzen
von unt, nach der Combination hier aber muss man doch annehmen,
dass jedes der beiden Wörter das yungui in corrumpirter Form
enthalten soll.
Auch im speciell dem Baskischen gewidmeten Theil, nm das
vorauf zu nehmen, ist das Detail vielfach so verfehlt, und auch der
Gesammtstandpunct krankt dermassen an der verkehrten Auffassung,
als ob im Uralaltaischen die verschiedenen Gestaltungen immer auf
eine allen diesen Spracben gemeinsame Grundform zurückfiihren
müssten, was nach meiner anderwärts entwickelten Auffassung Wesen
und Entwickelung des Uralaltaischen ganz verkennen heisst, dass ich
vor der Adoptirung solcher Ansichten dringend warnen möchte. Ein
eclatantes Beispiel. Verfasser wirft in einen Topf, nicht etwa der
inneren Auffassung nach , sondem factisch nach Form und In¬
halt, das Dativzeichen im Baskischen und Lappischen i, syrjän. ä,
ö, e, türk. a, e, ja, je, ostjak. a, magyar. ä, 6, die Formen gia, sia, sage, sai, ja, dja, tanj, tenj , de, te, d, t, da, de, daghan, deghen, do, to, dö, tö, du, tu, dü, tü, dag, deg, nak, nek, na, ne, n, en, an, lan, len, dur, tur.
Das genügt!
Trotz dieser z. T. unentschuldbar schweren Missgriffe hat das
Buch seinen Werth, aber es musste mit p. 128 sehliessen; bis dahin
behandelt er das Baskische (das andere ist mehr Beiwerk), und
hierin liegt seine Bedeutung. Der Verfasser musste sich damit be¬
gnügen, freilich in einer der Kritik nicht so viele Blössen, wie hier der Fall, bietenden Weise , unter Verzicht auf jene zunächst unlös¬
baren weitreichenden Probleme zum ersten Male auf Grund reich¬
haltigen Materials die von anderen, so auch von mir an verschiedenen
Stellen als wahrscheinhch hingestellte Verwandtschaft (nicht
Identität) des Baskischen nnt dem Uralaltaischen — denn uralaltaisch
ist es daram noch lange nicht, nach meiner Ansicht im Sprachbau
nicht mehr als etwa das Tibetische — dargethan und so durch Lösung
einer eminent wichtigen Frage wenigstens in ihrem ersten Theile eine
Basis für weitere Forschungen, welche in neue erfolgreiche Bahnen
gelenkt werden, geschaffen zu haben; wenigstens ist es meinn Ueber¬
zeugung, dass die Sicherheit eiues einstigen Zusanunenhanges der
weit auseinandergesprengten Glieder für die noch sehr im Argen
liegende Erkenntniss des Wesens des Uralaltaischen von hoher
Wichtigkeit sein wird. Mit Siebenmeilenstiefeln freilich wird auf
diesem Gebiete nicht gegangen ; Schritt für Schritt wird auch jetzt
noch das Terrain durch eingehende Specialuntersuchungen erobert
werden müssen.
Nach Craels mannigfach zu modificii'endeu Untersuchungen, da
er fast diu-chweg viel näheren Zusammenhang in der äusseren Fomi
der BUdungselemente , oft auch in der inneren Form anuimmt, als
ich je zugestehen kanu, nach den Resultaten der grundlegenden
U*
Forschungen von van Eys, Vmson, anderen, welche allerdings solche
Zusammenhänge abweisen , möchte ich das Baskische als ein ver¬
sprengtes Ghed der hochasiatischen Sprachenfamüie, mit welcher viel¬
leicht auch das Tibetische und seine Verwandten ähnhche einstige
Zusammenhänge bei ähnlicher Sonderentwickelung gehabt haben,
bezeichnen, welches im nominalen Teil die Grundrichtimg des Finni¬
schen im wesenthchen widerspiegelt, in Zahlwörtern statt des ural¬
altaischen decimalen deutlich das minder voUkommene Vigesimal-
system adoptirt hat, trotzdem aber manigfach der inneren und
äusseren Form nach an das Uralaltaische ankhngt, den Pronominal¬
bestand fast ganz selbständig entvrickelt und namentlich von der
dem Uralaltaischen eigenen auffaUenden Uebereinstimmung in der
Bezeichnung der persönhchen Fürwörter im Singular kaum Spuren
aufweist, in der Behandlung der Postpositionen deuthch den aUgemein
uralaltaischen Character zeigt, im verbalen Teil dagegen die von
aUen uralaltaischen Sprachen festgehaltene Grundrichtung durch
definitives Betreten der im Uralaltaischen nur schüchtern hervor¬
tretenden Neigung, in formloser, von Mangel an Abstraction zeugender
Weise manigfacbe Objectbeziehungen dem Verbalkörper einzufügen,
durch die ebenso sümhche Ausbildung von Reverentialformen so
sehr verlässt , dass ein wesenthch neuer Typus mit reicher Prä-in-
Suffixbildung, Vocalwandel, Einverleibung des directen und indirecten
Objects entsteht; während das Wortmaterial trotz manches Auszu¬
scheidenden und Unsicheren auf aUen Gebieten des einfachen Ver¬
kehrs so auffallende Uebereinstimmung mit uralaltaischen Wurzeln
imd Stämmen bekundet, dass ein früherer Zusammenhang unabweis¬
bar ist. Zugleich hat der Verfasser das Verdienst, einen hübschen
Bestand uralaltaischer Stämme eruirt oder wenigstens gesichert zu
haben; aber freilich ist hier, wie ich mich überzeugt, die grösste Vorsicht notbwendig.
Den Versuch, das Kulturleben des uralaltaischen und des bas¬
kiscben Volkes vor der Trenmmg zu reconstruiren , muss ich für
verfehlt halten, wie ich specieU hier nicht ausführen kann ; derselbe setzt ähnhche Verhältnisse wie der angebliche Zustand der Sprachen voraus, ich aber lese ganz anderes gerade aus diesen sicb innerlich
so nahestehenden, der Form nach aber oft so abweichenden Bezeich¬
nungen einfacher Gegenstände, welche ganz den verschieden gestalteten
BUdungselementen der Sprachen bei gleicher oder ähnlicher Auf¬
fassung entspricht. Doch abgesehen davon setzt die Behandlung
von Cruel eine Kulturstufe voraus, vrie ich sie unter keinen Umständen
auch nur für die Zeit zugeben kann, wo die finnischen Völker sich
als linguistisch und ethnisch gesonderte Gruppen darzustellen begaimen, geschweige denn für die Periode, wo Uralaltaier nnd Basken vielleicht
bis zu einem gewissen Grade eine Einbeit gebildet baben. Ich habe
mich bemüht, das an einigen eclatanten FäUen bezüglich der finnischen
Gruppen zu beweisen, kann aber hier nicht näher darauf eingehen
und bemerke nur zur ungefähren Information, dass jenes angenommene
Unger, Hamburger's Real-E/nci/clopädie für Bibel u. Talmud. 165
uralaltaische Urvolk nach Cruel Viehzucht (Pferde uud Rmdvieh)
trieb und Weizen, Gerste, in südlichen Gegenden sogar Hirse baute,
Brot sowie Müch- und Mehlspeisen bereitete, sich zum Nähen
der Kleidungsstücke nicht mehr der Thierseimen, sondem zu Faden
gesponnener WoUe bediente, welche anderseits zur HersteUung regel¬
rechter Gewebe diente, in gezimmerten Häusem mit Bedachung und
dem Comfort von Betten wohnte, in welch letzteren man sich zum
Zudecken wollener Decken bediente.
Was würde Caströn zu dem hier entroUten Kulturbilde, was
wird Ahlqvist dazu sagen?
Ich kann mich hier der dringenden Mahnung nicht enthalten,
die heut in oft erschreckender Weise auf linguistischem imd ethno¬
graphischem Gebiet auftauchende Neigung, ohne eigenthche Detail¬
kenntniss durch Aufstellen grosser Gesichtspuncte, die näherer Prüfimg
fast nie Stand halten, zu brUliren, eine Neigung, welche wohl im
Wesen unserer Zeit theilweise begründet sein mag, leider aber auch
die durch Geistesbhtze zündenden Arbeiten von Männern wie Pescbel
z. T. zu ephemeren Erscheinungen herabdrückt, nach Möglichkeit
niederzuhalten; heber auf die Gefahr hin des kurzsichtigen Pedan¬
tismus beschuldigt zu werden, zimächst, ohne den Bhck für das
Ganze zu verlieren, möglichst in die Tiefe zu steigen.
Winkler.
Rsal- Ency clopädie für Bihel und Talmud. Wörter¬
buch zum Handxfebrauche für Bibelfreunde , Theologen,
Juristen, Gemeinde- und Schulvorsteher, Lehrer etc. Ab¬
theilung J. Die biblischen Artikel (A — Z), Abtheilung II.
Die talmudischen Artikel (A — Z). Ausgearbeitet von
Dr. J. Hamburger, Landesrabbiner zu Strelitz. Im
Selbstverlage des Verfassers. 1883. (1102 und 1331 S.
Lexikonf.)
Mit dem vor kurzem erschienenen Schlusshefte der Real-Ency-
clopädie hat der unermüdliche Verfasser sein umfangreiches, vor
zwei Decennien unter mancherlei Opfem begonnenes Werk glücklich
abgeschlossen und damit ein äusserst nützhches Hülfsbuch geschaffen, welches das Verständniss des jüdischen Alterthums wesenthch erleichtert
und erweitert und eine in der Literatur längst empfundene Lücke
auszufüUen bestimmt ist.
Ausser den geographischen , geschichtlichen und naturvrissen-
schaftlicben Gegenständen giebt die Real-Encyclopädie über die Dog¬
matik, den Cnltus, die Rechts- und Sittenlehre in Bibel und Talmud,
der classischen Literatur des Judentbums, umfassenden Aufscbluss
und lenkt die Aufmerksamkeit des Forschers auf zahlreiche Parallelen
aus den Evangelien und dem Talmnd. Mögen auch dem Buche,
wie allen Schöpfungen des menschhchen Geistes, immerhin manche
MUngel inhäriren, so darf man es gleichwohl im Grossen und Ganzen
als oin gelungenes und werth volles bezeichnen, und wird wohl Keiner
das Buch aus der Hand legen , ohne die stupende Belesenheit \md
eminente Fachkenntniss des Verfassers neidlos zu würdigen und
seiner Meisterschaft in der ökonomischen Bewältigung imd Ver¬
arbeitung der massenhaft aufgespeicherten Materiahen gebührendes
Lob zu zollen.
Es liegt in der Natur eines derartigen Werkes, dass manche
Wiederbolungen schlechterdings unvermeidhch erscheinen. Desto
rühmender aber muss man es betonen , dass der Verfasser es ver¬
standen hat, darin Mass zu halten, und die Wiederholung nur dort
eintreten zu lassen, wo das Verweisen von einem Artikel auf den
andem die Bequemlichkeit in der Handhabung eines Nachschlage¬
buches wesentlich zu beeinträchtigen vermag und für den Suchenden einen Zeitverlust bedeutet.
Die gelegentlichen Bemerkungen des Verfassers sind treffend,
insbesondere dort, wo sie auf die antijüdiscbe Strömung Streiflichter
werfen. Sehr richtig sagt der Verfasser (Abth. II. S. 853): „Igno¬
rirung der mit denselben (den jüdischen Glaubens -, Rechts - und
Sittenlehren) in Verbindung stehenden Zeitgeschichte , Vorurtheil
und Parteihass waren es , die hier von jeher eiue ergiebige Fund¬
grube menschenfeindlicher Aussprüche, Lehren und Gesetze zu finden
geglaubt haben , um gegen den Taln\ud und das .Judentbum über¬
haupt klagbar aufzutreten". — Vergleicht man die Artikel : Arbeit,
Feind, Handel, Handwerk, Lehre und Gesetz, Mord,
Nächstenliebe, Wohlthätigkeit, Zins und Wucher
(Abth. I.); Noahiden, Obrigkeit, Talmud, Zurück¬
weisung der Blutbeschuldigung (Abth. II.) u. m. a. » so
zeigen sich die feindlichen Angriffe auf Juden und Judentbum in
ihrer ganzen Bodenlosigkeit.
Wir schhessen diese kurze Anzeige mit dem Ausdmcke des
Dankes gegen den hochverdienten Verfasser und mit dem lebhaften
Wunsche, dass sein vortreffliches Werk sich der allgemeinen Auf¬
merksamkeit erfreuen und von Vielen benutzt werden möge.
Iglau.
Dr. J. J. tInger, Rabbiner.
167
I
Brahman im Mahäbhärata.
Von Adolf Holtüiiiann.
§. 1.
Der epische Brahman.
Pür die Erkenntniss der altepischen Mythologie der Inder ist
das Mahäbhärata in seiner jet/.igen Gestalt nicht sofort als Quelle
zu benutzen. Der Glaube des epischen Zeitalters war ein ganz
anderer, als das Gcnusch von thfiologisch-philosophischer Speculation
einerseits, mehr oder weniger plumpem Volksaberglauben anderer¬
seits, welches den grösseren Theil des Gedichtes, wie es uns jetzt
vorliegt, durchzieht. Es ist nicht mehr daran zu denken, mit Hilfe
des Mahäbhärata das ganze System der alten indischen Mythologie
wieder herzusteUen ; aber Trümmer uud Reste der alten Anschauung
sind doch in hinreichender Anzahl gerettet, um wenigstens bei den
wichtigsteu Göttergestalten die Hauptzüge wieder aufzufinden. Es
wird bei jeder solchen Untersuchung sich immer deutlicher heraus¬
stellen , dass in unserem Gedichte einst eine förmlich ausgeprägte
speciell epische Mythologie niedergelegt, eine zabllose Menge vou
Götter- und Heldensagen thoUs ausführlich erzählt, theUs als bekannt
vorausgesetzt war. Die alterthümlichsten Stücke des Mahähhärata
zeigen uns unwidersprechlicb, dass die VorsteUungen der epischen
Dichtung von den Göttern, ibren Genealogieen, ihrem Wirkungs¬
kreise und ihrer MachtsteUung, von ihren Preundschaften und ihren
Kämpfen, vou ihren persönlichen Tugenden oder Leidenschaften sowie
von ihren Beziehungen zu der Mcnschenwelt scharf bestimmte und
fest ausgeprägte waren. Es i.st falsch , iu den Göttersagen des
Mahäbhärata nur ein Nachspiel zum Veda zu suchen ; viehnehr
wurde der Stoff, welchen die alte Natur.symbolik , die Amm(i der
arischen Religion , geliefert hatte , durch den sorgsam und kuust-
niässig gepflegten epischen Gesang zu einer zweiten, anthropomor¬
phistischen Mythologie umgebildet, welche den theologischen Vor¬
steUungen der religiösen Litt i'ratur frei und selbständig gegenüber
stund. Es hatten die Inder ilire eigene epische Mythologie so gut
wie die Griechen, von welchen Iferndot sagen durfte, sie verdankten
ihre Götter ihrem Hoiiiei-, ilniMii Hesiod. So darf es also nicht
BU. XXXVIII. 12