Entscheidend bei der Wahl eines Antidepressi- vums sind auch Belange der Verkehrs- und Arbeitssicher- heit. Bei sedierenden oder die psychomotorische Lei- stungsfähigkeit reduzieren- den Medikamenten ist sie meist nicht gewährleistet. Ei- ne Pharmakotherapie von depressiven Störungen er- folgt häufig ambulant, und die Patienten sind den übli- chen Erfordernissen des Alltages ausgesetzt. In ver- schiedenen Studien zeigte sich der neue selektive Sero- tonin-Wiederaufnahmehem- mer Paroxetin (Seroxat®, SmithKline Beecham) dies- bezüglich klassischen Trizy- klika überlegen, ohne daß da- bei Einbußen in der Wirk- samkeit hinzunehmen sind.
Ziel einer randomisierten Doppelblindstudie des TÜV Rheinland (1994) mit gesun- den Probanden im Alter zwi- schen 37 und 60 Jahren war es, den Einfluß von Paroxetin (1 x 20 mg/d) und eines trizy- klischen Antidepressivums (2 x 50 mg/d) im Vergleich zu Plazebo auf die Verkehrssi- cherheit zu überprüfen.
Im Verlauf der 21tägigen Einnahmeperiode wurden an fünf Tagen validierte psycho- motorische Leistungstests zur Feststellung der opti- schen Orientierung, der Dau- erkonzentration, der Vigi- lanz, der Reaktionsgeschwin- digkeit und der motorischen Koordination sowohl unter Streß- als auch unter Mono- toniebedingungen durchge- führt. Gleichzeitig wurden als subjektive Parameter einer eingeschränkten Verkehrs- und Arbeitssicherheit etwai- ge Nebenwirkungen wie Mü- digkeit, Schwindel und Seh- störungen erfragt.
Um zu klären, inwieweit die Studienmedikation die Auswirkungen eines mäßi-
gen Alkoholkonsums ver- stärkt, mußten die Proban- den am zwanzigsten Tag der Untersuchung sämtliche Lei- stungstests unter einem Blutalkoholgehalt von 0,59 Promille absolvieren.
Während die Ergebnisse in den objektiven Leistungs- tests unter Paroxetin ähnlich gut wie unter Plazebo waren, schnitten demgegenüber die Trizyklikum-Probanden be- zogen auf Vigilanz, Reakti- onsgeschwindigkeit, motori- sche Koordination und Dau- erkonzentration signifikant schlechter ab. Unter Alko- holeinfluß verringerten sich erwartungsgemäß die Lei- stungen, doch fiel auch dabei kein Unterschied zwischen der Paroxetin- und der Plaze- bogruppe auf.
Der Serotonin-Wieder- aufnahmehemmer verstärkt also offensichtlich nicht die Wirkung von Alkohol, während sich in der vorlie- genden Studie zumindest ten- denzielle Hinweise für eine Verstärkung des Effektes von Alkohol durch das trizy- klische Antidepressivum er- gaben.
Alternative
Die in dieser Untersu- chung überprüften und von Paroxetin nicht nennenswert beeinträchtigten psychomo- torischen Leistungen sind auf vielfältige Weise auch im beruflichen Alltag – zum Bei- spiel beim Bedienen von Ma- schinen und im Straßenver- kehr – gefordert. Der neue selektive Serotonin-Wieder- aufnahmehemmer Paroxetin bietet sich deshalb auch gera- de im Interesse der Ver- kehrs- und Arbeitssicherheit als günstige antidepressive pharmakologische Alternati- ve an. Gabriele Henning
A-1555 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 23, 7. Juni 1996 (77)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN