Finanzmathematik I
L¨osungvorschl¨age f¨ ur ¨ Ubungsblatt 4
J. Widenmann
Aufgabe 1: Bemerkung: Bei dem angegebenen Modell handelt es sich um eine einfa- che Form des ber¨uhmten Black-Scholes-Modells (ver¨offentlicht 1973), f¨ur das die Herren Robert C. Merton und Myron S. Scholes 1997 (!) mit dem Nobelpreis f¨ur Wirtschaftswis- senschaften ausgezeichnet wurden (Fischer Black war zu diesem Zeitpunkt bereits verstor- ben). Dieses Modell wird voraussichtlich nochmals in Kapitel 2.7 genauer und insbesondere in der Veranstaltung “Finanzmathematik 2” in aller Ausf¨uhrlichkeit besprochen.
Nun zur eigentlichen Aufgabe:
a) Wir m¨ussen zeigen: EP[S1] = π1. Aus der Wahrscheinlichkeitstheorie wissen wir aber, dass f¨ur eine Normalverteilte Zufallsvariable Y ∼ N(µ, σ2) die Momentener- zeugende Funktion MY :R→R+ gegeben ist durch
MY(t) =EP
etY
=eµt+σ
2t2
2 .
Deshalb gilt (X ∼ N(0,1)):
EP[S1] =EP[π1eσX−σ
2
2 ] =π1e−σ
2
2 EP[eσX] =π1e−σ
2
2 MX(σ) =π1e−σ
2 2 eσ
2 2 =π1 b) Aus der Vorlesung und mit a) wissen wir, dass f¨ur die europ¨aische Call-Option
C = (S1 − K)+ auf S1 mit Strikepreis K insbesondere durch πC = EP[C] ein arbitragefreier Preis f¨ur C gegeben ist. Dieser kann wie folgt berechnet werden:
πC =EP[(S1−K)+] =EP[(S1−K)1{S1>K}] =EP[S11{S1>K}]
| {z }
(∗)
−KP(S1 > K)
| {z }
(∗∗)
.
Wir berechnen (∗) und (∗∗) separat. Es gilt
(∗∗) =P(eσX−σ
2 2 > K
π1)log monoton
= P(X > logK −logπ1+σ2/2
σ ) = Φ logπK1 − σ22 σ
! .
Dabei ist Φ die Verteilungsfunktion einer Standard-Normalverteilten Zufallsvaria- blen, also Φ(x) =P(Y ≤x)(!)=P(Y < x) mit Y ∼ N(0,1). Außerdem haben wir in der letzten Gleichung ausgenutzt, dass die Standardnormalverteilung symmetrisch
ist, dass also insbesondere −X ∼X ∼ N(0,1). Nun zu (∗):
(∗) = π1EP[eσX−σ
2
2 1{X>logK−logπ1+σ2/2
σ }] =π1 1
√2π
∞
Z
logK−logπ1+σ2/2 σ
eσx−σ
2 2 e−x
2 2 dx
=π1 1
√2π
∞
Z
logK−logπ1+σ2/2 σ
e−(x−σ)22 dxy:=x−σ= π1 1
√2π
∞
Z
logK−logπ1−σ2 2 σ
e−y
2 2 dy
=π1 1
√2π
logπ1−logK+σ2 2
Zσ
−∞
e−y
2
2 dy =π1Φ logπK1 +σ22 σ
!
Insgesamt erhalten wir also
πC =π1Φ(d1)−KΦ(d2) mit
d1,2 = logπK1 ± σ22 σ
Aufgabe 2:
a) Zun¨achst berechnen wir die Werte der Put-Option P = (90−S1)+ zum Zeitpunkt t = 1 in Abh¨angigkeit von ω. Es giltP(ω1) = 0 und P(ω2) = 20.
F¨ur eine replizierende Strategie ¯ξ ∈ R2 muss ja C(ω) = ¯ξ·S(ω)¯ P-f.s. (in diesem Modell also sicher, d.h. sowohl f¨urω1 als auch ω2) gelten. Folglich erhalten wir das Gleichungssystem
1ξ0+ 110ξ1 = 0 1ξ0+ 70ξ1 = 20 .
Dieses l¨asst sich eindeutig l¨osen durch ¯ξ = (ξ0, ξ1) = (55,−12). Folglich ist ¯ξ eine replizierende Strategie.
b) Zun¨achst zu den Martingalmaßen. F¨urP∗ ≈PMartingalmaß muss im vorliegenden Markt mit p∗ :=P∗(S1 = 110) gelten:
EP∗[S1] = 110p∗+ 70(1−p∗) = 100 =π1
⇔p∗ = 3 4. Folglich gilt (atomarer W’raum!)
dP∗ dP
= 15
141{S1=110}+ 5
61{S1=70} .
Wir erkennen insbesondere, dass P∗ eindeutig ist, also P = {P∗}. Somit existiert ein eindeutiger Preis πP f¨ur die Put-Option und zwar
Variante 1: πP =EP∗[P] = 20· 14 = 5.
Variante 2: πP =EP∗[P] =EP∗[ ¯ξ·S] = ¯¯ ξ·EP∗[ ¯S] = ¯ξ·π¯ = 55·1−12 ·100 = 5.
Aufgabe 3: In diesem Finanzmarkt gilt nicht, dass jedes Derivat replizierbar ist. Be- weis durch Widerspruch: angenommen, alle Derivate seien replizierbar. Wir betrachten den eingeschr¨ankten Raum L0(Ω, σ(S0, S1, S2),P). In diesem Raum ist jeder Claim ein Derivat. In der Vorlesung (Beweis Lemma 1.15) haben wir gezeigt, dass falls alle Claims replizierbar sind (und das ist ja gerade in dieser Aufgabe der Fall) gilt
dimL0(Ω, σ(S0, S1, S2),P)≤d+ 1 = 3.
Analog zu Aufgabe 2, Blatt 3 nehmenS1, S2 nur die Werte 1, . . . , n an jeweils mit Wahr- scheinlichkeit 1/n, d.h. wegen der Unabh¨angigkeit ist die Verteilung vonS = (S1, S2) ein Gitter auf R2 mit n2 Massepunkten. σ(S0, S1, S2) besteht also aus n2 Atomen. Wegen Aufgabe 2 gilt außerdem
n2 = dimL0(Ω, σ(S0, S1, S2),P), also haben wir
n2 = dimL0(Ω, σ(S0, S1, S2),P)≤d+ 1 = 3, das ist aber ein Widerspruch f¨urn >1.
Wir k¨onnen alternativ ein Beispiel f¨ur ein Derivat geben, welches explizit nicht replizierbar ist, z. B. C = 1{S1=S2=1}. Zu diesem Derivat k¨onnen wir kein ξ ∈ R3 finden, so dass C =ξ S P-f.s. So ein ξ m¨usste f¨urn > 1 mindestens die Gleichungen
1 +r 1 1 1 +r 1 2 1 +r 2 1 1 +r 2 2
ξ=
1 0 0 0
.
erf¨ullen. Dieses Gleichungssystem ist aber offensichtlich nicht l¨osbar.
Aufgabe 4: Nach Voraussetzung gilt G = σ({ω1, ω2}) (!)= σ({ω1, ω2}
| {z }
=:A1
,{ω3, ω4}
| {z }
A2
). Wir erkennen, dass A1 ∩A2 = ∅, A1 ∪A2 = Ω und P(A1) > 0, P(A2) > 0. Somit sind die Voraussetzungen von Beispiel ¨U 1.4.4 erf¨ullt und wir erhalten:
EP[X | G] =EP[X |A1]1A1 +EP[X |A2]1A2
= EP[X, A1]
P(A1) 1A1 +EP[X, A2] P(A2) 1A2
= 3
21A1 +7 21A2