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Archiv "Therapie-Symposium der Arzneimittelkommission: Echte Innovationen sind bei Medikamenten selten" (23.01.1998)

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llein in den ersten zehn Mona- ten des Jahres 1997 wurden in Deutschland 1 700 neue Arz- neimittel zugelassen, davon 377 Fer- tigarzneimittel mit 40 neuen Wirkstof- fen. Nur bei sieben dieser neuen Wirk- stoffe handle es sich, so Prof. Dr. U.

Fricke vom Institut für Pharmakologie der Universität Köln, um tatsächlich neuartige Wirkprinzipien, wie sie bis- lang in der Praxis nicht verfügbar wa- ren. Zwölf weitere Wirkstoffe bedeu- ten nach seinen Worten eine gewisse Verbesserung der bekannten Behand- lungsprinzipien, und 21 Substanzen sind als reine Analogpräparate anzuse- hen, wie der Pharmakologe beim The- rapie-Symposium der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzte- schaft in Köln erläuterte. Er stellte dort die neuen Arzneimittel zusam- mengefaßt nach Indikationen vor:

Antiinfektiva: In der Gruppe der Antiinfektiva gibt es zwei neue Gyra- sehemmer, das Grepafloxacin und das Sparfloxacin, die eine Verbesserung der bisherigen Therapiemöglichkei- ten mit Gyrasehemmern darstellen.

Denn die beiden Wirkstoffe zeigen im Vergleich zu herkömmlichen Gyrase- hemmern eine deutlich höhere Akti- vität gegen Pneumokokken, die zu den häufigsten Erregern von Atem- wegsinfekten gehören. Dennoch dürf- te die Anwendung der beiden Wirk- stoffe in der Praxis limitiert sein, was Fricke mit dem höheren Nebenwir- kungspotential von Sparfloxacin be- gründet, und hier insbesondere mit der Gefahr phototoxischer Reaktio- nen und mit Herzrhythmusstörungen.

Zugelassen wurden ferner neue Virustatika; so das Cidofovir zur Be- handlung der CMV-Retinitis, mit des- sen Hilfe offenbar die Progression der Erkrankung verzögert werden kann,

und das auch dann noch gute Wirkef- fekte zeigt, wenn die Behandlung mit den herkömmlichen Virustatika zur Ausbildung von Resistenzen geführt hat. Cidofovir hat den weiteren Vor- teil, eine relativ kostengünstige Er- haltungstherapie zu erlauben, doch ist eine gewisse Nephrotoxizität zu be- achten.

Als zweites Virustatikum nannte Fricke das Penciclovir zur topischen

Anwendung beim Herpes labialis.

Der Pharmakologe bewertet diese Substanz kritisch, da die Wirkeffekte wenig ausgeprägt sind. Ähnlich wie bei der Vorläufersubstanz Aciclovir ist nur eine etwa um einen halben Tag raschere Abheilung gegenüber Plaze- bo belegt, eine Linderung der Schmerzen ist nach Fricke nicht ein- deutig gezeigt worden.

Antidementiva: Keine überragen- den Wirkungen dürfen außerdem von neuen Antidementiva erwartet wer- den, auch hier sind die erzielten Wirk- effekte laut Fricke eher bescheiden.

Dies betrifft den neuen Wirkstoff Do- nepezil, der ebenso wie Tacrin offen- sichtlich eine Verbesserung der kogni- tiven Leistungsfähigkeit bewirken kann. Diese aber ist definiert als Bes- serung um vier Punkte auf einer Be- wertungsskala von insgesamt 70 Punk- ten, wobei höhere Punktzahlen ein stärkeres Ausmaß der kognitiven Störungen bedeuten. Zudem ist der Langzeiterfolg laut Fricke generell fraglich. Belegt sei aber, daß unter Do- nepezil 58 Prozent der Patienten eine klinische Besserung im Sinne der ko- gnitiven Leistungsfähigkeit erreichen.

Das Präparat ist im Gegensatz zu Tacrin nicht lebertoxisch, muß nur ein- mal täglich eingenommen werden und erlaubt eine vergleichsweise preiswer- te Behandlung, so daß insgesamt schon von einem Fortschritt der Therapie auszugehen ist.

Antihypertensiva: Die meisten neuen Wirkstoffe wurden bei den An- tihypertensiva zugelassen. Es handelt sich um die drei AT1-Rezeptorant- agonisten Cande- sartan, Eprosartan und Irbesartan, um die ACE-Hemmer Moexepril und Spi- rapril, den Beta- blocker Nebivolol und den Kalzium- antagonisten Mibre- fradil. Als Vorteil bei den neuen ACE- Hemmern nannte Fricke im wesenli- chen den günstigen Preis; pharmakolo- gisch gibt es kaum Neuerungen, wobei Moexepril insbe- sondere für die Behandlung der post- menopausalen Frau positioniert wird.

Beim Nebivolol handelt es sich um ei- nen hochselektiven Beta-1-Blocker, von dem in vitro gezeigt werden konn- te, daß er außerdem die NO-Freiset- zung forciert. „Das wurde aber auch schon für andere Betablocker demon- striert“, schränkte Fricke ein.

Etwas ausführlicher behandelte er das Mibefradil wegen dessen spezieller Wirkung auf T-Kanäle. Inwieweit diese allerdings klinisch relevant ist, bleibt nach Ansicht des Pharmakologen zunächst abzuwarten, denn die T-Ka- A-135

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 4, 23. Januar 1998 (23)

Therapie-Symposium der Arzneimittelkommission

Echte Innovationen sind bei Medikamenten selten

Von 1 700 neuen Arzneimitteln im Jahr 1997 weisen nur sieben neue Wirkprinzipien auf.

Statistisch nehmen 38 Prozent der Deutschen täglich oder fast täglich Medika- mente ein, 37 Prozent selten und acht Prozent nie. Quelle: BPI; Foto: DÄ-Archiv

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näle sind in den gleichen Geweben lo- kalisiert wie auch die L-Kanäle, an de- nen die herkömmlichen Kalziumant- agonisten ihre Wirkung entfalten.

Glaubt man den Werbeaussagen, so be- wirkt die neue Substanz eine koronare und periphere Vasodilatation sowie ei- ne mäßige Senkung der Herzfrequenz.

Sie zeichnet sich durch eine feh- lende negative Inotropie aus sowie ei- ne fehlende neurohumorale Gegenre- gulation – Aussagen, die laut Fricke eingeschränkt werden müssen: „In vitro ist im therapeutischen Bereich durchaus eine negative Inotropie zu verzeichnen, doch ist diese deutlich geringer als etwa unter Nifedipin.“

Das Nebenwirkungspotential ent- spreche demjenigen der üblichen Kal- ziumantagonisten, wobei bei Kombi- nation mit einem Betablocker ver- stärkt mit Bradykardien und AV- Blockierungen zu rechnen sei.

Eine besondere Situation liegt nach Prof. Dr. P. Dominiak (Lübeck) bei den „Sartanen“ vor, da auch für 1998 mit weiteren Neuzulassungen auszugehen ist. Bezüglich der Wirk- samkeit deutet sich Ebenbürtigkeit gegenüber den ACE-Hemmern an, wobei es inzwischen erste Hinweise darauf gibt, daß durch die Sartane – quasi als Klasseneffekt – ebenfalls ei- ne Kardio- wie auch eine Nephropro- tektion vermittelt wird. Günstiger scheinen die neuen AT1-Rezeptor- antagonisten aber bezüglich ihres Ne- benwirkungsprofils zu sein.

Zwar kann prinzipiell ein An- gioödem auftreten, das Risiko ist je- doch geringer als unter den ACE- Hemmern. Nicht beobachtet wird nach Dominiak außerdem der unter ACE-Hemmern doch recht häufig auftretende Husten. Eine endgültige Bewertung der klinischen Relevanz der neuen Sartane wird allerdings, so der Lübecker Pharmakologe, erst in etwa zwei Jahren möglich sein.

Immuntherapeutika und Zyto- kine: Eine leichte Verbesserung der Behandlungsoption der Multiplen Sklerose bietet nach Fricke wahr- scheinlich die Zulassung des Inter- feron-beta-1a, das gentechnisch etwas anders hergestellt wird als das Inter- feron-beta-1b und dem natürlichen Interferon identisch ist. Daraus sollte sich eine geringere Antigenität ablei- ten. In Studien konnte gezeigt wer-

den, daß mit 38 Prozent etwas mehr Patienten als unter der herkömmli- chen Behandlung von der Medikation profitieren und über zwei Jahre schubfrei bleiben, zudem wurde ein positiver Effekt auf den Behinde- rungsgrad erwirkt.

Lipidsenker: Neu zugelassen wur- den die Wirkstoffe Atorvastatin und Cerivastatin. Kritisch bewertete Fricke das Atorvastatin, das für sich in Anspruch nimmt, die Triglyceride um bis zu 33 Prozent zu senken. „Die- ser Wert ist allerdings nur unter sehr hoher Dosierung erwirkt worden“, schränkte Fricke ein. Ingesamt sieht er in den neuen Lipidsenkern keinen wesentlichen Unterschied zu den bis- her verfügbaren Medikationen.

Migränemittel: Ähnlich sieht die Situation bei der Migräne aus, wo zwei neue Wirkstoffe als Nachfolge- substanzen des Sumatriptan, nämlich das Naratriptan und das Zolmitrip- tan, zugelassen wurden. Beide sind in ihrer Wirkungsweise praktisch iden- tisch zum Sumatriptan, so daß von ei- nem echten Therapiefortschritt nach Fricke nicht die Rede sein kann. Doch rechtfertigt der etwas günstigere The- rapiepreis nach seinen Worten den- noch eine Umstellung der Patienten auf die neuen Wirkstoffe.

Ophthalmologika: Deutliche The- rapieverbesserungen gibt es bei den Ophthalmologika, wo das Latanoprost als völlig neues Wirkprinzip zur Be- handlung des Weitwinkelglaukoms zu- gelassen wurde. Der Wirkstoff senkt den Augeninnendruck über eine Stei- gerung des uveoskleralen Kammer- wasserabflusses und ist den Studien zu- folge ebenso wirksam wie Timolol und zudem gut geeignet für eine Kombina- tionsbehandlung. Daneben nannte der Pharmakologe als Neueinführung auch Lodoxamid zur Behandlung von allergischen Konjunktividen.

Parkinsonmittel: Auch bei der medikamentösen Therapie des Mor- bus Parkinson ist einiges im Fluß.

Hier ist die Neuzulassung von Budi- pin, Ropinirol und Tolcapon zu ver- zeichnen, wobei nur letzteres ein neuartiges Therapieprinzip darstellt.

Es handelt sich um einen Hemmer der Katecholorthomethyltransferase, ein Enzym, das ähnlich wie die Decar- boxylase zum Abbau von Dopa führt.

Dies erklärt, warum Tolcapon eine

deutliche Verminderung der notwen- digen L-Dopa-Tagesdosis bewirkt.

Denn es steht somit mehr L-Dopa zur Aufnahme ins ZNS zur Verfügung, und auch dort kommt es durch die En- zymblockade zu einer Erhöhung der Dopamin-Konzentration.

Psychopharmaka: Neu auf dem Markt sind die Antidepressiva Nefa- zodon und Sertralin und das Neuro- leptikum Sertindol. Für Nefazodon wird ein neuartiges Wirkprinzip in Anspruch genommen. Es handelt sich um ein „duales serotonerges Antide- pressivum“, konkret um einen 5-HT- 2a-Rezeptorantagonisten und einen schwachen Serotoninwiederaufnah- mehemmer, der zugleich die Wieder- aufnahme von Noradrenalin inhi- biert. Doch ist dieses Wirkprinzip laut Fricke keineswegs neu, sondern be- reits in Vorläufersubstanzen reali- siert. Ähnliches gilt für das Sertralin.

Sertinol ist nach seinen Worten eben- falls ein 5-HT-2a-Antagonist, der gleichzeitig Dopaminrezeptoren ant- agonisiert. Er gehört zu den neueren atypischen Neuroleptika, ähnelt in seiner Wirkung dem Risperidon und hat wie dieses offensichtlich weniger extrapyramidale Nebenwirkungen.

Zytostatika: Zu den beiden Neue- rungen im Bereich der Zytostatika gehört Cladribin zur Behandlung der Haarzell-Leukämie; es zeichnet sich vor allem durch eine deutlich niedrige- re Rezidivrate aus. Günstig bewertet der Kölner Pharmakologe im Ver- gleich mit bisher verfügbaren Arznei- mitteln gleicher Indikation die Appli- kationsweise, denn das neue Medika- ment wird einmal über sieben Tage als Dauerinfusion verabreicht, eine erneu- te Behandlung ist nur notwendig, wenn es doch zu einem Rezidiv kommen sollte. Für Cladribin sprechen nach sei- nen Worten außerdem die Therapie- kosten, die deutlich niedriger sind als bei der herkömmlichen Therapie.

Ferner wurde das Topotecan zur Behandlung des therapieresistenten Ovarialkarzinoms zugelassen. Durch den Wirkstoff werden Enzyme blok- kiert, die für die DNA-Replikation ver- antwortlich sind, wodurch der Zelltod herbeigeführt wird. Klinisch ist das To- potecan dem Paclitaxel ebenbürtig und bewirkt vergleichbare Remissionsra- ten; es ist nach Fricke aber etwas gün- stiger im Preis. Christine Vetter A-136

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(24) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 4, 23. Januar 1998

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