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Archiv "Elektronische Gesundheitskarte: Gefühlte Freiwilligkeit" (13.02.2009)

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A278 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 7⏐⏐13. Februar 2009

P O L I T I K

G

ute Karten für die Zukunft? – unter diesem mit Fragezei- chen versehenen Titel beschäftigte sich der 5. Göttinger Workshop zum Medizinrecht in der schönen Pauli- nerkirche mit der Einführung der elek- tronischen Gesundheitskarte (eGK)*.

Zu den „Zweifelsfragen“, die etwa der Rechtsexperte Prof. Dr. med. Dr.

jur. Christian Dierks, Berlin, auf- warf, zählt unter anderem die Frage, inwieweit der Patient Einfluss auf den Inhalt der Karte haben soll. Vie- le Kritiker der Karte raten in diesem Kontext davon ab, genetische und psychiatrische Daten zu speichern.

„Ich warne davor, dass wir den Men- schen gewissermaßen in zwei Tei- le teilen, einen somatischen und ei- nen psychiatrisch zu behandelnden Teil“, meinte dagegen Dierks. Der Patient bedürfe auch als „Herr seiner Daten“ der qualifizierten ärztlichen Unterstützung und Beratung, denn der Arzt könne die Relevanz der me- dizinischen Daten besser einschät- zen. Auch im Umgang des Arztes mit der Karte müsse sich noch zeigen, wie weit dieser die damit zugänglichen Informationen in seine Behandlungs- entscheidung aus Haftungsgründen mit einbeziehen muss. „Um eine Plausibilitätsprüfung und eigenstän- dige Würdigung der Daten kommt der Arzt nicht herum“, so Dierks.

Gegen die Zwangsanbindung

Kontrovers diskutiert wird darüber hinaus die Freiwilligkeit der On- line-Anbindung der Leistungser- bringer an die Telematikinfrastruk- tur, die zuletzt die AOK Rheinland/

Hamburg infrage gestellt hatte. „Hier tut sich ein gewaltiger Graben zwi- schen Krankenkassen und Ärzten auf“, befand Dierks. „Man kann die

Ärzte nicht in ein System zwingen, für das sie keine Notwendigkeit se- hen“, argumentierte Dr. med. Franz- Joseph Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundes- ärztekammer. Die Freiwilligkeit der Online-Anbindung stehe bei den Forderungen der Ärzte daher an ers- ter Stelle. Das sei letztlich eine „ge- fühlte Freiwilligkeit“, denn natür- lich könnten sich die Ärzte dem Druck nicht völlig entziehen. So ge- winne der online aktualisierte Ver- sicherungsstatus etwa im Rahmen von Selektivverträgen immer mehr an Bedeutung. Außerdem werde der Patient den Arzt künftig auch daran messen, ob dieser technische Mög- lichkeiten, wie etwa eine elektroni- sche Patientenakte (ePA), nutze. „Die Freiwilligkeit stößt da an Grenzen, wo Ansprüche an den Arzt herange- tragen werden, die dieser erfüllen kann oder auch nicht – dann muss er aber die Konsequenzen tragen“, so Bartmann. Beispiel ePA: Mit der Komplexität der Erkrankung steige der Nutzen einer ePA. Denn diese sei „kein Roman, sondern eine Such- maschine“, in der man mit wenigen Mausklicks die notwendigen Infor- mationen finde und Fremdbefunde nicht erst mühsam beibringen müs- se. Um Vollständigkeit gehe es dabei laut Bartmann nicht, weil die ePA das sorgfältige Arztgespräch nicht er- setzen soll. Ebenso werde die Trans- parenz bei den Krankenkassen nicht über das bisherige Maß ausgeweitet.

Ob die gesetzlich zugesicherten Zugriffs- und Kontrollmöglichkei- ten der Versicherten sich tatsächlich auch mit Blick auf grenzüberschrei- tende Versorgungsprozesse in der Praxis bewähren, ist für Prof. Dr.

Gunnar Duttge, Universität Göttin- gen, fraglich. Die EU fordert von ihren Mitgliedstaaten verstärkte An- strengungen zur Entwicklung inter- operabler Systeme zur Patientenbe-

handlung und strebt eine bessere Vernetzung an. Sie hat zudem eine Fülle von gesundheitspolitischen Richtlinien und Verordnungen ge- schaffen, zu deren Umsetzung die Mitgliedstaaten verpflichtet sind und die sich auf viele nationale Regelun- gen auswirken. Die „Europäisierung des deutschen Gesundheitsrechts“

sei in vollem Gange, erklärte Prof.

Dr. Heinrich Hanika, Wirtschafts- hochschule Ludwigshafen. Bis zum Jahr 2013 stecke die EU 90 Milliar- den Euro in den Ausbau von Gesund- heitsdienstleistungen, Portalen und E-Health, berichtete Hanika. Es gibt E-Health-Aktionspläne und viele Forschungsprojekte. So hat die EU- Kommission unter der Bezeichnung S.O.S. (Smart open Services) ein E- Health-Projekt („Large Scale Pilot“) gestartet, um die grenzüberschrei- tende Nutzung von personenbezo- genen Gesundheitsdaten auf der Ba- sis bereits vorhandener technischer Infrastrukturen zu ermöglichen. Da- bei geht es vor allem um den medi- zinischen Basisdatensatz („patient summary“) sowie um die IT-ge- stützte Arzneimitteldokumentation.

Werkzeug für Systemumbruch

Dass E-Health nicht nur für den Ein- satz von IT in bestehenden Versor- gungssystemen, sondern auch für Sys- temveränderung stehe, betonte Prof.

Dr. Otto Rienhoff, Universität Göttin- gen. „Die Gesundheitskarte ist dabei nur ein Werkzeug, nicht mehr“, so Rienhoff. „Der rechtliche Rahmen ist das Entscheidende, um die angestreb- te patientenzentrierte Rollenvertei- lung abzusichern.“ Das Ziel sei die Reorganisation sämtlicher Abläufe im Gesundheitswesen auf Basis nach- vollziehbarer, transparenter Prozes- se. Voraussetzung dafür sei eine all- gemeine Kommunikationsbasis, eine sichere Infrastruktur. Was dann an weiterer Technik hinzukomme, müs- se darin eingefügt werden. Rienhoff:

„Wir können nicht erwarten, dass die Prozesse in den Arztpraxen so weiter- laufen wie bisher, sondern sie werden sich ändern. Beispiel Notfalldaten- satz: Es kostet Zeit und Aufwand, diesen zu erstellen. Aber wir wollen ja nicht den Status quo, sondern eine Verbesserung der Versorgung.“ n Heike E. Krüger-Brand

ELEKTRONISCHE GESUNDHEITSKARTE

Gefühlte Freiwilligkeit

Die Strukturveränderungen im Gesundheitswesen sind ohne sichere Telematikinfrastruktur nicht zu bewältigen.

Die Ausgestaltung im Detail wirft noch viele Fragen auf.

* Die Vorträge des Workshops werden als Band 6 der Reihe „Göttinger Schriften zum Medizinrecht“ erschei- nen (http://univerlag.uni-goettingen.de). Eine kosten- freie Onlineversion wird dann ebenfalls bereitgestellt.

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