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Archiv "Verbesserung der Auswahlkriterien beim Medizinstudium: Plädoyer für praxisbezogene Verfahren" (31.03.1977)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 13 vom 31. März 1977

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Verbesserung der Auswahlkriterien beim Medizinstudium

Plädoyer für praxisbezogene Verfahren

Karl E. Littann

Die Diskussion um den Numerus clausus und die Einführung neuer Verfahren für den Hochschulzugang ist in den letzten Monaten, zumal nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, verstärkt in Gang gekommen. Der folgende Diskussionsbeitrag, der in erweiterter Form auch als Memorandum dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Ende 1976 unterbreitet wurde, plädiert für verbesserte, praxisorientierte Auswahlkriterien; er ergänzt zugleich die Beiträge von Dr. Eberhard Böning über „Reformpläne für die Zulassung zum Medizinstudium" (Heft 48/1976, Seite 3117 ff.); von Dr. med. Jörg-D.

Hoppe über „Berufseignung muß Auswahlkriterium sein" (Heft 48/

1976, Seite 3088 f.) und von Prof. Dr. Josef Hitpaß über „Tests im Hochschulzulassungsverfahren für die Medizin" (Heft 4/1976, Seite 191 ff.).

Der unvermindert große An- drang von Studienbewerbern macht eine Aufhebung des Nu- merus clausus auf vorläufig un- absehbare Zeit für eine Reihe von Fächern nicht möglich.

Daran kann auch eine bessere Kapazitätsauslastung der Hoch- schulen und Universitäten im Prinzip nichts ändern. Aus die- sem Grund halten wir die Zeit für längst gekommen, das sehr ein- fallslose Monokriterium „Abitur- notendurchschnitt" zu verbes- sern und durch sinnvollere Krite- rien zu ergänzen. Es ist bekannt, daß ein Abiturnotendurchschnitt nicht viel über die Studier- oder gar Berufseignung aussagen kann. Daher drängt sich eine Verbesserung der Auswahlkrite- rien für die vom Numerus clau- sus betroffenen Fächer auf.

Nach unserer Auffassung sollte als erstes ein kurzfristiger Sofortplan die ungewisse Wartezeit reduzieren und eine generelle Änderung der Auswahlkriterien über eine mittelfri- stige Planung eingeleitet werden.

Langfristige Planungen über eine generelle Ausbildungsänderung las- sen sich für die kritischen Jahre bis zum erwarteten Rückgang der Ab- iturientenzahlen in den achtziger Jahren nicht mehr verwirklichen und können deshalb außer Betracht bleiben.

A. Sofortplan

1. Erhöhung der Quoten für Stu- dienbewerber, die auf der Warteliste stehen, von 40 Prozent auf minde- stens 70 Prozent, um einen schnelle- ren Abbau der unvertretbar langen und nicht berechenbaren Wartezei- ten zu erreichen. Die Relation zwi-

schen den Bewerbern, die nach Eig- nung und Leistung einerseits und dem Anciennitätsprinzip anderer- seits zum Studium zugelassen wer- den, ist zugunsten der letzteren Be- werbergruppe kurzfristig für eine Übergangszeit zu ändern.

2. Bewerbern, die bereits ein Uni- versitäts- oder Fachhochschulstu- dium abgeschlossen haben, sollte ohne stichhaltige Gründe nicht noch einmal ein Studienplatz zugeteilt werden. Diese (durch einen Studien- abschluß schon bevorzugte) Bewer- bergruppe muß zwangsläufig die Rangfolge der „Wartenden" unbere- chenbar verschlechtern.

3. Weitere Verbesserungen der Ar- beitsweise der „Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen" (ZVS) in Dortmund mit mehr Rücksicht- nahme auf Wohn- und Studienort usw.

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Verbesserung der Auswahlkriterien

B. Mittelfristige Planung

Mittelfristig sollte eine Änderung der jetzigen einseitigen und deren Er- satz durch praxisbezogenere, ge- rechtere Auswahlkriterien durchge- führt werden. Hierbei wird quasi vor die Tore der Hochschule ein Sieb eingeschoben. Für eine gerechtere Beurteilung und Auslese der Stu- dienanfänger werden nachfolgende Kriterien empfohlen:

1. Durchschnitt der Abiturnoten wie bisher. Zusätzlich sollten die Noten für berufsbezogene Arbeitsgemein- schaften mitbewertet und stärker

"gewichtet" werden, da die Teilnah- me an diesen Fächern allein schon positiv bewertet werden muß.

2. Ableistung eines berufsbezoge- nen Praktikums. Über die Dauer die- ses Praktikums entscheidet die Re- lation zwischen der Anzahl der Be- werber und der freien Studienplätze.

Während des Praktikums können sich die Bewerber nochmals selbst auf die berufliche Eignung prüfen. Die Beurteilung des Praktikanten sollte nach festgelegten Kriterien durch verschiedene berufliche ln- stanzen erfolgen (während eines Krankenhauspflegedienstes vonein- ander unabhängige Beurteilungen durch Stationsarzt, Oberarzt und Chefarzt). Damit sich der Studien- bewerber über die Verhältnisse im angestrebten Beruf besser ori- entieren kann, sollte der Einsatz rotierend in verschiedenen Abteilun- gen (oder Kliniken) erfolgen. Die Ar- beit unter unterschiedlicher Leitung hätte gleichzeitig den Vorteil, den Bewerber umfassend auf Berufseig- nung beurteilen zu können. Das An- gebot an Praktikantenstellen könnte durch Plätze in geeigneten Allge- meinpraxen · sinnvoll ergänzt wer- den. Das studienbezogene Prakti- kum darf nicht zu einer Einsparung von Planstellen oder Ausbildungs- plätzen führen, die bei dem jetzigen Überangebot von Auszubildenden für die Beseitigung der Jugendar- beitslosigkeit dringend benötigt werden.

3. Während des Praktikums sollte die Universität beziehungsweise

Hochschule eine sogenannte Ein- gangsprüfung vornehmen, und zwar a) schriftlich in Form auswertbarer und vergleichbarer Fragebogen- auswertung (Multiple-choice-Ver- fahren). Zur Diskussion steht eine zu objektivierende Fähigkeits-, Ver- ständnis- und Leistungsprüfung in der Form von Auswahltests, die ohne Prüfung von Schulwissen ab- zufragen sind und sich auf den ge- wählten Beruf beziehen sollen. b) mündlich durch einen Vertreter der Fakultät, des Berufsstandes (z.

B. Ärztekammer) und einen haupt- amtlich für Zulassungsfragen spe- zialisierten Psychologen. Geeignet erscheinen "strukturierte" Inter- views, die bei einem bestimmten Teil der Bewerber, insbesondere in Grenz- und Härtefällen, eine indivi- duelle Prüfung der besonderen Um- stände des Einzelfalls ermöglichen.

4. Letzte, zusammenfassende Beur- teilung der Kriterien 1 bis 3 durch eine überregionale Zulassungsbe- hörde der Universitäten und Hoch- schulen. Dieser sollte ein Vertreter des Bundesbildungsministeriums oder Kultusministeriums der Länder sowie ein Vertreter des Berufsstan- des gleichberechtigt angehören. Die Zulassungsbehörde könnte die posi- tiven organisatorischen Erkenntnis- se der jetzigen überregionalen ZVS übernehmen und die vorbereiteten Ergebnisse computergerecht und möglichst schnell für alle Hochschu- len gemeinsam als zentrale Bewer- bungsstelle auswerten. Die so gebil- dete Zulassungsbehörde hat über die Studier- und somit Berufsfähig- keit sowie über den Studienort zu entscheiden und festzulegen, ob der Bewerber zum gleichen oder einem späteren, genau definierten Zeit- raum zugelassen werden kann. Für ungeeignete Bewerber ist eine Ab- lehnung auszusprechen.

Welche Verbesserungen bringen die genannten Kriterien gegenüber dem jetzigen Zulassungsverfahren?

~ Gegenüber dem jetzigen Zulas- sungsverfahren bieten die genann- ten Kriterien wesentliche Vorteile:

890 Heft 13 vom 31. März 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

1. Die kritische Zwischenzeit zwi- schen Bewerbung und endgültiger Zu- oder Absage wird auf ein Ober- sehaubares Maß verkürzt und außer- dem mit einer berufsbezogenen Ausbildung sinnvoll ausgetOllt. Aus- bildungsverträge oder Beschäfti- gungsverhältnisse mit normaler Kündigungszeit könnten unter die- sen Umständen in der Wartezeit ab- geschlossen werden.

2. Die Zahl der echten Bewerber wird durch die Erfassung in einem obligatorischen Vorstudien-Prakti- kum Oberschaubarer.

3. Das Praktikum gibt jedem Bewer- ber die Gelegenheit, den erstrebten Beruf an der Basis (z. B. Kranken- pflege) kennenzulernen. Fehlvor- stellungen können jetzt noch korri- giert und die Bewerbung gegebe- nenfalls zurückgezogen werden, ohne daß es zu den jetzt üblichen Studienplatzblockierungen durch Studienplatzwechsler bzw. Studien- abbrecher kommen muß.

4. Die genannten Auswahlkriterien erlauben eine einigermaßen gerech- te Prüfung der Studier- und Berufs- eignung, solange der Mangel an Ausbildungsplätzen eine Beibehal- tung des Numerus clausus nötig macht.

C. Langfristige Planung

Langfristige Maßnahmen zur Ände- rung der jetzigen Auswahlbedingun- gen des Numerus clausus müßten eine umfassende Schul- und Stu- dienreform zur Grundlage haben.

Dieser Weg erscheint uns nicht ge- eignet, die jetzt zur Universität drän- genden, geburtenstarken Jahrgänge über gerechtere und praxisbezoge- nere Zulassungskriterien aus der derzeitigen Numerus-clausus-Mise- re zu befreien.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Karl Ernst Littann Bahnhofsallee 2

3200 Hildesheim

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