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iese Worte tun uns gut, denn wir sind doch bisweilen von Selbst- zweifeln geplagt, ob das, was wir tun, wirklich sinnvoll ist.“ Dankbar quittierte Prof. Dr. med. Bruno Müller- Oerlinghausen, Vorsitzender der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), das Lob des Präsi- denten der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, für die „großartige Arbeit“ des Fachaus- schusses der BÄK bei der diesjährigen Mitgliederversammlung in Köln. Hop- pe hatte auf die erhebliche Verantwor- tungszunahme der BÄK vor allem in zwei Bereichen hingewiesen: in der Ver- sorgungsforschung und beim nationa- len Leitlinienprogramm. Vor allem Letzteres wurde durch die Arbeit der AkdÄ 2003 erfolgreich vorangetrieben:Neben zahlreichen Bekanntgaben hat die Kommission vier Therapieempfeh- lungen und 18 evidenzbasierte Leitlini- en vorgelegt. Allerdings habe es auch viel „Gegenwind und Kritik“ gegeben, betonte Müller-Oerlinghausen. So wür- den sich zurzeit „Kübel des Zorns“ we- gen der Leitlinie zur Hormontherapie über die AkdÄ ergießen. Dennoch sei gerade diese ein wichtiger Erfolg. Hier- zu werde gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse eine Patientenbroschüre vorbereitet. Erfolgreich verlaufen auch die Planungen zu einem Projekt am Kli- nikum Saarbrücken, in dem es um die gezielte ärztliche Information zur akti- ven Vermeidung unerwünschter Arz- neimittelwirkungen geht. Positiv hat sich außerdem der Ende 2002 gestartete Newsletterversand entwickelt: 2003 hat die AkdÄ 36 Newsletter verschickt und so mehr Transparenz und Öffentlichkeit für ihre aktuelle Arbeit geschaffen.
Zu den nicht gelösten Problemen der AkdÄ gehört nach wie vor die unzurei- chende Verbreitung ihrer Memoranden
und Stellungnahmen. So hat eine Studie ergeben, dass der Bekanntheitsgrad der Therapieempfehlungen eng mit dem Verhalten der Kassenärztlichen Vereini- gungen verknüpft ist. Die Ärzteschaft müsse zeigen, wie ernst sie es mit Quali- tätssicherung meine, und daher die The- rapieempfehlungen bundesweit vertei- len, forderte Müller-Oerlinghausen. Un- terstützung erhielt er von Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm. Der Vorsitzen- de der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) sagte, das Kreuzfeuer der Kritik, in dem die Ärzte stünden, hänge auch mit ihrem Verordnungsverhalten zusammen. Unverändert gebe es hier Defizite, daher seien die Therapieemp- fehlungen notwendig. Zwar sei es gelun- gen, den Kollektivregress aus dem GKV- Modernisierungsgesetz zu entfernen.
Doch Richtgrößen und Prüfungen erfor- derten weiterhin die Arzneimittelbera- tung. Der KBV-Vorsitzende verwies auf den Gemeinsamen Bundesausschuss und das angegliederte Institut für Qua- lität und Wirtschaftlichkeit in der Medi- zin, das auch für die Nutzenbewertung der Arzneimittel zuständig ist: Über das neue Institut bestehe eine Chance, die Finanzierung für die Aufgaben der Arzneimittelkommission zu realisieren.
Denn diese kämpft mit finanziellen Eng- pässen: Sorgen bereitet zum Beispiel die künftige Finanzierung des mittlerweile in 21. Auflage vorliegenden „Arzneimit- telreports“, und auch für den Aufbau der geplanten neuen Datenbank „Artemis“
zur Erfassung unerwünschter Arznei- mittelwirkungen, die das bisherige Sy- stem „Phoenix“ ablösen soll, steht noch kein Geld zur Verfügung.
Für 2004 hat sich die AkdÄ einige in- terne Reformen vorgenommen: Dazu gehört die Frage, wie die Einbeziehung von Fachmitgliedern in die Erarbeitung gutachterlicher Stellungnahmen und Leitlinien erweitert und die frühzeitige Information innerhalb der Kommission verbessert werden kann. Außerdem soll das Problemfeld möglicher Interessen- konflikte von AkdÄ-Mitgliedern end- lich geregelt werden.Heike E. Krüger-Brand P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3285
Arzneimittelkommission
Akzeptanz verbessern
Die Veröffentlichung medizinischer Leitlinien macht große Fortschritte. Allerdings muss ihr Bekanntheitsgrad bei den Ärzten noch erheblich verbessert werden.
Plädoyer für unabhängige Studien
Um sinnvolle Therapieentscheidungen zu treffen, müssen die Ärztinnen und Ärzte auf Erkennt- nisse vergleichender, wertender Arzneimittelstudien zurückgreifen können. Benötigt werden nach Ansicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in erster Linie Stu- dien, die die Verbesserung relevanter Eckpunkte untersuchen. „Die Ärzte wollen nicht wissen, ob der fünfte Protonenpumpeninhibitor wirksam ist – natürlich ist er das, sonst würde er ja nicht zu- gelassen –, sondern ob er einen tatsächlichen, medizinisch relevanten Vorteil für den Patienten hat“, betonte der AkdÄ-Vorsitzende Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen während der Medica Ende November in Düsseldorf.
Dafür brauche man herstellerunabhängige, mit öffentlichen Mitteln geförderte Studien – die in Deutschland fehlen. „Das entscheidende Defizit“, so Müller-Oerlinghausen, „könnte man benennen als mangelnde Kultur der Themenwahl, der Prioritätensetzung, der konzertierten Planung im Feld der klinischen Arzneimittelstudien.“ Es sei deshalb nicht verwunderlich, dass beispielsweise die ent- scheidenden Impulse zur Neubewertung der Hormontherapie nicht von deutschen, sondern von großen staatlich geförderten Studien aus den USA und Großbritannien ausgegangen seien. Nach Ansicht der AkdÄ kann es nicht den Bundesministerien für Gesundheit und Forschung oder der Deut- schen Forschungsgemeinschaft überlassen bleiben, die wichtigen Themen im Bereich der klinischen Arzneimittelforschung auszuwählen. Die Institutionen der verfassten Ärzteschaft, wie die AdkÄ, aber auch der Gemeinsame Bundesausschuss und das neue Institut für Qualität und Wirtschaftlich- keit in der Medizin, sollten hier entscheidenden Input geben. Die AkdÄ hat einen ersten Schritt ge- tan und dem Bundesgesundheitsministerium eine Liste von aus ihrer Sicht vordringlichen Studien übergeben. Zur Finanzierung sollte nach Ansicht der AkdÄ ein neutraler Finanzpool geschaffen wer- den, in den Bund, Länder, Pharmaindustrie und gegebenenfalls die Krankenkassen einzahlen. HK