DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT DISKUSSION
Erstbehandlung
bei Notfällen am Auge
Augenverletzungen beim Sport sind mit rund einem Prozent im Jah- re 1982 eher selten. Bei Verkehrsun- fällen oder bei Unfällen im Haushalt ist eine Augenbeteiligung von 2,5 bis 5,0 Prozent gefunden worden (Bie- ner, 1987). Nach Neubauer werden Prellungen, Pfählungs- und Schnitt- verletzungen, Riß-Platzwunden, Fremdkörpereinbringungen sowie Verätzungen, Verbrennungen und elektrische Verletzungen an Orbita und Bulbus unterschieden (Wagner, 1984).
Neben den Verletzungen, die außer dem Verband keiner weiteren Versorgung am Notfallort bedürfen, erfordern internistische Krankheits- bilder jedoch eine Behandlung aus der Notfalltasche. Das Krankheits- spektrum umfaßt entzündliche Krankheiten wie die Dakrozystitis, die Konjunktivitis, die Keratitis, die Iritis und das Ulcus corneae. Die Ab- grenzung einer Iritis vom akuten Glaukom ist ohne Tonometrie orien- tierend mit der palpatorischen Prü- fung der Tension des Bulbus mög- lich. Neben der Soforttherapie mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln ist die lokale Anwendung pupillenver- engender Medikamente, zum Bei- spiel Pilocarpin ein Prozent alle zehn Minuten, angezeigt. Der erhöhte Augendruck kann durch Mannit-In- fusionen und intravenöse Gabe von Diamox (500 bis 750 mg) gesenkt werden. Ursache einer akuten Seh- minderung oder Erblindung können arterielle oder venöse Gefäßver- schlüsse, eine Arteriitis temporalis, Netzhaut- und Glaskörperblutungen bei Diabetes mellitus und eine Neu- ritis nervi optici oft als erstes Sym- ptom einer multiplen Sklerose sein.
Die hinsichtlich der ersten beiden
Zu dem Beitrag
von Dr. med. Uwe Köhler in Heft 24/1990
Ursachen zur Durchblutungsverbes- serung empfohlene isovolämische Hämodilution sollte schnellstmög- lich eingeleitet werden.
Für Verätzungsverletzungen wird die lokale und systemische Ap- plikation von Ascorbinsäure (fünf- bis zehnprozentige Lösung) empfoh- len (Schwert, 1986). Vitamin C soll Sauerstoffradikale abfangen. Zudem wurde festgestellt, daß die Spiegel von Ascorbinsäure in der vorderen Augenkammer nach Verätzungen stark reduziert sind. Anästhesieren- de Augentropfen (Proxymetacin 0,5 Prozent, Wirkungseintritt innerhalb weniger Sekunden) erleichtern die Spülung. Die Spülung des Auges bei Verätzungen kann natürlich mit je- der greifbaren, sauberen inerten wäßrigen Lösung erfolgen. Vorteil-
haft wäre allerdings die Verwendung einer gepufferten polyvalenten Lö- sung (Isogutt-Augen-Tropflösung 250 ml, Fa. Dr. Winzer, Konstanz.
Wagner, 1980; 0,05 M EDTA-Lö- sung. Grant 1986). Das Anlegen von Augenverbänden ist hierbei obsolet.
Nach ausgiebiger Spülung sollten kortison-/antibiotikahaltige Augen- tropfen und einprozentige Atropin- Augentropfen angewandt werden.
Das Anlegen einer zehnprozentigen Fruktose-Lösung als Infusion wird zur Unterhaltung des Kohlenhydrat- stoffwechsels der Cornea empfohlen.
Darüber hinaus erfordert die Ein- bringung von giftigen Chemikalien die topische Anwendung spezifischer Antidote. Eine Liste von Basismedi- kamenten in der Augenheilkunde, die bei ophthalmologischen Notfäl- len Anwendung finden, kann beim Autor angefordert werden.
Literatur beim Verfasser Martin P. Wedig
Auf dem Berge 5 • W-4690 Herne 1
Die Zuschrift von Herrn Wedig, die wohl einen eigenen Übersichtsar- tikel darstellt, bestätigt im wesentli- chen unsere Empfehlungen. Beson- ders ausführlich wird darin die Be- handlung der Verätzungen hervorge- hoben. Die hierbei angeführten Be- handlungsvorschläge sind richtig, al- lerdings doch eher als augenärztliche Weiterbehandlungsmaßnahmen, we- niger als unmittelbare Erstbehand- lung anzusehen. Sofortige und mit geringstem Aufwand zu betreibende Erstmaßnahme muß das Spülen der Augen, möglichst mit Wasser, sein.
Das Spülen mit Phosphatpuffer (Iso- gutt®) ist gerade bei den nicht sel- ten vorkommenden Kalkverätzungen wegen der Möglichkeit der Ausbil- dung von Kalziumphosphatpräzipita- ten eher abzulehnen.
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Uwe Köhler, Oberarzt
Universitäts-Augenklinik Robert-Koch-Straße 4 W-3550 Marburg
I Ophthalmologische Notfälle
'Schlußwort
Dt. Ärztebl. 88, Heft 11, 14. März 1991 (65) A-885